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Der Kongreß sßr?cht sich für die Ztoeckmäßigkeit einer internationalen Reiseleyitimation aus und beauftragt den inter - nationalen Sekretär, einen Entwurf herzustellen-und den Vor- ständen der angeschlossenen Verbände zur Prüfung zu übersenden. Die Beschlußfassung über die event. obligatorische Einführung der internationalen Legitimation soll dem nächsten Kongreß vor- behalten sein. Der Kongreß fordert den englischen Möbel- arbeiterverband und alle anderen Verbände auf, ihre statutari- schen Bestimmungen mit den Vorschriften des Statuts der inter - nationalen Union in Uebereinstimmung zu bringen, damit der .freie Uebertritt und die Unterstützung der Mitglieder im Aus- land unter voller Wahrung der Gegenseitigkeit gesichert wird. In Anerkennung des hohen Wertes der Reise- und Arbeits- losenunterstützung sowie der sonstigen Unterstützungseinrichtungen für die Erfüllung der allgemeinen Aufgaben der Gewerkschaften empfiehlt der Kongreh allen Verbänden die Einführung dieser Unterstützung und deren möglichst einheitlichen Ausbau." Angenommen wird ein von den Oesterreichern eingebrachter Antrag, wonach die in einen anderen Verband übergetretenen Mit- glieder ihre Mitgliedsbücher abzugeben haben. Diese Bücher werden dem Zentralvorstand des Verbandes zugestellt, der sie aus- gefertigt hat. Zugleich wird den Vorständen empfohlen, in die Mitgliedsbücher einen Vermerk aufzunehmen, wonach sie Eigentum des Verbandes bleiben, der sie ausgestellt hat. Ein Antrag des norwegischen Holzarbeiterverbandes will da? Statut der internationalen Union dahin ändern, daß die Rechte der aus ausländischen Organisationen übergetretenen Mitglieder an event. Versicherungskassen von der gegenseitigen Verpflichtung ausgenommen werden. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dah die norwegische Organisation ein sehr hohes Sterbegeld, bis zu 500 Kr., zahlt, das den Hinterbliebenen der übergetretenen Mitglieder, die noch keine entsprechenden Beiträge an die Organi- sation geleistet haben, nicht gewährt werden könne. Die Aenderunz des Statuts wird aber al'gelehnt. Doch werden die eigenartigen Verhältnisse in Norwegen anerkannt und der Organisation wird empfohlen, den Zweck ihres Antrages durch den Abschluß besonderer Verträge mit den übrigen Angehörigen der internationalen Union zu erreichen, ein Weg, der ohne Aenderung des Statuts gang- bar ist. Zum internationalen Sekretär wird Leipart einstimmig wiedergewählt und seine Wahl mit lebhaftem Beifall be- grüßt. Es liegen dann noch Anträge der französischen und der belgischen Organisation bor , die die Aufnahme statistischer Er- Hebungen über die Lohn» und Arbeitsverhältnisse in allen der Union angeschlossenen Ländern verlangen. Aus der Begründung, die diesen Anträgen gegeben wird, ist zu ersehen, daß die Antrag- steller keinen rechten Begriff von den Schwierigkeiten haben, die sich der Aufnahme einer brauchbaren Statistik entgegenstellen. Sie versprechen sich aber von einer solchen Statistik großen agiiaton- schen Erfolg. Von deutscher Seite, besonders von R a i t h(Müncheni wird sehr deutlich darauf hingewiesen, daß die Voraussetzung aller solcher Pläne eine tüchtige Organisation ist, und