entschieden und erreichte, dasz sich der Gendarm mit Feststellung meiner Personalien begnügte und dag die Versammlung ohne weitere Zwischenfälle verlief. Wenige Wochen darauf wurde ich vor den AmtZvorstehcr in Adlershof geladen, vor welchem ich jede Auskunft verweigerte. Es folgten darauf noch zwei Vorladungen vor den Untersuchungsrichter in Köpenick ; dort verweigerte ich ebenfalls jede Aussage mit der Bemerkung, dag ich nur im Termin Erklärungen abgeben würde. Zu meinen, größten Erstannen erschienen nun aber vorige Woche in meiner Wohnung ein Gendarm und ein Polizist mit dem Auftrag vom Untersuchungsrichter aus Köpenick , bei nur eine Haussuchung vor- zunehmen. Selbstverständlich erlebten sie einen bösen Nein- fall. Es kam ihnen hauptsächlich auf Adressen und Protokolle an, wie mir der Gendarm sagte. Sie haben derartiges nicht gefunden, ließen sichs aber nicht nehmen, meine Mitgliedskarte, eine Kassenaufstellung und einen Brief, welcher privater Natur ist, mit Beschlag zu belegen und mit- zunehmen. Ich habe diese Sachen auf dem schnellsten Wege zurückerbeten, aber bis heute noch nicht erhalten. Zu gleicher Zeit geht uns aus Gelsenkirchen (West- falen) folgende Meldung über einen ähnlichen Vorgang zu: Bei dem Obmann der Jugendorganisation in Gelsenkirchen fand auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft in Essen eineH a us- such un g statt. Beschlagnahmt wurden 11 Briefe, ein Tagebuch, sowie eine Mappe mit Schreibpapier, ferner ein Exemplar der Agitationsschrift„Die Wahrheit". Auf der Z o l l- b e h ö r d e wurden ferner 20 Exemplare der Schrift:„Die Jugendbewegung der sozialistischen Jnter- nationale" beschlagnahmt. Nicht minder tätig als Staatsanwaltschaft und Polizei sind die Handwerksmeister. Auf dem 11. Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertag, der am 6. September in Stuttgart zusammentrat, wurde nach einem Referat des Architekten K o e f t- München über Für- sorgefür die gewerblicheJugend folgende Resolution angenommen: „1. die Schäden, die die heranwachsende Jugend durch eine s o z i a l i st i s ch e E r z i e h u mg erfährt, sind aufzudecken und in allen den Handwerkern zugänglichen Blättern ist fortwährend darüber in aufklärender Weise zu berichten, womit auch Eltern, Lehrer und Lohrmeister, demnach also auch die Negierungen und die gesetzgebenden Körperschaften über diese Vorgänge genau unterrichtet werden; 2. alle Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, die Erziehung der Lehrlinge in moralischer und sittlicher Weise zu fördern, sind zu unterstützen; 3. es ist darauf hinzu» arbeiten, daß die sozialistischen Jugendvereine oder wie sie sonst heißen mögen, für politische Vereine erklärt und nicht geduldet werden; 4. es ist den Lehrmeistern zur Pflicht zu machen, die Lehrlinge mit allen gesetzlichen Mitteln von dem Beitritt zu solchen Vereinigungen fernzuhalten. Dieses Verbot ist auch schon obligatorisch in die Lehrver. träge aufzunehmen, wie dies teilweise bereits geschehen ist." Alle diese Angriffe werden für die proletarischen Eltern und für die zum selbständigen Denken erwachte proletarische Jugend natürlich nur ein Ansporn mehr fein, mit allen Kräften für die Ausbreitung der freien Jugendbewegung zu wirken. Es foll allen Mächten des Klassenstaates nicht ge- lingen, dem klassenbewußten Proletariat die Jugend zu rauben!