Kr. 209. 27. IahrMg.I SkilM ilkS, Amiirls" Knlim NckslilMUittivoch, 7. September l9l0.?we!tc Vnternatlonsle Konferenzcker lozIaliiMchev ZugenSorgnniistionen.Kopenhagen, 8. September.Zum Punkt Jugendschutz begründet Martin Olsen-Däne-Mark die vom I. Internationalen Jugendkongretz in Stuttgart an-genommene Resolution, die ohne Debatte einstimmig be-st ä t i g t wird. Sie schildert die besondere Ausbeutung derjugendlichen Arbeiter infolge des kapitalistischen Systems, derbreiten Verwendungsmöglichkeit jugendlicher Arbeitskräfte durchdie Einführung der Maschinen, der Lehrlingszüchterei und derLehrlingsausbeutung durch den Verzweiflungskampf des Klein-gewerbes. Sie fordert vom Gegcnwartsstaat als Schutzmaßregelnfür die arbeitende Jugend 1. Verbot der Beschäftigung jugendlicherArbeitskräfte vor vollendetem 16. Lebensjahr, unter gleichzeitigerAusdehnung der Schulpflicht bis zu diesem Alter, 2. sechsstündigerMaximalarbeitstag für alle Arbeiter und Arbeiterinnen unter18 Jahre; für dieselben 3. Verbot der Nachtarbeit, 4. 3Sftündigeununterbrochene Sonntagsruhe, Verbot des Kost- und Logis-Zwanges, 6. Einführung des obligatorischen Fortbildungsschul-Unterrichts mit Tagesunterricht, 7. Abschaffung des Züchtigungs-rechts, 8. Anstellung besonderer Inspektoren, S. Ausdehnung derGewerbeinspektion auf die Handwerksbetriebe und die Haus-industrie, 10. Beschränkung der Lehrzeit auf zwei Jahre, 11. Ver-bot der Lehrlingsverwendung zu häuslichen und überhaupt außer-gewerklichen Zwecken, 12. leichtere Löslichkeit des Lehrverhältnissesund 13. Erhöhung der Strafen für die Arbeitgeber, die die Be-stimmungen zum Schutz der Jugendlichen überschreiten. Die Ge-werkschaften sollen beim Abschluß von Tarifverträgen nach Mög-lichkcit auf die Erfüllung dieser Forderungen drängen und dieJugendorganisationen selbst Schutzkommissionen für die jugendlichenArbeiter schaffen, welche die Aufgabe haben sollen, darauf zu achten,daß die Schutzvorschristen erfüllt werden und auch den ArbeitsNachweis in die Hand nehmen können.Es erhält sodann Dr. Karl Liebknecht das Wort zu seinemReferat über Militarismus. Er stellt die Entwickelungs-geschichte und Psychologie des Militarisnius dar und gelangt zudem Schluß, daß der heutige Militarismus nicht als Einzel�erscheinung in der Gesellschaft, sondern als ein Glied des Kapitalismus betrachtet und bekämpft werden müsse. Der kapitalistischeMilitarismus ist, soweit er sich nach außen richtet, in erster Linieeine Waffe im internationalen Konkurrenzkampfe. Die inter-nationale militärische Konkurrenz verbessert die Technik und ver-mehrt die Größe der bewaffneten Macht. Durch die neuerdings inRiesenschritten vorwärts eilende Eroberung der Luft ist ein neuesElement in die militärische Organisation eingetreten, das in ab-sehbarer Zeit eine vollkommene Umgestaltung des Heer- undKriegswesens zur Folge haben kann. Der durch den äußeren Mili-tarismus bedingte Umfang der Heeresorganisation ist bestimmtdurch den Grad der Spannung, in dem sich der einzelne Staat in-folge der internationalen kapitalistischen Konkurrenz befindet. DieForm der Heeresorganisation ist in allen Ländern des Hochkapita-lismus schon wegen der größeren Schlagfertigkeit im Angriff dasstehende Heer. Auch in den Ländern mit einer lockeren Heeres-Organisation(Miliz u. dergl.) werden die stehenden Kadres allent-halben vergrößert. Die idealen Kulturaufgaben verkümmernunter dem Druck der materiellen Lasten des Militarismus. Mitder Zunahme der kapitalistischen Konkurrenz steigert sich die inter-nationale Spannung. Der heuchlerisch