Nr. 155.
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Die Entwickelung unserer Reichsfinanzen.
II.
Betrachten wir jetzt die Einnahmen des Reiches. Wir geben die Zahlen von 1874 und für 1893/94 nach Hauptgruppen:
Zölle und Verbrauchs
Steuern Neichsstempel Abgaben Ueberschuß der Post- u. Telegraphen- Verw. Ueberschuß der Reichs. druckerei( 1880/81) Ueberschuß d. Eisenb. Verwalt.( 1880/81). Bankwesen Verschiedene Verwalt. Einnahmen
Aus dem Reichs- n- validenfonds Zinsen aus belegten Reichsgeldern. Aus der Veräußerung v. Parzellen des ehemal. Stettiner Festungs= Terrains Matrikularbeiträge
Zusammen ordentliche Einnahmen
.
Mittwoch, den 5. Juli 1893.
Wie sich seit Gründung des Reiches fast ununterbrochen die Belastung des deutschen Volkes durch die Zölle gesteigert hat, zeigt die folgende Tabelle.
Es betrug:
Das Brutto
Durchschnittlich Erträgniß der Zölle
im Kalenderjahre
in Reichsmart
Auf den Kopf tamen BruttoEinnahme aus den Zöllen in Reichsmark
1874 M.
1893/94 M.
1893/94 mehr als 1874
1871/75
117 850 000
2,87
im Etatsjahre
1876/77
146 140 000
2,74
246 648 800
1877/78
620 919 800
374 271 000
115 139 000
2,66
1878/79
114 716 000
6 000 700
36 514 000
30 513 300
2,62
1879/80
141 864 000
3,21
1880/81
182 222 000
5 156 500
21 290 100
16 133 600
4,08
1881/82
196 926 000
4,38
914 800
1 892 200
1882/83
209 220 000
4,62
4 774 200
1883/84
208 257 000
4,57
1884/85
231 298 000
5 103 900
20 745 100
5,04
15 641 200
1885/86
235 002 000
1800 400
7117 500
5,08
5 317 100
1886/87
253 797 000
5,44
1887/88
270 364 000
6 245 500
13 375 100
5,73
7 129 600
1888/89
312 499 000
6,49
26 943 600
24 672 100
1
2 271 500
1889/90
379 605 000
7,74
1890/91
389 424 000
7,86
406 448 000
6 967 400
148 000
-
- 6 819 400
8,12
67 144 300
370 210 600
508 600
508 600
856 842 300 289 698 000
1085 524 800+715 314 200 Wir ersehen aus dieser Nebeneinanderstellung, daß sich die Reichs- Einnahmen fast verdreifacht haben; beinahe im gleichen Verhältnisse wuchsen die Einnahmen aus den Zöllen und Verbrauchssteuern, diese ungerechtesten, weil die Armen weit stärker als die Reichen treffenden Steuern. Fast zwei Dritttheile der Gesammt- Einnahmen werden durch diese indirekten Steuern aufgebracht.
1891/92 Hieraus ergiebt sich, daß gerade die ungerechtesten Zölle in den Jahren seit Gründung des Reiches gesteigert wurden.
Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.
steuern auf. Auf den Kopf der Bevölkerung tamen 1869/70 23 Pfennig, 1891/92 1 Mart 08 Pfennig Tabakabgaben. Die Einnahmen aus der Branntrvein steuer vertheilten sich bis 1887 auf den Kopf der Bevölkerung derart, daß sie höchstens 1 M. 45 Bf. betrugen feit 1887/88 muß aber jeder Deutsche bedeutend mehr bes zahlen und zwar 1887/88 2 M. 52 Pf., 1891/92 2 M. 78 Pf., in den zwei Jahren 1889/90 und 1890/91 überſtieg die Branntweinsteuer- Abgabe sogar 3 M. auf den Kopf der Bevölkerung.
Troß dieser ungeheuerlichen Belastung des deutschen Volkes nahmen die Staatsschulden in besorgnißerregender Weise zu. Die verzinslichen Reichsanleihen, welche 1877 erst 16 300 000 m. betrugen, waren 1880 schon auf 218 057 600, 1888 auf 721 000 000, 1890 auf 1117 981 800 m. gestiegen und betrugen 1892 1 685 567 400 m.
Eine derartige Lage, das Zusammenfallen der starken Mehrbelastung des Volkes mit Steuern und der sprunghaften Steigerung der Reichsschulden sollte zur allergrößten Sparsamkeit, vor allem bei den unproduktiven Ausgaben veranlassen. Das gerade Gegentheil wird aber von der Leitung des Reiches beliebt.
Durch die Militärvorlage wird das Volk die stärkste Anspannung der Steuerschraube zu spüren bekommen, und dabei werden die Einnahmen doch nicht ausreichen, man wird zu den alten Schulden viele neue aufnehmen.
