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it. 211. 27. Jahrgang. 1 Ktikge des JotnM Freitag, 9. September 1910. Demohratle und Disziplin. Eine Entgegnung. Von Eduard David . Meine in der hessischen Parteipresse erschienenen Aufsätze über das Verhältnis von Demokratie und Disziplin haben denVor- wärts" zu heftigen Gegenartikeln Anlaß gegeben. Da sie voller beleidigender Unterstellungen und verzerrter Schlußfolgerungen sind, so sehe ich mich zu folgenden Abwehrbemerkungen genötigt: 1. Als Einleitung zu seiner Polemik leistet sich der Verfasser der ,.Vorwärts"artikel die Bemerkung, daß ichmit feinem poli- tischen Verständnis gerade die Zeit wähle, in der Wilhelm II. die bürgerlichen Parteien zum gemeinsamen Kampf gegen die Sozial- demokratie aufruft, um der Partei anzuraten, ihre Geschlossenheit zu lockern und die Einheitlichkeit ihres Handelns erschüttern zu lassen." Durch diese Methode, die gegensätzlichen Anschauungen eines Parteigenossen dadurch zu bekämpfen, daß man ihm parteischädi- gende Motive unterstellt, charakterisiert mein Gegner von vorn- herein die Art seiner Kampfesweise. Ich kann nur im Interesse des Ansehens unserer gemeinsamen Sache bedauern, daß dieses niedrige Verfahren im Zentralorgan der Partei beliebt wird. Auf den Anwurf sachlich einzugehen, erübrigt sich. 2. Ich führte in meinen Artikeln aus, eine Demokratie, die zum Mittel der absolutistischen Disziplin ihre Zuflucht nehme, das heißt zu einer Disziplin, die das selbständige Denken und selbstverantwortliche Handeln der Einzelglicder ausschalte, sei die schlimmste Feindin einer wirklichen Demokratie. Wollte die Sozialdemokratie diese Art Disziplin proklamieren, so könnte das nur geschehen durch ihre Umwandlung zu einer Sozial d e s p o t i e. Mein Gegner rät mir, das Fremdwort zu verdeutschen und empfiehlt mir, dafür zu sagen:Massenherrschaft"das Lieb- lingswort des Herrn von Bethmann Hollweg , wenn er die Forde- rung des gleichen Wahlrechts, das diese Gefahr derSozial- despotie"" heraufbeschwöre, abweisen will." Durch diese geistvolle Zusammenspannung mit Herrn von Beth- mann Hollweg bin ich natürlich ebenso gründlich widerlegt wie persönlich gerichtet. Nur möchte ich mir noch ganz bescheiden zu bemerken erlauben, daß es doch wohl nicht angeht,Sozialdespotie" mitMassenherrfchaft" zu übersetzen, weil sich das ja mitSozial- demokratie" decken würde. Sozialdespotie bedeutet eben eine u n demokratische Form der Massenherrschaft; ein anderer Ausdruck dafür wäre Massen tprannei. Diese aber muß ein guter Demokrat ebenso entschieden verwerfen wie jede andere Form der Tyrannei. 3. In der Breslaver Agrarresolution wird erklärt, die Landeskultur seiein Interesse der Besitzer der Produktionsmittel, der Ausbeuter des Proletariats". Und diese Erklärung richtet sich gegen die im Agrarprogrammentwurf verlangte Förderung landcs- kultureller Unternehmungen; sie bildet einen der Gründe, weshalb das Agrarprogramm abgelehnt werden sollte und abgelehnt wurde. Der Genosse imVorwärts" erklärt nun, gestützt auf Kautskh, damit sei die Bewilligung von Mitteln zur Hebung für die Förde- rung der Landeskultur keineswegs verboten worden. Gilt das, dann wäre das abgelehnte Agrarprogramm ja nun nachträglich auf dem einfachsten Wege in einem sehr wichtigen Teil seiner Forderungen zur Annahme gebracht. Es geht doch nichts über die Kmnst der Interpretation! Bleibt nur die Preisfrage: Warum eigent- lich steht jene die Landeskultur als Ausbeuterinteresse deklarierende Wendung in der Resolution? 