als Friedenshort geprieseneäußere Militarismus wird trotz aller Monarchenbesuche und Bünd-misse zur Erhaltung des Friedens zu einer immer ernsteren,ständigen Kriegsgefahr.Auch die Bedeutung des inneren Militarismus nimmt mitder Fortentwickelung deS Kapitalismus schnell zu. Die wachsendenKlassengegensätze nötigen die herrschenden Klassen immer mehr,ihre oligarchische Herrschaft auf das Gewaltmittel des Militaris-mus zu stützen. Das letzte und stärkste Gewaltmittel ist die Armee;sowohl in den wirtschaftlichen wie in den politischen Kämpfen gegendas Proletariat wird sie als ultima ratio in täglich sich steigerndemMaße verwandt. Das System des stehenden Heeres ist dem inne-ren Militarismus am meisten angepaßt, und zwar noch ange-paßter als dem äußeren Militarismus, weil dieses System amkleines feuilleton.Theater.Deutsches Theater:„Amphitrhon�, Lustspiel in dreiAkten von Heinrich v. K l e i st. Der naive Mythus vom Götter»Vater Zeus, der. um die Liebe der schönen Alkmene zu genießen,die Züge ihres Gatten, deS Thebaner Feldherrn Amphitryon, an-nimmt und mit ihr den Knaben Herkules, den stärksten allerMenschen, erzeugt, hat in der späteren Griechenzeit, als kritischerVerstand die Ehrfurcht vor den überlieferten Göttermärchen unter-wühlt hatte, den Stoff zu einer lustigen Komödie gegeben. In derlateinischen Bearbeitung des Plautus haben sich die Spuren desOriginals erhalten. Und aus dem Plautus wiederum schöpfteMoliöre die Anregung zu seinem graziösen Versspiel„Amphitryon".Fuldas deutsche Uebersetzung. in der das Stück auch vor den Mit-gliedern der Freien Volksbühne mit großem Heiterkeitserfolg zurAufführung gelangte, bringt in ihren leichten Reimen dieAnmut und den Uebermut der Dichtung kongenial zum Ausdruck.Der Geist erheiternder Respektlosigkeit, feiner, doch in seiner Artdemjenigen der Offenbachschen parodistischcn Operetten verwandt,weht darin. Moliöre persifliert in dem Histörchen zugleich die Artund Weise, wie die großen Herren der Erde für ihr Gelüstenimmer willige Diener finden und wie sie sich selbst in den heikelstenSituationen noch ein Air der Gnade und der Großmut zu gebenwissen. Die Göttin der Nacht, durch Merkur, den Boten des ZeuS,aufgefordert, die Stunden der Dunkelheit für das galante Abenteuerlänger auszudehnen, ergeht sich in recht spitzigen Betrachtungen. Esändere jede Handlung, je nach dem Ansehen dessen, der sie tut, denNamen. Indes will sie die Hilfe nicht verweigen,. denn allehimmlisch Hochgeborenen müssen einander solidarisch beistehen, da-mit das Menschenvolk nicht Anlaß zu unehrerbietigen Späßen finde!Und Sofias, des hochfahrenden Amphitryon prosaisch verständigerDiener, bemerkt achselzuckend am Schluß, da sich ZeuS dem be-trogenen Gemahl in seiner Herrlichkeit offenbart und als Gegengabefür die unehelichen Freiheiten pathetisch die künftige Geburt desHelden Herkules voraussagt: Herr Jupiter vergoldet seine Pillen.Ihm kommt die Sache trotz aller großen Worte gar nicht»rühmlich"vor.—Kleists Umformung des Moliörschen„Amphitryon" zerstört dieleichte, spielerische Stimmung sowie den Einschlag des Satirischen,die dem französischen Stück so pikanten Reiz und frische Bühnen-Wirksamkeit verleihen. DaS Gespräch der Götter im Prolog, diesesspöttische Präludium, daS allem anderen Licht und Farbe gibt, hater gestrichen, die Hauptpointe ausgelöscht. WaS er binzugetan, bringtes zu keiner einheitlichen Wirkung, kann es im Rahmen einer Fabel,die heute nur im Spiel der Laune und deS Witzes flüchtig zu inter-essieren vermag, zu keiner Wirkung bringen. In dem