Nr. 153.
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Vorwärts
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Der Bauernschutz
im preußischen Landtage.
Sonntag, den 2. Juli 1893.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
rechtlich genossene Einkommensteuerfreiheit auch noch Mag der Kleinbauer zu Grunde gehen, mag der durch den entschädigt und und nicht blos den ehemals furhessischen Bucherer und den Junker herbeigeführte Niedergang durch Standesherren, sondern auch allen anderen Begnadeten, die Versagung der Hilfe in schlimmster Zeit beschleunigt die dabei irgendwie in Frage kommen, ausgiebigste werden, was thut's?
Die Interpellation Schulz Lupih, be- Gemeindeſteuerfreiheit auch für die Zukunft verbürgt. Aber, so fragen wir, wer trägt dazu bei, daß die treffend die Futternoth, tam in der Sigung Preußen hat den Reichsunmittelbaren die der Staats- Bauern noch schneller als es der Gang der Entdes preußischen Abgeordnetenhauses vom hoheit" geradezu ins Gesicht schlagende Erhebung derselben wickelung mit sich bringt, deklassirt und proletarisirt 1. Juli zur Besprechung. Schulz Lupi erklärte, Bergwerksabgabe in den Bergwerksbezirken, wo sie, wie werden, wer züchtet die nene Mannschaft der Sozialdemokratie? er befürchtete zwar keine schlechte Ernte für dieses in Beuthen - Jannowit( Graf Henckel zu Donnersmart) oder Mag Heute die Bauernschaft dem Antisemitismus noch Jahr, wohl aber einen besonders für den kleinen Grund- in Kattowitz - Myslowit( Herr von Tiele- Winkler) das Berg- Heeresfolge leisten, noch einige solche Püffe gegen den befizer gefährlichen Stroh- und Viehfuttermangel. Die regal besaßen, auch jezt noch zugesichert, nachdem der Staat antikollektivistischen Bauernschädel" und der Bauer ist Frachtermäßigung für Futtermittel sei zwar anzuerkennen, den nothleidenden Grubenbaronen die Abgabe geschenkt hat. unser. aber da keine Endfrist angegeben sei, wäre eine gewisse Un- Die ganze Miquel'sche Steuerreform bedeutet eine neue Dem Ertrinkenden, der nicht schwimmen kann, predigt ficherheit hervorgerufen worden. Wichtiger als wohlfeile Privilegirung der oftelbischen Junkerschaft, und der Staffel- Herr von Heyden Selbsthilfe. Er vertröstet die NothFrachten sei eine Reform des Wafferrechts. Man solle tarif wird trotz oder gerade wegen des Fastnachtsspaßes leidenden auf die Kreisverbände, wo des Bauern ältester dafür sorgen, daß die Manöver nicht in futterarmen der Doppelbeschlüsse der Landrathskammer erhalten bleiben und ärgster Feind, der Junker die erste Geige spielt, wo Gegenden stattfänden. Er erwarte, daß die Regierung eine als ein Vorrecht des alten und befestigten Großgrund- dieser die Rollen und die Gaben austheilt. Und wenn dann zweckmäßige Vorlage einbringe. Schulz Lupiz sprach sich besiges östlich der Elbe .
im agrarischen Interesse gegen die Aufhebung des Zolles Heute, da amtlich der Nothstand gerade in den Gegenfür Mais, Reis und Dari aus, weil bei der vermuthlich den festgestellt ist, wo die Bauernschaft fitt, erklärt großen Kartoffelernte diese Erzeugnisse der Kartoffel, d. h. der Verfechter der Staatshilfe für abgehaufte Agrarier den schnapsbrennenden Kartoffeljuntern in staatsmännischer Ruhe: einen starken Wettbewerb machten.
vielleicht das Wasser dem Untergehenden über dem Kopfe zusammenschlägt, dann wird vielleicht der Rettungsfahn, dem Schuße der Bürger empfohlen, von der Kette gelöst, und man kommt zu spät.