4. Hinsichtlich der beiden anderen von mir erwähnten Fälle eigenmächtiger Hinwegsetzung über Parteitagsbeschlüsse(St. Gallener und Münchener Stichwahlbeschlüsse) bemerkt mein Gegner, das sei durch die führenden Genossen geschehen im Bewußt- sein, damit denGesamtwillen der Partei richtig zu inter- pretieren", und er stellt die Frage an mich:Will Genosse David behaupten, daß die badischen Genossen in demselben Bewußtsein, den Willen der Gesamtpartei auszuführen, das Budget bewilligten?" Darauf antworte ich: Nicht das Bewußtsein, den Gesamtwillen richtig zu interpretieren, rechtfertigte jene Verletzung von klaren, gar keine gegenteilige Interpretation zulassenden Dokumentie- rungen des Gesamtwillens. Gerechtfertigt wurden sie nur durch das Bewußtsein, dem durch Parteitagsbeschlüsse dokumentierten Ge- samtwillen entgegenhandeln zu müssen, weil dies das höhere Interesse der Bewegung heischte. Das war das Eni- scheidende, und darauf gründete sich dann erst die Hoffnung, nach- I träglich die Zustimmung des Parteitags zu dem formalen Dis- ziplinbruch denn das war es auf jeden Fall zu er- | langen. J Daß der innere Vorgang sich so und nicht anders abspielte, dafür berufe ich mich auf den intellektuellen Urheber des Disziplin- bruchs im Jahre 1333, den Genossen Bebel. Er erzählte auf dem Dresdener Parteitag über die Vorstandssitzung vor der Stichwahl, bei der in vielen Kreisen Konservative gegen freisinnige Vereinler standen, folgendes: Ich war es, der im Vorstand die Sache zur Sprache brachte und fragte: wie verhalten wir uns? Nach der Münchener Re- solution hätten wir dem kleineren Uebel die Unterstützung ver- sagen müssen. Damit hätten wir es darauf ankommen lassen müssen, daß das größere Uebel, das nach jeder Richtung hin schlimmer ist, gewählt wird. Auf der einen Seite war der München er Beschlutz, auf der anderen Seite war ein schwerer Schaden für die Partei. Was sollten wir machen?" So stand also die Alternative vor dem inneren Auge der Beteiligten. Und da beschloß man die Dis ziplin zu brechen, um etwas zu vermeiden, was man als einen schweren Schaden für die Partei ansah. Und es ist sehr charakteristisch, wie sich das in der Sache gute Gewissen Bebels mit der Frage abfand, was der Parteitag zu dieser Verletzung der Disziplin sagen werde: Sollten dann darüber Beschwerden laut werden", so erzählt er weiter,so nahmen wir an(I), würde der Parteitag sagen: Ihr habt gesündigt, aber Eure Sünde hat der Partei zum Vorteil gereicht; wir wollen Euch vergeben." Der Parteitagsbericht verzeichnetHeiterkeit" hinter dieser humoristisch gefärbten Behandlung der Jndemnitätsfrage. Und mit Heiterkeit kann man es auch nur aufnehmen, wenn angesichts solcher Vorgänge dieWiener Arbeiterzeitung "(Genosse Adolf Braun ?) die Disziplin alsdas große Gesamtgesetz der Demo- kratie" und derVorwärts">das mit Beifall akzeptiert. Nein, das große Grundgesetz der Demokratie ist, bei jeder Handlung das Interesse der S a ch e im Auge zu haben, und wenn esdiernnereUeberzeugung gebietet, im Inter- essse der Sache auch die formale Disziplin zu brechen. So handelte derDisziplinbrecher" Bebel im Jahre 1303, und er handelte so als guter Demokrat. Von diesem obersten Gesichtspunkt aus muß auch die Frage des badischenDisziplinbruches" beurteilt werden, wenn anders wir keine Schein demokraten, sondern wirkliche Demokraten sein wollen. Das Bewußtsein, im Interesse unserer Sache so und nicht anders handeln zu müssen trotz eines entgegenstehenden ParteitagSbeschlusses.das ist es, was meiner festen Ueberzeugung nach auch unsere badischen Genossen leitete. Und deshalb wandte ich mich scharf gegen den Versuch, diese ganze Sache unter den Gesichtspunkt der Heiligkeit der Disziplin zu rücken. Genau mit demselben Recht wie dieDisziplinbrecher" in den oben- erwähnten Fällen können die badischen Genossen verlangen, daß man auch sie nach dem Motiv und der sachlichen