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Der Reicfcfyauptftadt Protest gegen Absolutismus und Volksauswucherung. Aufgepeitscht don der GotteSgnadentumSrede Wilhelms II., in der sie einen Angriff auf die Verfassung erblickt, empört über den schamlosen Lcbensmittelwncher, der sie in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht, strömte die Bevölkerung der Reichshauptstadt und ihrer Vororte gestern abend in hellen Scharen den 33 Lokalen zu, in denen Protestversammlungen gegen den Absolutismus und die Fleischnot anberaumt waren. Wie vom Sturm gepeitschte Wasser- wellen den Strand überfluten, so schoben sich die Menschenwogen in immer neuen Massen dahin. Männer und Frauen strömten herbei. Ruhige Entschlossenheit prägte sich in dem ganzen Aufmarsch aus: Wir sind keine Sklaven, keine Untertanen; wir dulden keinen Absolutismus mehr; wir zer- brechen die»gottgewollten Abhängigkeiten"; wir fordern das dcmo- kratische Selbstbestimmungsrecht! Des Joches der Ritter, Heiligen und Scharfmacher, der Brot- und Fleischwucherer sind wir endlich überdrüssig; wir bieten Trotz nun jeder Tyrannei und Ausbeutung! Solche Gedanken sprachen deutlich aus den Mienen der Pro- testler. Jeder wollte dabei sein. Hieb es doch des Volkes Rechte laut und vernehmlich zu betonen, das feierliche Bekenntnis zur Demokratie abzulegen, die Rechte zu verteidigen, die unsere Vorfahren kämpfend errangen, Angriffe auf die Konititution abzuwehren. Ja man wollte dabei sein, wo es galt, alle, die es wagen, des Volkes Rechte anzutasten, in ihre Schranken zu verweisen, wo es galt, den Volksbedrückern und Plünderpolitikern den Kampf an- zusagen. Kampfesstimmung, hervorgerufen durch die Kaiserrede, die Er- regnug in den Massen als Folge des Lebensmittelwuchers, das sind Fastoren von unvergleichlich aufrüttelnder, agitatorischer Wirkung. Sie peitschen das Volk auf zu dem Wollen, die Ge- staltnng seiner Geschiad energischer denn je selbst in die Hand zu nehmen. Darum strömte» sie herbei, die Männer und Frauen der Arbeit, darum demonstrierten sie. Lange, lange vor Beginn der Versammlungen waren die meisten Lokale überfüllt. Ungezählte mußten umkehren. Sie füllten die angrenzenden Straßen und unterstützten den scharfen, entschiedenen Protest, der in den Lokalen oft stürmische Kundgebungen auslöste. Besonderer Hervorhebung wert ist der Umstand, daß zum erstenmal seit Erlaß des neuen Vereinsgesetzes in Berlin die Versammlungen polizeilich überwacht wurden. Diese Rückkehr zu den alten schlechten Polizeigewohnheiten ist für die Aera Bethmann recht bezeichnend. Den Versammelten wurde so plastisch vor Augen gestellt, daß die Reaktion immer unverschämter, der Kampf um die Demokratie immer dringender wird. Der Geist, der die Versammlungen beherrschte, die Stimmung, die die Ereignisse in den Massen auslöste, das Wollen des werk- tätigen Volkes ist aus den nachfolgenden StimmungS berichten beut- lich vernehmbar: Die Versammlung des I. Kreises tagte im großen Saal bei D r ä s e l. Der Saal war schon um Uhr überfüllt. Etwa 800 bis 1000 Personen waren erschienen, darunter viele Frauen. Referent war Genosse Kubig. Zum Kliemschen Lokal in der Hasenheide strömten die Arbeiter und Arbeiterinnen und andere, die sich gleich. ihnen durch die heutigen Zustände bedrückt und unterdrückt fühlen. Es war noch nicht ein Viertel nach 8 Uhr, da schritt die Polizei bereits zur Ab- sperrung. Hunderte und Aberhunderte fanden keinen Einlaß mehr. Wenn auch ganze Trupps sich entfernten, zeigte die Straße noch lange ein