Natürlich entlasten die Sünden Bülows und des AuswärtigenAmtes den Kaiser nur zum kleinsten Teile. Gewiß, durch denGang der Ereignisse ist er in dieser Afsäre zur Nebenfigur geworden.Aber er ist doch der Urheber der ganzen Geschichte."„Münch. N. Nachrichten":„Welche Maßnahmen sind getroffen, um solche Dinge für dieZulun st zu verhüten?! Darüber wird auch der Reichstag,so hoffen wir, klipp und klar Antwort verlangen, und Sicherung,daß solche Dinge sich nicht wiederholen können I Sonst wäredas Entlassnngsgesuch des Reichskanzlers und seine Ablehnung einT a s ch e n s p i e l e r st ü ck. um die Schuldigen verschwinden zulassen."„Breslaucr Morgenzeitung":„Werden wir gut regiert? Nein! Wir werden schlechtregiert, ungeschickt, selbstherrlich. Die rudimentärenFormen des Absollitismus, die Wilhelms II. Selb st herrlich-t e i t im Innern und im Aeußeren zu schädlichen Irr-tümern sich betätigen läßt, werden durch die beschämenden Miß-erfolge der deutschen Politik auf allen Gebieten als unheil-st i f t e n d jetzt endlich erkannt werden müssen. D i eZeiten sind vorbei, in denen ein gekröntes Geniedie Geschicke von Millionen zum Gegen st andseiner politischen Experimente machen durfte.Aber niemals sind gewesen und werden kommen die Zeiten, indenen ein politisch nicht begabter Fürst jeden sein Hirnzufällig kreuzenden Frenndschafts- oder Feindschaftsgedanken kritiklosin die Tat umsetzen darf."Wenn die„Nordd. Allg. Ztg." wünscht, kann die Listeauch noch fortgesetzt werden.sticht intereiielo!- aber volksfeindlich.Ueber die Stellungnahme der preußischen Regierung zur Frageder Fleischnot schreibt die Korrespondenz Woth:Die Tatsache, daß seit Wochen eine erhöhte Steigerung derJleischpreise eingetreten ist, läßt sich nicht bestreiten. Die Annahmeaber, daß die preußische Regierung den veränderten Verhältnissengegenüber interesselos gegenüberstehe, trifft keineswegs zu. Daszuständige Ministerium hat die Entwickelung verfolgt und auch Er-wägungen angestellt, ob eine Milderung der hohen Fleischpreise durchRegierungsmaßnahmen möglich sei und wo die Gründe für dieFleischteuerung zu suchen seien. Das Ergebnis ist folgendes:Eine Fleischteuerung besteht nicht allein in Deutschland,sondern in ganz Mitteleuropa, vor allem auch in Oesterreich, derSchweiz und in Holland. Der Grund ist wahrscheinlich in derschlechten Futterernte des Vorjahres zu suchen, die viele Vieh-besitz« veranlaßt hatte, ihre Bestände zu verringern, uni nichtmit großen Unkosten später Futtermittel kaufen zu müssen.Eine Herabsetzung des deutschen Viehbestandes aus speku-lativen Gründen zur Erzielung höherer Fleischpreise dürftenicht erfolgt sein, weil eine>olche Maßnahme kaufmännischunklug wäre, überdies läßt sich schlachtreifes Vieh nichtlängere Zeit zurückhalten, weil das Risiko der Erkrankung fürdieses Vieh bei Ueberfüttcrung zu groß ist. Nachdem der letzteWinter bei verstärktem Angebot die Preise reduzierte, trat aus oben-genannten Gründen im Frühjahr eine Verminderung des Viehbestandesein. Erst nachdem die Fnttcrernte dieses Jahres befriedigendausgefallen ist, wird der Viehbestand vergrößert werden und dasherangewachsene Vieh möglichst schnell schlachtreif gemacht werden.Ein Heruntergehen der jetzigen Fleischpreise darf also in dennächsten Monaten erwartet werden und zwar auf daS Niveau derletzten Wintcrpreise.Es ist eine Oeffnung der Grenzen in der Presse ge-fordert worden. Eine solche Maßnahn, e wird keine Besserungbringen, denn in den Nachbarstaaten besteht auch Fleischnot