karnevalistischenGetriebe der Verwechselungen, die Jupiters Verwandlung in«mphitryons Gestalt, Merkurs Maskierung als SosiaS erzeugt,bleibt für die Symbolistik, die Kleist am Herzen lag, nicht Raum.Der tiefe, vieldeutige Gedanke, daß Jupiter als Golt geliebt seinwill und daß er doch die Liebe, nach der seine Einsamkeit dürstet,»ie als er selbst, uur in menschlicher Verkleidung gewinnenehesten die Möglichkeit gewährt, den Mannschaften die erforderlichePsychologie einzuflößen. Die Herausbildung eines hündischenKadavergehorsams und eines Landsknechtsübermuts gegen die Masseder Zivilbevölkerung soll die Soldaten geeignet machen, bei Wirt-schaftlichen und politischen Konflikten auf die eigenen Klassen-genossen, auf Vater, Mutter und Geschwister zu schießen.Das Proletariat, der Träger der internationalen proletarischenSolidarität und des Völkerfriedens, ist der geborene Feind desMilitarismus. Die im Kampf gegen dar. Militarismus grund-legenden Methoden sind: unermüdliche Aufklärung über das wahreWesen des Militarismus und seine Helfershelfer, unablässigeBrandmarkung der militaristischen Schädlichkeiten und Aus-schreitungen, Propaganda für alle zur Abschwächung des Militaris-mus geeignete Maßnahmen(Schiedsgerichte, Abrüstung, Volksheer)und Erziehung des Proletariats im Geiste des Sozialismus zurinternationalen proletarischen Solidarität. Die Erziehung derJugend in diesem Geiste ist eine der wichtigsten Aufgaben deskämpfenden Proletariats, und die selbständige proletarische Jugend-bewegung ist das wirksamste Mittel zu dieser Erziehung. Ueberdie Art der Erziehung hat unter Jnnehaltung der im Beschluß desStuttgarter Kongresses niedergelegten Grundsätze die Arbeiter-bewegung eines jeden Landes je nach ihren Verhältnissen zu ent-scheiden. In diesem Sinne wird in Uebereinstimmung mit demStuttgarter Beschluß, den sich die Jugendintcrnationale in allenPunkten zu eigen macht, die proletarische Jugend zum Kampfgegen den Militarismus in allen seinen Formen aufgerufen.(Stürmischer, langanhaltender Beifall.) Liebknecht legt im Sinnedieses Referates Thesen vor.In der Diskussion führt Skala(Böhmen) Beschwerde, daß dasinternationale Sekretariat bei der serbisch-österreichischen Krisekein Manifest gegen den Krieg erlassen habe.Skatula(Böhmen) wünscht ebenfalls, daß vom internationalenSekretariat eine stärkere antimilitaristische Propaganda unter denDeutschen in Oesterreich entfaltet werde.Danneberg verteidigt die Haltung des internationalen Bureausin der serbisch-österreichischen Frage und glaubt Skatula versichernzu können, daß sein Wunsch bald in Erfüllung gehen wird.Krogh(Norwegen) wünscht, daß in den von Liebknecht vor-geschlagenen Thesen bestimmte Mittel zur Bekämpfung des Mili-tarismus und zur Abschwächung der Kriegsgefahr, besonders dieForderung der Abrüstung durchgeführt werden, die von der schwe-dischen Bewegung erfolgreich angewendet worden sind.Nach Ansicht Cliristensens(Dänemark) entsprechen die Erfolgeder antimilitaristischen Propaganda in Schweden allerdings dengebrachten Opfern nicht.Nach längerer Diskussion werden die Thesen Lieb kn echt?unter Streichung der Forderung nach Schiedsgerichten, Abrüstungund Volksheer und Hiuzufügung der allgemeinen Forderung: Pro-paganda für die Abschaffung des Militarismus e i n st i m m i g an-genommen.Beim letzten Punkt der Tagesordnung:„Die inter-nationale Organisation der sozial! st ischenJugend" teilt Danncberg einen Beschluß des internationalenBureaus in Brüssel mit, wonach sich das internationale Jugend-sekretariat dem internationalen Bureau