anderes Aussehen wie gewöhnlich, und mancher in- differcnte Vergnügungsbummler wurde dadurch angeregt, sich mit der Angelegenheit doch etwas zu befassen, die das Volk in solchen Massen zusammengeführt hatte. Genosse Heinrich Schulz hielt das Referat. Stürmischer, nicht endenwollender Beifall er- tönte, als er mit Anlehnung an die zweite Rede des Kaisers schloß. In H a b e l s B r a u e r e i in der Bergmannstraße füllten über 1000 Versammlungsbesucher den Saal, während die gleiche Anzahl draußen bleiben mußte. Referent war Genosse W o l d t. Seine einstündige Rede erntete lebhaften Beifall. Die Resolutionen wurden beide einstimmig angenommen. Auch hier war die Vcr- sammlung polizeilich überwacht. InN i ß l e s F e st s ä l e n" sprach vor überfüllter Versamm- lung und unter polizeilicher Aufsicht Genosse Peterhansel. Der große Saal des Gewerkschaftshauses war bald nach 8 Uhr gefüllt, so daß trotz engen Zusammenrückens lange nicht alle, die noch hinein wollten, das begehrte Stehplätzchen erobern konnten. Referent war hier Genosse Stück len. Seine Worte, die den Kern der Sache trafen, lösten begeisternde Zu- stimmung aus. Die Versammlung in den A r m i n h a l l e n war bis auf den letzten Platz besetzt. Die Behörde hatte 2 Ordnungshüter entsandt. Genossin Friedländer erntete mit ihren Ausführungen reichen Beifall. In L i t f i n S Lokal, wo Genosse Mücke sprach, hatten sich an 1000 Personen, davon mindestens die Hälfte Frauen, einge- funden. Die Urania in der Wrangelstraße, wo Genosse U ck o unter rauschendem Beifall sprach, sah eine selten starke, über 2000 Personen zählende Versammlung. DieM a r k g r a f e n- S ä l e" füllten zirka 700 Personen, darunter viele Frauen. Genosse U n g e r behandelte das Thema des Tages und geißelte unter großem Beifall den Fleisch- und Brot- Wucher und ging auch eingehend auf die Kaiserreden ein. DasE l y s i u m" erfreute sich natürlich wie alle anderen Versammlungn der polizeilichen Ueberwachung. Wegen des kolossalen Andranges mußten Tische und Stühle aus dem Lokal entfernt werden. Genosse F e n d e l sprach in dieser Versammlung, die von zirka 3000 Personen besucht war. ES hatten sich besonders stark die Frauen eingefunden. In denP r a ch t s ä l e n des Osten s", Referent� Adolf Zeunsr, hatten sich ebenfalls große MasseK Protestier eingefunden. An der Diskussion beteiligte sich auch der Demokrat Dr. Bab. der im Sinne des Referenten sprach. Graumanns Lokal mußte schon frühzeitig abgesperrt werden. Hunderte von Nachzüglern fanden keinen Platz mehr. Der Referent, Genosse Nathow, geißelte in scharfen Worten die politische und wirtschaftliche Situation. F r e y e r s F e st s ä l e in der Koppenstraße, einer der größten Berliner Säle, wurde wegen Ueberfüllung schon bor 8 Uhr von der Polizei gesperrt. Der Andrang zu dem Lokal war aber auch nach- dem dauernd ein außerordentlich starker. Sehr viele kehrten um und machten sich auf den Weg nach anderen Versammlungsstätten. Andere verweilten in der Nähe auf der Straße, um so durch ihre Anwesenheit zu zeigen, daß sie auch da seien, um zu protestieren. Ein bewegtes, vielsagendes Straßenbild l Eine Mahnung an die Herrschenden! Inzwischen lauschte eine dichtgedrängte Menge im Saal den.