Einzelbild herunterladen
 

'-' entspricht; er verlangte schließlich, daß man nur Abgeordnete aus dem Nrbeiterstande wähle. Nach langein Hin» und Hetreden einigte man sich endlich auf die Kandidatur des Rechtsanwalts Dr. Chrzanowski aus Posen. In der Versammlung waren nur 70 Nationalpolen anwesend. Die polnisch-nationalistische Sondcrlandidatur wird dem sozial» demokratischen Kandidaten nicht viel Abbruch tun. Die Masse der polnischen Arbeiter, welche inr Wahlkreise ihrer Beschäftigung nach- gehen, haben wohl soviel Klasscnempfinden, daß sie nur sozial- demokratische Stimmzettel abgeben. Schleswiger Methoden. Ein fast unglaubliches Vorkommnis, das grell die vollkom- mene Rechtlosigkeit ausländischer Arbeiter in Deutschland be- leuchtet, wird derFranks. Ztg." von der zur Provinz Schleswig gehörenden Insel Fehmarn gemeldet. Ein dortiger Landwirt hatte am 12. November 1äl>7 ein galizisches Mädchen in Dienst genommen; der Vertrag wurde aus ein Jahr vereinbart. Da der Gutsbesitzer mit der Tätigkeit des Mädchens durchaus zufrieden war, wurde der Vertrag nach Ablauf des Jahres auf ein weiteres Jahr verlängert. Plötzlich aber wurde das Mädchen am S. Januar löll) auf Anordnung des Land- rats in Cismar verhaftet, weil es als Ausländerin das deutsche Staatsgebiet am 20. Dezember 1903 nicht verlassen hatte. Ter Dienstherr wandte sich an den ihm befreundeten Amtsvor- sicher vergebens; an den Landrat vergebens. Schließlich, nachdem sich das Mädchen über fünf Monate in Haft be- funden hatte, versuchte er als letztes Mittel ein Gesuch an den Regierungspräsidenten in Schleswig , forderte dringend die sofortige Haftentlassung des Mädchens und falls solches aus gesetzlichen Gründen geschehen müsse ihre Expedition über die Grenze. Nach zirka vierzehn Tagen kam von der Regierung die Antwort, daß die Sache zur weiteren Veranlassung dem Herrn Landrat zu Cismar übergeben seil Das Landratsamt teilte dem Gutsbesitzer dann am 9. Juni mit, ieien, nämlich die nationalliberake Partei, die fort- schrittliche Volkspartci. der Hansabund, der Bund der Landwirte, die M i t t e l st a n d s v e r e i n i g u n g usw. auf einen gemein- samen Mischmaschkandidate» geeinigt haben, und zwar auf den jetzigen bürgerlichen Vertreter des Kreises, den Land rat Max Horn in Schleiz . Herr nHorn wirdVerständnis für nationale Notwendigkeiten" Ooll heißen: neue Ausgaben für M'ili- tär, Marine und Kolonien und neue indirekte Steuern), für die Bedürfnisse der einzelnen Stände"(soll heißen: Schutzzölle, Liebes- gaben, Grenzsperren) und für denAusgleich der widerstrebenden wirtsckzaftlichcn Interessen"(soll heißen: auf Kosten des arbeiten- den Volkes) nachgerühmt. Wie es mit alledem bestellt ist, beweist u. a. die Stellungnahme des Herrn Horn zur Reicl�Sversicherungs- Ordnung, zu der er als nationalliberaler Frnktionsredner ge- sprachen hat. In seiner Rede ist er für alle reaktionären Vestim- inungeu des Entwurfes, insbesondere für die Beseitigung des Selbstverwaltungsrechts der Versicherten in den Krankenkassen ein- getreten. DieGcraer Zeitung" ist außerordentlich stolz auf das Werk, und stolz ruft sie den bürgerlichen Parteien der anderen Wahlkreise zu: Gehet hin und tut desgleichen! Wir können nur wünschen, daß sie mit dieser Aufforderung Erfolg habe, damit auch der letzte frei- gesinnte Mann aus den bürgerlichen Parteien verjagt und in die Reihen der Sozialdemokratie getrieben werde. Denn die Sammel- Politik, die die bürgerlichen Parteien in unserm Fürstentum im kleinen getrieben haben, wird kein anderes Ergebnis zeitigen wie die Sammelpolitik, die der philosophische yerr v. Bethmann Holllveg nach den Mitteilungen