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Das Merkzeichen der Reichs Finanzpolitik ist ihre Schwäche den Forderungen des Militarismus gegenüber, das Fehlen jedes Jnteresses für die Kulturaufgaben des Reiches, die Belastung der Wermsten mit den schwersten Steuern und die sorglose Schuldenwirthschaft.
Betrachten wir nun, bei welchen Erzeugnissen diese Steigerung sich am schärfsten äußerte. Getreide, Hülsen früchte und Malz müssen hier in erster Linie in Betracht gezogen werden, weil sie die unentbehrlichsten Bedürfnisse Wird diese Politit noch lange fortgefeßt, so muß sie befriedigen, und weil gerade aus den Zöllen, die auf diese zum finanziellen und moralischen Zusammenbruch des Reiches Erzeugnisse gelegt wurden, die größten Summen für die führen. Reichskaffe herausgeschlagen wurden. 1883 wurden aus den Zöllen auf Getreide, Hülsenfrüchte und Malz 18 825 000 m., 1892 103 668 000. herausgeschlagen. 1883 zahlte jeder Deutsche 41,4 Pf., 1892 2 M. 5,2 Pf. an Zöllen dieser Art. Der Petroleumzoll belastete 1883 jeden Deutschen mit
Berlin, den 4. Juli.
Der Reichstag ist heute unter den üblichen Förm lichkeiten eröffnet worden. Die Thron rede lautet: ,, Nachdem Sie zu gemeinsamer Arbeit mit den verbündeten Regierungen berufen worden sind, ist es mir Bedürfniß, Sie beim Eintritt in Ihre Berathungen zu begrüßen und willkommen zu heißen.
Der dem vorigen Reichstag vorgelegte Entwurf eines Gefetes über die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres, durch welchen eine stärkere Ausnutzung unserer Wehrkraft ermöglicht werden sollte, hat zu meinem Bedauern die Zustimmung Boltsvertretung nicht gefunden. Die von meinen ber hohen Verbündeten einmüthig getheilte Ueberzeugung, daß das Reich gegenüber der Entwickelung der militärischen Einrichtungen anderer Mächte auf eine feine Sicherheit und seine Zukunft verbürgende Fortbildung unseres Heerwesens nicht länger verzichten dürfe, mußte zu dem Entschlusse
Wie entwickelten sich die Zölle im deutschen Zoll- knapp 49 Pf., 1892 mit mehr als 1 M. Für Bau- und Politische Meberlicht. gebiete? Nubholz zahlte 1883 jeder Deutsche 6/2, 1892 fast 25 Pf., Im Durchschnitte der Kalenderjahre 1836-1840, 31 der Zoll auf Schmalz stieg auf den Kopf der Bevölkerung einer Beit, als das deutsche Zollgebiet etwas mehr Ein in diesem Zeitraum von 6% auf 1935, der Reiszoll von wohner als die Hälfte der gegenwärtigen Bevölkerung hatte, 7 auf 10, der Fleischzoll von 2% auf 10, der Zoll auf war der Ertrag der Zölle 47 544 000 M., im Etatsjahre Schweine von 5/5 auf 9, der Zoll auf Rinder und Schafe 1891/92 betrug er aber 406 448 000 m., damals famen von 3 auf 5%, der von Delfrüchten von 4/5 auf 4%, der auf den Kopf der Bevölkerung 2,27 M., jet 8,12 m. von Giern von 1% auf 3% und der von Käse von 14/5 Zölle. Wir brauchen aber gar nicht so weit zurückzugehen, auf 2%/ 10 Pf. um die riesige Steigerung der Zolllasten zu veran- Wir ersehen hieraus, daß gerade die Zölle, welche auf schaulichen. Massenverbrauchsartikel gelegt werden, sich ganz unverhält In den Jahren zwischen dem österreichischen und nißmäßig gesteigert haben. französischen Kriege wurden im deutschen Zollgebiete erst In den 2 Jahren von 1889/90 bis 1891/92 stiegen die 76 708 000 M. pro Jahr aus den Zöllen vereinnahmt und Zölle an Nahrungs- und Genußmitteln und Vieh um auf den Kopf der Bevölkerung kamen hiervon erft 2,03 m., 25 256 832 M., während gleichzeitig die Zölle auf alle also genau der vierte Theil der Zolllasten, die jetzt der übrigen Artikel um 1533 597 m. saufen. Deutsche zu entrichten hat. Ganz ähnliche Erscheinungen weisen die Verbrauchsdanke, und daß ich weit davon entfernt, Ihr oder der brechen begangen haben, als wir mit dem Recht auf Arbeit Ihrigen Feind zu sein, vielmehr alle Ursache habe, das auch das Recht auf Brot forderten. Jezt waren die Gegentheil zu wünschen. Ich fümmere mich wenig um Sozialisten nur noch Lumpenkerle, werth mit Hunden gepolitische Streitigkeiten, und ich sehe nicht ein, weshalb hegt zu werden. Lieber wollten diese Bourgeois irgend Arbe iter und Bourgeois fich nicht gelegentlich als Freunde einem Gesellschaftsretter die Stiefel ablecken, als