ausden gleichen Gründen wie bei uns. Das Ausland würdeselbst bei einem Ueberschuß an Schlachtvieh unter den gegebenenVerhältnissen die Konjunktur ausnutzen und hohe Preise fordern.In sanitärer Hinsicht könnten aber leicht schwere Schäden durcheine spontane Grenzöffnung entstehen. Es bestände auch die Ge-fahr, daß durch zu scharfe Auslandskonkurrenz, man sprach vonargentinischer Vieheinfuhr, die Rentabilität der deutschen Viehzuchtsehr in Frage gestellt wäre und die heimische Viehzucht stark der-nachläsfigt würde. IEine Herabsetzung der Eisenbahntarife wäreein anderes Mittel, der Staat würde dieses Opfer bringen,wenn dadurch eine Vcrbilligung der Preise eintretenwürde, was immerhin zu bezweifeln wäre, denn eSist beobachtet worden, daß die Aufhebung der städtischenSchlachtsteuer die Fleischer nicht veranlaßt hat, die Preise umdiesen Betrag zu vermindern, sie haben den Profit eingesteckt.Eine Tarifherabsetzung würde ihren Zweck nur erreichen, wenn sieeine Preiskontrolle im Gefolge hätte.Die Fleischteuerung ist aber nur vorübergehend und eineBesserung der Verhältnisse bald zu erwarten. Preußen leidet unterder Teuerung viel weniger als die süddeutschen Staaten, dieweniger Viehzucht betreiben als Preußen. Im allgemeinen istder Aufschlag im preußischen Westen nur minimal, im Osten kaumspürbar.Vtan hört aus allem nur das Nein! Aber viel Geisteskrafthaben die Fabrikanten der Epistel nicht aufgeboten. In gewissenKreisen ist der Mangel an Intelligenz eben so groß, wie beimVolke der Mangel an Fleisch. Erst behauptet man keck und munter:in den Nachbarländern besteht auch eine Fleischnot, sie können unskein Vieh liefern, darum hat das Oeffnen der Grenze keinen Zweck.Dann erklärt man pfiffig: Die Grenzen müssen geschlossen bleiben,weil sonst die Viehseuche hereinkommt vielleicht gar ohne Vieh—und dann kommt der geistige Clou: wir dürfen die Grenzen nichtöffnen, weil sonst eine scharfe Auslandskonkurrenz die heimischeViehproduktion unrentabel machen würde.Man könnte glauben, drei Kapazitäten hätten sich da ber-schworen, nachzuweisen, wieviel ungereimtes Zeug manin wenigen Zeilen als— Regierungsweisheit verzapfen kann.Gegen das Sammelsurium von Unsinn, das die Regierung auf Ge-heiß der Junker dem Volke serviert— als Ersatz für Fleisch—kann man sich jede Argumentation ersparen. Es genügt, die Ver-höhnung der Bewucherten niedriger zu hängen.Der Landeskultnrrat für das Königreich Sachsen macht sich dieSache leichter.. Er bestreitet einfach das Vorhandensein einerFleischnot. Fertig ist die Laube I Auch diese„Lösung" desProblems wirkt wie eine beabsichtigte Verhöhnung beS Volkes imInteresse der Fleischwucherer.Zusammenbruch.Noch nie ist im Ruhrkohlenrevier einer Wahl sovielInteresse entgegengebracht, ist ihrem Ausgang so fympto-matische Bedeutung beigelegt worden wie den jetzigenSicherheitsmännerwahlen. Denn diese solltennicht nur das Vorspiel zu den bevorstehenden Knapp-schaftsältestenwahlen bilden, sondern auch dieVrobe dafür geben, wie das B ü n d n i s zwischen dernationalliberalen Zechenpartei und dem imZentrumsfahrwasser segelnden Christlichen Gewerk-verein, das auch für die kommenden Reichstags-wahlen Geltung haben sollte, von den Bergarbeitern aus-genommen wurde. Wie ein verzweifelter Spieler setzte derGewerkverein alles auf eine Karte und suchte als letzte RettungArm in Arm mit der Kohlenjunkerpartei, die sich unter denDeAmantel der evangelischen Arbeitervereine verkrachenhatte/ noch einmal die Gunst der Bergleute zu erringen.Man glaubte, die