gestärkt werden, wenn auch die unorganisierten Arbeitslosen Unter- siützung erhalten. Wir sind heute nicht mehr der Meinung, dasi wir die Arbeilslosenunterstützung brauchen, um Mitglieder für die Gewerkschaften heranzuziehen. Zum mindesten in den fort- geschrittenen Ländern genügt heute schon die Gewerkschaftsagitation, die blosie Aufklärung über das Wesen der Gewerkschaften. Mit den gewerkschaftlichen KmnpfeSzielen hängt die Arbeitslosenunterstiltznug nicht direkt zusammen. Wir fordern daher eine öffentlich-rechtliche, allgemeine und obligatorische Arbeitslosenunterstützung durch den Staat, die den Gewerkschaften abnimmt, was nicht zu den gewerk- schaftlichen Aufgaben im engeren Sinne gehört. Wir müssen für die nächsten Jahre mit großen, technischen, ökonomischen Revolutionen rechnen, die die industrielle Reservearmee gewaltig anschwellen lassen und unsere glänzend geführten Gewerkschaften mit dem Hauptgewicht ihrer finanziellen Leistungen und ihrer Organisationsfähigkeiten ans die Milderung der Arbeitslosigkeit festlegen. Das ist aber nicht der Hauptzweck der Gewerkschaften, nicht ihre Hauptbedeutung. Deshalb sollen wir nicht alle Lasten der Arbeitslosigkeit auf unseren breiten Rücken nehmen, sondern die Gesellschaft zwingen, zu leisten, was ihre Pflicht ist. zumal allein der Kapitalismus aus der Arbeits- losigkeit Vorteile gezogen hat. Wir wollen aber auch nicht darauf warten, bis die allgemeine obligatorische, öffentlich-rechtliche Arbeitslosenunterstützung tatsächlich durchgeführt ist, sondern wollen dafür sorgen, daß Staat und Gesellschaft, alle öffentlich- rechtlichen Organe und vor allen Dingen die Gemeinden bessere Maßnahmen gegen die Arbeits- losigkeit ergreifen. Die vierte Kommission war da der Meinung, daß sowohl im Interesse des Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit als auch in der Erkenntnis der Zustände, unter denen das Proletariat leidet, zunächst eine regelmäßige neue Feststellung des UmfangS der Arbeitslosigkeit notwendig ist. Wir verlangen weiter, daß durch außer- ordentliche Notstands arbeiten für die Arbeitslosen gesorgt wird. Wir haben uns aber auch durchweg den Wunsch zueigen ge- macht, der vor allem von der englischen Delegation mit aller Entschiedenheit vertreten wurde, daß diese NotstandSarbeiten von dem Charakter der Wohltätigkeit und der Fürsorge weit entfernt sein müssen. Wir haben es als Pflicht der Gesellschaft aufgestellt. Arbeit für die Arbeitslosen ohne jede moralische, politische und gesellschaftliche Schädigung dessen, der die Arbeitslosenfürsorge benutzt, zu schaffen. Nicht nur müssen ihm seine politischen Rechte ungeschmälert erhalten bleiben, die NotstandSarbeiten müssen auch davor bewahrt bleiben, eine Schmutzkonkurrenz zu werden und Anlaß zu geben für ein Sinken der Löhne. Wir verlangen auch für solche Arbeiten die gewerkschaftlich als richtig anerkannten Löhne(kaft- waZss). Wir verlangen ferner als weitere Uebergangsmaßregel in den Zeiten großer Krisen Unterstützungen an alle arbeitslosen Klassen. Zur Regelung der Arbeitslosenfürsorge fordern wir öffentliche Nachweiseinrichtungen, die wir aber nur dann anerkennen können, wenn in ihnen die Interessen der Arbeiter dadurch gewahrt werden, daß die Gewerkschaften die Möglichkeit haben, die Verwaltung der Arbeitsnachweisstellen zu kontrollieren und zu be« einflussen. Wir verlangen ferner, daß die Arbeitsnachweis- einrichtungen der Gewerkschaften durch öffentliche Mittel unterstützt werden. Aber diese Unterstützungen dürfen die Freiheit der Gewerkschaften in keiner Weise beschränken. Das sind die wesentlichen