irr wird. 86« die geschichtlichen und psychologischen Wurzeln deS sozialen Kampfes liegen zu tief in der Masie und ihrer sozialen Lage, als daß wir um die Zukunft des Baumes besorgt sein dürften. Wenn heute ein mißverstandener Nützlichkeitsstandpunkt Partei und Masse entfremden, so handelt es sich um eine Phase, an deren Abkürzung Partei und Proletariat arbeiten müssen und arbeiten werden. Beide haben Schuld an dieser Entfremdung und. beide die Kraft sie aufzuheben. Sie russische Sozialdemokratie. (Von unserem russischen Korrespondenten.) Nach dem beispiellosen Aufschwung der Jahre 1905—1906 ist die Arbeiterbewegung in Rußland im Niedergang begriffen, was sich auf allen Gebieten des Klassenkampfes deutlich �ihlbar macht. Die ersten Anzeichen des Niederganges wies tn erster Linie die politische Organisation auf. In der Mitte des Jahres 1907, als die Wässer der großen Flut schon be- deutend niedriger standen, findet die sozialdemokratische Partei Nußlands doch genügend Kraft in sich, um einen Parteitag einzuberufen, aus dem 30� Delegierte zirka 150000 Arbeiter repräsentieren.*) Doch in den nächsten drei Jahren ist die Partei nicht mehr imstande einen Parteitag abzuhalten. 1908 kommt es zu einer engeren Parteikonferenz und das Zentralkomitee der Partei versammelt sich immer seltener und seltener; in seiner letzten Sitzung beschließt das Zentralkomitee die Einberufung einer allgemeinen Parteikonferenz während der nächsten Monate, doch ist der Parteiapparat bereits zu schwach; es gelaug binnen der verflossenen sechs Monate nicht, die Konferenz vorzubereiten. Die Verbindungen zwischen den einzelnen sozialdemokratischen Ortsgruppen sind unterbrochen, sogar in den größeren Städten sind die Komitees sehr schwach, die illegale Agitationsliteratur wird unregelniäßig und in sehr bo schräuktem Maße herausgegeben. 1907 schien es, daß sich die ganze Energie des Proletariats von nun an auf die Gewerkschaftsorganisationen richten werde. In der Tat wachsen die durch den Sturm 1905 zum Leben erwachten Gewerkschaften mit fieberhafter Eile; es entstehen Gewerkschaftsvereine nach den Provinzen; die Gewerkschaftspresse blüht auf. Zu Anfang 1907 zählten wir 652 Ortsgewerkschafteu mit 246272 Mitgliedern. Doch auch hier ist bald ein Rückgang der Bewegung bemerkbar. Die heftige Krise, die zehn Jahre andauert, schwächt die Gewerkschaften, verstärkt die Unternehmervcrbände, die Administration versetzt den Arbeitern einen Schlag nach dem anderen. Um nicht in Details einzugehen, sei hier nur erwähnt, daß im Laufe des Jahres 1908 doppelt sovielsGewerkschaften von der Regierung aufgelöst wurden, als man neue in derselben Zeit gründete. 1S66 blieben bloß 300 Gewerkschaften mit 130 000 Mitgliedern. 1909 schon weniger als 200. mit 37 000 Mit- gliedern. Ungefähr dieselbe Zahl Arbeiter, vielleicht noch weniger, sind durch Gewerkschaften gegenwärtig vereinigt. So wie die Gewerkschaften gleichsam als Ersatz für die Partei erscheinen, entstehen die Arbeiier-Konsumvereine als Ersatz für die Gewerkschaften. Im Laufe des Jahres 1908 werden allüberall Konsumgenossenschaften gegründet, sie wachsen rasch, wie Pilze nach dem Regen. Doch schon im Laufe des folgenden Jahres verkrachen die meisten von ihnen,— teils infolge der vollständigen Arbeitslosigkeit und der schrecklichen Not, die unter ihren Mitgliedern herrscht, teils infolge der Unerfahrenheit und UnVerläßlichkeit des leitenden Personals, endlich infolge der polizeilichen Repressiv- maßregeln. Nur eine kleine Anzahl dieser Konsumgenossen- schasten bleibt bis zu unseren Tagen bestehen. Dieses allgemeine Bild der fortschreitenden Schwächung des Klassen- kampses in dem nachrevolutionären Zeitabschnitt wird am grellsten durch die Zahlen der offiziellen Streikstatistik charakterisiert, so daß wir es für angemessen finden, einige hier zu bringen: �. Die ökonomischen und politischen Streiks 'b'tc Zahl der Streiks Zahl d. Teilnehmer 1895— 1904. 