Der Landwirthschaftsminister v. Heyden stellte fest, daß nach amtlichen Nachrichten die Verhältnisse von Often nach Westen fortschreitend sich ungünstiger gestalteten. Das heißt also, daß gerade die Bezirke, wo der fleine und mittlere Besitz vorherrscht, schlechter daran sind als die Bezirke des ostelbischen Großgrundbesitzes. Kleeheu und Wiesenheu fet von der Mitte des Landes nach Westen hin ganz ausgefallen, auch Sommerrogen falle nach Westen fortschreitend fort. Dagegen seien die Brotfrüchte, Weizen und Roggen, im überwiegenden Theile des Landes wenigstens genügend, sogar gut; in einzelnen Landestheilen sei allerdings eine Nothlage in Roggen eingetreten, aber voraussichtlich werde ein Mangel an Volksnahrung sich nicht geltend machen. Es sei jedoch anzuerkennen, daß die Ernährung des Viehes in einem großen Theile des Landes schwierig verkannt, daß die Entwickelung der Verhältnisse später die Wie die preußische Regierung heute handelt, so hat sie sei, daß sich namentlich im Westen, in der Aufwendung noch anderweiter Mittel nothwendig machen und die Folgerichtigkeit ist anzuerkennen und zu verRheinprovinz, in Hessen- Nassau , in den Regierungsfann, aber obwohl dann der Landtag nicht zusammen sein stehen, da wir eben im Junkerstaat leben bezirken Arnsberg und Erfurt besorgnißerregende Verhältnisse wird, glaubt die Staatsregierung, daß sie nach Lage der Ver- den Bauern gehandelt. Die berufene Bauernbefreiung, die in dieser Beziehung entwickelt hätten. Das Staats- hältnisse außeretatsmäßige Mittel zur Hebung des Nothstandes die Bauern von einem Drittel bis zur Hälfte ihres Grund ministerium hält, wie v. Heyden mittheilte, an seinen Be- verwenden fann, und nicht befürchten muß, dafür die Judemnität und Bodens befreite und den Landräubern und schlüssen vom 26. Juni fest, die unseres Erachtens durchaus nicht zu erhalten." nicht genügen( Frachtsaz- Ermäßigung, beschränkte Deffnung Wie sie gelächelt haben, die wackren Auguren des preußischen Milliarde in den Beutel schob, ist vorbildlich für die Bauernlegern dadurch und durch die Ablösungen eine des Waldes für Streu und Weide). Für die Sozial- Abgeordnetenhauses, die Konservativen, die Freikonservativen, preußische Agrarpolitik, die den Großgrundbesitzer beschützt politit von Oben lieferte der Retter verkrachter der gewinngierige Klüngel der Krautjunker und Groß- und unterstüßt, den Bauern aber an die Kreistage und Domänenpächter und Gönner des Großgrundbesiges, industriellen, die aus des Reiches und des Staates, die aus an die Selbsthilfe verweist. Mit wuchtiger Betonung ruft der für die Liebesgaben der Brenner, für Bucker- der Steuerzahler Säckel sich bereichern, wie sie Beifall ge- Herr v. Heyden aus: prämien, für volksverwüstende Lebensmittelzölle gefühlvoll flatscht haben, als Herr von Heyden, dem sie wahrlich mit eintritt, einen schlagenden Beweis jetzt, da es sich Unrecht ein wenig gram sind, die entsittlichenden Einflüsse der thatsächlich darum handelt, der hartbedrängten Staatshilfe den Staats- und Reichs- Stipendiaten, Kleinbauernschaft in dieser schweren Noth der Zeit den nimmersatten Empfängern des Brenner- Trinkgeldes, thatträftig von Staatswegen beizuspringen. Preußen hat der Ausfuhrvergütungen, den Nutznießern der Agrar- und die Reichsunmittelbaren für die Jahrzehnte lang wider- Industriezölle flammend von sittlicher Entrüstung denunzirte.
