üuch ein Urbciterltongreß.AuS Braunschweig wird unS geschrieben: Die kleinlich ge-hässige Arbeiterfeindlichkeit der braunschweigischen Regierung istdurch das den Wahlrechtsdemonstranten am 26. Januar bereiteteBlutbad und die daraus folgenden Prozesse sowie durch eine Mengeanderer Vorkommnisse weltbekannt geworden. Da ist eS dennrecht interessant zu sehen, daß dieselbe Regierung Arbeiter auchin überschwenglicher Weise ehren kann.Vom 3. bis 5. September hielten nämlich die„deutschnatio-nalen" Arbeiter, die vom Reichsverbandsgeneralissimus organi-sierte Streikbrechergarde, im„Wilhelmsgarten" in Vraunschweigihren Bundestag ab. Zu Ehren dieser Arbeiter hatte die Strassen-bahn, deren Direktor Major a. D. Ribbentropp als blindwütigerArbeiterfeind allgemein bekannt ist, den sonst nur bei Fürsten-empfängen üblichen Galaflaggenschmuck aufgezogen. Zur Eröff-nungSfeier hatte das Infanterieregiment Nr. S2 seine ganzeKapelle gestellt. Den Vorsitz führte ein reichsverbändlenscherRegierungsbaumeister. Als Ehrengäste waren der Stadtrat Frei-Herr von Frankenberg und Ludwigsdorff, der Generalmajorvon Loebell, Offiziere in Menge, Rittergutsbesitzer, die Regierungs-spitzen und als Vertreter des Staatsministeriums der Ministerdes Innern Hartwing erschienen.Dieser Hartwing, derselbe, der am 26. Januar dem Blutbadevom Fenster deS Ministerialgebäudes gemütlich zusah und dannspäter den Ukas unterschrieb, der den Säbelhelden die höchste Be-lobigung des Ministeriums aussprach, stellte sich den„deutsch-nationalen" Arbeitern als Arbeiterfreund vor. Er sei auch einArbeiter, alle seien Arbeiter, ohne Unterschied des Standes. Diehohe Begeisterung, die ihn empfangen habe, sei ihm eine besondereGenugtuung gewesen. Und die„deutsch-nationalen" vulgo gelbenArbeiter klatschten diesem Manne, der ein Todfeind der klassen-bewuhten Arbeiterschaft ist und die Braunschweiger Arbeiter un-unterbrochen verfolgt, tosenden Beifall. Die Gelben LiebertscherFärbung rühmten sich an diesem Eröffnungstage, an dem einhoher Regierungsbeamter den anderen mit sedanfeierlichen undsozialistenfresserischen Anreden ablöste, 125 Bundesvereine mit26 066 Mitgliedern zu besitzen.Auch der von seiner siebenmonatigen Weltreise zurückgekehrteRegent Johann Albrecht von Mecklenburg, der schon als er zumersten Male in Braunschweig seinen Geburtstag feierte, dem in-zwischen von der Bühne verschwundenen Gelbenführer Gittelbauerdie Hand gedrückt und sich gewissermassen zum Protektor derGelben im Herzogtum Braunschtveig proklamiert hatte, sandte einBegrüssungStelegramm. Ja selbst Wilhelm II. ehrte seine Gelbendurch einen telegraphischen Gruss, in dem er seine Freude überihre unwandelbare Treue aussprach. Wenn sich die hohen Herrenan diese Arbeiter wenden müssen, um auch einmal von Arbeiternein Huldigungstelegramm zu erhalten, dann müssen sie wahr-hastig schon jeden Glauben daran verloren haben, sich jemals dieSympathie der klassenbewussten, ehrlichen und verständigen ArHeiterschaft erwerben zu können.Bei einem splendiden Festessen, daS die Gelben ihren hohenGästen gaben— wo wohl das Geld dazu hergekommen ist?