derNationalzeitung" im ganzen Deutschen Reiche im großen einleiten will: eine Dezimierung der bürgerlichen Parteien, wie sie noch nicht dagewesen ist. Die gut organisierte Arbeiterschaft in dem industriereichen Fürstentume Reuß j. L. steht gerüstet da; sie wird zeigen, daß die bürgerlichen Parteien bei uns ausgespielt haben; sie wird der heiligen Allianz vom Bunde der Landwirte bis zur Fortschrittlichen Volkspartci eine vernichtende Niederlage bereiten und ihr die Kau- didatensorge für die Zukunft ein für allemal abnehmen, Englancl. Die Steuerscheu der englischen Junker» London , 30. August.(Eig. Ber.) Eine eigenartige und amüsante Agitation entfalten augenblicklich die englischen konser- vativen Blätter. Sie bringen spaltenlange Proteste gegen daS inquisitorische" Verfahren der Beamte», die mit der Aufstellung des in dem viel umstrittenen Finanzgesetz Lloyd Georges be- schlossenen Wertkatasters beschäftigt sind. Bekanntlich war eS das Wertkataster, das zum ersten Male seit den Zeiten Wilhelms des Eroberers Licht in die VermögcnSverhältnisse der großen Land- besitzer bringen soll, das in den konservativen Reihen den hart- näckigsten Widerstand hervorrief. Trotzdem nun daS Budget schon längst angenommen ist, laufen die Landbesitzer dennoch immer Sturm gegen das verhaßte Kataster. Zuerst versuchten sie, die Be- mühungen der Steuerbehörde als lächerlich und unnütz hinzustellen; sie verwiesen auf die Kompliziertheit der auSgesandten Formulare, deren Fragen nur der Schatzkanzler selbst verstehen könne. Dann griffen sie zu dem alten bewährten Mittel, den kleinen Mann mit seinem sauer erworbenen Häuschen vorzuschieben, der auf irgend eine Weise durch die behördliche Auslegung der Landsteuergesetze benachteiligt werde. Kurzum, die englischen Junker sind in großen Nöten. Geben sie, um den künftigen Wertzuwachs zu verkleinern, den Wert ihres Besitzes zu hoch an, so müssen sie eine verhältnismäßig hohe Land- steuer entrichten, die ja auch nicht nach dem Ertrage, sondern nach dem Werte des Landes bemessen wird. Setzen sie aber umgekehrt den Wert des Landes zu niedrig an, so steht ihnen die Zahlung einer höheren Wertzuwachssteuer bevor. Man sieht, Herr Lloyd George hat den Leuten, die die Bemogelung der Steuerbehörde als eine Art Naturrecht beanspruchen, das Handwerk ziemlich schwierig gemacht. Der Privatsekretär des Schatzkanzlcrs versichert ihnen, daß sie am besten dabei fahren würden, wenn sie ihre Angaben der Wahrheit gemäß machten. Aber solchen Spaß verstehen die Land» junker nicht. Daher diese Tränen. Als weiterer beunruhigender Faktor kommt hinzu, daß viele der Edlen der Nation die nicht un- begründete Angst haben, daß die ermittelten Resultate von der Steuerbehörde auch bei der sonstigen Steuerveranlagung als Unter- läge benützt werden können. Es schwebt ihnen das Bild so manches Patrioten vor, der nur für einige Tausend Mark Einkommensteuer zahlte und dessen Vermögen sich bei seinem Tode auf mehrere Millionen stellte oder der sein Geld in ausländischen Unterneh- mungen angelegt hatte. Sie kennen die Klagen der Leute, die das vorher als ganz wertlos angegebene Land an Eifenbahnacsellschaften und ähnliche Unternehmen zu enormen Preisen verkauften. In all diesen Fällen griff nachher die Steuerbehörde ein und rechnete sich die Steuerhinterziehungen aus. Andere Länder, andere Sitten; die Junkersippe scheint jedoch in allen Ländern nach dem selben Rezept zu arbeiten. Amerika. RooscveltS Demagogie. New Aork, 1. September. In seiner Rede, welche Noosebekt gestern in Osawatomie gehalten hatte, erklärte er den Krieg bis aufs Messer gegen alle diejenigen, die persönliche Spezialinteressen