176 43 125 1905.. 13 110'») 2 709 695**) 1906.. 6114 1 108 406 1907 1908 1909 8 573 892 340 740 074 176 101 64 000 Die angeführten Zahlen sind unvollständig, da sie nur die den Fabrikinspektoren unterstellten industriellen Betriebe umfassen, aber die allgemeine Tendenz spiegelt sich in ihnen mit voller Deutlichkeit wieder. Die Schwächung der Tatkraft der Massen, hervorgerufen durch die grandiose Kraftauslösung 1905, durch das schreckliche Weißbluten, das der Konter-Revolution gefolgt ist, und durch die nicht enden ivollende Krise, wirkte verhängnisvoll auf das innere Leben der Partei. Je mehr sich die Partei von der Arbeitermasse löste, in sich selbst sich verschließend; je schwächer sie wurde infolge des Descrtierens der sozialisttschen Intelligenz sowie infolge der Polizeirepressalien, desto intensiver wurde der Kampf im Innern der Partei, desto tiefer die Spaltung unter den Fraktionen und Gruppen. Im Jahre 1905—1906 ver- einigten die Bolschcwiks und die Mcnschewiks unter dem Druck von unten ihre bis dorthin von einander vollständig ge- trennten Organisationen. 1907 wird zwar die formelle Ein- heit der Partei beibehalten, doch bilden die Bolschcwiks, die auf dem Londoner Parteitag wiederum die Majorität erhielten, mitten in der Partei ihre eigene Organisation mit einem be- sonderen geheimen Zentrum, geheim gehaltenen Gcldressourcen und eigenen Vorschriften, die sie entheben von der Notwendigkeit, sich den Vorschriften der Parteileitung zu fügen. Die neuen Formen und Aufgaben der Arbeiterbewegung: Parlameutaris- miis, Gewerkschufien, Konsumgenossenschaften stellen jedoch sehr bald den formellen und äußeren Radikalismus der Bolschewiks auf die Probe, der mehr die unmittelbare Verschärfung eines jeden politischen Gegensatzes im Auge hat, als die Erweiterung dessen sozialer Basis. Der Urbegründer der Boykotttaktik der Duma gegenüber, der Theoretiker des Partisanentums, der •) Die Delegierten versammelten sich ursprünglich in Kopen- Hagen, wo der Parteitag hätte stattfinden sollen, wurden jedoch Dank dem Eifer deS aufgetlärten Herrn(gewesenen) Justizministers Slberti deS Landes verwiesen. Bald nachher geriet dieser ehren- werte Freund deS russischen Zarismus vom Ministerfauteuil direkt ins Gefängnis. In seiner Einzelhaft tröstete den Herrn Exminister höchst wahrscheinlich der Gedanke, daß auch die Mehrzahl der Delegierten des russischen Parteitages seither hinter die Gitter der zarischen Gefängnisse kam— zwar für Verbrechen ganz anderer Art, als jener, welcher daS gewesene Haupt der dänischen Justiz in deren Objekt verwandelte. **) Der Prozentsatz der streikenden Unternehmungen im Jahre 1905 war 93,2 Proz., der der Arbeiter— 163,8 Proz.I Expropriation usw., der Führer der Bolschewiks, Lenin , machte eine ziemlich rasche Evolution durch in der Richtung der„Anerkennung" des Parlamentarismus, der Ausnutzung der legalen Möglichkeiten. Die Mehrzahl seiner Fraktion hält nicht Schritt mit ihm und die Bolschewiks spalten sich in drei Gruppen: die Anhänger Lenins , die in bedeutendem