Bergleute hätten doch wieder alle Schuldvergessen, die in den letzten Jahren Zentrum und National-liberale auf sich gehäuft hatten, und würden noch einmalwillig ihre eigenen Metzger wählen. Ein bißchen Pfaffen-fegen, ohne den die Mllnchen-Gladbacher Zöglinge keineWahlen machen, und dazu eine verlogene Hetze gegen dieSozialdemokratie, diese so oft bewährten Allheilmittel solltenauch jetzt wieder ihre Wirkung tun. Aber es ist anders ge-kommen, und der Ausgang der Wahl hat unsere kühnsten Er-Wartungen übertroffcn.Nachdem das Gesetz, das angeblich das gefahrvolle Lebender Bergarbeiter schützen sollte, eine so große Enttäuschunggebracht hatte, war das Interesse an den Wahlen zuerst sehrgering. Aber wer hätte wohl erwartet, daß die Bergleutedieses Machwerk, das die klerikalen und nationalliberalenArbeiterfeinde so sehr verhunzt hatten, ihren Feinden so umdie Ohren schlagen werden, daß ihnen Hören und Sehenvergehen würde?Der Gewerkverein ist schlecht beraten gewesen, als dieBehrenscligue das Zusammengehen mit der Kohlenjunker-Partei durchsetzte.„Sage mir, mit wem Du umgehst..Das erkannten die Bergleute, und die Frucht der bösen Tatist gereift.Da die Zechenherren sich Wahlen ohne Terrorismusnicht vorstellen können, so versuchten einige Zechen, durchdie Form und Farbe der Stimmzettel, die Abstimmung zukontrollieren. Doch scheint das wenig geholfen zu haben.Zwar liegt zur Stunde noch kein endgültiges Resultat vor,aber die bis jetzt eingelaufenen Meldungen lassen erkennen, daßder Verband einen glänzenden Sieg errungen hat.Ob das die Nachläufer der Christlichen zur Vernunft bringenwird?Vorerst bedeutet aber der Ausgang dieser Wahlen, daßauch die Koalition der schwarzen und blauen Volksfeindekeinen Schutz gegen den gerechten Zorn der Masse mehrbietet. Die bevorstehenden Knappschaftsältestenwahlen wer-den nun sicherlich den Sieg noch vervollständigen. Mögendann nur bei den koinmenden Reichstagswahlen Zechenherrenund Zentrumsleute die Koalition fortsetzen, das Volk wirddie Antwort nicht schuldig bleiben.Glück auf zu neuen Siegen!Bochum, 30. August.(Privattelegramm des„Vorwärts''.� Beiden Sicherheitsmännerwahlen wurden von denKandidaten des Deutschen Bergarbeiterverbandes 1001 ge-wählt. Von den von dem christlichen Gewerkverein aufgestelltenKandidaten sind 213, Polen 91. Hirsch-Dunckersche 7 und von denZechenverwaltungen Aufgestellten 38 gewählt. 259 Resultate stehennoch auS._poUtifche Geberltcbt.Berlin, den 30. August 1910.Des Volkes Antwort.Nachdem Wilhelm II. die Kampfrede in Königsberggehalten, begab er sich für den 26. bis 29. August nach Danzig.Diese einst blühende Handelsstadt ist wirtschaftlich der glorreichendeutschen Zollpolitik zum Opfer gefallen. Trotzdem überschlug sichdie byzantinische Lokalpresse in einem künstlich aufgebauschten Hurra-rummel. Deshalb unternahmen es unsere Genossen, auch die wirklicheStimme des Volkes zu Gehör zu bringen. Sie veranstalteten amSonntag, den 28. August, nachmittags 3 Uhr, eine öffentliche Volks-Versammlung mit dem Thema:„Millionen für den König— Fuß-tritte für das Volk". Deren Bekanntmachung stellten sich aber auchselbst für ostelbische Verhältnisse nicht alltägliche Schwierigkeitenentgegen. Der Verlag der freisinnigen„Danziger Zeitung"hat die städtischen Plakatsäulen gepachtet und schlägt schon seitlanger Zeit sozialdemokratische Plakate nur dann an, wenn dazudie gesetzlich nirgends geforderte polizeiliche Erlaubnisbeigebracht wird. Der Vertreter des Polizeipräsidenten ver-weigerte diesesmal