—hatten die Arbeiter mit den Ministern, Generalen und hohen Be-amten bunte Reihe gemacht. Sie gaben sich gewissermassen denBruderkuß, wenn sie wohl auch nicht gleich Schmollis getrunkenhaben werden.Daß dieser„Bund deutsch-chaterländischer Arbeitervereine'Nichts anderes ist und nichts anderes sein will als eine Streikbrechergarde, zeigte sich am zweiten Verhandlungstage, an demein Syndikus Scheda ein Referat hielt, das darin gipfelte, dieParagraphen 152 und 153 der Gewerbeordnung umzugestalten,um die Koalitionsfreiheit wieder aufzuheben. Die Gelben klatschten diesem Manne Beifall und nahmen einstimmig folgende Resolution an:„Die Hauptversammlung des Bundes vaterländischer Arheitervereine begrüßt eS mit Genugtuung, daß die Frage deSSchutzes der Arbeitswilligen wieder aufgerollt ist,sowohl seitens der Industriellen in Köln, als auch durch denAllgemeinen Deutschen Jnnungs- und Handlverkertag zu Berlin.Auch die vaterländischen Arbeitervereine verlangen Schutz gegenden Missbrauch des Koalitionsrechtes, durch den die Willens-freiheit des Arbeiters in unerträglicher Weise beeinträchtigtund gegen den Willen des Gesetzgebers ein Koalitionszwanggeschaffen wird. Der Vorstand des Bundes wird ersucht, ge-eignete GesetzeSmassregeln, insbesondere auch das Verbot desStreikpostenstehens zu beantragen. Ferner ersucht dieBertreterversammlung den Vorstand, bei den Arbeitgebern zubeantragen, daß in den Arbeitsordnungen der Absatz eingefügtwerde: Arbeiter, welche es unternehmen, Arbeitswillige an derArbeit zu hindern oder sie während derselben zu belästigen,sind sofort zu entlassen, bezw. nicht wieder einzustellen."Hiernach erübrigt sich jedes Wort zur Charakterisierung der»deutsch-nationalen" Arbeiter.Im Kriege benutzen die Parteien auch Spione und Verräter;sie ehren sie aber nicht. Auf der Braunschweiger Tagung dagegenwurde die Streikbrechergarde, die sich das Brandmal des Verrätersselbst auf die Stirne drückte, von den Behörden mit Ehren- undGunstbezeugungen förmlich überhäuft. Auch ein grosses Abendessenmit Gartenkonzert, an dem sich alle Spitzen beteiligten, wurde denorganisierten Streikbrechern gegeben. Auch ein Theaterabendwurde den Gelben in demselben Braunschweig veranstaltet, in demerst kürzlich dem BildungSauSschuss der klassenbewussten Arbeiterschaft die mit einer Privatbühne bereits fest vereinbarten Vor-ftellungen von der Polizei auf Anordnung der Regierung hinter.trieben worden waren.Wer schliesslich noch irgendwie über das Wesen der„deutsch-nationalen" Arbeiter im unklaren sein sollte, den müßte folgendeResolution belehren, die am dritten Verhandlungstage der Gelbenebenfalls einstimmig gefaßt wurde:„Der Bund vaterliinbislber Arbeitervereine verurteilt ein-stimmig und mit aller Schärfe den Gedanken, zwischen biirger-lichrn Parteien und der Sozialdemokratie Wahlbündnisse herbei-zuführen. Er erblickt in solchen Bündnissen eine VerwischungdrS tiefen GegensaheS zwischen der vaterländisch-bürgerlichcnund intcrnational-sozialdemokratischen Weltanschauung, eineschwere Schädigung der Interessen de? Baterlandes und einepolitische Kurzsichtigkeit, die sich an denjenigen Parteien rächenauf?, die auf diese Weise die Sozialdemokratie fördern helfen.Der Bund nimmt mit Bedauern Kenntnis davon, daß einbadifcher StaatSminister in Berkcnnnng deS innersten Wesensder Sozialdemokratie