Maße ihren früheren geistigen Habitus eingebüßt, sich aber nicht von der fraktionellen Nnversöhnlichkeit befreit haben; die O t s o w i st e n(Abberufcr), welche die Abberufung der Fraktion aus der Duma fordern, und die U l t i m a t i st e n, die eine mittlere Position einnehmen. Lenin hat gegenwärtig die Majorität in dem Zentralorgan„Der Sozialdemokrat", den er im eng-fraktionellen Geiste weiterführt. Die' Ultimatisten gruppieren sich um das im Auslande erscheinende„Wpered" (Vorwärts). Die Otsowisten besitzen kein Organ. — Ein analogischer Spaltungsprozeß ging in den letzten zwei Jahren auch unter den Menschewiks vor sich. Auf dem rechten Flügel versammelten sich die sogenannten Legalisten und Liquidatoren, die mit dem Strom der Konterrevolution schwimmen, indem sie überhaupt die Notwendigkeit einer organisierten Partei negieren. Sie besitzen zwei legal erscheinende Preßorgane: „Nascha Sana" in Petersburg und„Wosroschdenie" in Mos kau. Auf dem linken Flügel bildete sich unter Führung von Plechanow eine Gruppe Menschewiks-„Partcilcr", welche sich mit Lenin vereinigten in dem Kampfe gegen die Liquidatoren und die Hauptvertreter des Menschewismus: Martow , Axelrod, Mariynow, Dahn , die keine ausgesprochene, bestimmte Stellung in dieser Frage einnehmen; ihr ausländisches Organ ist„Die Stimme des Sozialdemokraten". Noch nie standen die russischen Emigranten, die in unserer Partei eine unverhältnismäßig große Rolle spielen, den Interessen und Anforderungen der russischen Arbeiterbewegung so fremd gegenüber wie gerade jetzt. Die tatsächlichen politischen Differenzen haben sich abgeschliffen und gemildert, die Polemik hat einen rein scholastischen Charakter an genommen und im Zusammenbruch der früheren großen Fraktionen streben ihre einzelnen Teile danach, sich als selbständige Strömungen zu konstituieren. Trotzdem sind die Vertreter aller dieser Gruppen, als sie auf der letzten Vev sammlung des Zentralkomitees im Januar dieses Jahres auf die Äeantwortung der Frage:„Was tun?" herantraten, zu dem eiustimmigen Beschluß gekommen: die Tätigkeit der legalen und der illegalen Arbeiterorganisationen zu vereinigen, das Hervortreten der Dumafraktion in den Rahmen der allgemeinen agitatorischen Parteitätigkeit einzufügen und im Auslande eine Konferenz aus Sozialdemokraten zusammenzuberufen, die in der illegalen Partei und in den legalen Arbeiterorganisationen tätig sind, um auf diese Weise eine tatsächliche Wiedergeburt der Partei hervorzurufen. Diese Beschlüsse, welche leider dem Kampfe der ausländischen Emigrantengruppen kein Ende machten, haben eigentlich nur die Methode formuliert, nach welcher langsam, krankhaft und mit Unterbrechungen der Gesundungsprozcß der Parteiorganisation vor sich geht. Dieser Prozeß geht wirklich vor sich; man muß nur sehen können. Und wenn wir im vorhergehenden Teile unseres Artikels den Verfall der revolutionären Energie des Proletariats sowie die Entartung der früheren Parteiströmungen zu charakterisieren versucht haben, so bleiben uns jetzt die Elemente des Aufschwungs und des Wachstums der Partei zu skizzieren. In der Schule der Revolution und der Gegenrevolution erwuchs die sozialdemokratische Arbeitcr-Avantgarde, von der Partei geleitet und erzogen. Sie wirkt belebend auf die einander entfremdeten einzelnen Teile der Partei, leitet die Agitation, gibt Flugblätter heraus und bildet den Kern der Gewerkschaften, Bildungsvereine und Konsumgenossenschaften. 