die Erlaubnis aus dem Grunde, weil„Majestät schließlich selbst die Plakate sehenkönnte". Der freisinnige Verlag lehnte denn auchwieder prompt den Anschlag ab,„weil er dazu keinenPlatz mehr zur Verfügung hatte". Die unabhängig gesinnungs-losen„Danziger Neueste Nachrichten" verweigerten nicht nur dieAufnahme eines Inserates, sondern erklärten sogar, daß sie auchin Zukunft niemals wieder sozialdemokratische Anzeigen publi-zieren würden! Die Bekanntmachung der Versammlung durchHandzettel war ebenfalls nur unter mancherlei Schwierigkeitenmöglich, An der kaiserlichen Werft bezeichnete ein Schutzmanndie Genossen, die sich dieser Pflicht unterzogen, sogar als„elendeZuchthäusler" und„Schweineband e". Gerade zur Zeitder Versammlung war die zur Vorstadt Schidlitz, in der sich daseinzige, den Danziger Genossen in dieser echt freisinnigen Stadtzur Verfügung stehende Saallokal befindet, führende Straße wegeneines Besuches der Kaiserin längere Zeit polizeilich gesperrt. Allediese Umstände konnten aber nicht verhindern, daß die Versamm-lung stark besucht war. Nach dem beifällig aufgenommenenReferat des Genossen Crispien wurde einstimmig die folgendeResolution beschlossen:„Die Versammelten erheben Protest gegen die in Preußen-Deutschland herrschende Dekorationspolitik. Sie erheben energi-scheu Einspruch gegen die uferlose militärische Rüstungspolitik.die das Volk durch die Blutsteuer und den indirekten Steuer-Wucher aüfs schwerste bedrückt und die friedliche Kulturarbeitder Völker ständig bedroht.Die Versammlung fordert die friedliche Verständigung derRegierungen zur endlichen Einschränkung der Rüstun-gen; sie verlangt von der Regierung schleunigst wirksame Maß-nahmen zur Behebung der drückenden F l e i s ch n o t.Alle Angriffe auf die Verfassung und die Rechtedes Volkes weisen die Anwesenden aufs schärfste zurück. Siefordern dringend endlich auch die Selbstbestimmung despreußischen Volkes durch die längst versprochene Ein-führung des allgemeinen, gleichen, geheimenund direkten Wahlrechts für alle mündigen Staats-bürger ohne Unterschied des Geschlechts.Die Versammelten geloben, unermüdlich für die Ausbreitungder sozialdemokratischen Grundsätze zu arbeiten. Darin liegtdie beste Gewähr für die Sicherung der Kultur, des Völker-friedens und der Volkswohlfahrt."Der Referent hatte auch besonders dagegen Einspruch erhoben,daß die Stadtverwaltung 21 999 Ma rk aus allgemeinenSteuermitteln zur Dekoration einiger Straßen ausgab,während man für soziale Zwecke nie einen Pfennig übrig hat.Gegen die Kaiserrede.In einer vom Demokratischen Verein Verlin-Wilmersdorf einberufenen Versammlung sprach gestern vormehr als 1999 Personen, darunter auch zahlreichen Frauen, Herrv. Gerlach über„Die neueste Kaiserrede und kommende Wahl»Parolen". Die Meinungen des Kaisers kommen nicht von oben,sondern sind irrtümlich, ja sogar potenziert irrtümliche Denn mehrIrrtümer in einer Rede zu begehen, sei schlechthin unmöglich.Aeußerungen wie die des Kaisers über die„Lückenlosigkeit uniererRüstungen" höre man sonst eigentlich nur aus dein Aöunde einesGenerals oder AdmiralS a. D. Es ist wahrlich kein Kunststück,mittels lückenloser Rüstungen den Frieden zu wahren; schwierigerschon, ihn durch eine gute auswärtige Politik zu erhalten. Dassind Waffen für die Chauvinisten aller Länder. Das ist die Ant-Ivort auf die Unterhausrede des englischen MinisterpräsidentenAsquith. Nicht Abrüstung, sondern Fortsetzung des Wettrüstensmit England!