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geschlagen wurde. in der bor   dem Beitritt zu demsozialdemo- fratifchm* Transportarbeiterverband und vor dem Besuch der Scheidemann-Bersammlung mit dem Hinweis auf die Arbeits- ordnung, die ein sofortiges Hinausfliegen aus den, Betriebe beim Besuch einer sozialdemolratischen Versammlung vorsieht, gewarnt wurde. Dieser behördliche Terrorismus wurde vom Genossen Scheidemann unter dem lebhaftesten Beifall der Versammlung ent- sprechend gewürdigt. h Star! besuchte Protestversammlungen fanden weiter statt in Reumiinster, wo der Saal desElysium" überflillt war, in Neu m ii hle n- Dietrichsdorf(600 Teilnehmer), in E l l e r- b e l(460 Teilnehmer), in Plön  (120 Teilnehmer). Ueberall wurden die Ausführungen der Redner mit stürmischem Beifall aufge- nommen; und überall gelangte die Protestresolution zu einstimmiger Annahme. Die sozialdemokratischen Gemeinderatsmitglieder in Gera  (Reutz) haben im Gemeinderat folgenden Antrag ein- gebracht: Der Gemeinderat wolle beschließen, in Hinsicht auf die all- gemeine Fleischteuerung bei der Reichsregierung dahin vorstellig zu werden, daß 1. die Grenzsperre für die Einfuhr von Jungvieh, Schlacht- bieh und Fleisch auf das für den Seuchenschutz unumgänglich nötige Maß herabgesetzt werde? 2. die Vieh- und Futtermittelzölle aufgehoben werden? 8. bei der fürstlichen Staatsregierung dahin vorstellig zu werden, daß sie sich im Sinne der vorstehenden Forderungen im Bundesrat verwende. Der Stadtrat wird gebeten, sich im Interesse der Stadt wie deren Einwohner dem Vorgehen des GemeinderateS anzuschließend linker dem ISeichsvmtosgefetz. Zm Kampfe gegen die Sozialdemokratie hat seit jeher die preußische Burcaukratie Waffen und Mittel augewandt, die an Auslegung der in Frage kommenden Gesetze beim besten Willen nicht mehr zu übertreffen sind. Eine besondere Technik in der Konstruktion von Gründen haben sich die Verwaltungsorgane angeeignet, um Gesuche zur Genehmigung sozialdemokratischer Versammlungen ablehnen zu müssen. Unsere Parteigeschichte ist reich an solchen Beispielen. Unter dem Neichsvereinsgesetz sollte Recht und Gercchtig- keit zu neuem Leben erblühen. Kleinliche Schikanen sollten nicht mehr vorkommen. Der Minister versprach eine loyale Handhabung des neuen Gesetzes und die Amtsvorsteher und Landräte arbeiten in der alten Weise krästig weiter. Vor den Toren Berlins   ist eS kaum möglich, eine Versamm- lung unter freiem Himmel genehmigt zu bekommen. Ein besonders charakteristisches Beispiel führten wir vor kurzem aus dem Wahlkreise Teltow-Beeskow an; wo der Amtsvorstehcr von Motzen eine Versammlung unter freiem Himmel deshalb nicht genehmigte, weil darin an einem Sonntagnachmittag Anhänger für die Sozialdemokratie ge- worden werden sollten, deren Bestrebungen die ländliche Be- völkerung abgeneigt sei. Die Teilnehmer, die bei der Ver- sammlung in Frage kommen, seien Ziegeleiarbeiter, bei denen notorisch der übermäßige Genuß geistiger Getränke die Regel bilde. Deshalb seien gereizte Stimmung und Ausschreitungen zu befürchten, aus welchem Grunde die Versammlung nicht genehmigt werde. Ein nicht minder typischer Fall ist der folgende: Zum 26. Juni d. I. wurde von einem Parteigenossen dem Amts- Vorsteher zu Rangsdorf  , Kreis Teltow, das Gesuch zur Genehmigung einer Versammlung unter