in Brüssel"als Unter-abtcilung angliedern soll. Die Konferenz erklärt sich hiermit ein-verstanden. Bis zur endgültigen Regelung der Angelegenheit wirdein aus Danneberg(Oesterreich) als Sekretär und de Man(Belgien), H ö g l u n g(Schweden). Skatula(Böhmen) undKrogh(Norwegen) als Beisitzer bestehendes provisorischesSekretariat eingesetzt. Dem aus dem Sekretariat aus-scheidenden Genossen Karl Liebknecht wird eine Ovation bereitet.Dann schlössen die Verhandlungen unter stürmischen Hoch-rufen auf die internationale Jugendbewegung und dem begeistertenGesang der Internationale.tandeskonftren; der sozialdemokratischen Partei Sachsens.(Telegraphischer Bericht.)Leipzig, 6. September.In der heutigen Sitzung hielt Genosse Heinrich Schulz- Berlineinen ausgezeichneten zweistündigen Vortrag über die Reformd e S V o n s f ch u l w e s e n S. Er gab zunächst einen Rückblick aufdie geschichtliche EntWickelung der Schule. Daun ging er zurSchilderung deS heutigen ZustandeS über, um anschließend diekann, löst im Gedränge der bunten Abenteuer keinen lebendigenNachhalt der Empfindung aus— so wenig wie AlkmeneS Klage, dieihren unbewußten Treubruch mit dem Tode sühnen will. Dersatirische Hautgoüt geht so verloren, und die burlesken Prügel-szenen zwischen Sofias und seinem zweiten Ich fallen dann aus demStil heraus.Die Aufführung war eben mäßig abgerundet, ohne, wie es jaauch in der Natur der Rollen lag, eine hervorragend persönlicheLeistung zu bieten. Kayßler hatte als Jupiter einige sehr guteMomente. Frau F e h d m e r war eine zärtliche Alkmene, LudwigHartau ein zornig stürmischer Amphitryon. Für Sofias undseinen göttlichen Doppelgänger setzten Guido Herzfeld undAlexander Eckert mit guter Laune ihre Kräfte ein. ckt.Wir erhalten folgende Zuschrift:„Unter dem 6. September kritisiert der„Vorwärts" die Auf-führung der„Erziehung zur Ehe" im Neuen Volkstheater und rügtdabei zwei Versehen, die meine Besprechung dieses Stückes enthält.Mein Manuskript war von den Versehen frei, erst später haben siesich eingeschlichen und zwar auf folgende Weise: Beim Korrektur-lesen stellte sich heraus, der Text müsse gekürzt werden, um Raumfür einen angehängten Aufruf zu erübrigen. Ich strich also Sätzeund Satzteile, machte Zusammenziehungen und Aenderungen. DieStriche und Randvermerke nun mögen dem Setzer nicht überalldeutlich geworden sein;� vielleicht hat sich auch mein Stift beimStreichen verirrt. Wer je mit Druckkorrekturen zu tun hatte, wirddiese Entschuldigung gelten lassen. Dr. Bruno Wille."Wer je für ein Publikum zu schreiben hatte, meinen wir, dessenBildungsbedürfnis solchen Respekt verdient, wie das der Mitgliederunserer Volksbühnen, der sollte das„Korrektur-Revision" ge-nannte Verfahren anwenden oder anwenden lassen. G. D.Humor und Satire.Waldeszauber.»Hören Sie daS wunderbare Rauschen,Fräulein Aurelie?"„O ja, Herr Assessor, ich lasse ja auch alles auf Seidearbeiten I"Beim nächsten Fürstenempfang.»Und gar keineEhrenjungfrauen, lieber Bürgermeister?"„Ach, entschuldigen Sie. Majestät, wir hatten 20 ausgewählt,die sind aber heut gerade Zeuge n-im Pozeß Bockl"*Reue Preisaufgaben der Universität(aus Anlaß der Hundertjahrfeier).Statistischer Vergleich der deutschen Viehzählung mit dem Be-stand des Rindviehs in Berlin, einschließlich der Heuochsen in derdeutschen Tageszeitung.Wird das neue Heilmittel Ehrlich-Hata 606 die Zahl der Ehe-schließuugen vermindern?Wie' wird das Telegramm lauten, das der König von Italienempfangen wird, wenn der schiefe Turm von Pisa umfällt?Hätte Gutcnberg die Buchdruckerkunst