vertreten, welche gegen das allgemeine Wohl gerichtet find. Diese Attacke RooseveltS ist vor allem gegen das von Jahr z» Jahr immer mehr zunehmende Heer der Milliardäre gerichtet.Die völlige Abwesenheit von irgendwelchen Einschränkungen seitens des Staates oder der Nation gestatten es einer unehrenhaften Clique von fabelhaft reichen Menschen, die in ihrem Leben keinen anderen Zweck sehen, als ihre Macht zu bewahren oder gar»och zu erhöhen, sich immer reicher zu machen mit dem Gclde der armen Steuer- zahler. Unsere erste Pflicht mutz sein, die sozialen Lebensbedingungen völlig zu ändern, welche es diesen Menschen gestatten, sich der Macht und doS Einflusses zu bemächtigen auf Kosten vieler Millionen Entrechteter. Später sagte Rooscvelt: ES genügt nicht, daß ein Vermögen ohne Verbrechen an der Allgemeinheit ge- Wonnen ist; wir dürfen auch nicht gestatten, daß ein solches Vermögen wächst, wenn cS nicht dabei zugleich der großen Allgemeinheit dient. Damit die» aber der Fall wird. muß eine sehr aktive einflußreiche Politik der Regierung gefordert werden. ES ist notwendig, daß die Regierung die sozialen und ökonomischen Lebensbedingungen kontrolliert, sich der sog. zlveitenKlassederMenschheit. die nur durch den Dollar deklassiert ist, mehr annimmt, ihr LoS bessert I" Ein unbeschreiblicher, bis an Wahnsinn grenzender Enthusiasmus erhob sich nach dieser Rede RooseveltS. Der Gouverneur des Staates Mr. StrubbS begrüßte osfiziell Roosevelt nicht nur als de» größten Mann der Vereinigten Staaten , sondern als den größten Mann der Welt!_ Soziales. Zum Kapitel Steiierhinterziehnng. DerPatriotismus" der Besitzcnden geht in keiitcni'Laudo so weit, daß sie auch dein Gesetze"entsprechend zu den Steuern beitragen»vollten. In der demokratischen Schweiz betrügen sie den Staat nicht minder, wie im halbabsolntistischen Deutsch­ land . Wie Professor Joseph Eßlen (Zürich ) in einem soeben erschienenen Buche überDie direkten Steuern im Kanton Zürich und ihre Reform"(Zürich 1910. Verlag von Rascher u. Co.) mitteilt, haben die 15000 Jnbentarisationen, die von 13701907 im Kanton Zürich stattfanden, folgendes Resultat ergeben: Inventar!- Steuerpflichtiges Versteuertes sationen Vermögen Vermögen° 18701879 3 593 97 417 000 62 567 000 64,0 1880-1889 2 833 127 691000 83120 000 65,0 1800-1809 4 369 232 272 000 131 413 000 56,5 1000-1007 4 653 219 017 1QQ 148 522 000 67,5 18701007 15 453 677 297 100 425 623 200 62�* Im Durchschnitt der 37 Jahre 1879 1997 sind also noch nicht einmal zivei Drittel des steuerpflichtigen Vermögens tat- sächlich versteuert worden. Die Jnventarisattonen des Vermögens von Steuer- Pflichtigen finden bei gewissen Anlässen statt, z. B. beim An- tritt von Vormundschaften, aus Anlaß der Veranlagung zur Erbschaftssteuer, zum Teil auch infolge von Steuerrekursen. Ucber die Hinterziehungen bei der Einkommensteuer fehlen genaue Anhaltspunkte, aber Professor Eßlen behauptet, die Angehörigen der freien Berufe(Aerzte, Rechtsanwälte) seien mit ihrem zum Teil sehr hohen Einkommen notorisch um die Hälfte und oft weit mehr zu niedrig ein- geschätzt. Am u n v o l l st ä n d i g st e n dürfte aber das nnfundierte Einkommen der selbständigen Unternehmer in Landlvirtschaft, Gewerbe und Handel erfaßt iverden. Im allgemeinen werde hier nicht mehr versteuert, als was nach Abzug des Lebens- Unterhaltes bleibe, das, was man auf die Seite legen könne._ Prinzipielles vom Labenschluß an Sonntagen. Z 41a der Gewerbeordnung bestimmt:Soweit nach den Be- stimmungen der§Z 105b bis 105h Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter im Handelsgewerbe an Sonn- und Festtagen nicht beschäftigt werden dürfen, darf