freiem Himmel unter- breitet. Unter den» 30. Juni ging ihm das nachstehende Schreiben zu: Die nachgesuchte Genehmigung zur Abhaltung einer ver« sammlung unler freiem Himmel auf dem Grundstuck des Herrn F e n z in Dahlewitz   am 10. Juli d. I. wird hiermit versagt. Gründe: t. das Grundstück(Hofraum) des Herrn Herm. Fenz, auf welchem die Versammlung abgehalten werden soll, ist für den Besuch zu klein, so daß Gefahren durch das Gedränge entstehen können, 2. liegt daS Grundstück an der besonders an Sonntagen durch Fußgänger-, Radfahrer-, Wagen- und besonders Automobil- verkehr stark frequentierten Chaussee; der Hof, in welchem die Versammlung stattfinden soll, ist von der Chaussee aus zu übersehen und es ist anzunehmen, daß eine direkte Gefährdung des Verkehrs, besonders in Ansehung deS Automobil- Verkehrs stattfinden würde, 8. wird die Gefahr zu 1 und 2 erhöht und wahrscheinlicher wegen Mangels an ausreichenden Polizeikräften. Der AmtSvorsteher. ' Spiekermann. Im Jahrs 1907 betrug die Zahl der eingeschriebenen Reichstagswähler von Dahlewitz   ganze 77(Siebenundsiebzig). Die um Dahlewitz   liegenden Orte und Dörfer hatten in dem gleichen Jahre einige 40 und 50 eingeschriebener Wähler. Es ist aus dieser Tatsache die UnHaltbarkeit der Redensarten, die alsGründe" für die Nichtgenehmigung der Versammlung herhalten mußten, zu ermessen. Es wurde denn auch sofort Beschwerde beim Landrat eingelegt, in der alle Einwände, die zur Nichtgenehmigung der Versannnlung führten, eingehend gewürdigt wurden. Die wichtigsten Ausführungen wollen wir hier wiedergeben: Das gesamte Grundstück des Herrn Fenz hat eine Größe von 2663 Quadratmeter und ist mit einem Wohnhaus sowie einem Stall und Schuppen bebaut, so daß bei der geringen Einwohner- zahl des Ortes der Platz vollkommen ausreichen dürfte. Außer- dem könnte der Platz ja auch rechtzeitig abgesperrt werden. Der Hauptverkehr vollzieht sich nichr auf der Straße, an der daS Grundstück liegt, sondern auf der Dorfstraße der Berlin  - Zossener Chaussee und ist auch hier wegen der geringen Ein- wohnerzahl keine Gefährdung, besonders nicht des Automobil- Verkehrs zu befürchten. Daß nach der Angabe des Herrn AmtSvorsteherS nicht ge- nllgend Polizei vorhanden sein soll, dürfte als gesetzlich zulässiger Grund zum Verbot der Versammlung überhaupt nicht anzusehen sein. Die Antwort deS Landrats auf die Beschwerde atmet den Geist des Amtsvorstehers. Oder umgekehrt?! Sie zeigt auch, daß in der Nichtgenehmigung dieser wie auch anderer Versammlungen unter freien: Himmel eine bestimmte Methode, ein bestimmtes System liegt. Der Landrat teilt nnt, daß er die Beschwerde als unbegründet zurückweist und fährt fort: Der Herr Amtsvorsteher hat niit Recht angenommen, daß die Versammlung nicht nur von Einwohnern au« Dahlewitz  , sondern auch aus den umliegenden Ortschaften aufgesucht werden würde. Bei dem dann zu erwartenden starken Besuche würde der vorhandene kleine Hofraum nicht genügt haben. Denn der übrige Teil Ihres Grundstückes kam wegen seiner Bebauung und landwirtschaftlichen Nutzung nicht in Betracht. Da aber Ihr Grund« stück nur durch einen schwachen und durchsichtigen Drahtzaun von der Kreischaussee getrennt ist, so hätte zweifellos noch ein zahl- reiches Publikum aus der dem öffentlichen Verkehr dienenden Straße Aufstellung genommen. Hierin lag eine