Be- gründun g ihres Handelns ruhig und leidenschaftslos beurteilt und nicht mit dem zornigen Argument: Disziplinbruch I anschreit und abtut. Letzteres ist von zahlreichen Versammlungen und Presseäutzerungen geschehen. Und das ist's, was ich alsDisziplin- bruchsgeschrei" bezeichne und in meinen Artikeln in die gebührende Beleuchtung gerückt habe. Wenn derVorwärts" seiner demokratischen Pflicht genügt haben wird, den Aufsatz des Genossen Frank- Mannheim in der Neuen Zeit", wie er das mit den Kautskyschen Artikeln getan hat, seinen Lesern ungekürzt znr Kenntnis zu bringen, dann hoffe ich, daß auch viele Berliner Parteigenossen mir in der Beurteilung der sachlichen Beweggründe der badischen Genossen zustimmen werden. 5. Der Verfasser derVorwärts"-Artikel tut meine Aus- führungen über die Wertung und Entfaltung der Persönlich- keit durch die Demokratie mit einigen billigen Witzchen ab. Er glaubt das Ideal der Persönlichkeitskultur vernichtend kritisiert zu haben mit dem Hinweis auf diezahllosen Festreden deutscher Philisterveranstaltungen, wo stets unfehlbar einer aufsteht und begeisternd skandierend deklamiert: Höchstes Glück der Erden- linder ist doch die Persönlichkeit". Leider wird in Deutschland gewöhnlich auf ganz andere Dinge gefestredet als auf das Ideal der Persönlichkeit. Mit Toasten darauf sind unter einem konservativ-klerikalen Regiment weder Geschäfte zu machen, noch Aemter und Ehren zu erlangen. Die wenigen bürgerlichen Ideologen aber, die sounpraktische" Ideale öffentlich feiern, verdienen wahrhaft nicht wegen des Gegen- kleines Feuilleton. tdle Tllbvol-Expebition hat eine vorbereitende Reise nach dem Nordpol zu(Spitzbergen ) unternommen, um sowohl in diesem ver- hältnismäßig rasch erreichbaren Gebiete die Expeditionsteilnchmer mit den Eisverhältnissen bekanntzumachen, als auch praktische Er- fahrungen mit einer möglichst zweckmäßigen Ausrüstung zu sammeln. Die Expedition ist nach einer sehr anstrengenden Durch- guerung Spitzbergens jetzt nach Deutschland zurückgekehrt. Sie be- stand aus sechs Mitgliedern, dem Leiter, Oberleutnant Wilhelm Filchner , ferner dem Geographen Dr. Seelheim, dem Geologen Dr. Philipp, dem Astronomen Dr. Przybhllck, dem Meteorologen Dr. Barkow und dem Arzt Dr. Potpeschnigg. Als Transportmittel für wissenschaftliche Instrumente, Zelte, Schlafsäcke, Proviant, Waffen usw. kamen nur Schlitten in Betracht, und zwar wurden Nansenschlitten benutzt, unter deren Hickoryholz-Kufen hoch besondere, in wenigen Minuten auf- und abzumontierende, ver- hältnismäßig leichte Stahlkufen airgebracht waren; sie haben ausgezeichnete Dienste geleistet und den auf sie gesetzten Erwar- tungen entsprochen. Die Größenverhältnisse waren bei beiden Schlitten: 3,63 Meter Länge, fünfzig Zentimeter Breite und fünf- zehn Zentimeter Höhe. Die Schlirten konnten im Notfalle(der wirklich eintrat), auch von den Expeditionsteilnehmern selbst gezogen werden. Um die Elastizität zu erhöhen und Brechen und Splittern des Holzes möglichst zu verhindern, waren beim Zusammensetzen der einzelnen Schlittenteile alle Schrauben, Nägel und Nieten ver- mieden. Nur Drahtwickelungcn und Verschnürungen aus Schweinslederriemen hielten Kufen, Stützen und Obergestcll zu- fammen. Wie wertvoll das war, zeigte sich jedesmal bei schwierigem, unebenem Gelände, wie Bächen und Wasserlöchern an der Ober- fläche des Eises, bei den zahllosen Spalten, die überschritten werden mußten, beim Uebergang über Moränen usw., wo die bei der schweren Belastung wuchtigen Stöße wie durch Puffer und Federn abgeschwächt wurden. Israelitische Abstammung herrschender Monarchen." Der .Vossischen Zeitung" hat ein gewisser(oder eine gewisse) E. E. L. einen wunderschönen