„Aus eigenem Reckst" ließ Eromwell einem Königeden Kopf abschlagen, aus eigenem Recht erhob sich Napoleon I. überdie anderen Fürsten von Gottes Gnaden und wurde dann selberFürst von Gottes Gnaden, aus eigenem Recht sind alle Revolutionenentstanden.— Freiherr vom Stein war wohl doch etwas wichtigerfür den preußischen Staat als die Königin Luise, aber freilich, inder Siegesallee sind auch die faulsten Monarchen Hauptfiguren,während die größten Philosophen und Staatsmänner zu Neben-figuren herabsinken. Gegen den Geist der Kaiserrede müsse Mannund Frau in gleicher Weise aufgerufen werden. Ja, eine derartigeRede sei direkt eine Kriegsgefahr! Und diese Kaiserrede wirdvon Herrn von Bethmann Holllveg in der„Nordd. Allg. Ztg." ver-teidigt! Was habe demgegenüber der Reichstag zu tun? ESmüßten Garantien geschaffen werden, die eine Wiederholung der-artiger Dinge absolut ausschlössen. Aber wird der jetzige Reichs-tag diese Garantien durchsetzen? Das glaube wohl kein politischdenkender Mensch. Darum: Nieder mit der jetzigen Reichstags-Mehrheit, nieder mit der Reaktion! Die Demokratie werde nichteher rasten und ruhen, als bis das Wort in Erfüllung gegangensei:„Es lebe Seine Majestät das Voll!"(Stürmischer, anhalten-der Beifall!)Nachdem dann noch Frau Regine Deutsch ihr Erstaunen überdie Wcltfremdheit des Kaisers ausgedrückt und insbesondere auchdie pädagogischen Anschauungen der Kaiserredc als vollkommen ver.altct zurückgewiesen hatte, wurde einstimmig die folgende Reso-lution angenommen:„Die vom Demokratischen Verein Berlin-Wilmersdorf einberufene öffentliche Versammlung erhebt denschärfsten Widerspruch gegen die von dem Kaiser in Königsbergverkündete politische und staatsrechtliche Privatmeinung. Sie stelltedem Bekenntnis zum persönlichen Regiment die Forderung des Hcrc-lamentarischcn Regiments, des Ausdrucks der Volkssouveränitätentgegen. Dringendste Aufgabe des Reichstages sei es, umgehendvcrfassungrechtliche Schutzwehren gegen das persönliche; Regimentzu schaffen,"_Der Protest gegen die Kaiserrede.Die Protestaktton im Lande setzt bereits kräftig ein. DieLeipziger Genössen haben für Freitag drei Volks-Versammlungen angesetzt und die BreslauerSozialdemokratie beruft auf Donnerstag eine öffentlicheProtestversammlung gegen die Königsberger Rede ein.So etwas sagt man nicht!Die Nationalliberalen lassen jeden Tag. denGott gibt, ihren Angstschrei vor der„roten Flut" ertönen undwimmern Herrn v. Bethmann an, doch etwas gegen das An-wachsen der Sozialdemokratie zu tun. Dieses Angstgeschreiist dem Zentrum unbequem und veranlaßt die„KölnischeBolksztg." zu folgenden amüsanten Ratschlägen:Auf der and«en Seite hat es doch erhebliche taktischeBedenken, wenn die„Nat.-Ztg." die„Angst vor der roten Flut"als das Charakteristikum der politischen Lage bezeichnet. EineAnnee, die laut proklamiert, daß sie„Angst" habe, ist schon halb(geschlagen, darum wird der Sozialdemokratie nicht? lieberein, als dieses nicht gerade heldenmütige Bekenntnis von demnationalliberalen Organ zu hören. Umso HoffnungSsreudiger undsiegeszuversichtlicher werden die roten Scharen singen:„Wir sinddie Kraft, wir hämmern jung, das alte morsche Ding, den Staat."Die Geschichte lehrt uns, daß schon der Schrecken, welcher denGothen, Hunnen und Pandalen voraufging, ihren Kolonnen siegenddie Bahn ebnete. Der Ruf von der Unwiderstehlichleit Napoleons I.hat in mancher Schlacht bewirkt, daß die Reihen der Gegner gleichdem ersten Anstürme der Franzosen nicht standhielten. Wenn dieSozialdemokraten in dasselbe Renommee kommen, mag die