dieser rin Verdienst um die Befreiungbeb vierten Standes zugeschrieben hat. Einen vierten Standgibt eS im Deutschen Reiche nicht. Wenn man aber von derfrüheren Befreiung der handarbeitenden Stände sprechen will,so ist diese vollzogen worden durch Staatsakte, an denen dieSozialdemokratie keinen Anteil hatte: wie die allgemeine Schul-pslicht, die Stein-Hardenbergische Gesetzgebung und die Per-sassung des Deutschen Reiches. Die Früchte dieser Errungen-schaften aber werden in Frage gestellt ourch den Mißbrauch, dendie Sozialdemokratie mit den Freiheiten des deutschen Volkestreibt, durch die terroristische Fesselung der Arbeiterschaft, dieeinem grossen Teile der Arbeiter nicht nur die Freiheit derErwerbsbetätigung raubt, sondern auch die Gedankenfreiheit,die Freiheit, vaterländisch zu fühlen und zu handeln. Wir lassenuns in der Hoffnung nicht beirren, daß ein immer grössererTeil der deutschen Arbeiterschaft sich zu der Erkenntnis durch-ringen wird, daß gerade ihr eigenes Wohl direkt abhängt vonder politischen Machtstellung des Reiches und dem gileichmässigenGedeihen aller Teile unserer Volkswirtschaft."Natürlich war auch der berüchtigte E r m e r t» Mildenburgvuf der Tagung anwesend. Er saß neben Generalmajorvon Loebell, T»ie beiden toasteten sich gegenseitig an,In Bpaunschweig hat der gelbe Bund allerdings schon wieder-holt Pech gehabt, indem sich seine Vorsitzenden als ausgesprocheneNichtgentlemen entpuppten, was aber die sonst so empfindlichenhohen Herren nicht hinderte, ihnen die Hand zu drücken. Demausgesprochensten Nichtgentlcman unter den Gelben wurde dieseEhrung auch auf der heurigen Tagung zuteil. Der mit allen er-dcnklichen Huldbeweisen Uebcrschüttete hat nämlich als Kommoden-knacker— er brach einer Witwe die Kommode auf und stahl ihrdas Sparkassenbuch— das Unglück gehabt, mit Zuchthaus bestraftzu werden. Ter alte Zuchthäusler als gefeierter Jubelgreis in-mitten der Minister und Generals IDaß es auch Gelbe wider Willen gibt, zeigt folgender Vorfall:Bei der Werbung von Abonnenten erklärte ein Arbeiter einemunserer Leute, daß er den„Volksfreund" gern abonnieren möchte,es aber nicht könne, weil er ein Gelber sei. Er sei völlig kaput,stark schwindsüchtig und Vater einer großen Familie, da werdeer in der Jüdelschen Fabrik— Jüdel ist Geheime? Kommcrzienrat.Stadtverordneter, LandtagSabgeordncter. Doktoringcnieur bonoriscausa und der reichste Mann in Braunschweig, der seine Laufbahnals Hausierer mit Ellentvarc» begann— nur geduldet, wenn erdem„deutsch-nationalen" Arbciterbunde angehöre. DvS nennendie Reichsverbändler natürlich nicht TerroriSmuS, sondern Wohl-tatigkeft.Soziales.Die Konventionalstrafe im Arbeitsvertrage.Der Wächter M. klagte beim Gewerbegericht gegen die BerlinerNachtwach- und Schließgesellschaft Julius Arndtstein u. Co. aufRückzahlung der gestellten Kaution von 36 M. Die Beklagte willdie Kaution nicht zahlen, weil der Kläger eine vertraglich ausbe-dungene Konventionalstrafe von 36 M. verwirkt habe. Der Ver-trag bestimmt nämlich, daß der Kläger innerhalb zweier Monatenach Austritt aus der Beschäftigung bei der Beklagten keinen Dienstauf Stellen annehmen darf, wo er zuvor im Auftrage der Gesell-schaft tätig war, anderenfalls die Kaution