in offenen Verkaufsstellen ein Gewerbebetrieb an diesen Tagen nicht stattfinden. Diese Bestimmung findet auf den Geschäftsbetrieb von Konsum- und anderen Vereinen entsprechende Anwendung." In Berlin endet nun nach der dazu ergangenen Polizciverordnung vom 20. Juni 1892 diese Zeit, zu der an Sonn- tagen ein Gewerbebetrieb in offenen Verkaufsstellen zulässig ist. nachmittags um 2 Uhr. Nach 2 Uhr verabreichte eine» Sonntags die Ehefrau des Fleischermeisters Klopsch, der ein Ladengeschäft hat, an einen Kunden Schinken, der von ihm vor 2 Uhr bestellt und auch bezahlt worden war. Der Mann hatte' noch einen Gang be- sorgt und sich den Schinken auf dem Rückweg abgeholt. Das Land- geeicht sah darin einen Verstoß gegen den§ 4la der. Gewerbe­ordnung in Verbindung mit Z 105b und mit der erwähnten Polizei- Verordnung. Es läge hier ein Gcwerbebetriöb in nicht zugelassener Zeit vor, denn die Aushändigung des allerdings rechtzeitig bestellten und bezahlten Schinkens gehöre noch zur Ausübung des Gewerbe- betricbö im Sinne des K 41a der Gewerbeordnung. Der Inhaber des Geschäfts hätte verurteilt werden müssen.- Der Angeklagte legte Revision ein und machte geltend, der Verkauf sei schon durch die rechtzeitig erfolgte Bezahlung erledigt gewesen und die bloße Aushändigung der Ware nach 2 Uhr könne nicht mehr als Ausübung de» Gewerbebetriebes gelten. Das Kammergericht verwies zwar die Sache zu nochmaliger Verhandlung an das Landgericht zurück, gab aber in der Haupt- fache dem Angeklagten Unrecht. Begründend wurde ausgeführt: Der 8 41a der Gewerbeordnung sei strenger als der 8 IWe, der beim werktäglichen Geschäftsschlnß ein AuSbedienen der bereits im Lade» anwesenden Kunden noch gestatte. Nach 8 41a müsse an Sonntagen zu der festgesetzten Zeit der Gewerbebetrieb überhaupt beendet sein.§ 41a stehe in inniger Verbindung mit 88 105b bis d. Nach ihm darf in allen Fällen, wo an Sonn- und Festtagen An- gestellte nicht beschäftigt werden dürfen, ein Gewerbebetrieb in offenen Verkaufsstellen nicht stattfinden. Zweifellos dürfte ein Gehilfe eine solche Tätigkeit(die WarcnauShändigung) cm Sonn­tag»ach 2 Uhr nicht ausüben, da er sonst noch nach 2 Uhr hätte im Geschäft verweilen müssen, was eben ausgeschlossen sein sollte. Zweifellos würde sich der Geschäftsiichaber strafbar machen, wenn er den Gehilfen, nnp sei eS auch nur mit der Aushändigung einer schon früher bezahlten Ware, nach 2 Uhr noch beschäftigte. Da nun 8 41a aus Konkurrenzrücksichten erlassen sei, so wäre weiter zu folgern, daß der kleine Mann, der keine Gehilfen beschäftigt, nicht besser gestellt werden sollte, als der, der Gehilfen hat. So müsse man davon ausgehen, daß auch der kleine Geschäftsmann, der selbst die Ware aushändigt, nicht berechtigt sei, am Sonntag noch nach Schluß der zulässigen Zeit schon vorher verknuste Ware auSzn- händigen. Der Angeklagte wäre deshalb zu bestrafen, wenn sein Verschulde» feststände. Das stehe noch nicht fest. Es müsse vom Landgericht nachgeprüft werden, ob seine Frau in seinem Auf- trage oder mit seinem Vorwissen gehandelt habe. Darum die Zurückverwcisung an das Landgericht. Falsche Angaben über frühere Stellungen. Eine bemerkenswerte Entscheidung fällte gestern die 5. Kammer de» Berliner Kaufmannsgericksis. Ein Buchhalter F. hatte sich bei dem Beklagten um eine Anstellung bemüht und zu diesem Zwecks ein Zeugnis über die Art und Tätigkeit in seiner letzten Stellung eingereicht. Bei der persönlichen Vorstellung nannte der Kläger aus Befragen des Beklagten, wie hoch sein letztbezogenes Monats­gehalt gewesen sei. die Summe von 100 M. F. wurde daraufhin unter denselben Gehaltöbedingungen engagiert; der Beklagte