Gesichtspunkte der Resolution, die vielleicht keinen von Ihnen befriedigen wird und mit der auch der zur Bericht- «rstattung verurteilte Parteigenosse nicht voll einverstanden ist. Aber wir mußten ein Kompromiß abschließen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der verschiedenen Länder und unter Berücksichtigung der ökonomischen Verhältnisse und der Stärke der Gewerkschaften in den einzelnen Ländern. Wir haben unS in langen Stunden um eine Resolution bemüht, die einigermaßen den Wünschen aller Mitglieder entspricht. Wir haben im Interesse des Zustandekommens einer einheitlichen Resolution alle Zugeständnisse gemacht und nicht rück- sichtslos unsere eigene Anschauung durchgesetzt. Wir wollen von dießem Kongreß heimkehren, indem wir der Arbeiterklaffe die Ueber- zeugrmg geben, daß alles, was in ihrem Interesse tgeschehen kann. von diesem Kongreß gewünscht wird und nach diesem Kongreß von uns allen in allen Ländern mit aller Energie verfochten werden wird. �Lebhafter Beifall.) sDie Uebersetzung wird von Eman in französischer und von Smith in englischer Sprache gegeben.) Macdo«ald(2. P. und I. L. P.): Der englischen Sektion ist die vorliegende Resolution z u s ch w a ch. Sie hätte gewünscht, daß in erster Linie das Recht auf Arbeit bei Gewerkschafts - löhnen(karr rragss) gefordert worden wäre. Auch ist die Resolution zu lückenhaft, sie hat in ihrem letzten Wortlaut der englischen Sektion überhaupt nicht vorgelegen. Jetzt aber noch Aen- derungen zu beantragen, ist nicht mehr am Platze. Die britische Sektion kann daher nicht für die Resolution stimmen, aber nicht etwa, toeil sie mit den Ansichten und Wünschen der Resolution nicht einverstanden wäre. Insbesondere ist auch die-britische Sektion der Meinung, daß die kapitalistische Produktionsweise die Schuld an der Arbeitslosigkeit trägt und daß ihr die Pflicht auferlegt werden muß, für dw Folgen der Arbeitslosigkeit aufzu- kommen. Auf Einzelheiten aber kann sich die britische Sektion nicht festlegen. Berichterstatter Braun: Ich bin Macdonald sehr dankbar dafür, daß er sein Einverständnis mit den Grundprinzipien der Resolution ausgesprochen hat, wenn er auch nicht mit allen ihren Einzelheiten einverstanden war. Die Resolution ist eben ein Kompromiß und mir ist noch viel mehr abgelehnt worden als Macdonald. Ich kann ver- sichern, daß die englischen Delegierten in der Kommission mit der Zähigkeit, die den Engländern eigentümlich ist, für ihre besonderen Forderungen gekämpft haben. Wenn Macdonald einen besonderen Radikalismus darin sieht, daß in der Resolution an erster Stelle das Recht auf Arbeit hätte gefordert werden müssen, dann kann ich ihm erklären, daß über das Recht aus Arbeit, z. B. bei den Deutschen . sehr verschiedene Auffassungen herrschen. Das Recht auf Arbeit steht bekanntlich schon im preußischen Landrecht. Es rief 1848 die Nationalwerkstätten hervor. Nun verbindet Macdonald das Recht auf Arbeit noch mit den kair wagea. Aber diese Forderung kann die kapitalistische Gesellschaft nicht erfüllen. Wir müssen deshalb mit Palliativmitteln die Arbeitslosigkeit in ihren Wirkungen zu nlildern suchen. Nicht durch das Recht auf Arbeit, sondern nur durch Abschaffung deS Kapitalismus kann die Arbeitslosigkeit allein beseitigt werden.