Gefahr sowohl für den Berkehr wie für das Publikum. Es kommt noch hinzu, daß bei der Zusammensetzung der lanb- lichen Bevölkerung in politischer Beziehung bei der geplanten Ver- sanmilung mit Zusammenstößen zwischen den Anhängern der ver- schiedenen politischen Richtung zu rechnen war. Aus den angeführten Gründen mutzte der Herr AmtSvorsteher aus der Abhallung der Versammlung eine Gesahr für die öffent- liche Sicherheit befürchten. Die Nichtgenehmigung der Versamm- lung war daher gerechtfertigt. So der Landrat I Gegen seinen Entscheid ist am 19. August cr. bei der Regierung in Potsdam   Beschwerde erhoben worden. Bis heute ist eine Antwort noch nicht erfolgt I Unt aber die Zeit, bis die Antwort des Regierungs- Präsidenten eintrifft, nicht nutzlos verstreichen zu lassen, wurde zum 28. August eine neue Versannnlung angemeldet, mit dem besonderen Hinweis, daß für diese das gesamte Grundstück, also auch der Teil, der zur landwirtschaftlichen Nutzung dienen soll, zur Benutzung genommen werden soll. Unter diesen Umständen wäre sicher hinreichend genügend Raum für die zu erwartenden Teil- nehmer vorhanden. Der Einberufer konnte sich um so mehr der Hoffnung hingeben, jetzt die Genehmigung zu erhalten, weil ja nunniehr auch die erheblichen Bedenken, die gegen die Abhaltung der Versammlung sprechen(nach der Auf- fassung des Landrates) beseitigt waren. Die Hoff- nung wurde nicht erfüllt. Auch diese Versammlung wurde nicht genehmigt. Mit lakonischer Kürze begründet der Amtsvorsteher die Nichtgenehmigung mit Bezugnahme auf seinen früheren(vorstehend mitgeteilten) Bescheid. Auch hiergegen ist bei dem Landrat Beschwerde erhoben worden. Ob sie Erfolg haben wird? So zeigt sich vor den Toren Berlins  , im Reiche des Herrn Landrats des Kreises Teltow  , dasliberale" Reichs- vercinLgesetz und die vom Minister proklamierte loyale Hand- habung. lieber die FrageWas ist eine politische Versamm­lung?" hat das Oberverwaltungsgericht dieser Tage eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung gefällt. Es handelt sich um die polizeiliche U e b e r w a ch u n g einer geselligen Zusammenkunft, bei der gesungen, getanzt und musiziert wurde. Nach fruchtloser Beschwerde wurde Klage erhoben und betont, daß es sich nicht um eine politische Versammlung gehandelt und daher die Polizeibehörde lein Recht gehabt habe, die gesellige Zusammenkunft zu überwachen. DaS Oberverwaltungsgericht erachtete die Klage für begründet und führte u. a. aus: Zu politischen Ver- sammlungen könnten nur solche Veranstaltungen gerechnet werden, bei welchem die Absicht bestehe, eine unmittelbare politische Einwirkung auszuüben; die Versammlung müsse zu dem Zwecke einberufen sein, politische Angelegen- Helten zu erörtern. DaS sei in der Regel nicht der Fall, wenn es fich um Zusammenkünfte zu geselligen Zwecken handele. DaS Vereinsgesetz finde aber in solchen Füllen Anwendung, wenn Tat- fachen angeführt werden können, auS welchen sich ergebe, daß zur Täuschung der Behörde gesellige Zusammenkünfte in der Absicht veranstaltet werden, um politische Angelegenheiten zu erörtern. Die Polizei hat also nach dieser Entscheidung noch einen Haken, den sie einschlagen kann. Wenn sie Tatsachen zu bemerken glaubt, die auf die Absicht schließen lassen, unter dem Deckmantel einer geselligen Zusammenkunft eine politische Versammlung