von 30 M.. die immererst zwei Monate nach Lösung des Arbeitsverhältnisses zurückzu-zahlen ist. als Konventionalstrafe verfällt. Der Kläger hatte dieSeparatbewachung einer Fabrik im Auftrage der Beklagten aus-geführt, hat aber den Dienst bei der Beklagten aufgegeben, um beider Fabrik als Wächter Stellung zu nehmen. Die Beklagte hatdadurch die Fabrik als Kundin verloren.DaS Gericht verurteilte die Beklagte zur Rückzahlung derKaution. Die Gegenforderung der Beklagten auf Zahlung derKonventionalstrafe konnte schon deshalb nicht aufgerechnet werden,weil nach§ 4 Absatz 2 des Gewerbegerichtsgefetzcs Forderungendieser Art nicht zur Zuständigkeit des Gewerbcgerichts gehören.Ein erbitterter Konkurrenzkampf,der zwischen dem Krawattenakademicdirektor Stcinberg und demKrawattcnfabrikanten Sklarz entbrannt ist, wird gegenwärtig vordem Gewerbegericht ausgetragen. Ebenso wie Stcinberg betreibtSklarz gemeinsam mit seiner Ehefrau unter der Firma OffeneHandelsgesellschaft Heinrich Sklarz u. Co. in mehreren sogenanntenKrawattenfabriken Legen Entgelt in kurzer Frist die Ausbildungvon Frauen und Mädchen im Krawattennähen. Prospekte undsonstige Reklamen genügten beiden nicht mehr, um die eigenenLehrinstitute als die vorteilhafteren und die des Gegners als nach-teilig und minder leistungsfähig hinzustellen. So sollte denn ge-richtlich festgestellt werden, daß die Ausbildung der Frauen undMädchen beim Konkurrenten nichts wert ist und deshalb die Schüle-rinnen um Geld und Zeit benachteiligt werden. Einige Schüle-rinnen vom Gegner, die die ihnen zuvor von ihrem Lehrinstitutversprochene lohnende und dauernde Heimarbeit im erwartetenUmfange nicht erhalten hatten und obendrein gewahr wurden, daßihre Künste auch in anderen Krawattenfabriken keineswegs be-gehrt wurden und sich somit benachteiligt fühlten, waren bald aus-findig gemacht. Nun standen sich in letzter Zeit die beiden Kon-kurrenten wiederholt vor dem Gewerbegericht als Prozessvertreterder klagenden Schülerinnen gegenüber.Dieser Konkurrenzkampf an sich könnte unS sehr gleichgültigsein, wenn es nicht im öffentlichen Interesse, zumal in dem derauf Erwerb ausschauenden Frauen und Mädchen— die den beidenHerren leider immer noch in grosser Zahl als Objekte zulaufen—geboten erschiene, von den Prozessen Notiz zu nehmen.Von den Verhandlungen, dem Ausgang des Prozesses, denSklarz in Vertretung dreier ehemaliger Schülerinnen des Stein-berg gegen diesen führte, haben wir bereits in Nr. 129 des„Vor-wärts" vom 26. August berichtet. Bekanntlich wurden die Kläge-rinnen mit ihrer Forderung auf Rückzahlung des Lehrgeldes ab-gewiesen, weil sich Steinberg von ihnen nach Beendigung des Lehr-kursus attestieren ließ, daß sie mit dem genossenen Unterricht zu-frieden waren. Dadurch war es für daS Gcwerbcgericht leidernicht mehr erforderlich, sich des näheren mit dessen Lehrmethodeund Geschäftspraktiken zu befassen.Nicht ganz so gewitzigt war sein Konkurrent. Dieser wurde amSonnabend zur Zurückzahlung des Lehrgeldes verurteilt. Die dreiKlägerinnen hatten sich auf die Inserate in den Tageszeitungenhin um die ausgebotene Heimarbeit bemüht und uni diese zu er-halten, auch einen Lehrkursus bei der beklagten Firma HeinrichSklarz u. Co. absolviert, für