_ politifcbc GebctTicbt Berlin , den 8, September 1910. Noch eine kaiserliche Demonstration gegen das Volk! Der Eindruck der demonstrativen Ordens- Verleihungen an Polizeibeamte, die sich in den Schlachten gegen friedliche Wahlrechtsdemonstranten durch be- sondere„Schneidigkeit" hervorgetan haben, wird noch vertieft durch den Umstand, daß bei der Ueberreichung den Deko- rierten der besondere Dank des Kaisers aus- gesprochen Ivurde! Wie wir bereits gemeldet haben, ist bei� der Uebergabe der Auszeichnungen mitgeteilt worden, der Kaiser Hab« Anlaß genommen, durch die Orden den Beamten für ihre Tätigkeit und ihr Verhalte» während der schwere» Zeit der Wahlrechts- demonstrationeu seine Anerkennnng zum Ausdrucke zu bringen I Dieser kaiserliche Dank wird die Beamten natürlich an- spornen, womöglich noch„schneidiger" dreinzuhauen, wenn der Wahlrechtskampf das preußische Proletariat wieder auf die Straße führt. Handeln sie doch unter ausdrücklicher Billigung ihres Fürsten l Freilich hat das imposante Auf- treten der Arbeiterschaft die Straßenschlachten stark eingedämmt, wie das Verhalten der Polizei im weiteren Verlauf des Wahlrechtskampfes in den größten Orten gezeigt hat. Und wenn das preußische Proletariat den Wahlrechtskampf wieder aufnimmt, wird der Eindruck auf die Herrschenden nicht kleiner sein. Aber bei den Zuständen in Preußen und bei der blutdürstigen Hetze der Junker sind Kopflosigkeiten in einzelnen Orten trotz alledem nie ausgeschlossen und bei solchen Gelegenheiten kann die Wirkung der kaiserlichen An- erkennung sich in böser Weise zeigen. Aber das wird natürlich das Proletariat Preußens nicht einen Augenblick in seinem Entschluß wankend machen, den Wahlrechtskampf mit aller Entschiedenheit weiter zu führen. « �» Aus Frankfurt a. M. schreibt man zu der Ordensverleihung an dortige Polizeibeamte: Der Wahlrechtskampf hatte bekanntlich hier besonders hohe Wogen geschlagen. Und Frankfurt a. M. gehört auch zu den Orten, wo die Polizei am rigorosesten gehaust hat. Zuerst waren es nur Polizeisäuste und die Hufe der SchutzmannSgäule, mit denen fried- liche Demonstranten in unsanfte Berührung kamen, dann aber traten Polizei s äbel und Polizeibrowning in Aktion. Die Frankfurter Blut nacht vom 18. auf IS. Februar kann in der Geschichte von, preußischen WahlrechtSlampf nicht ausgelöscht werden. Niemand dürfte eS daher überraschen, daß die Polizisten in Frankfurt a. M. bei der allgemeinen Verleihung von Orden an die polizeilichen Helden der WahlrechtSschlachten nicht vergessen wurden. Ein reicher Ordenssegen ist über die Frankfurter Polizei nieder- gegangen. Höhere Orden bekamen jene Beamten, die sich durch be- sonderS schneidiges Vorgehen im Wahkrechtskampf auszeichneten. So erhielt der Kommissar, der in der Frankfurter Blutnacht mit seiner Mannschaft zuerst mit blankem Säbel aus die Masse einhieb, den Kronenorden vierter Klassel Die Wahlrechtsdemonstranten bekamen neben Säbelhieben zum Teil noch harte Gefängnisstrafen— die Schutzleute Auszeichnungen. Für die Arbeiterschaft wird dies ein weiterer Ansporn sein, mit allen Mitteln für ein freies Wahlrecht in Preußen zu kämpfen I Der Protest gegen Absolutismus nnd Fleischwucher. In 21, zum Teil uberfüllten öffentlichen Volksversanim- lungcn nahm am Sonnabend, den 8. und Sonntag, den 4. September, die sozialdemokratische Arbeiterschaft des XI. badischen Reichstagswahlkreises gegen unsere sinnlose Agrarpolitik und die neueste Rede Wilhelms H. Stellung. In allen Versammlungen wurden Protestresolutionen ein- stimmig angenommen. In Mannheim , wo Genosse Adelung-Mainz das Referat übernommen hatte, protestierten die LAX) Versammlungsbesucher außerdem gegen den Besuch des Galgenzaren. Die Chemnitzer Arbeiterschaft nahm am Mittwoch abend in sechs nach den größten Sälen einberufenen Ver- sammlungen Stellung zu der Königsberger