daß man in Belgien und Frankreich gut daran täte, zu allererst dem Ausbau der Organisation die nötige Aufmerksamkeit zu widmen. Einen, Antrag, über die beiden Resolutionen zur Tagesordirung überzugehen, wird von Leipart widersprockien. Er empfiehlt im Gegenteil im Sinne der Franzosen und Belgier zu beschließen. Tie Kollegen in diesen Ländern sind dann verpflichtet, an die Auf- nähme einer solchen Statistik zu gehen, und das dürfte von einigem Einfluß aus ihre gewerkschaftliche Erziehung sein. Diesem Vor- schlag stimmt der Kongreß zu. Damit ist die Tagesordnung dcS Kongresses erledigt. Der nächste Kongreß wird voraussichtlich im Anschluß an den Inter - nationalen Sozialistenkongreß in Wien stattfinden. Auf Antrag eines norwegischen Delegierten wird noch be- schloffen, mit diesem Kongreß eine Ausstellung der VerbandSdruck- fachen der angeschlossenen Organisationen zu verbinden. Mit einem Hoch auf die internationale Union der Holzarbeiter wird dann der Kongreß geschlossen. Am plttriachilHschtn ArbkitsverlMms auf dem Laude. schwärmte vor einiger Zeit auch das freisinnigeBerliner Tage- liliiU". Es schrieb: ES ist nicht zu leugnen, daß dielfach auf dem Lande ein gutes Verhältnis zwischen landwirtschaftlichen Arbeitgebern und ihren Arbeitern besteht. Insbesondere ist die Lage der bodenständigen Arbeiter, der Jnstlente, durchaus nicht immer so beklagenswert, wie sie von sozialdemokratischer Seite hingestellt wird. Das alte patriarchalische Verhältnis ist noch vielerorts vorhanden, und die Arbeiter sind mitsamt ihren Familien zufrieden und glücklich Die Leute sind besser daran als ein großer Teil der gelvcrblichen und industriellen Arbeiterschaft. Arbeitslosigkeit kennen sie nicht. Mangel ist ihnen freiud. Zu Zeiten der Krankheit und Arbeits- Unfähigkeit sorgt der Arbeitgeber für sie." Wie dieses gute Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeiter auf dem Lande in Wirklichkeit aussieht, haben wir häufig be- leuchtet. ES wird auch durch nachfolgendes illustriert: 42 Roheitsakte ostprenßischer Gutsbesitzer innerhalb vier Monate» gegenüber Landarbeitern sind dem Parteisekretariat für Ostpreußen durch ratsuchende Landarbeiter und durch Gerichts- berichte der Partei- und bürgerlichen Provinzpresse bekannt ge. worden. Sie bestanden in mehr oder minder schweren Körperver- letzungen und Mißhandlungen, gemeinen Beschimpfungen, wider besseres Wissen erstatteten Strafanzeigen und sonstigen von rohen und gefühllosen Gutsbesitzern und Inspektoren verübten Gewalt- tätigkeiten gegenüber wehrlosen Arbeitern. Unter den Mißhan- delten befanden sich auch Frauen. Begangen wurden die Straf - taten in den Monaten April, Mai, Juni, Juli, also in der Zeit, >in der von den Landwirten am meisten über Leutenot geklagt wird. In acht von diesen Fällen erfolgte wegen Körperverletzung und Mißhandlung gerichtliche Verurteilung der Rohlinge zu Geld- strafen von 20 bis 100 M. In zwei Fällen wurde durch die Be- rufungsinstanz die Strafe von 00 auf 50 resp. von 50 auf 20 M. ermäßigt. Nur in einem Falle erfolgte Verurteilung z» einer Woche Gefängnis. Jn ö Fällen lehnte die Staatsanwaltschaft ein Vorgehen im öffentlichen Interesse ab und verwies die Straf- antragsteller auf den Weg der Privatklage. In 