überzeugenden, das Thema des Abends mit kritischer Schärfe behandelnden Ausführungen des Genossen Eichhorn. die die Hörer oft zu den lebhaftesten Beifallskundgebungen hin- rissen. Lipps großen Saal am Friedrichshain hatten sich die Genossen und Genossinnen des fünften Reichstagswahl- kreises zum Ziel ausersehen. Der riesige Raum war schon früh- zeitig so stark besetzt, daß er niemand mehr zu fassen vermochte. verantw. Redakteur: Hans Weber, Berlin , Inseratenteil verantw.; Fortwährend kam noch neuer Zuwachs. Man mußte sehen, noch irgendeinen Winkel auf der Galerie zu erhaschen. Der Ab- geordnete des Kreises, Genosse Robert Schmidt, ging hier mit den Brot- und Fleischvertcuercrn und mit dem absolutistischen Regime in Prcußcn-Deutschland kräftig ins Gericht, unter der vielfachen Zustimmung und dem brausenden Beifall der ver- sammelten Taufende. Im Norden Berlins folgte die arbeitende Bevölkerung in im- panierenden Massen dem Rufe zum Protest. Mit starkem Beifall wurde jedes Wort der Kritik an des Kaisers Rede begrüßt und je schärfer die Kritik, desto lauter der Beifall. Der Andrang zu den Versammlungen war außerordentlich stark. Auf dem Gesundbrunnen sah man schon um 8 Uhr große Scharen von Besuchern aus Frankes Festsälen zurückkehren, sie fanden keinen Platz mehr und füllten die Straße vor dem Lokal, von den Schutzleuten stetig aufgefordert, tvciter zu gehen. Die Polizei war überall stark vertreten, sie sperrte die Lokale schon zeitig ab und war sehr besorgt darum, daß sich die übrige Menge möglichst schnell zerstreute. In den..Pharussälen", weit draußen in der Müllerstraße, wo eine Doppelversammlung stattfand, waren alle Räume, auch der Garten, von den andrängenden Besuchern besetzt und große Mengen promenierten draußen auf der Straße. Schutzleute sah man dort überall, draußen sowohl als auch im Garten und sogar auf den Trcppenflurcn. Auch dieGermania- säle" waren überfüllt und abgesperrt. Die Erwartung auf einen Massenbesuch der Versammlungen war glänzend gerechtfertigt. Die Versammlung bei Franke in der Badstraße war voll- ständig überfüllt. Im Saal waren ungefähr 1000 Personen an- weseud. Mehrere Hundert hielte» den Garten besetzt und eine nicht zu schätzende Menschenmenge promenierte während der Tagung der Versammlung vor dem Lokale auf und ab. DaS Referat hielt Genosse Otto Büchner. Von der Polizei waren zwei Beamte zur Ueberwachung erschienen. Der Prater war um>8 Uhr abgesperrt; die ausströmenden Massen füllten hierauf den großen Garten bis auf den letzten Platz. Der Referent Genosse T h. Fischer zeichnete in knappen Strichen die heutige Situation und das Hervortreten des pcrsön- lichen Regiments. Im Saale und den Nebenräumen waren min- bestens 3000 Personen anwesend, im Garten die doppelte Anzahl. Tische und Stühle waren aus dem Saal entfernt worden. Seit den glänzenden Wahlrechtsdemonstrationen hatte Moabit noch nicht wieder eine solche Versammlung gesehen, wie die, welche gestern abend imM oabiter Gesellschaftshaus" tagte. Nur einen kleinen Teil der andrängenden Proletariermassen ver- mochte der gewaltige Raum des großen Saales zu fassen. Auch der große Garten war von einer Kopf an Kopf gedrängten Menge be- setzt. So konnten an dieser Stelle zwei Versammlungen zugleich abgehalten werden. Eine kernige Ansprache des Genossen Dr. Moses leitete die untere Versammlung ein, während oben im Saale der Referent, Genosse S t r L b e l, brausende Beifalls- stürme entfesselte durch seine Rede, welche klar und scharf zum Ausdruck brachte, was gegenwärtig das Empfinden der politisch denkenden Proletariermassen bewegt. Auch in der im Garten ab- gehaltenen Versammlung sprach Genosse Ströbel. Charlottenburg hatte im Volkshause eine selten imposante Kundgebung. Viele Protestier mußten sich mit einem engen Stehplätzchen auf dem Hofe begnügen. Genosse