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Nr. 156.

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10. Jahrg.

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Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Die Matrikularbeiträge.

Donnerstag, den 6. Juli 1893.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

vom

In der Sigung des konstituirenden Reichstages des Kritik seiner von der offiziellen Wissenschaft und Norddeutschen Bundes   vom 9. März 1867 bekämpfte Miquel jezigen preußischen Finanzminister, freilich vor sechs­mit aller Entschiedenheit die Matrikularbeiträge, er erklärte sie undzwanzig Jahren, verurtheilten Wirthschaft mit den für ungerecht in höchstem Maße, betonte, daß sie nicht die Matrikularbeiträgen dürfte es sein, daß die Finanzminister Wenn je der Inhalt einer Thronrede frei von allen dauernde Basis des Steuersystems des Bundes sein können und der Einzelstaaten ihn an Fähigkeiten und Weitsicht nicht Neberraschungen war, und lediglich den Inhalt der offiziösen bewies dies an einem noch heute ausgezeichnet zutreffenden Bei- überragen. Herr Miquel übertrifft ja unzweifelhaft die Mittheilungen der letzten Wochen wiedergab, so war es die spiele, indem er darauf hinwies, daß durch sie die reichen Ham- übrigen Finanzminister an Geschick und Fähigkeiten, aber Ansprache des Kaisers, mit der der neugewählte Reichstag burger und Bremer in demselben Maße getroffen werden, wo es sich um den Militarismus handelt, ist er ebenso ein eröffnet wurde. Aufgabe des Reichstages sei nach ihr wie die entsprechende Anzahl von Bewohnern der armen willfähriges Werkzeug des General- Reichskanzlers, wie nur lediglich die Annahme der Militärvorlage, um die Deckungs- thüringer Waldgegend. Der Bundeskanzler Bismarck  , der irgend ein expedirender Sekretär. Unfaßbar bleibt es aber frage habe er sich vorerst nicht zu kümmern; für das nächste sonst aufs zäheste sein Werk, die Bundesverfassung, ver- trotz alledem, daß die 25 deutschen   Finanzminister nun Etatjahr sollen die durch die Militärvorlage nothwendigen theidigte, gestand in der Sigung vom 11. März 1867 zu, mitten im Etatsjahr die Kosten der Militärvorlage Auslagen durch die Matrikularbeiträge aufgebracht werden. daß die Vertheilung der Matrikularbeiträge nach der Kopf- aufbringen wollen, daß sie alle sich bei der Was sind nun diese Matrikularbeiträge? zahl ein unvollkommener Modus sei, er täuschte den Börse Konkurrenz machen wollen, wenn sie infolge