6 Fällen wurde die Klage gegen die Mißhandelnden zurückgestellt, weil von diesen Strafantrag gegen die Gemihhandelten auf Grund der Ausnahme- gesetze gegen die Landarbeiter gestellt war. In 11 Fällen schweben die Prozesse noch, während in allen übrigen Fällen aus den ver» schiedensten Gründen überhaupt keine Strafanträge gestellt resp. Klagen angestrengt wurden. Sehr selten wagen es die angegriffenen Arbeiter, sich zur Wehr gu setzen. Tun sie es aber und es sind bei dem Vorfall keine zu- verlässigen Zeugen zugegen gewesen, dann wird in der Regel der Epiesi umgedreht. Der Gutsbesitzer oder Inspektor stellt schnell durch den Amtsvorsteher Strafantrag wegen Widersetzlichkeit, Ver- Weigerung der Arbeit und de» Gehorsams und der verprügelte Landarbeiter ist vor Gericht der Angeklagte, während der als Zeuge auftretende Besitzer sich angeblich in Notwehr gegen den ihn an» greifenden Arbeiter befunden hat. Im Urteil heißt es dann oft: Durch das durchaus«inwandSfreie Zeugnis des Gutsbesitzers ist festgestellt usw. und der geprügelte und auf die Straße geworfene Arbeiter erhält eine Geldstrafe oder gar noch eine Gefäirgnisstrafs dazu. Von den seltenen Fällen, in denen angegriffene Arbeiter sich gegen ihre gutsherrlichen Peiniger verteidigten und die letzteren dabei den kürzeren zogen, sind zwei erwähnenswert. Auf dem Gute P. im Kreise Labiau schikanierke ein Besitzer seinen alten Arbeiter beim Pflanzensetzen so lange, bis dieser sich mit einigen Redensarten verteidigte. Darauf drang der Besitzer mit seinem Eichenstock auf den alten Mann ein. Das ver- anlaßte den in der Nähe ein Gespann führenden Sohn des alten ManneS, zum Schutz feines Vaters dem Besitzer mit dessen eigenem Stock eine gehörige Tracht Prügel zu verabfolgen. Vater und Sohn mußten natürlich sofort den Dienst verlassen. Bald darauf erhielten sie eine Anklage. Ter Prozeß schwebt gegenwärtig noch. Der zweite Fall, der vor einigen Wochen sein Nachspiel vor dem Königsberger Gericht hatte, ist noch drastischer. Ein streitsüchtiger Gutsbesitzer Büchter aus Amalienhof, Kreis Königsberg, beleidigte seinen Kutscher unter anderem dadurch, daß er ihm ohne jede Veranlassung zurief:Ihr seid besoffen". Der Kutscher erwiderte darauf prompt:Ihr seid besoffem" Darauf fielen sowohl der Besitzer und auch dessen Sohn über den Arbeiter her und mißhandelten ihn. Erst wehrte der Kutscher sich die beiden so gut es ging ab. Als sie aber nun auch noch den großen Hof- Hund auf ihn hetzten, packte ihn die Wut. Er entriß den beiden Herren die Stöcke und versetzte ihnen nun derartige Hiebe, daß sie keinen weiteren Angriff mehr wagten. Aber alle drei waren so zugerichtet, daß sie ärztliche Hilfe nachsuchen mußten. Alle dre? mußten sich aber auch vor Gericht verantworten. Der Besitzer wurde zu 60, sein Sohn zu 20 M. Geldstrafe, ersterer noch zur Zahlung von 30 M. Schmerzensgeld verurteilt. Bei dem Kutscher wurde Notwehr angenommen und er deshalb freigesprochen. Unzählich sind die Prozesse, die Landarbeiter wegen Vorent- Haltung ihres verdienten Lohnes und Deputats gegen ihre Arbeit- geber vor Gericht führen müssen. Und in vielen hundert Fällen verzichten die betrogenen Landarbeiter der damit verbundenen großen Schwierigkeiten wegen gegen