(Lebhafter Beifall.) Die dänischen Genossen bitten mich, für sie darauf hinzuweisen, daß wir in Dänemark uns aus de», klassischen Erperimentierboden in der Bekämpfung der Arbeits- losigkeit durch den Staat befinden. Die unermüdliche Arbeit der dänischen Abgeordneten und ihre Agitation in den Massen haben den Staat gezwungen, etwas gegen die Arbeitslosigkeit zu tun. Bor allen Dingen hat der dänische Staat die Gewerkschaften als die besten Organisationen zur Milderung der Arbeitslosigkeit unter- st ü tz t. Eine Reihe deutscher Gewerkschaften wünschen in der Reso« lution noch einige formale redaktionelle Aenderungen vorgenommen zu sehen. Ich glaube, Sie werden damit einverstanden sein, wenn ich mit dem Bureau diese rein redaktionelle Arbeit erledige. Bor mehr als hundert Jahren hat der Nationalökonom Tis- mondi, nach Ricardo der bedeutendste bürgerliche Nationalökonom erklärt, daß die Unternehmer für den Schaden haftbar seien, den sie der Arbeiterklasse durch die Arbeitslosigkeit zufügen. Dasselbe sagen auch wir. wenn wir fordern, daß die Träger und Nutznießer des kapitalistischen Systems aufzukommen haben für die Folgen der Arbeitslosigkeit. Ouelch(S. D. P.): Auch wir sind mit Macdonald einer Meinung. So wie die deutsche Resolution gefaßt ist, kann sie die britische Sektion nicht annehmen. Sie hat aber, und darin irrt sich Macdonald, doch eine bestimmte Stellung zur Resolution eingenommen. Sie mutz entweder gegen die Resolution stimmen oder sich der Ab- stimmung enthalten. Kämen wir mit dieser Resolution nach Hause, dann würden wir unserer eigenen Bewegung zur Milderung der Arbeitslosigkeit schweren Schaden zufügen, vor allem, weil die Resolution zu schwächlich ist. Der Kongreß erteilt dem Bureau das Recht, redaktionelle Aende- «mgen an der Resolution vorzunehme«. Vorsitzender Branting: Vielleicht genügt es den englischen Delegierten, die nur mit einer gewissen Reserve für die Resolution stimmen können, daß ihre Erklärung hier öffentlich in der Plenar- fitzung von Jkinen abgegeben worden ist. Wir können sodann einen möglichst einstimmigen Beschluß zustande bringen. Macdoiiald und Quelch rufen: Die englische Sektion enthält sich der Abstimmung. Die Resolution Braun wird hierauf mit großer Mehrheit angenomnien. Nach der Abstimmung erklärt Broucksrc- Frankreich , daß eine Anzahl französischer Delegierter sich gleichfalls der Abstimmung ent- halten habe.(Lebhafter Beifall bei den Engländern). Schluß 123/i Uhr. Kopenhagen , 1. September 1910, Nachmittagssitzung. Den Vorsitz führt Jeppcscn-Norwegen . Resolutionen. Zur Debatte gestellt werden die Resolutionen der fünften Kom- Mission betreffend die Einigkeit, die Todesstrafe, Argentinien , Japan . Türkei , Spanien , Persien , Finnland . Die Resolutionen sind zumeist ans den Verhandlungen der Kom- Missionen unseren Lesern bekannt. Die Resolution Frankreichs über die Einigkeit lautet: „In Anbetracht der durch ihre Einigung, welche sie unmittel- bar nach dem Kongreß von Amsterdam unter den, Beistand der Interna, ionale durchgeführt hat, erzielten Ergebnisse ersucht die ftanzösische Sektion den Kongreß, die im Jahre 1904 erteilten Anweisungen zu erneuern und die nationalen Parteien, die noch gespalten sind, einzuladen, ihre Einigung zun, Borteile und zum Wohle des internationalen Proletariats herbeizuführen." Die Resolution für Spanien lautet: „Angesichts der tragischen Ereignisse, die sich in Spanien , ins- besondere in Katalonien im vergangenen Jahre abgespielt haben, spricht der Internationale Sozialistische Kongreß in Kopenhagen den Genossen der Sozialistischen Partei in Spanien seine Sym- pathie aus sowie den Genossen Kataloniens und allen organisierten Arbeitern in Spanien . Sie entsprechen den Beschlüssen der Jnter- nationalen Kongresse. Der Internationale Sozialistenkongreß brandmarkt die barbarische Unlerdrllckung, deren Opfer unsere Genossen in Barcelona und in anderen Städten geworden