Der Ausdruck stammt noch aus dem alten Deutschen   Reichstag   mit der Erklärung, daß es sich blos um eine der Steigerung der Matrikularbeiträge zum Schulden­Reiche. In der Reichsmatrikel" des Reiches waren alle Stände Maßregel vorübergehender Natur handle. Mehr als ein machen gezwungen sind, statt das Reich für seine des Deutschen Reiches   und ihre Beiträge zu den Kosten Vierteljahrhundert ist seitdem verflossen und noch nie wurde neuen Bedürfnisse selbst sorgen zu lassen. Miquel, der Reichsverwaltung verzeichnet. Die hiernach von der Versuch gemacht, die Matrikularbeiträge abzuschaffen dem in Preußen das Geld für Schulzwecke, für Erhöhung den einzelnen Bundesmitgliedern zu entrichtenden Bei- oder sie auf eine gerechtere Weise auf die Einzelstaaten der Beamtengehälter fehlt, der über seinen Geldmangel wie träge wurden Matrikularbeiträge genannt, ein Aus- umzulegen, obgleich es in der deutschen   finanzpolitischen ein Gardelieutenant zu klagen versteht, er muß jezt aus druck, der auch für den Norddeutschen Bund Literatur an bezüglichen Vorschlägen nicht fehlt. den preußischen Staatstassen zu den ohnedies fälligen und für das gegenwärtige Deutsche Reich zur Bezeichnung v. Scheel erklärt sich in seiner längeren Abhandlung Matrikularbeiträgen für das laufende Etatsjahr noch einige derjenigen Beiträge beibehalten worden ist, die nach§ 70 Wie find die Matrikularbeiträge im Deutschen Reiche zu weitere Dugende von Millionen flüssig machen. der Reichsverfassung von den einzelnen Bundesstaaten zur beseitigen?"( Holzendorff und Brentano's Jahrbuch für Ge- Daß man mit dieser Art von Finanzwirthschaft das Beftreitung der gemeinsamen Ausgaben aufzubringen find, setzgebung 2c. 2. Jahrgang, Leipzig   1878 S. 49-77) für Reich immer mehr von den Einzelstaaten abhängig macht, soweit die letzteren nicht durch etwaige Ueberschüsse der die Beibehaltung geringer Matrikularbeiträge, weil das das übersehen gänzlich die den Partikularismus so hassen­Vorjahre, sowie durch die Einnahme aus den Zöllen, aus Reich derartiger beweglicher Einnahmen bedarf, aber er den Nationalliberalen und die anderen reichstreuen" Bar­den gemeinsamen Verbrauchssteuern und aus dem Post- und erklärte die Höhe der Matrikularbeiträge im Jahre 1878 teien. Hierin, wie in so vielem anderen, können uns die Telegraphenwesen gedeckt werden. schon viel zu hoch, obgleich sie in dem Etatsjahre, in anderen Bundesstaaten, die Schweiz   und die Vereinigten dem er seinen Aufsatz schrieb, erst 81 108516 M., demnach Staaten zum Muster dienen, deren Finanzwirthschaft gänz= erst den vierten Theil der im verflossenen Etatsjahre lich unabhängig von Beiträgen der Einzelstaaten ist, sie erreichten Höhe, betrugen. tommen mit ihren eigenen Einnahmen aus.

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Die Matrikularbeiträge werden nicht nach der wirth­schaftlichen Leistungsfähigkeit der Einzelstaaten auf diese vertheilt, sondern lediglich im Verhältniß zur Kopfzahl der Einwohner, sie wirken also auf die Einzelstaaten ganz ebenso Adolf Wagner erklärt in seinem Auffage über das Endlich darf nicht außer Acht gelassen werden, wie wie Kopfsteuern, deren Erhebung von jedem National Reichs- Finanzwesen( Holzendorff's Jahrbuch I. Band 1872 politisch falsch es ist, daß der auf grund des allgemeinen ökonomen als die mechanischeste, ungerechteste und sozial S.- 628) das Prinzip der Matrifularbeiträge für politisch, Wahlrechts gewählte Reichstag die Ausgaben bewilligen verwerflichste Form der Vertheilung der Staatslaften be finanziell und volkswirthschaftlich unzulänglich. Er sagt: soll, während über die Einnahmen die nach den ver­zeichnet wird. Das System der Matrikularbeiträge hat" In der Vertheilung nach der Kopfzahl der ganz zufälligen schiedensten Wahlsystemen gewählten Landtage bestimmen feinen einzigen Anhänger, seit Gründung des Norddeutschen und ganz verschiedenartigen Gebilde, welche deutsche sollen. Es handelt sich hier auch um eine Verminderung Bundes wird es stets bekämpft und niemals vertheidigt Staaten" heißen, liegt ein prinzipieller Fehler." Besonders der Rechte des Reichstages und um eine Art Verkümmerung und doch steigen die Matrikularbeiträge ununterbrochen, treffend gegen die jeßigen Pläne der Reichsregierung der Bedeutung des allgemeinen Wahlrechts. Dies sollte sie betrugen im Jahre 1874: 67 144 300 Reichsmark und schrieb Wagner in diesem vor 21 Jahren veröffent nicht außer Acht gelassen werden. waren bis zum Reichshaushaltsetat von 1892/93 fast auf das lichten Aufsaße:" Das Frrationelle und Nachtheilige der Man wird uns einwenden können, wozu der viele Fünffache, nämlich auf 320 859 700 M. gestiegen. Matrikularbeiträge nach Maßgabe der Bevölkerung tritt Lärm. Es handelt sich blos um das laufende Etatsjahr.