ihre Ausbeuter gerichtliche Klage anzustrengen. Sie erleiden dadurch ungeheure Wirtschaft- lich« Verluste, die oft zu ihrem Ruin führen. Sind demBerliner Tageblatt", auf dessen oben wieder- gegebener Notiz sich die o-stpreußi schen konservativen Zeitungen be» rufen, um unsere Klageir wegen schlechter Behandlung der Land- arbeiter zu widerlegen, diese Zustände wirklich nicht bekannt? Sind seine Redakteure so Welt» oder landfremd? Gembtg- Deining» Kuppelei. Trübe Sittenbilder werden in einer Verhandlung aufgerollt, die gestern vor der 10. Ferienstrafkaminer des Landgerichts I unter Vorsitz des LandgerichtSvirektorS Dr. Röchling begann. Es handelte sich um die aufsehenerregende Kuppeleiafsäre, in welcher die angeb- liche AmtSgerichtSrätin und Rechtskonsulentin Helene Schönciiiann die Hauptrolle spielt. Gegen die schon wegen Betruges vorbestrafte Schönemann lautet die Anklage auf schwere Kuppelei, während sich die Mitangeklagten, die Frau Anna Meyer, geb. Lehmann aus Rixdorf und die ledige Berta Zellmcr wegen Beihilfe zu diesem Verbrechen und außerdem wegen einfacher Kuppelei zu verant- Worten haben. Die Verteidigung der Angeklagten führt Rechts- anwalt Dr. Joffe. Der Anklage liegt im einzelnen folgendes zu- gründe: Die Angeklagte Schönemann hatte erst in der Elsasser Straße 40, dann in der Fricdrichstraße 131 und zuletzt in der Oranienburger Straße 32 eine mit einer gewissen Eleganz möblierte Wohnung inne, in der es, nach Beobachtungen der Kriminalpolizei wie in einem Taubenschlag zugegangen sein soll. In der Oranienburger Straße teilte die Sch. die Wohnung mit der schon wiederholt wegen Sittenpolizeiübertretungen vorbestraften Mitangeklagten Meher, die jede Nacht ihre Spaziergänge in der Friedrichstraße unternahm. Wie die Anklage behauptet, sollen sich in der Wohnung der Sch. häufig dje tollsten Orgien abgespielt haben, an welchen auch die beiden 14 bezw. Ikjährigen Töchter Melanie und Hildegard teilgenommen haben sollen. Den in der Friedrichstraße und Unter den Linde» postierten Beamten der Sittenpolizei fiel wiederholt die Angeklagte Schönemann auf, daß sie in Begleitung der beiden Mädchen dort nächtliche Spaziergänge unternahm. Beide Mädchen waren stets sehr auffällig gekleidet, sie trugen Pelzjacketts und Pelzmützen und trotz der strengsten Winterkälte nur halbe Wadenstrümpfe. Von den Beamten wurde beobachtet, daß die Angeklagte sich in auffälliger Weise an Herren herandrängte, einige Worte sprach und dann gewöhnlich verschwand. Die Herren bestiegen dann mit den Mädchen eine Droschke, mit der sie eine längere Spazierfahrt durch den Tiergarten unter- nahmen. Wiederholt endeten diese Fahrten auch in der Wohnung der Sch. Wie aus beschlagnahmten Briefen hervorgeht, hat die Angeklagte das unsittliche Treiben ihrer Kinder nicht nur gekannt, sondern diesem sogar Vorschub geleistet. In einem Briefe, den ein gölvisser Brenz an die Sch. gerichtet hatte, spricht dieser die Hoff- nung aus, sie bald wieder in ihremParadies" besuchen zu können. In einem anderen Briefe fragt ein gewisser Theodor M. an, welche Farbe sich ihre Tochter zu einer seidenen Bluse wünsche. Ferner Ivurde eine von der Angeklagten selbst angefertigte unzüchtige Photographie ihrer Kinder beschlagnahmt, die