kleinen Artikel versetzt, in dem daran er- innert wird, daß die schwedische Königsfamilie(durch die fran- zösischen Bernadottes ) von Juden abstammt und daß Englands Fürstenfamilie ihren Stammbaum in direkter Linie vom Harfen- spieler und-sänger König David herleitet, weshalb der gegen­wärtige Kronprinz von England auf Wunsch seiner Großmutter mütterlicherseits den Vornamen David erhielt, wie denn auch Eduard VII. unter anderen den Vornamen David führte. Die alte Viktoria soll auf ihren jüdischen Urahnen geradezu st o l z ge-! wesen sein, und man sagt, daß die derzeitige Königin(Marie) den, jetzigen König heiratete, trotz ihrer deutschen Herkunft und' trotzdem ihr feine jüdische MtamPU-na vgn Po.ru.hi;kcin bekannt E. E. L.'sUntersuchungen" sind sehr nett, aber zum Teil unvorsichtig, zum Teil lückenhaft; denn da bekanntlich in das Blut der Herrscherhäuser all' die Jahrhunderte hindurch in unkontrollier­barer Weise hineingemantscht worden ist, so kann man nicht wissen, ob nicht aus der englischen, der schwedischen KönigLfamilie usw. schon längst der letzte jüdische Blutstropfen hinausgeschwemmt ist. Andererseits: wer bürgt dafür, daß in die von E. E. L. nicht aufgeführten Königsfamilien im Laufe der Zeit irgendwann, irgendwo, irgendwie nicht'mal Judenblut hinein geschwemmt ist? Denn da lassen die Dokumente und Familienpapiere den Forscher gänzlich in Stich. Ein Frcidcnker-Waiscnhauö. Von einem Besuch im Brüsseler Orxbolinat Eationalisto(Freidenker-Waisenhaus), einer Schöpfung Adolphe Delucs, eines Flüchtlings des zweiten Kaiserreichs(Ehren- Präsident der Anstalt ist Genosse H e c t o r Denis), gibt Rachel Davignon imPenple" eine anziehende Schilderung. In grüner Umgebung wachsen da 73 Knaben und Mädchen auf, freundlich ge- kleidet, frei von Zwang, in Lebensfreude und Lebcnslüchtigkeit. Ihr Unterricht ist aufgebaut auf Beobachtung und Arbeit. Grund- satz des Lernens ist die stufenweise Entwickelung auf der Basis der Erfahrung. Praktische Arbeit wird in Werlstätten(Tischlerei, Schneiderei, Wäscherei usw.) geübt. Turnunterricht und Gesang spielen eine wichuge Rolle. Religion wird gelehrt als eine wichtige, im Entwickelungsgange der Menschheit notwendige geistige Kund- gebung, die nun aber überwunden ist. 1891 sprach Dcluc das Programm folgendermaßen aus:Unser Waisenhaus wird auf der Grundlage der Vernunft ruhen. Die Moral wird dort be- gründet werden auf der unausweichlichen Macht der Naturgesetze und der ausgedehntesten Nächstenliebe. Was wir zu bilden uns vor- setzen, sind Brüder, Menschen, Bürger". Die Milch im Kinematographcn. Die Art, wie in Amerika der Kinematograph für wissenschaftliche Zwecke und für die Volks- aufklärung verwandt wird, ist höchst bezeichnend, wie ein Beispiel lehrt, das im Journal der Amerikanischen Medizinischen Vcreini- gung erwähnt wird. Es handelt sich um eine kinematographische Vorführung zur Veranschaulichung der Gefahren unreiner Milch. Die Pioniere der Kamera haben zu diesem Zweck Meiereien auf- gesucht, die ihnen wahrscheinlich ihre Pforten nicht geöffnet haben würden, wenn sie die Enthüllungen hätten voraussehen können, die von den Photographen beabsichtigt wurden. Die erste Szene des Schaustücks führt den Sohn eines altmodischen, auf die Bakterien mit Verachtung herabsehenden Farmers ein, der gerade mit seiner Frau und seinem kleinen Kinde in die alte Heimat zurückkehrt. Die schmutzigen Äuhställe und die offenen, für Staub und Fliegen zu- gänglichcn Milchhehälter werden getreulich zuv Darstellung ge- bracht. Der Sohn, der etwas von der Hygiene gelernt hat, erhebt leidenschaftlich Einspruch gegen diesen Zustand, stößt aber auf den unüberwindlichen Widerstand des alten Farmers, worauf das junge