den sie 15 M. bezahlt hatten. Siekamen täglich einige Stunden in die Fabrik, wo sie von der Direk-trice in den einzelnen Arbeiten unterwiesen wurden und erhieltendann zugeschnittene Stoffe zu einem halben bis ganzen DutzendKrawatten zu Uebungszwccken mit nach Hause. Nach etwa dreiWochen war der Lehrkursus beendet und die Klägerinnen tratennunmehr als Heimarbeiterinnen bei der Beklagten ein. Siemußten sich aber täglich Arbeit holen und erhielten diese immererst nach stundenlangem Warten in ganz geringen Quantitäten zu-geteilt, so daß sie nicht einmal 3 M. pro Woche verdienen konnten.So zogen sie es schliesslich vor. auf die weitere Beschäftigung gänz-lich zu verzichten. Da sie von anderen Fabriken wegen ihrer ge-ringen Leistungen zurückgewiesen wurden. Arbeit also nicht er-halten konnten, verlangten sie Rückzahlung des Lehrgelde« von je15 M. und Bezahlung der als Uebungsarbeiten angefertigten Krawatten mit 16 M. Der zum Termin erschienene Mitgesellschafterdes Beklagten Heinrich Sklarz und dessen Prozeßbeistand RedakteurDr. Haase bestritten sowohl die mangelhafte Ausbildung der Kläge-rinnen als auch die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerinnen vollbeschäftigen zu müssen. Die Heimarbeit sei den Klägerinnenallerdings garantiert, aber nur als Nebenbeschäftigung. DieKlägerinnen seien von vornherein darauf hingewiesen worden, daßsie nur 4 bis 6 M. pro Woche in der ersten Zeit verdienen könnten.Mit der zunehmenden Uebung würde der Verdienst allerdingssteigen. Die Klägerinnen bleiben jedoch bei ihrer Behauptung, daßnicht von Nebenverdienst gesprochen worden sei. sondern nur vondauernder und lohnender Heimarbeit.Von der umfangreichen Beweisaufnahme interessieren die Be-kundungen zweier Zenaiuncn, die auch dem Gewerbegericht für dieBeurteilung der Streitsachen massgebend waren. Die DirektriceFrau W., die in der Fabrik am Planufer 23 unterrichtet, gab zu-nächst über die Lehrmethode Auskunft. Sie selbst hat erst imJanuar das Krawattcnnähen von ihrer Vorgängerin erlernt. EinFräulein D., die später in der Fabrik in der Landsberger Strasse 66als Direktrice wirkte, ist von ihr allerdings nur kurze Zeit, etwaacht Tage lang, unterrichtet worden. Auf Anordnung des Mit-gesellschafterS Sklarz erklärt sie jeder neu eintretenden Schülerinauf Befragen, datz das Krawattcnnähen nur als Nebenerwerb zubetrachten sei, davon zu leben sei nicht möglich, da nur 4 bis 5 M.wöchentlich dabei zu verdienen seien, jedoch garantiere sie jederSchülerin für dauernde Beschäftigung nach dem Auslernen. DieZeugin Frau R. ist auf Veranlassung einer Annonce zur Beklagtengegangen und hat einen Lehrkursus für 16 M. genommen. Sie isterst am Planufer von der Direktrice Frau W. unterrichtet worden,da ihr aber der Betrieb in der Landsberger Strasse näher war, hat'ie dort weiter gelernt. Dort wurde ihr ihre Mitschülerin, die mitihr gleichzeitig zu lernen angefangen hatte, als Direktrice vorge-stellt. Diese hatte sich selbst gewundert, daß sie trotz ihres Mangelsan Kenntnissen Direktrice spielen sollte. Zur Zeugin und der einenKlägerin, die zur gleichen Zeit lernte, habe. Fräulein D. mehrmalsgeäussert:„Ich soll Ihnen alles zeigen und verstehe es selber nochnicht." Die Beklagte