Katzen st ein referierte. In der Diskussion sprach Herr Paul Gerlach. Beide Redner fanden Worte der schärfsten Kritik gegen das persönliche Regiment und die agrarische Ausbeutungspolitik. Auf dem Hofe sprachen die Genossen Doose, Gehrke und Reitzke. Weit über 2S00 Personen beteiligten sich an der Demonstration. Bei Hoppe in Rixdorf war die Versammlung schon um 8 Uhr polizeilich abgesperrt. Sämtliche Ncbeugäuge deS Saales waren dicht gedrängt voll von Menschen. Das Referat des Genossen Barth wurde mit Beifall aufgenommen. Die Besucherzahl schätzte man auf über 2000. In der nahe gelegenen Vereinsbraucrei hatte die Polizei eine starke fliegende Wache. In Schöneberg im Lokale von O b st hatten sich etwa 1600 Per- sonen, darunter sehr viele Frauen, eingefunden. Mit Begeisterung wurde das Referat des Genossen Faas entgegengenommen. In Wilmersdorf im Gesellschaftshause sprach Ge- nasse H o r l i tz unter stürmischem Beifall der zahlreich erschienenen Männer und Frauen. In Treptow ,N ad r e n.n bah n". sprach Genossin Wulff vor einer Menge, die das Lokal vollständig füllte. Die Referentin schilderte besonders in anregender Weise die Leiden, denen die Frauen unter der Schnapsblockregierung ausgesetzt sind. In Pankow waren im Lokal von Ebersbach über 800 Per- sonen versammelt, die das Referat des Genossen Piek unter stür- mischen Beifallskundgebungen anhörten. Das Lokal war überfüllt. Oberschöneweide . In Moerners Blumengarten be- suchten 1600 Personen die Versammlung. Referent war Genosse Schneider. Das Lokal war überfüllt. Lichtenberg . Der große Saal imSchwarzen Adler" war schon lange vor 8 Uhr ziemlich gefüllt und doch begann erst jetzt der Massenstrom nach dem Versammlungslokal. In dichten Scharen drängten sich Frauen und Diänner in den Raum, der bald bis in den äußersten Winkel dicht besetzt war. Was die empörten Massen bewegte, das sprach der Referent aus, und daß er die richtigen Worte gefunden hatte für die Empfindungen. die in der gegenwärtigen Situation das Volk beherrschen, das zeigte der brausende Beifall, den seine treffenden Ausführungen fanden, sowie die einstimmige Annahme der Resolutionen. Weißensee. Eine riesige Halle ist es, welche den Versamm- lungssaal imSchloß W e i ß e n s e e" bildet, doch sie reichte kaum aus, um den Massen der Besucher Platz zu bieten, die herbei- geströmt kamen, um Protest einzulegen gegen die verderbliche Politik, welche den Proletariern den Bissen vom Munde stiehlt, die Taschen der unersättlichen Junker füllt und zu alledem das ausgeplünderte Volk für unmündig erklärt. In sachkundiger Rede zeigte der Referent D ü w e l l die wirklichen Ursachen der Fleisch- not, die von der tausendköpfigen Zuhörerschaft mit vollem Ver- ständnis gewürdigt wurden. Brausenden Beifall fanden die treffenden Kennzeichnungen der Proklamicrung des Gottesgnaden- tums. Tie Versammlung in Steglitz imB i r k e n w ä l d ch e n", wo Genosse Lehmann referierte, war von über 1000 Personen be- sucht, die den Ausführungen des Referenten begeisterten Beifall zollten. ImCafe Belevue" in Rummelsburg nahmen an der Versammlung zirka 2000 Personen teil, die dem Referenten Paul L i t f i n aufmerksam zuhörten und seine Darlegungen durch kräftigen Beifall unterstrichen. Tegcl-Borsigwalde hatte gestern die stärkste Versammlung, die bisher stattgefunden hatte. Sie war von über 1200 Personen be- sucht. Das Referat hielt Genosse S p i e k e r in a n n. Spandau . Im B ö h l e f ch e n Lokale drängten sich zirka 1200 Personen zu der Versammlung. Das Referat