1907— klagte in der Duma der Gendarmerieches Kurlof— waren nuler 47 963 registrierten Gewerkschaftsmitgliedern 16 045 Sozialdemokraten, 1909 unter 27 619 Mitgliedern 13 475 1 Diese kleine Anzahl Sozialdemokraten ist der feste Grundstock der Bewegung. Sie ergreifen von jeder Bresche Besitz, ihre Repräsentanten treten in festgefügten Reihen auf allen bourgeoisen Kongressen: der Philanthropen, der Aerzte, Feministen und Feministinnen, immer die Prinzipien des Sozialismus verkündend, auf. Die in Wien mit Unterstützung des Zentralkomitees erscheinende Arbeiterzeitung„Pravda", welche sich von Anfang an ganz abseits von jeder Fraktions- Polemik gehalten hatte, stellt sich die Aufgabe, mittels plan- mäßiger politischer Agitation dieser Elite des Proletariats, die frei von jedem Vorurteile des Sektierertums ist, die Erneuerung der Partei auf gesunder, proletarischer Basis zu erleichtern. Wir besitzen eine parlamentarische Fraktion, welche aus 15 Mit- gliedern besteht. Gewählt unter den schrecklichsten Bedingungen, auf Grund des schändlichsten Wahlrechts, erhebt sie mitten in der undurchdringlichen Finsternis der Stolypinschen Duma tapfer die Stimnie des Protestes gegen die Greueltaten der trüliuphierendeu Reaktion. Je weiter, desto mehr lenkt die Fraktion die politische Aufmerksamkeit der vorgeschrittenen Arbeiter auf sich. Die Gewerkschaften tun alles, was sie können, um mit der Dumafraktion in Kontakt zu treten. Die gewerkschaftliche Presse wird trotz des über ihr hängenden Polizcischivertes im radikal-sozialdemokratischen Geist geführt, bringt die hervor- ragenderen Reden unserer Abgeordneten, beleuchtet kritisch die Arbeiten der Konsumgenossenschaften und Bildungsveran- staltungen und bringt auf diese Weise möglichst große Einheit in alle Gebiete des proletarischen Lebens und Kampfes. Derart sind die Elemente der Entwickeluug und Wiedergeburt der Partei. Wenn wir unsere jetzige Lage mit jener vergleichen, welche in Frankreich nach der Zerstörung der Kommune eintrat, als der Sozialismus für mehrere Jahre von der Erdoberfläche ver- schwand, so werden wir sehen, um wie viel wir jetzt reicher und stärker sind. Wenn sich die beginnende wirtschaftliche Belebung, die jetzt durch die schreckliche Cholcraepidemie unter- brachen ist, zu einem wirklichen Aufschivuug der Industrie entwickelt. Wird dies rasch die Gewerkschaften stärken, das Selbst- bewußtsein der Arbeiter heben und auf dieser Basis unsere Parteiorganisation festigen, indem sie für immer von den Uebcrbleibseln des Sektierertums der Intelligenzler gereinigt wird. Wir können mit Sicherheit der Internationale ver- sprechen, daß wir bis zum nächsten Kongreß viel stärker sein werden als jetzt._ - Oje Partei in Ilomegen. Kristiania , im August. Die sozialdemokratische Partei in Norwegen ist erst in den letzten Jahren ein wirklicher Faktor in der Gemeinde« und Staatspolitik geworden. Vor dem Jahre 1905 waren eS vornehmlich die UnionS» fragen, die Fragen des Verhältnisses zu Schweden , die im Vordergrunde des politischen Interesses standen und an denen sich die zwei politischen Parteien— Venstre , radikal, und Höire, konservativ— formierten. Nachdem die Venstrepartei eine Reihe konstitutioneller Refornen und die vollständige Selbständigkeit nach außen im Jahre 1905 durch» geführt hatte, ist diese bürgerlich-radikale Partei mehr und mehr dazu übergegangen, an dem Bestehenden festzuhalten und der wirk- liche Freisinn beginnt nun, sich unter der Fahne der Sozialdemokratie zu sammeln. Norwegen ist im Begriffe