auch erfunden, wenn erdie»Tägliche Rundschau" vorausgeahnt hätte z/Forderungen der Sozialdemokratie zu entwickeln. Die Sozial-demokratie gehe von einer anderen Anschauung aus andie Schulreform als das Bürgertum. Dieses wolle nur andem Schulwesen herumflicken, die Sozialdemokratie es abervon Grund aus reformieren. Der reiche Inhalt des Referats kannhier auch nicht andeutungsweise wiedergegeben werden. Die Forde-rungen der Partei zur Reform des Schulwesens sind vom Referentenin einer Res olution niedergelegt worden, die mit den L e i t»s ä tz e n übereinstimmt, die dem Mannheimer Parteitag 1306 zu demThema„Volksschule und Volksbildung" vorgelegt wurden. GenosseSchulz begründete nun im einzelnen diese Forderungen. In der DiS-kussion regte Genosse G ö h r e an, daß zur Belebung der Schulreformin Sachsen im kommenden Winter eine Bewegung entfacht werdenmüsse durch Versammlungen, durch Herausgabe eines Flugblattesund Auslegung einer Petition. Die Resolution des GenossenSchulz wurde nun ein st immig angenommen. Damit warendie Verhandlungen der Landeskonferenz um Mittag Va2 Uhr zuEnde. Der Vorsitzende, Genosse Lipinski, hielt eine" kurze An-spräche, wobei er die Arbeiten der Landeskonferenz betrachtete; dannschloß er sie mit einem dreifachen Hoch auf die revolutionäre Sozial-demokratie, in das die Delegierten begeistert einstimmten.Achter Ittteniationnler Genosseuschaftstag in Hamburg.Hamburg, 5. September.Von der gestrigen Beratung des Statuts— die Zweck-bestimmnngen des Internationalen GenossenschaftSbundeS haben wirbereits mitgeteilt— ist noch folgendes nachzutragen: Der Ent-Wickelung des Genossenschaftswesens Rechnung tragend, wird vor«geschlagen, die Gewinnbeteiligung unter die Zwecke desBundes nicht mehr aufzunehmen, ein nicht zu verkennender Fort-schritt. Was den Aufbau des Bundes anlangt, wird ausgeführt,daß zweifellos einmal die Zeit kommen werde, wo der InternationaleBund sich allein auf nationalen Verbänden aufbauen kann, in derGegenwart ist es aber noch nicht möglich. Außer einzelnen Ge-nossenschaften und Genossenschaftsverbänden find auch Gesellschaftenzugelassen, die, ohne selbst Genossenschaften zu sein, die FörderungdeS Genossenschaftswesens bezwecken. Die Mitarbeit solcher Pro«paganda-Gescllschaften, wie zum Beispiel daS„Pellevero" in Finn»land, könne dem Bunde nur erwünscht sein, liege deren Tätigkeit dochin der gleichen Richtung wie die deS Bundes. Auch die individuelleMitgliedschaft ist zulässig, da eS Leute mit großen Verdienstenum das Genossenschaftswesen gebe, deren Mitarbeit man nichtentratcn wolle.— Der§ 7 proklamiert die politische undreligiöse Neutralität deS Bundes. Diesem gehörenaber mehrere Genossenschaften an, die sich in den Dienst einerpolitischen Partei stellen, und der Ansicht sind, daß die Genossen-schaften mit anderen politischen und sozialen Organisationenzusammenarbeiten müssen, wenn sie ihre Ziele erreichen wollen. DerZentralvorstand glaubt, auch diese in Belgien, Frankreich und Oester-reich befindlichen Genossenschaften nicht von der Mitarbeit im Bundausschließen zu sollen und beschränkte sich deshalb auf die Forde-rung. daß„alle Mitglieder die politische und religiöse Neutralitätdes Bundes selbst respektieren sollen".