Paar alsbald seine Koffer wiedeo packt und den alten Großvater wfcinejid an deig lic.wn KiMxwaW, seinxs Eirkejs zurückläßt. Dis standes ihrer Begeisterung Spott, sondern allenfalls deswegen, weil sie nicht entschlossen daran mitarbeiten, die wirtschaftlichen und politischen Hemmnisse zu beseitigen, die der Verwirklichung des geseierten Ideals für 39 Proz. der Menschen im Wege stehen. Die Sozialdemokratie ist weit davon entfernt, das Ideal der Persönlichkeitskultur zu verwerfen. In ihm gipfelt vielmehr ihr eigenstes höchstes Streben. Nach ihrem Programm will sie Zu- stände schaffen, diedie allseitige harmonische Ver- vollkommnung" aller Menschen ohne Unterschied des Ge- schlechts und der Rasse ermöglichen. Ich dächte, das wäre die Proklamierung der höchstenPersönlichkeitskultur" für.alle. Stimmt das, so darf die Sozialdemokratie sich aber auch keiner Mittel und Methoden bedienen, die die innere Kultur der Persön- lichkeit in der Wurzel treffen. Das würde sie aber tun, wenn sie Disziplin im absolutistischen Sinne ihren Mitgliedern auf- zwingen wollte. 3. Als logische Konsequenz meiner Anschauungen verkündet der Genosse imVorwärts" folgendes:Die Demokratie, wie sie Genosse David versteht, bedeutet auf der einen Seite den A b- s o l u t i s m u s der Parlamentarier, der auf der anderen Seite notwendigerweise nur eins bewirken würde, die Anarchie innerhalb der Partei. Es ist das alte Ideal der französischen unabhängigen Sozialisten", die auch nur die Verantwortung vor ihrem Gewissen und vor ihrem Wahlkreis anerkennen wollen, zu dem Genosse David flüchten muß, um den badischen Disziplinbruch zu rechtfertigen." Die Glcichsetzung meiner Auffassung mit derjenigen der un- abhängigen Sozialisten in Frankreich ist eine grobe Entstellung. Ich bezeichne in meinem zweiten Artikel ausdrücklichd i e organisierte Parteigenossenschaft des be- treffenden Landes" als die beaufsichtigende In- stanz für die Landtagsfraktion. Ist das für die Abgeordneten dasselbe wienur die Verantwortung vor ihrem Gewissen und vor ihrem Wahlkreis?" Heißt das demAbsolutismus der Parlamentarier" und derAnarchie in der Partei" das Wort reden? Oder ist es die Meinung desVorwärts", die organisierten Parteigenossen der Einzelstaaten seien nicht befähigt, die Haltung ihrer Vertreter in den Landesparlamenten zu beaufsichtigen und zu beurteilen? Es scheint fast so. Dementgegen beharre ich allerdings auf der ketzerischen Meinung, daß der betreffende Landesparteitag die einzige vom demokratischen Standpunkt aus anzuerkennende kontrollierende und richtende Instanz ist. Denn sie allein setzt sich aus Genossen zusammen, die das Wirken der Landtagsabgeordneten laufend verfolgen, die alle für die landes- politische Situation in Betracht kommenden Verhaltnisse, Kräfte und Personen genauer kennen. Es ist ein durchaus u n demokratisches Gerichtsverfahren, eine Sache Richtern zur Aburteilung zu überweisen, die in ihrer über- wiegenden Mehrheit nur aus der Ferne durch eine überaus kümmerliche Information über die Angelegenheit orientiert sind. Und noch u n demokratischer ist es, wenn solche Richter auf Grund ihrer durchaus mangelhaften und einseitigen Information ihr Urteil schonvorher öffentlich abgeben, um dann als Beauftragte von lokalen Vorgerichten und durch deren Beschlüsse im voraus festgelegt zum Reichsparteitag zu erscheinen. Das ist meiner Meinung nach, ich wiederhole das: ein Hohn auf alle Demokratie! Warum die Budgetabstimmung in den Landtagen meiner Ueberzeugung nach nicht eine prinzipielle, sondern eine taktische Frage ist und in die Kompetenz der Landesparteitage fällt, will ich hier nicht nochmals entwickeln. Daß damit die Gesamt- Vertretung der Partei nichtabzutreten" hätte, wie