ein Industrieland zu werden, was sich auch im politischen Leben ausprägt. Es find in den letzten Jahren ein neues Fabrikgesetz, ein Gesetz über Staats zuschuß an Arbeitslosigkeitskassen und eine Zwangskranken» Versicherung für alle Lohnarbeiter, deren Verdienst in den 'Städten 1400 Kr. und auf dem Lande 1200 Kr. nicht übersteigt, durchgeführt worden. Diese Gesetze sind natürlich bei weitem nicht so, wie die Arbeiter» schaft sie fordert, aber sie bezeichnen doch einen sozialen Fortschritt und tragen auch das Gepräge, daß die gesetzgebende Körperschaft angefangen hat, in größerem Matze als bisher sich mit den ver« schiedenen Arbeiterfragen zu befassen. In Vorbereitung ist ein Gesetz über obligatorische Vermittelung bei Arbeiterkonflikten. Die Verfassung in Norwegen ist streng demokratisch und kennt nur das Einkommcnsystem, hat im weiteren eine ausgeprägt parla- mentarische Negierung und so gut wie kein königliches Veto. Nach der letzten Erweiterung des Stimmrechte? im Jahre 1909 haben alle Frauen und Männer über 25 Jahre Wahlrecht bei den Gemeinde wählen, ausgeschlossen sind nur diejenigen, die im letzten Jahre vor der Wahl Armenunterstützung bezogen haben. Bei den Storthingswahlen(Parlament) besteht noch eine Begrenzung für die Frauen, indem Steuerzahlung Bedingung für das aktive Wahlrecht ist. Ein Vorschlag zur Erweiterung ist dem Storthing unterbreitet, und es hat alle Wahrscheinlichkeit für sich, daß et angenommen wird. Die Mitglieder der norwegischen Arbeiter» parte! rekrutieren sich im wesentlichen aus den Fachvereinen, die in großer Zahl der Partei angeschlossen find. Die gewerkschaftliche und politische Arbeiterbewegung arbeitet in Norwegen Hand in Hand, ohne jedwede Reibungen, da die organisierten Arbeiter die Sozialdemokratie als die ihnen am nächsten stehende Partei erkennen. Der Fortschritt der politischen Arbeiterbewegung ist natürlich in hohem Grade von der Entwickelung der Industrie und den Gewerk- schasten bedingt. Aber auch in den ländlichen Distrikten sind in letzter Zeit eine Reihe sozialdemokratischer Vereine gegründet worden. Die Arbeiterpartei zählte im Jahre 1909 26 800 Mitglieder in 637 Vereinen. Die gewerkschaftliche Landesorganisation (Landeszentrale), die praktisch alle Arbeiterfachvereine umfatzt, hat ungefähr 50 000 Mitglieder. Von den Faibverbänden find der Ver- band der ungelernten Arbeiter und der Eisen- und Metallarbeiter- verband die größten mit 22 000 und 8000 Mitgliedern. ES existieren zurzeit 460 Tarifverträge, sie umfassen zirka 50 000 Arbeiter. Die meisten Verträge sind seit 1905 abgeschlossen, wo die Gewerkschaften sich durchzusetzen vermochten. Die verschiedenen Organisationen haben ein Gesamtvermögen von zirka 1 Million Kronen. Die Parteistärke bei der StorlhingSwahl 1909 war wie folgt: Konservative 173 092 Stimmen oder 41,7 Proz., Bürgerlich -radikale 132 907 Stimmen oder 31,7 Proz., Sozialdemokraten 91 047 Stimme« oder 21,7 Proz., andere Parteien 22 573 Stimmen oder 5,4 Proz. Im ganzen wurden 419 619 Stimmen in 123 Kreisen ab» gegeben. Die Abgeordneten verteilen sich wie folgt: Die Kon» servativen haben einen Abgeordneten auf 2748 Stimmen, die Bürgerlich -radikalen einen auf 2828 und die Sozialdemokraten einen auf 8277 Stimmen. Die Parteigruppen im Storthing bestehen nämlich aus 63 Konservativen, 47 Bürgerlich-radikalen, 11 Sozial- dcmokraten, 2 Unabhängigen. Daß die Sozialdemokraten trotz ihrer großen Stimmenzahl nur so wenig Abgeordnete erhalten haben, kommt davon, daß