Rede Wilhelms II. Der Andrang zu den Versanmilungen war so gewaltig, daß sie zum Teil polizeilich abgesperrt wurden. Insgesamt mögen trotz strömenden Regens etwa 10 000 Personen dem Rufe gefolgt sein. In allen Versammlungen wurde eine Protestresolution unter stürmischer Zustimmung einstimmig an- genommen. In einer von etwa 600 Personen besuchten Protest- Versammlung in Sommerfeld sprach Genosse Grauer über„Volksentrechtung und Volksausbeutung". Die Berliner Resolution fand einstimmige Annahme. Zur Fleischteuerung. Die bürgerliche Presse weiß zu melden, daß der neue Land- wirtschaftSminister v. Schorlemer der gegenwärtig wieder ein- setzenden Fleischteuerung und deren Ursachen große Aufmerksamkeit zuwenden soll. Im Landwirtschaftsministerium wird eifrigst Material ge- sammelt über die einzuschlagenden Wege, um dem Notstand abzu- helfen. Demnächst dürften Vertreter des deutschen Fleischerverbandes vom Landwirtschaftsminister empfangen werden, die bereits vor längerer Zeit eine Audienz nachgesucht haben. In dieser Woche wird sich weiterhin noch eine Anzahl westdeutscher Städte mit der Fleischteuerung befassen und in Eingaben an die Regierung um Wegfall der Tuberkulinimpfung und Oeffmmg der Grenzen ersuchen. Das Stadtverordnetenkollegium zu Leipzig beschloß auf Antrag unserer Genossen einstimmig, den Rat zu ersuchen, ge- meinsam mit den Stadtverordneten bei der NeichSregierung vor- stellig zu werden, daß die Grenzsperre für die Einführimg von Bich und Fleisch auf da? für den Seuchenschutz unumgängliche Matz herabgesetzt und die Vieh- und Futtermittelzölle aufgehoben werden. Ferner soll die sächsische Staatsregierung die Schlacht st euer und die Uebergangsabgabe aufheben und die Frachtsätze ermäßigen. Auch die Stadtverordnetenversammlung in Lüdenscheid sWestf.) nahm eine von unseren Genossen eingebrachte Resolution an, in der der Magistrat ersucht wird,„mit Rücksicht auf die enorme Preissteigerung der Fleisch- und Wurstwareu unverzüglich bei der Reichsregierung um geeignete Abhilfe maßregeln vor« stellig zu werden". Auch in B a y e r n übt die Fleischnot immer verheerendere Wir- kungen aus. In Regensburg und anderen Städten mußte eine Reihe kleiner Fleischermeister, die von der arbeitenden Bevölkerung abhängig sind, ihre Geschäfte schließen, weil der Verbrauch auf ein Mininnnn herabgesunken ist. In D eg gendorf ist der Fleischermeister Schiller durch die hohen Schlachtviehpreise und den verminderten Verbrauch in Schwermut geraten und hat in diesem Zustand sich in selbstmörderischer Absicht die Pulsadern geöffnet. Fast über- all geben die Fleischermeister eine neuerliche Erhöhung der Fleischpreise bekannt, auch mit den Preisen der geringen Wurstwaren wird allgemein aufgeschlagen. Die Presse des Zentrums, daS an diesen Zuständen mitschuldig ist, hat für die Not des Volles nur Spott und Hohn. So rät daS Blatt des Abgeordneten Gerstenberger den Konsumenten, sie sollten einfach weniger Fleisch essen, während daS Nürnberger, von Geistlichen redigierte Zentrumsblatt zynisch erklärt, der unleugbare Rückgang des Fleisch- konsumS rühre daher, daß„einige Leute von umfangreicher Leibesbeschaffenheit infolge der großen Hitze ihren Fleischverbrauch eingeschränkt hätten". Wider de« Mammonismus in nnserer Volkserziehung. Die„Korrespondenz desDeutschenLehrer- Vereins" schreibt: „DaS Geld ist mehr und mehr zu einer Macht geworden, der sich so ziemlich alles beugt. DaS mag bedenklich stimmen, ist aber fürs erste nicht zu ändern. Das aber müßte versucht werden und bei ernstlichem Bemühen wohl auch gelingen, die Macht des Geldes dort zu