löste indessen nach kurzer Zeit das Vertragsvcrhältnis mit der Begrün« dung, er sei vom Kläger bei Vertragsschluß schwer getäuscht worden. Sch. hatte nämlich in der Zwischenzeit erfahren, daß der Büchhalter von seiner früheren Firma auf sein Bitten vor Ver» lassen der Stellung ein Interimszeugnis erhalten hatte. Außerdem bezog er in seiner alten Stellung nicht 100 M., wie er angab, sondern nur 90 M. Der Beklagte steht auf dem Standpunkt, daß er zur fristlosen Entlassung berechtigt war. F. hätte pflichtgemäß bei Einreichung der Zeugnisabschriften das letzte Zeugnis als Interimszeugnis" bezeichnen müssen. Ebenso enthalte die falsch« GehaltSangabe eine schwere Täuschung des Prinzipals. Auf Be, fragen vermochte aber der Beklagte nicht die Behauptung aufzu- stellen, daß daS MschlutzzeugniS von dem Interimszeugnis inhalt- lich wesentlich abwich. Das Kaufmannsgericht fällte folgende Entscheidung: Die so- fortige Entlassung des Klägers sei unberechtigt. Nur eine Täuschung über wesentliche Punkte rechtfertige die Auflösung des Vertrages. Die Kennzeichnung des Interimszeugnisses alsZeugnis" sei abev hier nicht als ivesentlich anzusehen. Zur Zahlung deS Gehalt» bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sei mithin Beklagter zu verurteilen, aber nur unter Berechnung eines Monatsgehalts vow 90 M. Denn das Gericht habe angenommen, daß Beklagter nur- dies Monatsgehal! botvilligt hätte, wenn er die Wahrheit über den früheren Gehaltsbezug des Klägers gewußt hätte. Die Gehaltsangabe im Zeugnis. Mit der Frage, ob die Angabe des GehaltSbezuges im Rahmen eines Zeugnisses statthaft sei, hatte sich gestern die I. Kammer des Berliner Kansinannsgerichts zu befassen. Ein Kaufmann D. hatte seinem Gehilfen beim Abgange ein im allgemeinen günstige» Zeugnis gegeben, nur in einer Nachschrift fügte er die Angabe hinzu: A bezog zuletzt 70 M. Gehalt bei mir." Ter aus Streichung dieses Zusatzes klagende Gehilfe machte geltend, der Zusatz könne ihm in späterer Zeit vielleicht einmal hinderlich sein. Tag Kaufmanns- gericht erachlete de» Antrag des Klägers auf Streichung deS Nach­satzes für begründet. Gleichviel ob die Befürchtungen des Kläger» berechtigt sind oder nicht, so habe A. einen Anspruch darauf, daß der Zusatz gestrichen wird. Die Angabx über Gehaltsbezüge gehör« nicht in ein Zeugnis. daß die Entlassung des Mädchens aus der Polizeihaft nach Lage der bestehenden Vorschriften nicht angängig sei! Noch am 23. Juli und vielleicht noch heute saß das unglückliche Mädchen in Haft. Und der Grund: es hat nicht die Ehre, Unter- lanin deS vorderrussischen Borussenlandes zu sein. Damit im Drama der Hunwr nicht fehle, soll der betreffende Gutsbesitzer für das Mädchen während der Dauer der Haft pro Tag 80 Pfennig Verpflegungsgelder an den Staat zahlen, der ihn seiner Arbeitskräfte beraubt. Wahrscheinlich stützen sich die Behörden in ihrem absonder- lichen Vorgehen auf die Bestimmungen über die Beschäftigung aus- ländischer Sachsengänger. Wenn die Heranziehung dieser Vor- schriften im vorliegenden Falle schon sehr bedenklich erscheint, so stellt sich die achtmonatliche Inhaftierung als eine mit den Ge- setzen nicht zu vereinbarende Maßnahmen dar. Man konnte die Aus- länderin vielleicht ausweisen, aber durfte sie nicht ein« so lange Zeit ihrer Freiheit berauben. Die Oeffentlichkeit hat ein Recht, «ine sofortige Klarstellung des beschämenden Vorkommnisses zu fordern._ Ein schwarzes Geständnis. Ein schwarzes Schuldbekenntnis legt daS mit Sigls Tod ganz inS Zentrumsfahrwasser gerateneBayerische Vaterland' �Eigentum des Geistl. Rates Sturm und des Zentrumsabgeordneten Dr. Heim) ab, indem es schreibt: DaS