hielt Genosse Wilhelm Schcnk-Berlin . Die Resolutionen fanden einstimmige Au- nähme. Stimmung ausgezeichnet. In sämtlichen Versammlungen wurden die nachfolgenden Reso- lutionen angenommen: Gegen das persönliche Regiment Die Arbeiter Berlins sehen in der Königsberger Rede Wilhelms II. eine Proklamicrung des persönlichen Regiments, die mit den ver- fassungsmäßigcn Grundlagen des Deutschen Reiches im unverein- baren Widerspruch steht. Sie erklären die sofortige Einberufung des Deutschen Reichs- tage« als eine unbedingte Notwendigkeit und fordern von der Vertretung des deutschen Volkes die Zurückweisung des persön- Utz�Glockc, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdc, u. BxrlagSanjtgtt lichen Regiments in die Schranken der Verfassung und deren Sicherung durch Schaffung verfassungsmäßiger Garantien gegen absolutistische Uebergriffe. Die Arbeiter Berlins protestieren auf das nachdrücklichste gegen die Fortdauer des unsinnigen Wettrüstens zu Lande, zu Wasser und zur Luft und bekunden aufs neue ihren unerschütter- lichen Friedenswillen. Als wichtigste Voraussetzung der Erhaltung des Weltfriedens betrachten sie ein Uebereinkommen mit England zur Einschränkung der Flottcnrüstungen und zur Abschaffung des Seebeutcrechts. In der Rede Wilhelms II. erblickt die sozialdemokratische Arbeiterschaft nur einen Grund mehr, mit aller Kraft an der Stärkung ihrer Organisation zu arbeiten und alle Macht ein« zusetzen, die nächsten Reichstagswahlen zu einer gewaltigen Kund- gebung für die demokratische Selbstregierung zu gestalten und in Preußen durch die Erneuerung des Wahlrechtskampfes das wichtigste Bollwerk des Absolutismus, das Dreiklassenwahlrecht, zu zerstören. Gegen den LebenSmittelwucher. Der Wucherzolltarif, der dem deutschen Volke zu Weihnachten 1S02 beschert worden ist, hat zu einer Politik geführt, die, im einseitigen Interesse der Agrarier gelegen, auf eine schwere Schädigung der Masse des deutschen Volkes hinauslaufen mußte. Die schlimmsten Befürchtungen, die an diesen Zolltarif geknüpft ivurden, sind durch die Wirklichkeit weit übertroffen worden. Neben höchst ungünstigen Handelsverträgen, die die deutsche Industrie in ihrer Entwickel'ung hemmen, haben, durch die Unterbindung der Lebensmittelzufuhr, die Preise der notwendigsten Lebensmittel eine Höhe erreicht, daß mit Fug und Recht von Notstandsprcisen ge« sprochen werden kann. Die Fleifchpreise sind für weite Kreise des deutschen Volkes geradezu unerschwinglich geworden. Die dadurch erhöhte Nach- frage nach anderen Lebensmitteln hat auch für diese eine Preis- stcigcrung nach sich gezogen. Was in schweren wirtschaftlichen Kämpfen errungen wurde, ist der Arbeiterklasse von den Agrarierir wieder abgenommen worden. Die VolkSgcsundheit wird durch die Verteuerung und dadurch bedingte Erschwerung des Lebensunter- Haltes in der bedenklichsten Weise untergraben. Hohnlachend stehen die Agrarier, untätig und unfähig die Re« gierung deS Schnapsblocks diesem Notstand gegenüber. Die Versammlung protestiert gegen die Wucher- und Raub- Politik der Agrarier. Sie verlangt die Oeffnung der Grenzen, die sofortige Aufhebung der Vieh- und Getrcidczölle, die llnterlassung der heute beliebten Schikanen bei der Vieheinfuhr. Die Versanimlttng benutzt diese Gelegenheit, der Regierung deS Herrn v. Bethmann Hollweg ihr unbegrenztes Mißtrauen aus- zusprechen, und gelobt, mit aller Kraft, insbesondere auch durch die Wahl von Sozialdemokraten in die gesetzgebenden Körper- schaften, dieser Politik der Auspowerung des werktätigen