zu ver- anstalten, so wird sie die Veranstaltung überwachen lasten. Wenn ihr nachher nachgewiesen wird, daß ihre Anordnung falsch war die Ueberwachuilg hat doch einmal stattgefunden. politische(leberlickt. Berlin  , den 15. September 1910. Die S tenerhinterziehungen der Besitzenden. Das Ergebnis der Einkommensteuer- Ein- schätzung in Preußen für das Jahr 1909 wirft wieder wie im Jahre 1908 recht interessante Streiflichter aus die Steuerfreudigkeit der besitzenden Klasse. Zu Steuerdeklarationen sind nur diejenigen verpflichtet, die mehr als 3000 M. Ein­kommen haben. Es sind im genannten Jahre 772 943 Steuer- erklärungen eingegangen. Davon wurden mehr als ein Drittel beanstandet und in 190 000 Fällen wurden die E n d e r g e b n i s s e der Erklärungen als falsch f e st- g e st e l l t und berichtigt. Mithin hat e t n Viertel aller Steuerpflichtigen falsche Erklärungen über ihr steuerpflichtiges Einkommen abgegeben, um dem Staate die schuldigen Steuern vorzuenthalten. Durch die Beanstandungen sind in dem einen Jahr 347 Millionen Mark an stener- Pflichtigen Einkommen mehr als angegeben ermittelt worden. Das hieraus resultierende Mehr an Einkommen- st euer bezifferte sich auf zirka 12 Millionen Mark. Im Jahre 1908 wurde durch die Nachprüfungen der Steuer- deklarationen 330 Millionen Mark steuerpflichtiges Ein- kommen mehr festgestellt und rund 11 Millionen Steuern mehr herausgeholt. In den letzten 12 Jahren aber holte man durch diese Kontrolle 100 Millionen Mark Steuern mehr von den Drückebergern. Wieviel mögen aber mit ihrem Schwindel noch durchgekommen sein und den Staat um die Steuern betrogen haben? Die Angst vor der Internationale! Wie nachträglich bekannt wird, haben am Sonntag in der Nähe von Frankfurt   a. Main   feldmarschmäßig ausgerückte Trupppcn mit scharfen Patronen in Bereitschaft gestanden. DieFrankfurter Volksstimme" teilt mit: Die internationale Kundgebung der Frankfurter   Sozialdemo- kratie am letzten Sonntag hat die Machthaber in zähncklappernde Furcht geworfen. DaS gewaltige Polizeiaufgebot schien nicht ge- nügend, den preußischen Staat vor dem internationalen Umsturz zu stützen. Wie wir schon am Montag zu berichten wußten, war daS 6. Ulanenregiment in Hanau   die Frankfurter  Garnison   ist bekanntlich im Manöver abwesend f e l d m a r s ch- mäßig zum Ausrücken bereit. Am Bahnhof stand ein Extrazug unter Dampf, um die Vaterlandsverteidiger auf da« Sachsenhäuser   Schlachtfeld zu befördern»wir haben sie niedergeritten. Kürassiere wir und Ulanen!" Aber damit nicht genug l Auch daS 3. brandenburgische Fußartillerie-Regiment in Mainz   stand marsch- bereit, jeder Mann scharfe Patronen in der Tasche und zwei Nationen Fleisch im Tornister. Auch hier wartete ein E x t r a z u g auf das Signal zur Abfahrt, in den die Offizierspfcrde schon verladen warenl Jetzt fehlte noch, daß, wenn die Sozialdemokratie eine Kund- gebung für den Völkerftieden veranstaltet, auf dem Main   Kanonen- boote erschienen, um das»Demokratennest" von einst in Grund und Boden zu schießen." Ein Stallwitz. In der Zeit der Lebensmittelteuerung und des Kampfes gegen das persönliche Regiment bringen es die Junker noch fertig, das Volk durchWitze" zu verhöhnen. Einer aus der Sippe derer von Dohna   reißt in derKreuz-Zeitung  " diesen feudalen Witz: Nach den neueren Vorgängen kann