Zentrum muß das Bad austrinken, das eS sich durch Zustimmung zur Reichs st euerreform enge- richtet hat. Es habe den Junkern geholfen, den ihnen verhaßten Reichskanzler Bülow zu stürzen, das sei ebenso berechtigt ge» Wesen, wie die Ablehnung der Erbanfall st euer ver- fehlt. Es habe dafür unpopuläre Steuern genehmigt und nicht einmal sich versichert, daß im Reich mit größerer Spar- s a m k e i t gewirtschaftct werde. Das Zentrum habe v o r e i l i g gehandelt und jetzt soll es weitere Steuern und Volkslasten genehmigen?! Dadurch verderbe sich die Partei die Sympathien in den weitesten Volkskreisen und helfe nur dazu, die Zahl der sozialdemokratischen Abgeordneten zu vermehren, die National- liberalen und Konservativen durch die linksstehenden Parteien an die Wand zu drücken. DaS Zentrum müsse also die e n t» schiedene Ablehnung weiterer Forderungen für Armee und Marine zum Programm machen, sonst gehe es bei den nächsten Wahlen schief. DaS'Vaterland" schließt seinen Artikel mit dem Klageruf:Nur mit trüben Blickem kann ein gut gesinnter Anbänger des Zentrums bei diesen Verhältnissen in die Zukunft schauen; mögen die Führer des Zentrums die Situation richtig erfassen und danach handeln." Die Neue des von hervorragenden Zentrumsherren bedienten Blattes kommt zu spät. Zwar hoffen seine Führer, daß sie mit Hilfe der Geistlichkeit wiederum, wie schon öfter, die Wählermassen beschwichtigen, einlullen und einseifen' können, allein auch den Zentrumswählern wird das Mehrsteuern und Mehrzahlen allmählich zu dumm._ Zur Affäre des Generals v. Gagern meldet dieDeutsche Journalpost": In der Angelegenheit der Frau Oberleutnant MeerS- mann gegen de» Vater ihrer beiden außerhalb der Ehe geborenen Kinder, den General a. D. Freiherrn v. Gagern, ist bekanntlich ein Urteil der ersten Zivilkammer des hiesigen Landgerichts I dahin ergangen, daß Frau Meersmann mit ihrem Verlangen nach Erlaß einer einstweilige» Verfügung gegen Herrn v. Gagern auf Alimentierung abgewiesen wurde. DaS Urteil stützt sich darauf, daß Frau Meersmann sachfällig sei, weil sie eine Er- ilärung unterschrieben habe, wonach sie gegen Zahlung von 9000 Mark auf alle Ansprü che gegen Hetrn v. Gagern verzichtete. Diese Verzichtserklärung wurde von ihr in der Verhandlung angefochten, jedenfalls ist sie heute angesichts der Entmündigung der Frau ohne Be- dcutung und damit der Entscheidung deS Landgerichts der Boden entzogen, �jn dieser Richtung wird sich der BerufungSantrag be- wegen. Wie wir hören, war Herrn v. Gagern die Tatsache der Entmündigung seiner Gelieb!«» von Anfang an bekannt. Er ließ sich aber hierdurch in seinem Verkehr mit einer an- geblichen Geisteskranken nicht stören und fand auch nichts darin, sich von einer entmündigten Frau eine Verzichts- erklär» ng auf alle Ansprü chegegen seine Person ausstellen zu lassen. Allerdings muß gesagt werden, daß Herr v. Gagern erst in der zweiten Verhandlung und auch nur zögernd von diesem Schriftstück Gebrauch gemacht hat. Die reaktionäre Phalanx in Renst j. L. Die bürgerlichen Parteien im Fürstentum Reuß j. L. waren sich, wie die wechselseitigen Preßpolemiken in der rechtsnational- liberalenGcraer Zeitung" und dem..links"-freisinniaenGera - ischcn Tageblatt" erkenne» ließen, darüber, wer bei der bevorstehen- den RcichStagswahl bürgerlicher Durchsallskandidat werden syll, arg in die Haare geraten, und hinter den Parteikulissen muß es bpse hergegangen sein, ehe man sich schließlich auf einen Kandidaten geeinigt hat. DieGeraer Zeitung" verkündet nun in einem an- scheinend von offizieller nationalliberaler>eite inspirierten Ar­tikel an leitender Stelle, daß sich alle bürgerlichen Per«