vermutlich von ihr als Lockmittel benutzt wurde. Als die Angeklagte eines NachtS wieder mit ihren Töchtern die Fricdrichstraße entlangging, wurde sie von dem Kriminalschutzmann Berndt verhaftet. Die 14jährige Mela" wurde von der Behörde in dem Zellehaus in Moabit unter- gebracht, wo sie sich noch jetzt befindet. Die Angeklagte bestreitet jode Schuld, ebenso ihre beiden Mitangeklagten, die ebenfalls mit den Mädchen nächtliche Spaziergänge unternommen haben sollen. Bald nach Eintritt in die Verhandlung wurde die Ocffcntlichkeit ausgeschlossen. Auf Grund der umfangreichen Beweisaufnahme beantragte der Staatsanwalt gegen die Angeklagte Schönemann 3 Jahre Zucht. haus , gegen die Angeklagte Meyer 1 Jahr 0 Monate Gefängnis und gegen die Angeklagte Zellmer 4 Monate Gefängnis. Das Urteil lautete gegen die Schönemann aus 2 Jahre Zuchthaus und L Jahre Ehrverlust und gegen die Angeklagte Meyer auf 1 Jahr K Monate Gefängnis. Die Zellmer wurde freigesprochen. Abtreibung. Unter Ausschluß der Oesfentlichkeit verhandelte gestern die 4. Ferienstrafkammer eine Anklage wegen Abtreibung. Der Kauf- mann Erdmann Jeßnitzer und die Putzmacherin Ella Fiuzelberg wurden beschuldigt, am 23. Juli an der Löjährigcn Engländerin May Byaß Handlungen vorgenommen zu haben, die unter§ 213 des Strafgesetzbuches fallen und den Tod der Byaß zur Folge ge- habt haben. Der Angeklagte, der jetzt noch Reserveoffizier ist, war früher Leutnant in einem Artillerieregiment. Nach seiner Ver- abschiedung hielt er sich längere Zeit in England auf und lernte dort die bildschöne Tochter deS Hotelbesitzers Byaß kennen. ES entspann sich zwischen beiden«in sehr intimeS Verhältnis, welches nach der Absicht des Angeklagten auch zur Ehe führen sollte. Alz das Mädchen sich Mutter fühlte, geriet sie in helle Verzweiflung, aus der sie auch der Angeklagte durch alle Trostesworte und das wiederholte Versprechen, sie heiraten und das etwa zu erwartende Kind legitimieren zu wollen, nicht herauszureißen vermochte. Einer sofortigen Heirat standen gewisse Schwierigkeiten entgegen, die darin bestanden, daß sich I. um eine Diceklorstclle in einem großen industriellen Werke beworben hatte, die zunächst nur auf einen unverheirateten Mann zugeschnitten war. Da daS Mädchen nicht gn beruhigen tvar und wiederholt mit Selbstmord durch Strychnin drohte, bewog er sie endlich, nach Berlin zu gehen und dort die Angeklagte F., die er aus früherer Zeit kannte, aufzusuchen und diese um einen Rat zu ersuchen. Frl. Byaß reiste auch hierher, die Sache scheitert« aber daran, daß die Fingelberg kein Wort englisch und Frl. Byaß kein Wort deutsch sprechen konnte. So blieb dem Angeklagten nichts übrig, als selbst nach Berlin zu kom- wen Md die Bermittelung zu übernehmen. Mit dein Ngt, den ihr die F. gab, war Frl. Bhaß. die hier mit dem Nngeklagten gu- saminen in einem Pensionat in der Dessauer Straße wohnte, durch- aus einverstanden. Sie hat aber die Bereitwilligkeit, mit der sie sich der Hilfeleistung durch die Angeklagten überließ, mit dem Tode büßen müssen. Unmittelbar nach Verlesung des Erösfnungs« beschlusses beantragte Staatsanwalt Heinsmann den Ausschluß der Oesfentlichkeit, den das Gericht auch eintreten ließ. Der Staatsanwalt beantragte gegen