denen, die geois, mein Fräulein, wie ich Ihnen versichern kann, und die sogar ein Herz haben, trotzdem sie Bourgeois find." Das junge Mädchen machte eine ungeduldige Bewegung. Sie wollen mich nicht verstehen, mein Herr. Gewiß Und er hat Recht daran gethan," sagte der Alte. Du ist es möglich, daß es auch unter den Bourgeois gute Zwanzig Jahre später fehrten wir aus dem Eril haft ihm einen famosen Dienst geleistet. Meiner Treu, Herr, Menschen giebt. Ich sage nur, daß sie aus Egoismus, aus zurück. Es waren nicht viele, die ein so zähes Leben hatten. ich kann wohl sagen, daß Sie ohne die Kleine hier eine Klasseninteresse, aus Korpsgeist in uns Sozialisten weder Wir hatten gearbeitet und schlecht und recht unser Leben böse Viertelstunde erlebt hätten. Ich weiß, daß Sie ihres Gleichen, noch ihre Brüder oder gleichberechtigte Mitgefristet. Die Bourgeois waren inzwischen des Kaisers gerade nicht taltblütig vorgingen. Ein famoses Manöver, bürger sehen, sondern nur natürliche Feinde. Es ist nicht überdrüssig geworden. Sie riefen Juns zu:" Vorwärts!" das Sie da mit Ihrem Stuhl ausführten! Ich mache mehr als billig, daß wir Gleiches mit Gleichem vergelten, Das Kaiserreich muß gestürzt werden. Es wird Euer Ihnen mein Kompliment. Ich habe meine Freude dran, nicht wahr, Großvater?" Schaden nicht sein." Und wieder sahen wir Dummköpfe
Feuilleton.
Nacbrua verboten.)
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Die Bekehrung André Savenay's. die Hand drücken sollen. Es giebt auch ehrenhafte Bour
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nichts haben, Brot und Sonnenschein geben."
André war auf eine so heftige Entgegnung nicht ge= faßt gewefen. Er sagte daher in etwas erstauntem Tone: Ich verstehe, was Sie meinen, aber das alles ist doch schon lange her!" Geben Sie acht!" rief Vater Deschamps.
"
"
wenn man so gewandt ist, wie Sie. Aber Sie hätten auch Die Hauptsache ist, daß wir gar keine Ursache haben, die Zukunft in rosigem Licht von uns. Diesmal wird es ebenso gut einige blaue Flecke und Beulen abbekommen sie zu lieben," erwiderte heftig der Alte. In unserer Ernst werden," sagten wir uns. Glauben Sie mir, Herr, können. Und nun erlauben Sie mir, Ihnen einen guten Familie nun erst gar! Jch, der ich jetzt zu Ihnen spreche, am 4. September, an dem Tage, wo die Republik wieder Rath zu geben: gehen Sie mit Ihren Freunden nicht wie- Herr, ich habe Achtundvierzig mitgemacht, war damals ein auflebte, habe ich vor Freude gelacht und geweint wie ein der in solch eine Versammlung. Unsere Männer sind nicht junger Kerl, fünfundzwanzig Jahre alt; ich glaubte damals Kind! Alter Narr, der ich war! Wenn ich damals gesehr geduldig und es könnte Sie am Ende doch einmal noch an die Brüderlichkeit, an die Solidarität und sonstigen wußt hätte, wie sie' s mir eines Tages lohnen würde, die schönen Sachen. Reiche und Arme lagen sich damals in den Republik!.... Ich hatte einen Sohn zu jener Zeit, mein André ließ diese Fluth von bald herzlichen, bald rauh Armen, machten sich gegenseitig Liebeserklärungen. Die Herr, er war der Bater dieses Kindes, das damals noch in der klingenden Worten lächelnd über sich ergehen. Millionäre riefen: Es lebe das Volt! Alles war damals sozia- Wiege lag. Während der Belagerung von Paris hatte er
gereuen.
„ Ich danke Ihnen für Ihr Kompliment und Ihren listisch, alle Kandidaten nannten sich Arbeiter, die Pfaffen segneten seine Pflicht gethan, so gut wie jeder andere. Er war mit guten Rath," erwiderte er. Aber ich habe durchaus die Freiheitsbäume. Ein halbes Jahr nachher hatten sie mich seinem Bataillon auf dem Marsche, dreißig Sons bekam er feine Lust, dergleichen wieder zu begehen. Ich möchte Sie mit einer Menge Kameraden aus den Vorstädten auf das pro Tag. Zum Henker, das war gewiß nicht viel. Die sogar, wie das Fräulein hier zu der Ueberzeugung Schiff, das uns in die Verbannung auf die trockene Frau und das Kind konnten sich nicht einmal alle Tage bringen, daß ich Ihnen eine tiefe Erkenntniß ver- Guillotine bringen sollte, geschleppt. Wir sollten ein Ver- fatt essen. Aber, wenn das Brot damals knapp war in
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