Wer die Bauern an die Kreistage verweist, da Nach der damaligen Lage hat die Staatsregierung es wo der Staat berufen ist, thatkräftig und zwar sofort einnicht für nothwendig gehalten, mit der Gewährung von Geld zugreifen, offenbart, daß er feinen Einblick in die sozialmitteln zur Beseitigung des Nothstandes einzutreten. wirthschaftlichen Zustände befißt, daß er die Dinge durch wurde dabei von der Erwägung geleitet, daß jede Hergabe die Agrarierbrille sieht. Den Bauern wird es wie Schuppen von Staatsmitteln zur Bekämpfung von Nothständen von einer demoralisirenden( entsittlichenden) Wirkung be: von den Augen fallen, wenn sie hören werden, daß ihnen gleitet ist, welche wenn irgend thunlich, vermieden werden statt des Brotes der Staatshilfe der Stein von Nathmuß.( Zustimmung). Die Energie und Selbstthätigkeit schlägen, die sie nicht brauchen, gegeben wird. Wer sich der Bevölkerung wird dadurch gelähmt. Die daran erinnert, mit welcher Gilfertigkeit die ver Staatsregierung hat das volle Vertrauen zu den schiedenen Zollgesetze durchgepeitscht worden sind, und Drganen der Selbstverwaltung und den mit ihnen wie in Preußen und im Reich der JunkerHand in Hand arbeitenden Behörden, daß sie diejenigen Maß wunsch Befehl ist, wer sich daran erinnert, daß die deutschregeln ergreifen werden, welche nach Lage der Verhältnisse in russische Handelspolitik durch den Fachverein der Brot den einzelnen Kreisen erforderlich sind. Es wird in erster
Reihe Aufgabe der Kreisverbände, denen Mittel dafür zur Ver- vertheurer, den Bund der Landwirthe", auf das ärgste fügung stehen, sein müssen, Hand anzulegen und helfend ein- gefährdet ist, der wundert sich freilich nicht über den Bauernzutreten. Dabei hat die Staatsregierung, wie gesagt, nicht schuß von 1893.
Feuilleton.
Nadbrud verboten.)
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Die Bekehrung André Savenay's. André Savenay's.
Sozialistischer Roman von Georges Renard.
Autorisirte Uebersehung von Marie Runert.
der erste wirkliche Schmerz, den er ihr verursacht hatte
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immer an
Ich verkenne nicht, daß die Berichte, die mir seit dem 26. Juni zugegangen find, die Verhältnisse in der Rhein provinz und in Hessen- Nassau schon wieder dringlicher erscheinen lassen, und daß die Noth sich steigert. Trotzdem ist die Staatsregierung auch heute noch der Ansicht, daß es zunächst die Aufgabe der Betheiligten
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volle Gattin und hingebende Mutter ließ ihren Geschmack Bürgerklasse sie will. Mit peinlicher Sorgfalt achtete durch seine zärtlichen Aufmerksamkeiten willig leiten und sie auf ein standesgemäßes Auftreten. Ihre Anentwickeln. Und selbst von Liebe umgeben, breitete sie sichten waren Durchschnittsansichten, die fast jedem zusagten ihrerseits um all ihre Lieben eine wohlige Atmosphäre von und die in ihren Kreisen wohl gelitten waren; außerdem Glück und Behagen aus. Der plögliche Tod ihres Gatten, besaß sie ein wenig Frömmigkeit, die sich aber nur auf den regelmäßigen Besuch der Messe beschränkte und die es ganz traf sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Sie war zuerst natürlich fand, daß André sich, ebenso wie sein Vater, von wie betäubt; dann fam die Resignation, diese Tugend der der Kirche fern hielt. Sie suchte ein Jahr wie alle Jahre Schwachen und ihr einziger Trost über unersetzliche Ver- die Orte auf, welche man aufsuchen muß, sie sah alles, was luste, auch über sie und erhob sie wieder etwas. Ihr Antlig man sehen muß, wenn man sich zur vornehmen Welt Das Leben hatte es gut mit ihr gemeint. Ihr ganzes behielt nur von da ab einen Zug unauslöschlicher