sind. Insbesondere brandmarkt er den Justizmord an Ferrer und feiert das Vorgehen des ersten parlamentarischen Vertreters der Arbeiterklasse als da? erste Anzeichen des Erwachens des spanischen Proletariats." Schließlich liegen Resolutionen bor , die sich richten gegen die AuLuahmegesetzgebungen in Argentinien und Japan . Heute soll nur diskutiert und erst morgen soll über die Re- solutionen abgestimmt werden. Berichterstatter Ellcnvogen-Oesterreich: Mir ist die außerordentlich schwere Aufgabe geworden, ich soll nicht weniger als acht Resolutionen in 20 Minuten begründen. Ich werde mich daher so kurz als möglich fassen. An die Spitze meiner Darlegungen möchte ich die Resolution über die Einigkeit stellen, eine Resolution, die der Initiative der fran- zösischen Genossen zu verdanken ist. Bekanntlich ist schon auf dem Kongreß in Amsterdam eine solche Resolution be- schloffen worden. Es ist ein Zeichen für den Geist der Partei, für die große Kraft des Sozialismus und für die Kraft der Selbst- Überwindung, der es einzig zu danken ist, daß diese Resolution trotz der schwierigen Verhältnisse in Frankreich von den beiden streitenden Gruppen angenommen worden ist. Ihre Versöhnung ist gelungen und mit Dank und Anerkennung müssen wir der opferwilligen Unter- werfung gedenkin, die die eine Gruppe der Jaur ssisten dabei aus- gezeichnet hat. Das Werk der Einigkeit ist noch nicht überall gelungen. Wir hoffen aber, daß es im nächsten Jahre vollständig gelingen wird, in allen Ländern, in denen heute noch Meinungsverschiedenheiten vor- handen sind, eine Einigung herbeizuführen. Wir hoffen, daß der nächste Kongreß eine vollständige Einigkeit aller Gruppen in den einzelnen Ländern wird konstatieren können. Ich komme zur zweiten Resolution über die Todesstrafe. ES fällt mir nicht ein, mich über die juristische Seite der Frage zu äußern. Was mich interessiert, ist ihre menschliche und vor allem ihre politische Seite. ES ist bezeichnend, daß auch das Bürgertum in feiner revolutionären Periode, als es von den großen Ideen seiner eigenen EmanzipationS- zeit erfüllt war, die Abschaffung der Todesstrafe auf feine Fahne geschrieben hatte. Es ist auch bezeichnend, daß die Bourgeoisie nach der Erringung der politischen Mach, langsam von ihren eigenen Idealen, auch in der Frage der Todesstrafe, zurückgekommen ist, bezeichnend, daß sich eine Reihe bürgerlicher Gelehrter, trotz der Er- fahrungen in manchen Ländern mit der Abschaffung der Todesstrafe, sich mit einer Reihe wissenschaftlicher Gründe für diese Form der Strafe ins Zeug legen. Weiter ist charakteristisch, daß die Bewegung auf Beibehallung oder Wiedereinführung der Todesstrafe überall von den reakiioiiärstcn Parteien geführt wird, so z. B. in Holland von den Antirevolutionären, einer orthodoxen pro- testantischen Gruppe. Gegenüber den juristischen Scheiugründen halten wir an der Auffassung fest, daß durch die Todesstrafe Mord- taten und andere Verbrechen nicht verhindert werden, daß sie vielmehr dazu benutzt werden, jede freiheitliche Bewegung mit brutaler Gewalt zu unterdrücken.