Unter den Gegnern des Systems der Matrikularbeiträge um so mehr hervor, je absolut größer die Reichsausgaben Nachher sollen die Matrikularbeiträge wieder ver wollen wir, von Männern der Opposition ganz absehend, und je stärker die Quote( der Antheil) derselben ist, welcher mindert werden, indem die Kosten der Militärvorlage durch blos drei unserer vornehmsten Regierungsstügen nennen: durch jene Beiträge gedeckt werden muß." Schon damals, eigene Einnahmen des Reiches gedeckt werden sollen. Se. Exzellenz den tgl. preußischen Finanzminister Miquel, gleich nach Gründung des Reichs, hielt er es für noth Dies ist wohl möglich, aber keineswegs sicher. Kann der soeben das Großkreuz des Rothen Adlerordens mit Krone und Eichenlaub für seine finanzpolitischen Leistungen er halten hat, den Chef unserer amtlichen Statistik, den Geh. Rath Hans von Scheel  , und den Professor der National­ökonomie an der Universität Berlin und Kandidaten der ,, Reichstreuen" im II. Berliner   Wahlkreise, den Geheimrath Adolf Wagner.

Feuilleton.

Nadbrud verboten.)

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wendig auf Ersatzeinnahmen an stelle der Matrikular­beiträge zu finnen, damit jene Erweiterung der Uebelstände dieser Deckungsmittel sich nicht noch steigert".

Wir sehen, wie die Matrikularbeiträge von den festesten Stüßen des Reiches prinzipiell bekämpft werden, wie aber doch mit ihnen lustig fortgewurstelt wird.

Der einzige Trost des Herrn von Malzahn bei der

sich, was leicht der Fall sein kann, der Reichstag über die Steuervorlagen der Regierung nicht einigen, so bleibt es auf grund des§ 70 der Reichsverfassung bei der Deckung der Mehrauslagen durch die Matrikularbeiträge. Deshalb muß mit aller Energie auf Klarheit der finanzpolitischen Situation gedrungen werden, deshalb muß der Reichs­kanzler und der Staatssekretär des Schahzamtes gezwungen

So wollen Sie also das Erbrecht ganz aufheben oder

beschränken?"

Die Bekehrung André Savenay's. sehr oft ein Dummtopf, ein Wüſtling ist, daß es eine Dinge von der Bourgeoisie als heilig und

Sozialistischer Roman

von Georges Renard.

Autorisirte Uebersehung von Marie Kunert.  