beide Angeklagte je 1 Jahr Gefängnis. Der Gerichtshof sprach die Angeklagten nur der Bei- Hilfe zur versuchte» Abtreibung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung schuldig. Bei der Strafabmessuug erwog das Gericht, daß den Angeklagten wesentliche Milderungsgründe zur Seite standen, daß sie in einer gewissen Zwangslage gehandelt haben und der An- geklagte Jeßnitzer durch jedwede Strafe schon an sich sozial per« nichtet ist. Das Urteil lautete unter diesen Erwägungen gegen Jeßnitzer auf sechs Monate, gegen die Finzelbcrg auf drei Monate Gefängnis. _ Das Ncvolverattentat zweier Fischräuber beschäftigte gestern unter Vorsitz deS Landgertchtsdircktors de la Fontaine die 1. Ferienstrafkammer des Landgerichts II. Wegen schweren Diebstahls, Bedrohung und Widerstandes gegen die Staatsgewalt waren der Arbeiter Hermann Wedlcr und der Dreher Hermann Biclow angeklagt. In der Nacht zum 27. Mai d. I. ruderten die beiden Angeklagten mit einem Kahn an die in dem Wernsdorser See liegenden Fischkästen der Fischermeistcr Lucas und Acrger heran, erbrachen diese und entwendeten daraus etwa 30 Pfund Fische- Bielow führte bei dem Diebstahl einen geladenen Revolver bei sich, um gegen alle Eventualitäten gesichert zu sein. Als sich die beiden Fischräuber auf dem Heimwege be-> fanden, wurden sie von dem Nachtwächter Fmnz Fischer angehalten, da ihm die beiden verdächtig vorkamen. Auf seinen Anruf er» griffen die beiden Angeklagten die Flucht. Als sie von dem Nacht- Wächter verfolgt wurden, zog Bielow den Revolver hervor und gab auf den Beamten drei Schüsse ab. Die Staatsanwaltschaft leitete gegen die beiden Angeklagten ein Ermittelungsverfahren wegen versuchten Totschlags ei�, ES wurde das Verfahren wegen Tot » schlags wieder eingestellt, da sich die Behauptung des Bielow nicht widerlegen ließ, daß der Revolver nur mit Platzpatronen geladen war. Der Staatsanwalt beantragte gegen Wedler einen Monat und gegen Biclow vier Monate Gefängnis. Das Gericht erkannte gegen Wedler auf 2 Wochen und gegen Biclow auf 4 Monate Ge-i fäiignis. Die Strafe des Wedler wurde durch die erlitten« Unter- suchungshaft als verbüßt erachtet, dem Angeklagten Bielow wurden drei Monate der Untersuchungshaft angerechnet, außerdem wurden beide aus der Haft entlassen. Hus aller Melt. Rocbwaffer m SckleNen. Die anhaltenden Regengüsse der letzten Tage haben, wie bereits gemeldet, in S ch l e s i e n zu einem Hochwasser geführt, das die Tälinederungen überschwemmt und große Verheerungen anrichtete. Während die Oder oberhalb RatiborS in langsamem Fallen begriffen ist, ist sie in Ratibor selbst seit gestern nach- mittag um fünfzig Zentimeter gestiegen. Der Höchststand des Hochwasserjahres 1907 ist damit um zehn Zentimeter überschritten. Im Unterlauf deS Flusses ist überall steigendes Wasser. Auch die Nebenflüsse steigen noch. Bei Oppeln und Ratibor stehen die Gebiete der Oderniederung unter Wasser. Einzelne Nebenflüsse der Oder haben die Dämme durchbrochen und überfluten die Wiesen und Aecker. In der Stadt Schweidnitz hat das Hochwasser mehrere Laufstege weggerissen und an den Ufer- besestigungen großen Schaden angerichtet. Bei LandeShut sind Wiesen und Felder und in Straub» itz die Dorfstraßen überschwemmt. Mehrere