nächsteReichstagswahlschlacht das größte SiegeSfest werden,welches ihre Partei jemals zu verzeichnen hatte. Da sollte mannicht schon ein oder anderthalb Jahre vorher verraten, daß eis-kalte Angst vor dieser roten Flut das„nationale" Heldenwerkerstarren mache. Und wenn der Tag des Kampfes anbräche.würde es schwerlich einen imponierenden Eindruck machen, fallsdann der Generalissimus der Ordnungsmänner seine Truppen er-munterte, zu kämpfen und ihre„Angst" möglichst zu verbergen.Im Felde soll man keine Slng st haben, und wenn mansie hat, sagt man eS wenigstens nicht."Na also, jetzt wissen die Nationalliberalen, was sie zutun haben: ihre Angst verbergen und muttgen Eindruckschinden. Für Nationalliberale wirklich eine ausreichende undangemessene politische Beschäftigung.Das Reich war in Gefahr!In einer Zeit, wo die Regierungen zweier großer Kulturstaalenkeinen größeren Ehrgeiz kennen, als den Wettlauf im Bau vonRiesenpanzern, blüht natürlich die Spionenriecherei und nimmtständig die Furcht zu, ein Staat könne dem andern militärische Ge-hcimnisse ablauschen. Diese Furcht zeittgt sonderbare Resultate.Der„S chl e Sw ig- H o l ste in i sch e n V o l k s z t g." war ausFriedrichsort mitgeteilt worden, daß auf dem Schießplatze beiSchilksee Versuche mit Riesentorpedos angestellt wordenseien, und daß die beschäftigten Arbeiter dabei Ueberstunden machenmüßten. Es sei aber gar kein zwingender Grund für die Ueber-stunden zu ersehen, wahrscheinlich würden sie nur gemacht, umdem Reichstage als Material für eine Vergrößerung des Schietz-Platzes vorgelegt zu werden. In der nackten Mitteilung, daß Ber-suche mit Riesentorpedos gemacht worden— von der Tatsachekonnte sich übrigens jeder Spaziergänger am SchilkseerStrande überzeugen— sah die Marinevcrwaltung eine schwereGefahr für das Deutsche Reich. Könnten die Engländerdas nicht erfahren und dann noch größere Riesentorpedos herstellen?Zwar war in der Notiz weder die Größe der Riesentorpedos angegeben noch irgendetwas über ihre Konstruktion gesagt. Abertraue einer diesen Engländern! Und nun gar die„SchleAvig-Holst.Volksztg."! Hat sie sich doch schon dadurch übermäßiger Engländer-freundlichkeit verdächtig gemacht, daß sie die durch die deutsche Re-gierung erfolgte Ablehnung des von England vorgeschlagenen Ab-kommens über das Tempo des Flottenbaues kritisierte! Die Ma-rineverwaltung verständigte die Staatsanwaltschaft und diese leiteteein Strafverfahren gegen den verantwortlichen Redakteur der„Schleswig-Holst. Volksztg.", den Genoffen Herm. Brecour, einwegen„Verrats militärischer Geheimnisse"! Er und zwei Arbeiter,die der Staatsanwaltschaft verdächtig waren, die Notiz eingesandtzu haben, mußten ein hochpeinliches Verhör bestehen.Drei Monate sind seit der Vernehmung ins Land gegangen.Endlich ist jetzt dem Genossen Brecour von der Staatsanwaltschaftdie Mitteilung zugegangen, daß das Strafverfahren niedeirge-schlagen worden ist. Ein netter Rcinfall!Eine Maffenpetition der Kriegsveteranen.Eine am Sonntag in N e u st a d t a. d. H. tagende, von 2999Kriegsveteranen besuchte Versammlung hat beschloffen, den Reichs-tag in einer Ma s s e n pe t i t i o n um angemessene Unterstützungder bedürftigen Veteranen zu bitten. Gleichzeitig erfährt man,daß der Bundesrat sich mit der Frage befaßt habe, ob man den b e-dürftigen Veteranen nicht aus etatsmäßigen Mitteln indiesem Jahre eine einmalige Zuwendung machen könne.Man sei aber von diesem Gedanken abgekommen, weilzu eiyex solchen Aysgqhc die Zustimmung des TkWjagS erforder-