— Der Beitrag an denBund wird, je nach dem lokalen, regionalen oder nationalenWirkungskreise und je nach dem Umfange dieser Organisationen, imMinimum auf 12—200 M. pro Jahr bemessen.DaS Gesamtstatut wurde en bloc gegen eine Stimme an»genommen.Hamburg, 6. September.In der heutigen Sitzung gelangte der dritte Punkt zur Ver»Handlung:Die Entwickclunz deS Genossenschaftswesens in Gegenwartund Zukunft.Dieser Gegenstand ist in vier Abschnitte zerlegt:s) das Konsumgenossenschaftslvesen;b) das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen;c) daS Kredit- und gewerbliche Genossenschaftswesen;ck) was können die Baugenossenschaften zur Lösung der Wohnung?«frage beitragen?Ueber den ersten Abschnitt referiert Dr. HanS Müller«Zürich. Nach einem Ucberblick über den Stand und das Wesen derGenossenschaften entwickelt Redner die Anficht, daß es eine grund»sätzliche politische Abstinenz für die Genossenschaften nicht gebenkönne. Daraus folge aber keineswegs, daß die Konsumvereins-Wieviel Schutzmächte gehören dazu, um eine Insel von derGröße Kretas schutzlos zu machen?Wieviel Semester muß ein preußischer Prinz die Sportplätzebesuchen, um an einer Hochschule sein Doktorexamen zu machen?(„Lustige Blätter.")Vornehme Passionen.„DaS Wetten ist doch ein schreck«licheS Lasterl Jetzt habe ich schon wieder meine ganzen sauer ver-dienten Erpressungsgelder beim Totalisator verloren."Ein nobler Papa.„Fünfhundert Mark Abfindung hatmei Rest für den Buam kriagt, und wia s' damit zum Wechseln'gangen iS, war'n'S lauter g'fälschte Banknoten."Aerzte unter sich.„Verlassen Sie sich auf meine längereErfahrung. Herr Kollege: die Leute, die noch an Gott glauben,machen einen, das Leben lange nicht so sauer, wenn eins aus derFamilie draufgeht."_(„SimpltcissimuS".)Notizen.— Reines Radium herzustellen, ist der Frau Curie, wiesie der Pariser Akademie der Wissenschaften gestern mitteilte, ingemeinsamer Arbeit mit dem Chemiker Debierne gelungen. Das„reine Radium" hat das Aussehen eines silberweißen Metalls, eswird vom Eisen kräftig angezogen(ist also stark magnetisch), zersetztsich schnell in der Luft, wobei es unter der Einwirkung des Sauer-stoffs der Luft eine schwarze Färbung annimmt, eS verbrennt Papier,das mit ihm in Berührung gebracht wird, und oxydiert sehr starkim Wasser.— Bisher kannte man das Radium nur in Ver«Bindungen, namentlich mit Chlor und Brom. Die Versuchemit dem kleinen Stückchen reinen Metalls werden jetzt erst beginnen,und es wird sich erst noch herauszustellen haben, ob die Darstellungdes reinen Elements für Chemie, Technik oder Heilkunde von be-sonderer Bedeutung ist.— DaS„Berliner Tageblatt" windet sich vor Staunenüber die Verderbtheit der bürgerlichen Presse, für deren KäuflichkeitHerr A. O. Weber wieder einmal Beiträge(im Werte von 3000 M.)erbracht hat. Dem Mosseblatt sollten bestimmte Eigenheiten derbürgerlichen Presse doch nicht unbekannt sein. Im„B. T." vom21. August 1010 z. B. stand ein von einem gewissen Dr. WilhelmSternberg verfaßter Artikel:„Die Uebertteibungen der Abstinenz."Der Verfasser jenes Artikels, Dr. Sternberg, ist ein Mann,dessen metallische Beziehungen zu den deutschen Groß«braucreren sehr häufig diskutiert und erwicftn wordensind. Unter anderem im Organ des Deutschen Arbeiter-Abstinenten-Bundes(„Der abstinente Arbeiter") und letztens erstwieder in einer im Verlage dieses Bundes herausgegebenen Broschüre:„Das Vraukapital und seine Knappen". Also dieser Dr. Sternbcrggenießt die Gastfreundschaft des„Berliner Tageblatt". Als aber einangesehener Arzt, der Besitzer eine» Sanatoriums im Riesen-gebirge, eine Erwiderung kontra Sternberg einsandte, erhielt er denArtikel ohne eine Silbe der Begründung zurück. Was sagt das„Berliner Tageblatt" zu solchem Verhalten, das Elemente schützt, dienicht minder genau unter die Lupe zu nehme» wären als jene, dieHerren A. O. Weber gehorsam zu Diensten standen?