Volkes ein Ende zu machen. Stürmischer Beifall erscholl. Brausend erklang ein Hoch au die Sozialdemokratie, wenn alle Hände sich emporstrecken, gleich- sam als Schwur, für deS Volkes Rechte bis zum letzten Atem- zuge zu kämpfen. Vielfach unter Absingen der Marseillaise gingen die Versammelten auseinander. Sicherlich alle in dem Bewußtsein f mögen Stürme komme», wir werden kämpfen und siegen! Letzte JMachrichtm Eingeschlichen. Frauksurt n. M., 30. August. (B. H. ) DieKleine Presse" meldet aus Fricdberg, bei der Ankunft des Zaren­paares hatten die spalicrbildenden Feuerwehr- und Krieger. vereine sowie das Militär mit abgewandtcm Gesichte Auf. stellmig nehmen müssen. Ein schmächlichcr Feigling' Ein komischer Zwischenfall. Kopenhagen , 30. August.(Preßtelcgraph.) Großes Aufsehen erregte auf dein Sozialistenkongreß ein heute eingelaufenes Schreiben des französischen Ministerpräsidenten Briand , in dem er erklärte, er werde andauernd für das Gedeihen des Sozialismus arbeiten, und hoffe, daß der Kongreß feine Sympathie für die Politik der französischen Regierung aussprechen werde. Unter den Kongreßteilnehmern hatte man vermutet, daß eine Mystifikation vorliege, dagegen erklärte Jules Guesde , daß dieses Schreiben bei der Charakterveranlagung des Ministerpräsidente» wohl von ihm stammen könne. Eine internationale Kundgebung. Frankfurt a. M.(Privattelegramm desVorwärts".) Wie die heutige Nummer derVolksstimme" mitteilt, wird am kam- inenden Sonntag in der Frankfurter Fe st Halle eine große internationale Kundgebung stattfinden. Als Redner sind Vandervelde- Brüssel, Keir Hardh- London , I a u r e s, Paris , C a p r i n i- Rom und V a h l t e i ch- New Dork vorgesehen, Der Beginn der Versammlung ist nachmittags 3 Uhr. Gegen Meischnot und Absolutismus . Dessau , 30. August. (B. H. ) Die sozialdemokratische Partei- leitung des Herzogtums beruft allerorts Volksversammlungen ein, in denen gegen die Flcischtcucrung protestiert werde» soll. Wiesbaden , 30. August. (B. H. ) Die hiesige sozialdemokratische Partei hat zum nächsten Montag eine öffentliche Versammlung einberufen, um in dieser gegen die Königsbcrger Rede deS Kaisers Protest einzulegen. Das Thema, über das in dieser Versammlung gesprochen werden wird, lautet:Die Königsberger Kaiserrede und der Dank für die 3� Millionen Mark Zulage", Die Eholera. Rom , 30. August. (W. T. B.) In den letzten 24 Stunden sind in San Ferdinands, Cerignola und Margherita di S a v o i a je eine Erkrankung an Cholera, in Trinitapoli drei Erkrankungen und zwei Todesfälle, in Barletta fünf Er» krankungen und zwei Todesfälle, in Trani ein Todesfall, in Molfetta eine Erkrankung und ein Todesfall vorgekommen. Preßburg , 30. August. Die an Cholera erkrankte, auf dem DampferRegensburg " bedicnstete Antonie Truka ist im hie» sigcn Epidcmichospital gestorben. Wien , 30. August. (W. T. B.) Das Ministerium des Innern richtete an das Ministerium des Aeußeren und an das ungarische Ministerium des Innern die Mitteilung, daß in den mehr als fünf Tagen seit der im Franz Josef-Hospital erfolgten Isolierung zweier Cholcrakranken ein neuer Cholerafall nicht aufgetreten. daher jede Gefahr einer Wciterverbreitung der Krankheit be, seitigt sei. Schweres Bauunglück. Gyula (Ungarn ), 30. August. Beim Neubau des Hospitals ist das Eisenbctondach des chirurgischen Pavillons eingestürzt. Ein Arbeiter wurde getötet, sechs sind schwer verletzt; ein Arbeiter liegt; noch unter den Trümmern._ Paul Singer Lc Co., Berlin LW, Hierzu 3 Beilagen u.UnterhaltungSdl,