bestreitet nicht, datz die Klägerinnen von derin Rede stehenden Direktrice unterwiesen worden sind, behauptetaber, daß diese von der Mitgesellschafterin Lola Sklarz unterstütztworden sei. Doch auch der Gesellschafterin wird von klägerischerSeite die genügende Kenntnis bestritten.Das Gericht unter Vorsitz des Magistratsassessors Dr. Maguhnverurteilte daraufhin die Beklagte, den Klägerinnen das Lehrgeldmit je 15 M. zurückzuzahlen. ES war zu der Ncberzeugung ge-kommen, daß der Unterricht, den die Klägerinnen genossen haben,ein wertloser war. ES kann keine Rede davon sein, hieß es in derBegründung, daß etwa von der Beklagten bei der kurzen Lehrzeitetwas ganz besonderes verlangt werden könne, aber es müssenwenigstens Vorkehrungen getroffen sein, die eine sachgemäße Aus-bildung garantieren. Da aber die Klägerinnen doch in der Haupt-fache von der selbst unkundigen Direktrice D. unterwiesen wurden,habe eine sachgemäße Ausbildung nicht stattgefunden. Die Mehr-forderungen sind abgewiesen worden, da die Klägerinnen eine Be-zahlung für Arbeiten, die sie selbst als wertlos bezeichnen, nichtverlangen können._Huö Induftric und Fjandel.2181 Millionen Mark Aktienkapital.Wir haben in Deutschland jetzt 15 Aktiengesellschaften miteinem nominellen Aktienkapital von je 100 und mehr MillionenMark. Setzt man für die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaftdie projektierte Kapitalserhöhung mit ein, dann ergibt sichfolgendes Bild:Millionen MarkDeutsche Bank........... 200Dresdner Bank........... 200Reichsbank............ 180Friedr. Krupp........... 180Diskontogesellschaft......... 170Darmstädter Bank......... 160Gclsenkirchener Bergwerksgesellschaft... 156H. Schaasshausenscher Bankverein.... 145Allgeineine Elektrizitätsgesellschaft.... 130Hamburg-Amerika-Linie....... 125Norddeutscher Lloyd......... 125Berliner Handelsgesellschaft...... 110Große Berliner Straßenbahn..... 100Phönix.......-..... 100Deutsch-Luxemburgische Bergwerksgesellschaft 100Die 15 Gesellschaften verfügen demnach zusammen über2181 Millionen Mark Aktienkapital. Pro Kopf der Eriverbs-tätigen in Deutschland sind allein in diesen Gesellschaften115 Mark nominelles Aktienkapital investiert. Diese Unter-nehmer erhalten für das Kapital so viel Gewinn, als zirka200000 Arbeiter als Lohn erhalten und wovon sie mit ihrenFamilien existieren müssen._Süße Dividenden. Die grosse Berliner Schokoladenfabrik Saroitiveröffentlicht jetzt ihren Abschluß für das verflossene Geschäftsjahr.Sie hat in diesem aus dem Verkaufe ihres Hausgrundstücks in derLeipziger Strasse an die Firma A. Wertheim einen ausserordentlichenGewinn von 703 000 M. erzielt. Daraus nimmt sie aber erhöhteAbschreibungen auf ihren übrigen HauSbesitz ab. Sie verwendet fürdiesen Zweck 650000 M. gegen 156000 M. im vergangenen Jahre.Die Dividende beträgt 12 Proz. auf das erhöhte Kapital von3Va Millionen Mark gegen 8 Proz. auf 3 Millionen Mark im ver»gangenen Jahre. Der Vortrag auf die neue Rechnung erhöht sichvon 37000 M. auf 132 000 M.Stinnes als Händler mit englischer Kohle. In Rotterdam istder grosse deutsche Kohlendampfer„Hugo Stinnes" mit einer Ladungenglischer Steinkohle für Süddeutschland eingetroffen und wird dem-nächst seinen Weg nach