Traurig rechnet. Sie hatte ihre Logen im Theater und in der Dasein war ohne Sturm, ohne Unruhe und Sorge bisher feit, die sich wie ein schwermüthiger Schleier über ihre komischen Oper; sie besuchte regelmäßig die Seebäder oder dahingeflossen wie ein ruhiger Bach, dessen reine Fluthen Büge legte. Einer schwachen Schlingpflanze vergleichbar, andere fashionable Kurorte; sie zahlte pünktlich ihre Beizwischen blumigen Ufern dahingleiten. Als Kind sehr wohl die ihrer Stüße beraubt ist, suchte sie nun in ihrer Um- träge zu zwei oder drei Werken der Barmherzigkeit. Die habender Leute geboren, dann an einen Maim verheirathet, gebung nach einem Halt. Sie entledigte sich der Sorge um„ Revue des deux Mondes " lieferte ihr ihre Ansichten den sie liebte und der in seinem Wirken stets vom Erfolge die Verwaltung ihres Vermögens, die sie einem und Urtheile über literarische Dinge. Was die begleitet war, hatte sie in ihm den sicheren Führer und Bankier, einem alten Freund des Hauses, der nach dem Politik betrifft", sagte sie gelegentlich, so fragt es liebevollen Beschützer gefunden, dessen ihre Schwäche und Tode des Vaters Vormund der Kinder geworden war, über- fich, ob eine Frau sich überhaupt eine Meinung über solche Unkenntniß der realen Welt so sehr bedurfte. Er hatte trug. Herrn Bressuire , der übrigens dieses Vertrauen Dinge bilden kann und soll." Weil ihr Gatte als alle Sorgen, alle Mühe und Arbeit auf seine Schultern durch strengste Rechtschaffenheit verdiente, ließ sie volle Republikaner ein treuer Abonnent des" Journal des allein genommen. Er hatte von ihr nichts anderes verlangt, Freiheit bezüglich der Anlegung und Verwaltung des Ver- Débats" war, hielt sie es für ihre Pflicht, auch nach seinem als daß sie der Schmuck und die Freude seines Hauses mögens. Sie schloß sich von nun an besonders eng an ihre Tode die Dinge in der Politik durch die Brille derselben sei. Ich bin der Minister des Handels und der auswärtigen Kinder an. André war damals zwanzig Jahre alt und Zeitung zu betrachten. madd Angelegenheiten," sagte er, Du sollst der Minister des glich ganz seiner Mutter. Von ihr hatte er die feinen Germaine, ihre Tochter, war ein kleines Persönchen, so Innern sein." Und welch" ausgezeichneter Minister war Büge, den matten Teint, das braune Haar, aber auch die zart, zierlich und gebrechlich wie ein Porzellanfigürchen. Sie er gewesen! Welch' warmes und behagliches Nest hatte er Neigung für alles, was edel, elegant und anmuthig war. war ganz das Ebenbild ihres Vaters. Wie er hatte sie ihr zu schaffen verstanden! Ueberall Blumen, reizende Mehr noch trat bei ihm das scharfe Urtheil, der männliche lockiges, blondes Haar, blaue Augen, einen rosigen Nichtigkeiten, Pariser Kleinigkeiten, in denen Kunst und Charakter hervor. So wurde er bald der Nathgeber seiner Teint und sehr bewegliche Büge. Doch wie feltKomfort sich so bewunderungswürdig vereinen, alles von Mutter in allen Angelegenheiten und das eigentliche Ober- sam! Die Züge des Originals waren bei ihr zu einer geschmackvollen Eleganz, die von dem prunkenden und haupt der Familie. gleich verfeinert und verschärft. Ihrer Körpergeschmacklosen Luxus, den man so oft in reichen Häusern Sieben Jahre waren seitdem vergangen, und Frau beschaffenheit nach war sie das verkleinerte Ebenfindet, himmelweit entfernt war. So hatte er alles für Savenay hatte inzwischen nicht aufgehört, die elegante bild des Vaters, während sie ihm an Charakterfestigkei das Behagen der Seinigen angeordnet. Sie als liebe Dame zu sein, wie der Ehrenkoder der französischen überlegen war. Der alte Savenay war ein unruhiger
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