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unver

zu werden, daß der Rang, den man in der Gesellschaft einnimmt, durch Verdienst und nicht durch die Geburt er worben werden soll, daß der erbliche Adel ein ungerechtes Mein Gott, ja!" erwiderte der Greis mit ironischem und schädliches Privilegium ist? Lächeln." Wir wagen es, an das Erbrecht, ja an Und wir, was sagen wir? Daß der Sohn eines Bankiers das Eigenthum überhaupt zu rühren, trotzdem diese Schmach ist, mitanzusehen, wie er stolz in den Polstern leßlich erklärt worden sind, weil sie diese schönen seines Wagens ruht, überall den Prahlhans spielt, dabei Einrichtungen so vorzüglich für ihren Profit auszunuzen die kleinen Leute verachtet und sie am liebsten mit einem versteht. Hatte sie etwa Gewissensbisse, als sie vor hundert Blick zerschmettern möchte, während er niemals einen Finger Jahren die Güter der Geistlichkeit in Nationaleigenthum zu ehrlicher Arbeit gerührt hat; ferner, daß die Stellung, umwandelte? Was wollen Sie? Wir folgen nur ihrem Sie hat ihren Geschichtsschreibern befohlen, zu beweisen, die man in der Gesellschaft einnimmt, der Fähigkeit Beispiel und ihren Lehren. Was hat sie uns in diesem daß eine Revolution nichts anderes bedeute, als die furchtbarsten und Tüchtigkeit des einzelnen angepaßt sein soll Jahrhundert unausgesetzt in allen Tonarten vorgepfiffen? Greuel und die schaudervollste Verwüstung. Sie hat auch und nicht dem Geldsack, den er in der Wiege findet; daß Daß das Recht auf Besitz sich einzig und allein auf die ihre Philosophen, die uns gut zureden: Nun, nun, die der erbliche Reichthum ein ebenso ungerechtes wie schäd- Arbeit des Individuums gründet. Thiers, einer von ihren Aristokratie hat doch auch ihr Gutes!" Sie hat ihre Schriftsteller liches Privilegium ist. Wir aber, wir rufen auch: Gebt kleinen großen Männern", hat ein dickes Buch darüber und Staatsmänner, die, wenn sie unter sich find, sagen: Raum dem wahren, persönlichen Verdienst. Und wir geschrieben. Und da wundert man sich noch? Wir haben Gleichheit? Unsinn! Freiheit? Kinderei!" Aber das alles beiläufig gesagt wir sind in einem höheren Sinne die doch recht, wenn wir behaupten, der volle Ertrag unserer nügt ihr absolut nichts mehr. Sie hat sich jetzt wahren Aristokraten. Wir wollen die verantwortlichsten Arbeit müsse uns gehören, und wenn wir dann ein System in eine Sackgasse verrannt, aus der sie nicht hinaus kann. Stellen für die Intelligentesten, Willigsten und Tüchtigsten, verdammen, das den größten Theil dem Unternehmer, den Sie ist schon halb besiegt, ehe der Entscheidungskampf be- aber wir wollen unter Aufhebung der Klaffengegensätze kleinsten dem Arbeiter giebt. Wir sagen auch: Alle Berg­gonnen. Ohne daß sie es will, ist sie unsere Verbündete. auch, daß alle unsere Kinder gleichberechtigt seien." werke, Fabriken, Grund und Boden sollen der Nation gehören. Wir greifen sie jetzt mit ihren eigenen Waffen an, ihre Das junge Mädchen, das hoch aufgerichtet und unbe- Wir haben darum auch das Recht, zu rufen: Nieder mit den geistigen Waffen nehmen wir, drehen sie um und richten weglich da stand, hörte in andächtigem Schweigen diese Müßiggängern, fort mit den Schmaroßern, die von der ihre Spitzen gegen ihre eigenen Prinzipien." flammende Erklärung an. Ihre lebendigen Züge, ihre strah- Arbeit Anderer leben!" Wie das," fragte André, der sich wider Willen durch lenden Augen drückten ihr Einverständniß mit den Worten die glühende Beredtsamkeit des alten Revolutionärs hin- des Alten aus. Sie blickte den jungen Mann mit trium­geriffen fühlte. phirender Miene an, als wollte sie sagen: Nun " D, das ist sehr einfach. Was sagte sie damals? fieh zu, ob Du neutral bleiben kannst! Sagte sie nicht, daß der Sohn eines Marquis sehr Andre kam sich vor, wie ein Mensch, der sich in einem wohl ein Taugenichts oder ein Schurke sein kann, daß fremden Lande verirrt hat, dessen Sprache er nur schlecht es eine Schmach ist, wenn irgend ein großer Herr für spricht und der nun nach Worten sucht, um seinen Wirthen mit der Antwort. Dann kam ihm seine Weltgewandtheit seine Schandthaten straflos bleibt, nur weil er sich die zu antworten, ohne sie zu verlegen Endlich sagte er, um zu Hilfe. Mühe gegeben hat, als ein Mächtiger dieser Erde geboren wenigstens etwas zu sagen:

"

Als André einen schwachen Versuch machte, dagegen zu protestiren, blieb der Alte vor ihm stehen und sagte, einer plöglichen Eingebung gehorchend:

Aber in der That, ich vergaß..., was ist doch gleich Ihr Beruf?" André zögerte in seiner Verwirrung einen Augenblick

Meiner Treu, mein Herr," sagte er heiter, ich könnte