(Sehr wahr!) Das in dieser Hinsicht klassische Land der Todesstrafe ist Rußland , wo der gerichtliche und außergerichtliche Mord wütet. In den letzten fünf Jahren sollen nicht weniger als 3000 Todesurteile in Ruß - laut» vollstreckt worden sein. Zu welch furchtbarer Verivilderimg, zu welch grausamer Barbarei die Todesstrafe dort geführt hat, zeigt die Tatsache, daß die Henker sich nicht gescheut habe», in der Weihnachtsnacht, die für die ganze Welt ein Fest der Liebe und Versöhnung ist, um 1 Uhr nachts politische Verbrecher hinzurichten (Bewegung), eine Tatsache, die selbst bei den Anhängern dieser Strafe Entsetzen erregt hat. Zahllose in den letzten Jahren hin- gerichtete Unschuldige sind die Konsequenzen der furchbaren Ver- rohung, zu denen die Todesstrafe geführt hat. Dabei fei herbor- gehoben, daß für gemeine Verbrechen in Rußland die Todesstrafe abgeschafft ist und daß sie nur auf dem Umlvege über Ausnahme- gerichte und Militärgerichte für die politischen Verbrecher wieder ein- geführt worden ist. Wir wissen, daß es noch ungeheure Mühe kosten wird, den russischen Koloß der Reaktion niederzureißen. Aber die dortige Hinrichlungswut bedroht ganz Europa , bedeutet eine Unterwerfung der Zivilisation unter die brutalen und unmensch- lichen Anschauungen Rußlands . AuS diesem Grunde muß der Koilgreß seine Stimme für die Abschaffung dieser brutalen Einrichtung ein- stimmig erheben. Darum haben wir möglichst eiuheltliche gleichzeitige Kundgebungen aller zivilisierten Völker und aller der Internationale angeschlossenen Organisationen gegen die Todesstrafe zu beschließen vorgeschlagen. Eine weitere Resolution betriff! die Lage in Argentinien . Argentinien ist zwar eine Republik , steht aber ganz unter der Herr- schaft einer korrumpierten Oligarchie, die nicht nur für das eigene Kapital, sondern auch für das fremde Kapital arbeitet. Die Plötz- lich reich gewordene, überwiegend agrarische Bourgeoisie Argen tiniens behandelt die junge proletarische Bewegung»lach der Methode gewalttätigster Unterdrückung. Mit geradezu hinter- Wäldlerischen Manieren werden dort die sozialdemokratischen Orga- nisationen und Versammlungslokale zerstört, mit den unglaublichsten Gewaltmaßregeln werden die Arbeiter verfolgt. Trotzdem setzen wir die größten Hoffnungen auf die Weiterentwickelung der argen- tinischen Sozialdemokratie, die schon bei den letzte» Wahlen 75 000 Stimmen erhalten hat und gut vorwärts schreitet. Wir sprechen der argentinischen Sozialdemokratie die Aufforderung zum Ausharren aus. Der ärgentinifcheu Bourgeoisie unsere Verachtung und unseren Protest gegen die Gewaltmaßregeln gegen daS Prole- tariat auszusprechen, ist ver Sinn unserer Resolution. Die nächste Resolution betrifft die Zustande in Japan . Japan hat von Europa sehr viel gelernt, nicht nur den Militarismus, sondern auch den industriellen Kapitalismus hat es Europa abgeguckt und sich damit als Totengräber des industriellen Proletariats Japans gezeigt. Mit den niedrigsten, infamsten Gewaltmaßregeln ivird das Proletariat vom Kapital bedrückt, llnser Genosse K a t a y a m a hat auf diesem Kongreß nicht erscheinen können, weil die japanische Regierung von dieser Reise für den Bestand des Reiches fürchtete.(Heiterkeit.) Gegen- über der Unzahl von NnterdrückangSmaßregeln steht auch nicht ein Buchstabe eines einzigen Arbeitcrschutzgesetzes. Dies sind die sozialen Zustände in Japan , das ist das Verhalten dieses angeblich moseriien Staates gegenüber der Arbeirerklasse. Auch diesen japanischen Brüdern wollen wir unsere Bewunderung aussprechen und ihnen das Versprechen geben, daß wir mit ihnen gegen die Bourgeoisie der ganze» Welt kämpfen wollen. Wenn in Japan und neuerdings auch in China eine Arbeiterbewegung entsteht, so kann es nicht wunder nehmen, daß auch in den zurückgebliebenen Ländern Asiens , die sonst nur als Räubernester bekannt sind, sich die Anfänge einer Arbeiter« bewegung geltend machen. Die persische Revolution hat vor zwei Jahren den Schah gestürzt und eine angeblich konstitutionelle Regierung ein- gesetzt. Aber gegen die Arbeiter ist dieser neue konstitutionelle