man erwarten, daß dem- nächst am Reichslage in der in Aussicht gestellten Besprechung der Königsbcrger kaiserlichen Rede von linker Seite ein Gesetzantrag eingebracht werde, also lautend: § 1. Alle Strafen, die gesetzlich auf Beleidigung der Majestät des Kaisers stehen, werden aufgehoben. ß 2. Alle Aeußerungen, welche die Deutung zulassen, daß in ihnen eine Mißachtung der Majestät der Masse, eine Beleidigung ihrer Vertreter, eine Rücksichtslosigkeit gegen die in der Presse und in Vollsversammlungen wahrnehmbare Tagesmeinung liegt, werden gesetzlich bestraft und zwar mit G. nicht unter... Die Umwertung des Majestätsbegriffs wäre damit erreicht. Der Massenwahnsinn marschiert." Das deutsche Volk wird dem Junker von Dohna bei den Reichstagswahlen schon zeigen, daß es sehr gesunden Geistes ist. So gesunden Geistes, daß den ostelbischen Granden darob grausen soll._ DaS Posener Schloß. Man schreibt unS: Wie berichtet, bat sich der Staat verpflichtet, der Kronfideikommiß- Verwaltung für jedes Rechnungsjahr 88 000 M.jfür die Unter- Haltung des Posener Schlosses zu erstatten. Diese VerpflichtmigSlast verdanken wir doch wohl in erster Linie Herrn v. R h e i n b a b e n. Sie ist aber nicht bloß einestarke Zu- mutung", sondern eine sachlich ganz ungerechtfertigte Summe. Selbst für jemand, der nicht sachverständig ist, liegt hier klar, daß für ein ganz neues, mit allen Mitteln größter Solidität erbautes Schloß nicht schon in den ersten Jahren 88 000 M. Unterhaltskosten er- forderlich sind. Diese setzen sich doch zunächst nur aus den Aus- gaben für die gärtnerischen Anlagen, für Wasser, Gas, Elektrizität und Heizung zusammen, soweit dies alles sür das im Schlosse unter­gebrachte Hofdienstpersonal nötig ist. Wer sich aber den imZentralblatt der Bauverwaltung' in Nr. 69 d. I. dargestellten Schloßcntwurf ansieht, der wird sofort erkennen, daß diese ungeheuere Summe zum größten Teil nicht für sachliche, sondern für persönliche Ausgaben gebraucht wird. Denn im Erdgeschoß deS Schlosses sind Wohnräume: 1. für eine Oberhofmeisterin, 2. für einen Hofmarschall. 8. für Gefolgewohnungen. 4. sür eine sürstliche Wohnung. 6. für zahlreiche Diener, ferner die Kastellunwohnung, endlich Räume für Küchen- und Stallpersonal, der Pferdestall kann 33 Pferde aufnehmen. Von dem zahlreichen Dienstpersonal wohnt natürlich ein Teil dauernd im Schlosse, das sonst wie alle übrigen großen Schlösser Jahre, vielleicht Jahrzehnte leer steht. Die 88 000 M. werden also gebraucht, um vor allen Dingen, daS durch solchen Schloßneubau nötig gewordene neue Hofdienstpersonal zu unterhalten, das schon lange auf diesen behaglichen Wohnsitz wartete, und jetzt nur dazu dient, das Schloß zu bevölkern. Man muß gestehen, mit 38 000 M. lassen sich die höfischen Diensträume in einem nagel- neuen Schlosse auS der Kasse der Steuerzahler recht behaglich in Stand halten. Was aus diesen 88000M. alles bezahlt wird, davon kann sich nur der Beamte ein Bild machen, der weiß, wie hoch sich die jährlichen Unter- Haltungskosten der wirklich bewohnten Minister- und Staats« sektetär-Paläste stellen. Bei den meisten Ministerwohnungen genügt etwa die Hälft« der hier genannten Summe, um große, täglich von Beamten besetzte Häusertomplexe in Stand zu halten. Hier handelt es sich dagegen um ein leerstehendesWahrzeichen", ein Zeichen königlicher