mein Gegner phantasiert, braucht wohl nicht ernsthaft bewiesen zu werden. Es bleibt wahrhaftig noch genug Gemeinsames, was Nord und Süd, Ost und West aneinandcrbindet und was naturgemäß der Gesamtvcrtretung zukommt. Die Angst, die Partei könnte aus- einanderfahren, wenn man den Landesinstanzen die einzelstaat- liche Budgetfrage überläßt, ist einfach kindisch. Die Ueberweisung der Budgetfrage an die Landesinstanzen würde die Einheit der Partei nicht erschüttern; sie würde sie festigen. Denn sie würde endlich den periodischen inneren Er- schütterungen und Verbitterungen ein Ende machen, die der Partei aus dieser leidigen Sache seit anderthalb Jahrzehnten erwachsen sind. sind. Aus der Ueberzeugung heraus, daß dies der einzige Weg zu einer sachgemäßen und versöhnlichen Regelung der Streitfrage ist, ist der Beschluß der hessischen Landeskon- f e r e n z gefaßt worden. Diesen zu rechtfertigen und damit der zweite Szene spielt in einer Stadt. Das früher so glückliche Heim des Ehepaars ist durch eine Krankheit des kleinen Kindes verdüstert. Der Hausarzt schüttelt den Kopf und zeigt auf die Milchflasche. die er als Ursache der Krankheit anklagt. Der Sohn schreibt in seiner Angst an seinen Vater, der eilends angereist kommt und zu seiner Bestürzung findet, daß die schlechte Milch von seiner eigenen Farm stammt! Das Ganze führt selbstverständlich zu einem glück- lichen Ende: der Enkel wird gesund, und der Großvater läßt, wie im letzten Bilde gezeigt wird, seine Kuhftälle und sämtliche dazu gehörigen Vorrichtungen nach den Geboten der Hygiene einrichten. Die Amerikaner können zum mindesten geltend machen, daß solche Vorführungen mehr Nutzen stiften als das meiste, was in unseren Großstädten in dergleichen Theatern zu sehen ist. Notizen. Die zwanzig größten Städte. Nach den neuesten Statistiken der versckiiedcnen Länder ergibt sich für die zwanzig größten Städte der Welt folgende Reihe. An erster Stelle steht London mit 7 453 333 Einwohnern, darauf folgt New Jork mit über 4 533 333. Hieran schließen sich Paris mit 2 745 333, Chicago mit 2163 333 Bewohnern. Berlin kommt mit 2 133 333 Menschen erst an fünfter Stelle(würde aber mit seinen Vororten die dritte einnehmen). Daran reihen sich Wien mit 2 321 333, St. Petersburg mit 1 553 333, Philadelphia mit 1 533 333, Moskau mit 1 412 333, Buenos Aires mit 1 147 333 Einwohnern. Von den Großstädten, deren Bevölkerung die Million nicht erreicht, steht Kalkutta mit 333 333 voran. Darauf folgen Bombay mit 378 333, Birmingham mit 875 333, Hamburg mit 866 333, Glasgow mit 863 333, Budapest mit 312 333, Liverpool mit 763 333, Kairo mit 633 333, Manchester mit 649 334 und Rio de Janeiro mit 636 333 Bewohnern. Eine Papier -Kolonie. Das größte ZeitungS-Nnter» nehmen Europas , dieAmalgamated Preß", die etwa vierzig Zeitungen und Magazine in England herausgibt, darunterDaily Mail" undDaily Mirror", hat vor nicht langer Zeit mit einem Stammkapital von 24 Millionen Mark eine riesenhafte Papierfabrik- aulage aus der waldreichen Insel Terranova im Norden Amerikas begründet, um ihr eigener Papierlieferant zu sein. Sie hat 833 333 Hektar Wald erworben und hydraulische Papiermühlen mit 33333 Pferdekrästen aufgestellt, die demnächst auf 83 333 erhöht werden sollen. Zweitausend Tonnen Papier , genügend um vierzig Millionen Exemplare einer zwölfseitigen Zeitung darauf zu drucken, sind jüngst als erste Ladung nach London abgegangen. Amerika - nischem Brauch gemäß ist bei der gewaltigen Fabrikanlage im Nu eine kleine Stadt entstanden, die bereits 3333 Kolonisten zählt. Das Fällen der Bäume besorgen die auf der Insel ansässigen Kabeljaufischer den Winter über, während die Fischerei des Eises wegen ruht.