Staat ebenso brutal wie der Absolutismus und Föderalismus , der früher herrschte. Die Geistlichen sind hier wie überall die reaktionäre Macht und helfen R u h l a n d, die junge persische Freiheit zu vernichten. Rußland unterhält Räuberbanden in Persien und hetzt die Armenier immer mehr zu Ueberfällen. Rußland erhält künstlich fortwährend Unruhen in Persien und überall fühlt man seine brutale Hand. Es fördert mit aller Macht die Konterrevolution in Persien , um im Trüben fischen zu können. Gegen die Umtriebe des Zarismus und für die Freiheit der persischen Arbeiterschaft kann auch dieser Internationale Kongreß nicht umhin, sein Votum abzugeben; ebenso gegen die Zustände in der Türkei . Auch hier ist vor zwei Jahren bekanntlich die jungtürkische Revolution Sieger geblieben im Kampfe gegen den Despotismus des Sultans Abdul Hamid . Aber die Freiheit kann sich doch nicht weiter entwickeln. Europäische Kapitalisten haben sich dort festgesetzt und rufen durch ihre Aus- beutungSpolitik eine Gefahr für den ganzen europäischen Frieden hervor. Wir Oesterreicher bekommen ja aus erster Hand die Folgen dieser kapitalistischen Kolonialpolitik, dieses verbrecherischen Treibens zu fühlen und werden sie noch in einer ganzen Reihe von Steuererhebuiilzen zu spüren bekommen. Das Beamtentum der jungtürklschen Bewegung ist noch immer reattionär. Mit furchtbaren Repressalien hält das Jungtürkentum das Proletariat nieder. Trotzdem existieren in der Türkei schon gegen 125 000, wenn nicht gegen ILO 000 organisierte Gewerkschaftler. Die Bevormundung der europäischen Mächte ruft ewige Konflikte hervor, bald ,n Mazedonien , bald auf Kreta . Gegenüber dieser Bevormundungssucht, gegenüber dieser kapitalistischen Raubgier, die sich als Fürsorge ausgibt, die angeblich den Frieden erhalten will, in Wahrheit aber jede ruhige und freiheitliche Entwickelung unmöglich macht, erstreben wir eine Sicherung des Friedens durch Verbrüderung aller demo- kratischen Völker des Balkans.(Lebhafter Beifall.) Wir protestieren gegen die kindischen und künstlichen Bevormundungs- versuche an den Völkern, die die Revolution gegen den Sultan gemacht haben. Noch mehr aber ist die innere Freiheit in der Türkei die unbedingte Voraussetzung für eine ruhige Weiterentwickelung deS Reiches. Wenn auch hier jede Arbeiterschutzgesetzgung noch fehlt, wenn auch noch jede Selbsthilfe der Arbeiter unterdrückt wird, so müssen wir vor allem die politische und soziale Hebung im Sinne der Demokratie tragen helfen. Diesem Zwecke dient die Resolution der Konlniissioir. Dem Gefühl der Genugtuung über die Fortschritte in einem bestimmten Lande gibt die nächste Resolution Ausdruck, die Resolution über Spanien . Wir haben in Spanien jetzt ein liberales Regime und wir wünschen nur, baß es den Kampf gegen den Kleri- k a l i S m u s auch ehrlich fortführt. Das gegenwärtige Regime aber, so liberal und freiheitlich eS sich auch gibt, kann feinen Bourgeoischarakter nicht verleugnen, und auch jetzt noch unterliegt daS spanische Proletariat der Unterdrückung. Anarchistische Attentate werden wie überall zum Vorwand genommen, um das sozialistische Proletariat zu unterdrücken. Trotzdem hat bei den letzten Wahlen Pablo I g l e s i a S 41 000 Stimmen auf sich vereinigt und ist als erster Sozialdemokrat in das spanische Parlament eingezogen. Ihn zu begrüßen und zu beglückwünschen ist unsere Pflicdt, denn sein Sieg ist auch ein Sieg des Mannes, der nunmehr seit 25 Jahren an der Spitze der spanische» Sozialdemokratie steht. Wir begrüßen aber auch da? spanische Proletariat, daS trotz der Jahrhunderte langen