brechen, wo eS am allerwenigsten Machtmittel sein sollte: im Erziehungswesen unseres Volkes. Zur Zeit sind wir freilich von der Einsicht in diese Notwendigkeit noch recht weit entfernt; auch im Gebiet der Schule ist da? Geld eine Macht. In den w e i t a u S meisten Fällen entscheidet daS Ein« kommen des Vaters darüber, welche Schule ein Kind be- suchen kann. Die höheren Lehranstalten sind nicht die Schulen der höher begabten, sondern— die Schülcrlisten weisen das aus— im großen und ganzen die Schulen für die Kinder der begüterten Kreise unseres Volkes, �ja, selbst in den Volksschulen, die doch nach ihrem Wesen und Zweck Schulen fir alle, für das gesamte Volk sein sollten, übt das Geld einen unheilvollen Einfluß aus. Unsere Volks- schulen haben sich fast überall da, wo es die größere Schülerzahl zuließ, in verschiedene Arten gegliedert, die gegen ein ver- schieden hohes Schulgeld zuganglich. also ebenfalls in der Hauptsache nach der wirtschaftlichen Lage der Eltern abgestuft sind. Auch hier öffnet der größere Besitz den Weg zu einem größeren Maß von Ausbildung. Diese Herrschaft des bloßen Geldes im Bereiche der geistigen Kultur verdient die ernsteste Beachtung des gesamten Volkes. Viele Knaben, die wohl die erforderlichen Geldmittel, nicht aber die vor allem nötigen Fähigkeiten haben, werden den gelehrten Berufen zugeführt; wertvolle Intelligenzen der unteren Stände gehen dem Dienste an einer ihren Fähigkeiten ent- sprechenden Stelle verloren und müssen schließlich unter dem Drucke des Alltagslebens, das ihrer harrt, verkümmern. So reich an Intelligenzen in den führenden Schichten ist aber kein Volk, auch daS Volk der Denker und Dichter nicht, als daß eS sich für die Dauer ein solches Brachfeld an guten Köpfen ohne Nachteil leisten könnte. Nur durch Ausschaltung deS MammoniSmuS aus dem Bildungs Wesen kann das anders werden. Mit einem Schlage geht das freilich nicht; aber ein Anfang muß gemacht lo erden, und zwar von unten her. Die Volksschule mutz einheitlich organisiert und zur allgemeinen Grund- läge aller weiterführenden BildungSanstalten gemacht werden, und es müssen reiche Mittel zur Verfügung ge- stellt werden, um begabte, aber arme Kinder der Volksschule höheren BildungSzielen zuzusühren. Daran hat der Staat das allergrößte Interesse. Alle Kräfte, die auf diese Weise ausgelost werden, kommen vor allem ihm zugute; und dem Staatskörpcr beständig neues Blut nnd frische Säfte zuzusühren, ist daS wirk- samste Mittel, ihn gesund zu erhalten. Der Kampf gegen die Berquickung von Bildung und Besitz ist in allererster Linie Sache des Staates. Er muß durch seine Schulgesetzgcbung die einheitliche und für alle allgemeine Volksschule sichern, und er muß in seinem Etat die Mittel bereit stellen, um den wenig begüterten Talenten aus der Masse des Volkes den Weg zur Höhe zu bahnen." Es ist erfreulich, daß auch in den Lehrcrkrelsen immer energischer die Forderung nach einer einheitlichen Grundlage unseres gesamten staatlichen BildungSwesens erhoben wird. Ebenso erfreulich ist es, daß die verheerenden Wirkungen unseres Kapitalismus auf das Schulwesen von den Lehrern selbst v t e l k l a r e r epkaynt werden, als von den freisinnigen Parlamentariern im preußischen Dreiklassenhause, wo beispielsweise Herr Cassel Ansichten entwickelte, über deren Rückständigkeit man in vorgeschrittenen Lehrerkreisen erstaunt den Kopf g e s chül t e lt haben wird! Je mehr sich freilich die Lehrer mit dem Problem einer wirklich sozialen Pädagogik beschäftigen werden, desto deutlicher wird ihnen zum Bewußtsein kommen, daß alle Reformen innerhalb unseres