dem Oberrhein weiter nehmen. Der Vor-gang zeigt wieder einmal deutlich, dah jede Ueberspannung seinerMachtstellung dem Kohlcnsyndikat selbst den größten Schaden bringt.Das westdeutsche und süddeutsche Industriegebiet ist erfreulicherweisenicht von der Diktatur des Syndikats abhängig.Die Teuerung in Oesterreich.Die Wiener Handelskammer fder Sprengel derHandelskammern in Oesterreich umfaßt meistens eine ganze Provinz!)versendet soeben einen Bericht über die Vieh- und Fleischteuerungund ihre Abwehr. Die Ursachen der Teuerung sind die gleichen wiein Deutschland: das Wachstum des ViehstandeS hält nicht Schrittmit dem der Bevölkerung, Wucherzölle und„sanitäre" Grenzsperreschließen die Vieheinfuhr aus den Balkanstaaten und Uebcrsee aus.Der Mindestpreis für 100 Kilogramm Rind(Lebendgewicht) stieg seit1907 von 69 Kronen 5 Heller aus 81 Kronen 83 Heller. Der WienerPferdefleischkonsum stieg in dieser Zeit von 19 256 Stückauf 31 456 Stück. Die Rindereinfuhr aus Serbien(vor der Grenz»sperrung) betrug 4 bis 6 Proz. des Konsums, die jetzt vertragsmäßiggestattete Fleischeinfuhr nur mehr höchstens 1 Proz. I Die(imDeutschen Reich kolossal überschätzten) Maßregeln der Regierung, dieFrachttarife zu ermäßigen u. dergl., werden als wirkungslose Verlegen»heitSmaßregeln enthüllt. Oeffnung der Grenzen, auch für gefrorenesArgentimenfleisch, wird gefordert— so wäre auch Ersatz für dieans dem Balkan verlorenen Absatzmärkte der Industrie zu ge-Winnen._Hue der frauenbewecfung*Ein Schandfleck.Die Frauen sollen im Hause bleiben. Solchen billigen Rat gabihnen Wilhelm II. Und die reaktionären Blätter der Orthodoxie,der Kraut- und Schlotjunker klatschen Beifall. Das hat seine Ur-fache! Die ausbeutenden und unterdrückenden Sippen haben einenfeinen Instinkt für die Qualitäten sozialer Bewegungen. Sichassen die Frauenbewegung, weil sie darin eine der stärksten fort-schnttlicheiv und revolutionären Triebkräfte erkennen. Daher ihrsehnlichster Wunsch, der Frau möge es verwehrt bleiben, als mit-besttmmungSberechtigter Faktor auf das gesellschaftliche Leben Ein»fluß zu gewinnen. Die ausgcfcimtesten Ausbeuter weiblicher Ar»beilSkraft verbinden mit dem politischen noch ein direkt Wirtschaft-licheS Interesse bei der Sucht, die Frauen nicht mündig werden zulassen. Die wehrlose entrechtete Frau ist ein zu bequemes Aus-beutungSobjekt. Dieser Tatsache gegenüber können moralische Er-wägungen überhaupt nicht aufkommen. Was uns förderlich ist, istgut! Dieses kapitalistische Glaubensbekenntnis ist bestimmend. Undes erlaubt, die weibliche Arbeitskraft noch schamloser, noch inten-siver auszubeuten als die Arbeitskraft des starken Geschlechts.Allerdings versucht man, die schlechtere Entlohnung der tvciblichcnArbeitskrast als in deren Mindertvcrligkeit begründet zu recht»fertige». Solcher Einwand kann vor der strengen und unparteiischenKritik nicht bestehen. Wird doch dort, wo die Frau dieselbe Arbeitleisict wie der Mann, dieser im allgemeinen höher entlohnt alsjene. Und was als Argument gegen den erwähnten Einlvand nochstärker spricht, ist die Tatsache, daß auch� für Arbeiten, die vonMännern garnicht oder doch nur unvollkommen geleistet werdenkönnen, die tief leistungsfähigeren Frauen nicht den Lohn von