Macht l Zuviel Arbeiterschutz! Die Lübecker Gewerbekammer beklagt sich in ihrem Jahres« bcricht bitter über das Wettrennen um die Gunst der Arbeiter. Ihrer Meinung nach ist eS notwendige daß die Frage der jetzt beliebten Gesetzgebung, worunter hauptsächlich die Arbeiterschutz- gesetze zu verstehen sind, einer eingehenden Erörterung unter- zogen wird. Wir sind so heißt eS in dem Lübecker   Jahresberichte selbst Anhänger einer gesunden Sozialpolitik, die nicht allein für die Arbeiter, sondern auch für andere Schichten der erwerbstätigen Bevölkerung eintreten sollte. Der 5kurs imReichstage geht aber dahin, dieArbeiter ganz einseitig zumNachteilderArbeitgeberzu unterstützen. Niemand will den Arbeitern das Recht zur Erlangung der Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage einschränken, andererseits soll aber auch der Arbeitgeber, der die Arbeitnehmer ernährt, nicht in jedem Jahre neue Lasten, die er einer überhasteten Sozialpolitik zu danken hat, tragen müssen. Man sollte endlich einmal auf- hören, aus parteipolitischen Gründen ein Wettrennen um die Gunst der Arbeiterbcvölkerung zu veranstalten, ein Wettrennen, bei dem die allein am Start nicht Erscheinenden, Handel, Industrie und Handwerk, den HalS brechen und schließlich mit dem Ausland nicht mehr konkurrieren können." Die Gewerbekammer fordert den Lübecker   Senat auf, beim Bundesrat entsprechende Anregungen zu geben. Tie Scharfmacherei eines Oberbürgermeisters. In H a l l e a. S. war vor einiger Zeit ein städtischer Arbeiter. der bereits mehrere Jahre in Diensten der Stadt stand und allerseits gute Zeugnisse erhielt, Knall und Fall entlassen worden. Das geschah, wie sich herausstellte, auf Beschluß deS Magistrats und in Abwesenheit deS zuständigen Dezernenten. Der gcmaßregelte Arbeiter ist Borsitzender der Filiale deS Gemeindearbeiterverbandes und hat in dieser Eigenschaft viel zum Emporblühen seiner Gcwerksckast getan. ES blieb keine andere Wahl alS anzunehmen, daß seine B e» tätigung des gesetzlich g ewährleisteten KoalitionS- rechtes den Grund der Entlassung bildete. So war es denn auch, wie in der letzten Sitzung der Stadtverordneten bestätigt wurde. Unsere Genossen in der Stadtverordnetenversammlung brachten eine Interpellation an den Magistrat ein, worin gefragt wurde, ob der Magistrat das Koalitionsrecht der städtischen Arbeiter an« erkenne und welche Maßnahmen er zu dessen Schutze ergreifen wolle. Zur Bcantwortlmg der Interpellation nahm der Oberbllrgcr- meister Dr. Rive selbst das Wort. Er führte auS: Der Gemeinde- arbeitervcrband ist eine sozialdemokratische Organisation, die dem Arbeitgeber" in diesem Falle der Stadt genau so feindlich gegenübersteht wie die Sozialdemokratie der heutigen Gesellschaft. Der Verband vertritt somit eine Richtung, die unvereinbar ijt mit den Interessen der Kommune und der Staatsordnung. Di« Sozialdemo- kratie hat kein Recht, sich als Hüterin des KoalitionSrechteS aufzu­spielen. E S gibt keine größere Feindin des Koalitionsrechtes als die Sozialdemokratie! Für sie ist das KoalitionSrecht der Arbeiter gleichbedeutend mit der Koalitionspflicht. Ihre Anhänger schikanieren Andersdenkende aufs grausamste. Ein freisinniger Arbeiter wird von ihnen gehetzt und geplagt und schließlich zur Verzweiflung getrieben. Eine Partei, die in gedachter Weise daS Koalitionsrecht ge-