heutigen Gesellschaftssystems nur un- zulängliches Flickwerk sind! Die„Macht des Mammonismus" kann eben erst in einer Gesellschaft gebrochen werden, wo der„Mammon" nicht mehr das Privileg der sozialen Ausbeutung und der politischen Knechtung sichert! Demokratie und Nationalliberale. Die verwaschene und im Dienste der Freisinnigen äußerst fadenscheinig gewordene demokratische Ueberzeugung des Pfarrers Naumann gibt der„Nationallibcralcn Korrespondenz"(Nr. 133 vom 7. September) Anlaß, mit hörbarem Ruck von Demokraten dieser Sorte abzurücken. Naumann hatte in einer zu Stuttgart gehaltenen Rede über die Königsberger Kaiserrede gesagt: Nun- mehr bleibe dem deutschen Volke nichts anderes übrig, als ohne Rücksicht auf kaiserliche Aussprüche seinen Weg zu gehen. Ganz entsetzt bemerkt hierzu die„Nationatliberale Korrespondenz": „Das ist die nackte Empfehlung der Politik einer reinen und rücksichtslosen Demokratie, die in dem Staatsorganismus keinen Raum läßt für die lebendige Persönlichkeit eines Monarchen. W i r wollen uns aber weder die Institution der Monarchie rauben lassen, noch wollen wir, bei aller gewünschten und gebotenen Zurückhaltung des Monarchen, den Träger der Krone zu einem blutleeren Schemen herabsinken lassen.... Wir wünschen zur Monarchie und zum Monarchen in einem Herzensverhältnis zu stehen und lehnen es ab, es uns durch Naumann und die Demokratie zu einem reinen Verstandesver- hältnis machen zu lassen. Hier liegt mit die Grenze zwischen uns und der Demokratie, eine Grenze u n- ü b c r b r ü ck b a r, auf die mit voller Schärfe hinzuweisen hohe Zeit war. Denn immer mehr droht die radikale Welle, die durch Deutschland schlägt, alle Begriffe zu ver- wischen, und die radikale Phrase verwirrt viele Köpfe. Welch eine Schuld lastet doch auf den Parteien der Mehrheit, die diese Lage schufen. Und wie häuft sie jetzt neue Schuld zur alten. Es scheint fast ein Verbrechen an der Monarchie, wenn Parteien nach einer kaiserlichen Rede, die so die Gemüter erhitzte, den Kaiser als ihren Mann in Anspruch nehmen und so den Träger der Krone dem jetzigen, so großen Unwillen im Volke als Parteigenossen und Fürsprecher von Parteien darstellen, die unser Volk für all das heutige Unheil verantwortlich macht." Wenn nach solchen Leistungen Bethmann Hollweg kein Ein- sehen hat und die braven Nationalliberalen schleunigst in den Be- reich der wärmsten Regierungssonne versetzt, dgnn hilft nichts mehr!_ Infame Rekrutenbehandlung. In zweitägiger Sitzung verhandelte das Kriegsgericht der 17. Division(Hamburg ) gegen den Gefreiten Rix und den Jäger Flemming vom 9. Jäger-Bataillon in Ratzeburg , angeklagt einer langen Reihe militärischer Vergehen. Der angehende Stell- Vertreter Rix(Kapitulant) war Stubenältester und Rekruten- driller, Flemming stellvertretender Stubenältester. Durch ihr forsches Auftreten haben beide die Rekruten derart e i n g e- schüchtert, daß niemand von dem Beschwerderecht Gebrauch zu machen wagte. Während Rix und sein sauberer Stellvertreter im Bett liegen blieben, wurden die Rekruten lange vor Re- veille aus den„Fallen" gejagt, um allerlei Arbeiten auszuführen. In einem Falle mußten die Rekruten sogar— es war zur Winterszeit— um 3 Uhr morgens aufstehen. Nachdem sie sich angekleidet hatten, durften sie sich auf den kalten Fußboden niederlegen. Unbekleidet wurden die Leute in die Winterkälte hinausgejagt, um auf dem Hof Spucknäpfe, Bratpfannen usw. zu scheuern. Hatten sie ihre Betten gemacht, so wurden diese, weil angeblich schlecht„aufgebaut", wieder auseinandergerissen. So wurden die Rekruten— auch Sonntags— ständig