Inquisition von dem völkerfresienden Klerikalismus sich noch immer nicht hat knechten lassen, sondern noch den alten Freiheits- geist atmet. Diesen Gefühlen gibt die Resolution für Spanien Ausdruck. An letzter Stelle für heute steht die Resolution gegen das Attentat Rußlands au F i n n l a n d. Es macht den Eindruck, als ob Zar Nikolaus sich auf alle Fälle den Titel eines MehrerS feines Reiches erwerben will. Nachdem er in Japan so gründlich abgeblitzt ist, nachdem in Ostasien seine mit einer heiligen Scheu betrachtete Armee zu Brei zerschlagen worden ish richtet er seinen Länderheißhunger jetzt»ach dem armen, wehrlosen F!nn- land. Es ist eigentlich merkwürdig, daß er keine anderen Sorgen hat. Ein Mann wie der Zar, der sich vor der Liebe des eigenen Volkes wie ein Dachs in seinem tiefen Bau verstecken muß, ein Mann, der. wenn er Menschen sehen will, zu den Hai- fischen aufs Meer gehen muß,' ein Mann, der, wenn er reist, auch im zivilisierten Europa ähnliche Schutzmaßregeln ergreifen muß, wie die saubere Gilde Liabcuf; der Mann, der sich' m>t Spitzeln spickt und die ganze Eisenbahnstrecke von Petersburg bis Racconigi mit Bajonetten umsäumt—, der Mann geht noch aus Eroberungen aus und streckt seine blutbefleckte Hand gegen das friedlich arbeitende Volk Finnlands . Gegen dieses Verbrechen müssen wir entschieden protestieren nicht nur hier auf dem intcr- nationalen Kongreß, sondern wir wollen uns auch in den einzelnen Ländern gegen dieses furchtbare Verbrechen wenden. Wir vertrauen dabei auf die Widerstandskraft der alten Bauerudemokratie Finn« lands. Wenn auch in der finnischen Bourgeoisie viele zweifel» hafte Elemente sind, die bereit wären, ihren Frieden mit dem Mörder der finnischen Freiheit zu schließen, so steht gegen diesen schamlosen Verräter einig und festgeschlossen die Kraft des Proletarials der ganzen Welt. Noch ver« trauen wir auf die historische Entwickelung der russischen Revolution selbst, die dem Zarismus feine Erobcrniigs- gelüste wohl ein für allemal austreiben wird.(Lebhafter Beifall.) Von unseren acht Resolutionen richten sich fünf gegen die Tätigkeit NußlandS, ein Zeiche» dafür, welche unheilvolle Rolle es un Leben der Völker spielt. Von diesem Kongreß aus, der die Befreiung und Erhebung der ganzen Menichhe« erstrebt, muß der Atem eines tiefen inbrünstigen religiösen HasseS gegen den russischen Zarismus ausgehen.(Stürmischer Beifall.) Von hier aus muß der Kampfruf erschallen nicht nur an das Proletariat aller Länder, sondern an alle ehrlichen und anständigen Menschen, mitzukämpfen gegen dieses fluchwürdige Regime, bei dem heute nur noch das...(Redner gebraucht hier einen scharfen Ausdruck, der sich aus die bekannte biede der letzten Tage bezieht und stürmischen, minutenlangen Beifall auslöst) feinen letzten Trost und Hinterhalt sucht. Wie unsere Ablehnungsresolution in Amsterdam als Tat gewirkt hat, beweist die Zunahme der franzö» fischen Kammerfraktion. So sollen auch unsere heutigen Resolu- tionen nicht bloß geschrieben und gesprochen sein, sondern leben» dige Taten werden. Wir wollen durch unsere Resolutionen den Arbeitern in den wilden Ländern zu Hilfe kommen und dazu bei- tragen, daß ihre Bewegung zugunsten der gesamten Arbeiterschaft der Welt in die Höhe wächst und gedeiht.(Lebhafter Beifall.) Wik-Finnland : Im Namen der sozialistischen Partei Finn- lands bitte ich die französischen Genossen unseren wärmsten Dank für die Resolution zugunsten Finnlands entgegenzunehmen, ltzie den Kongreß beschäftigte. Die Resolution macht auf uns kineo
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