die Wahlen in Kreisen vor sich gehen, die nur einen Abgeordneten wählen. Bei den Stichwahlen gehen in der Regel die bürgerlichen Parteien(auf alle Fälle die konservativen) zusammen gegen die Sozialdemokraten. Auf diese Weise steht die Sozialdemo- kratie mit großen Minoritäten in einer Reihe von Kreisen, die voraussichtlich bei den nächsten Wahlen im Jahre 1912 ihr zufallen werden./ Die Partei schließ) keine Wahlbündnisse, weder in der ersten noch in der zweiten Wahl. Ausschlaggebend für diese Taktik ist zum Teil die Tatsache gewesen, daß die bürgerlich-radikalen Parteien in Norwegen stark militaristisch und protektionistisch sind und auf diese Weise ein Zusammenarbeiten unmöglich machen. Inwieweit diese Taktik auch fernerhin aufrechterhalten werden kann, wenn die Partei immer größer wird, ist eine andere Frage. Die sozialdemokratische Storthingsgruppe macht sich als antragstellende und angreifende Partei geltend und übt dadurch moralischen Einfluß auf das Storthing aus. Die bürgerlichen Parteien sind wegen des starken Anwachsens der Sozialdemokratie ganz ängstlich geworden; bezeichnend dafür sind die Worte eines Abgeordneten; er sagte nämlich, die einzigste Art, die Sozial- demokraten zurückzudrängen, sei, gute, soziale Reformen durch» zuführen. Auch in der Kommunalpolitik macht sich die sozial» demokratische Partei geltend. In mehreren größeren Städten und industriellen Distrikten bilden die Sozialdemokraten die zweit- größte Partei in den Gemeindcparlamenten und sind im Begriff, die Mehrzahl an sich zu reißen. Es ist speziell die Entwickelung der Volksschulen und kommunalen Betriebe, der Straßenbahnen usw. usw., für was die Partei dort arbeitet. Das Genossenschaftswesen ist m Norwegen weniger ausgebreitet; aber das Interesse für dieses Glied in der Arbeiter» bewegung befindet sich in starker Steigung und auf dem Kongreß der Landeszentralen in diesem Jahre ist diese Sache eingehend be- handelt und ein Vorschlag angenommen worden für Agitation und Förderung des Genossenschaftswesens. Die sozialdemokratische Presse hat w allerletzt« Zeit eine starke Zunahme und Erweiterung erfahren. Es erscheinen jetzt 8 täglich erscheinende Zeitungen, 3 dreimal wöchentliche. 7 zweimal wöchentliche, 3 Wochenblätter, 1 halbmonatliches Blatt, 2 Monatsblätter, 1 Vierteljahresschrift, 1 halbmonatliches Witz- blatt. Außerdem erscheint eine Reihe von Agitationsschriften. Die norwegische Arbeiterpartei hat durch den sicheren Mit- gliederstand, den sie in den Gewerkschaften besitzt und durch daS gute Zusammenhalten innerhalb der Partei die besten Aussichten für ein« gesunde und kräftige Entwickelung. Die Partei ist. üb« die erste Agitationszeit hinausgerückt und kann nun ihre Theorien teilweise in die Praxis umsetzen. Die demokrattsche Verfassung des Landes gibt den Arbeitern freien Zugang zur Uebernahme der Verwaltung in Staat und Kommune. Wann dies geschehen wird, das hängt von d« Auf. klärungs- und Agitationsarbeit ab, die. die Partei und die Ge- werkschasten leisten können. ES ist nicht ausgeschlossen, daß Nor- wegen in der Richtung deS sozialen Fortschritte? ein vorbildliches Land werden wird, was es bereits neben Finnland in Wahl- vechtsfragcn ist. (Fortsetzung in der 2. Beilage.) Verantw. Redakteur: Han« Weber, Berlin . Inseratenteil verantw.i Uh. Glocke, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. BerlagSanftall Paul Singer Le Co., Berlin L W. Hierzu 6P«ila»en.
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