in Bewegung gehalten bis über den Zapfenstreich hinaus. Den Kaffee und das Mittag- essen mußten sie kalt genießen, wenn sie es nicht vorzogen, das Essen fortzuschütten. Als Führer einer Schießabteilung ließ Rix die Leute mit dem Gewehr in Anschlagstellung stehen—„bis zur völligen Erschlaffung", wie es in der Anklage heißt. Ein Soldat mußte sich mit dem Gewehr im Anschlag bis zur Ermattung abwechselnd niederwerfen, dann aufstehen und über einen Chausseegraben springen. Dies tolle Treiben währte über ein halbes Jahr. Ferner sollen beide ver- botene Sammlungen zum Ankauf von Petroleum, Besen, Bürsten usw. borgenommen haben; sie selbst beteiligten sich nicht an den Sammlungen, dagegen speisten sie ihre Privatlampen aus der Petroleumkanne. Hierin wird auch eine Annahme von Geschenken erblickt. Endlich wurden dem Rix noch mehrere Wachbergehen zur Last gelegt, indem er eigenmächtig die Wachstube verließ. Hierdurch sind noch zwei Gefteite und ein Unteroffizier in Mitleidenschaft gezogen, weil diese keine Meldung erstattet haben. In scharfer Weise charakterisierte der Verhandlungsleiter. KriegSgerichtSrat Dr. R e u t t e r, das Treiben der beiden rohen Burschen, die in der Hauptsache wohl geständig sind, aber die Angaben der etwa 20 von ihnen malträtierten und schikanierten Rekruten als übertrieben bezeichneten. Alle Fälle einzeln zu behandeln, verbietet sich auS räumlichen Gründen. Die geladenen Zeugen, 20 an der Zahl, be- stätigen den geschilderten Tatbestand. Das Kriegsgericht verurteilte Rix zu 2 Monaten 18 Tagen Gefängnis, Flemming zu drei Wochen Mittelarrest, den Unter- offizier zu drei Tagen gelinden Arrest, während die weiteren An- geklagten freigesprochen wurden. Versklavung der katholischen Priester. Der„Reichsanzeiger" deö Papstes, die„»et»»postoUoao ssäis" (Akten des heiligen Stuhles), veröffentlichen ein Dekret der Kon- sistorialkongregation, die die Absetzung von Pfarrern auf administrativem Wege, ohne kirchliches disziplinares Gerichtsverfahren regelt. Neun Gründe für solche Absetzung werden angeführt. Es soll die Möglichkeit gegeben werden, Schweincpfaffcn rasch verschwinden zu lassen— aber auch Abneigung deS Voltes, wenn auch ungerecht und nicht allgemein, doch so. daß sie das seelsorgerliche Wirken hindert, Verlust des guten Rufes, Un- gehorsam gegen den Bischof können den Pfarrer die Stelle kosten. Seine Berufung entscheidet— derselbe Bischof, der ihn abgesetzt hat. Natürlich wird man gegen jeden oben mißliebigen Pfarrer leicht solche allgemeinen Stimmungen bei den„Gutgesinnten" er« zeugen können. Nach dieser Probe kann man sich vorstellen, wie der jetzt in Bearbeitung befindliche allgemeine Kodex des kanonischen Rechts aussehen wird. Ein Massenhinansschmitz von Pfarrern scheint als nötig erkannt worden zu sein, denn wie daS sehr genau informierte Wiener seudalklerikale„Vaterland" erklärt, hat man diesen Teil des neuen Gesetzwerkes wegen der praktischen Wichtigkeit der Sache schon jetzt veröffentlicht und in Kraft gesetzt!_ Das Zentrum und die nächsten Wahlen. DaS führende Organ deS bayerischen Zentrums, die„Angsb. Postzeitung", bestreitet, daß gelegentlich des Augsburger Katholikentages die Vertreter der Z e n tru m s pr e sse von den Parlamentariern angewiesen worden seien, auf ein K o m p r o m i ß aller bürgerlichen Parteien gegen die Sozial- demokratie hinzuwirken. In Einzelfällen, so meint daS Zentrumsblatt, ließe sich ein Kompromiß„sehr wohl machen", aber Kompromisse von Partei zu Partei seien un» Möglich. Axjn ZkftruMMWN ffiüite z. B. den Abg. Dr.
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