Brücken sind dem Einsturz nahe. Auf der eingleisigen Strecke Dittersbach-Glatz haben die anhaltenden Regengüsse der letzten Tage in der Nähe deS Bahnhofes Ludwigsdorf einen D a m m» rutsch verursacht. Der Damm hat sich in einer Länge von etwa 40 Meter mehr als drei Meter gesenkt. Der Güterzugverkehr ist eingestellt, der Personenverkehr wird durch Um» steigen aufrechterhalten. Sehr trostlos lauten die Nachrichten über das Hochwasser in Mähren . I» der Gemeinde K un o w i tz sind zehn Per» sonen beim Ein st urz von Häusern umS Lebenge» kommen. Etwa 100 Häuser sind eingestürzt, weitere 100 drohen einzufallen. In dem mährischen Bezirk U n g a r i s ch O st r a sind 50 Häuser eingestürzt und eine große Anzahl gilt als unrettbar verloren. In der Gemeinde O d e r f u r t sind 50 Häuser durch das Hochwasser überschwemmt. ES wird Steigen des Hoch» Wassers erwartet, da der Regen fortdauert. Pionier« abteilungen sind in das vom Unglück heimgesuchte Gebiet abgesandt. 80 Kinder auf einem Karussell verunglückt. Wie uns ein Telegramm meldet, hat sich auf einem VergniigungSPlatze in dem pfälzischen Orte Albersweiler ein schweres Unglück ereignet. Während der Fahrt ist dort ein Karussell, auf dem sich 80 Kinder v ergnügten, ein» gestürzt. Sämtliche Kinder wurden mehr oder weniger schwer verletzt._ Drei Cholerafälle in Wien . DaS Sanitätsdepartemcnt des österreichischen Ministeriums de> Innern gibt amtlich bekannt, daß durch gestern abgeschlossene bakteriologische Untersuchungen festgestellt worden ist, daß in Wien drei Erkrankungen an asiatischer Cholera zu ver» zeichnen sind. Es handelt sich um die Mitglieder einer Familie, die ein einzeln gelegenes Haus im 12. Wiener Bezirk bewohnten. Einer der Erkrankten, der Blumengärtner Gasselhuber, ist ge» storben, seine Frau und seine zehnjährige Tochter befinden sich vollkommen isoliert im Kaiser-Franz-Josephs-Spital in Wien . Die Sanitätskommission hat umfangreiche Maßnahmen getroffen, um ein Weitergreifen der Seuche zu verhindern. » Während der letzten 24 Stunden sind in Apulien elf Er» krankungen und sechs Todesfälle an Cholera amtlich festgestellt worden. In S o m i n i t in Bulgarien er« eignete sich an Bord eines dort eingetroffenen ungarischen Dampfers ein Todesfall unter choleraverdächtigen Er» scheinungen. Die Sanitätsbehörden haben die Ausschiffung der Passagiere wie die Ausladung der Waren verboten. Auch ein Unzufriedener. Bei allen möglichen Gelegenheiten strömt auf Militär, Beamten und Bürgertun, ein so reicher Ordensregen hernieder, daß es manch» mal schwer fällt, in diesen Kreisen einen Menschen zu finden, dessen Knopfloch nicht irgendein Piepvogel höheren oder niederen Grades ziert. Ob eine Prinzessin in Wochen kommt oder anderswo eine Kirche feierlichst eingeweiht wird, keine Gelegenheit ist unwichtig genug, um einige hundert glitzernde Spielzeuge für große Kinder zu verleihen. So wurde vor kurzem in der Stadt K u l», b a ch die hundertjährige Zugehörigkeit zu Bayern festlich be- gangen; unter denen, die in froher Erwartung der Ver- leihimg einer Zierde für das leere Knopfloch entgegensahen, befand sich auch der dortige Stadtschulrat Sörgel. In begreis. sicher Spannung harrte er bei dem Festessen, aus dem die Aus»