11.222. 27 3.»r,� Z Atllllgt dtS„PüHlW Atllilltt AlllliSllllltt. 22. SrxlkBtt lSW. Parteitag der deutichev Sozial« demokratie zu liiagdeburg. (Schluß aus der 1. Beilage.) Die Schlußworte. Bebel: Bevor ich sachlich in die Debatte eintrete, bin ich genötigt, eine persönliche Bemerkung zu machen. Ich war leider am Schlüsse der gestrigen Sitzung bereits abwesend, als P e u s seine persönliche Bemerkung gegen mich machte, die mich zwingt, meiner- seits kurz darauf zu antworten. Der Kollege Peus war darüber beleidigt, daß ich von dem Blatte, das er redigiert, als einem B l ä t t l e sprach. Ich habe mir Hintennach sagen lassen, daß das für die norddeutschen Genossen etwas beleidigend klingt, aber da ich sehr häufig längere Zeit in Süddeutschland lebe, kann ich konstatieren, daß man da von viel größeren Blättern, als das vom Kollegen Peus ist, von einem Blättlc spricht. Das ist mir also nur so aus dem Munde geschlüpft und sollte natürlich nicht beleidigend sein. Peus hat sich weiter bitter beschwert, daß ich ihm vorgehalten habe, daß er zu ziemlich den gleichen Zeiten verschieden gesprochen habe. Pens ist schon häufig Gegen st and der Erörterung im Partei- vor st and gewesen und namentlich als der verstorbene Genosse Auer noch lebte, habe ich wiederholt mit diesem Unterhaltungen gehabt, ihm Blätter, die Peus herausgegeben hatte, vorgelegt und gesagt, das geht doch über die Hutschnur, da glaube ich doch, daß wir vom Parteivorstand einschreiten sollten.(Lebhaftes Sehr richtig!) Sie wissen, wie Auer in solchen Dingen dachte; um nicht Konflikte hervorzurufen, beruhigte ich mich dann bei seinen Ausführungen. Es kamen die Reichstagswahlen von 1903. PeuS lud mich ein, für unseren Kandidaten Kaeppler in Dessau zu sprechen. Ich ging selbstverständlich hin, denn wenn eine Reichs- tagsivahl ist, dann frage ich nicht, ob der Kandidat Revisionist oder Radikaler ist.(Zuruf: Kaeppler ist gar kein Revisionist!) Ich habe also in der WahlversammlunF meinen Vortrag gehalten und danach sprach Peus. Ich war außerordentlich erstaunt, wie der- selbe Peus, der kurz zuvor verlangt hatte, daß man die p r i n- zipielle Einleitung zum Programm st reichen möchte.(Peus: Ist ja nicht wahr!) Das haben Sie doch vev- langt— wie taktfest und einwandfrei er sich da verhielt. Später ist er in seiner Haltung noch weiter gegangen. In diesem Monat habe ich gelesen, welch eigenartige Bemerkungen er über die Idee eines Zusammenhaltens nach rechts, mit den bürgerlichen Par- teien, gemacht hat, und es fiel mir auf, daß er in Branden- bürg, bei seiner Kandidatenrede auf der Konferenz einen Ton anschlug, der zu dem, was ich gelesen hatte, gar nicht passen wollte, und ich dachte, na, e r k a n n a u ch a n d e r s. Im übrigen ist ja bekannt, daß er sehr wunderbare Ausführungen macht. Ich habe hier eine Jtummer des„Volksblattes für Anhalt" aus den letzten Tagen, und da schließt ein Artikel mit diesen Worten:„Nur die Sozialdemokratie und die Demokratische Vereinigung nehmen die Interessen der Lohnarbeiter wahr."(Hört! hört! Heiterkeit.) Ja, wozu hat denn ein Sozialdemokrat Reklame für die Demokratische Vereinigung zu machen. Ich habe vor dem Redakteur des Blattes„Das freie Volk", vor Herrn Dr. Breit- scheid, großen Respekt. Er hat unter anderem über Budget- abstimmung und Blockpolitik Bemerkungen gemacht, von denen ich gewünscht hätte, daß sie in der Parteipresse gemacht wären, so treffend und so radikal waren sie. Ich muß zu unsererSchande sagen, zum ersten Male in den 47 Jahren solange wir die Partei haben, ist es möglich, von bürgerlichen Blättern zu sagen, daß sie die Forderungen der Demo- kratie besser verstehen als ein Teil der Partei. (Bewegung.) Was in unserer Presse vom Budget und Block hie und da gesagt wurde, läßt sich tatsächlich von dem bürgerlich demo- kratischen Standpunkte nicht rechtfertigen.— Nun haben PeuS, Müller und David angedeutet, daß meine Bemerkungen der Kandidatur von Peus schaden könnten. Müller besonders hat gemeint, und ich nehme an, das bezieht sich auf mich, man solle sich mehr zurückhalten und nicht den Gegnern Gelegenheit geben, unsere Worte gegen uns selbst auszunutzen. Aber wenn die Rücksicht auf kleines feuilleron. Eine Reform der Museen, die manches für sich hat, bringt der Königsberger Kunsthistoriker Professor Berthold Haendcke in Vor- schlag. Er schreibt im„Türmer":„Wollen die Sammlungen von Kunstwerken wirklich ihre Aufgabe erfüllen, so müssen sie sich in da? weite, allen Gebildeten einigermaßen bekannte Gebiet der „allgemeinen Bildung" einschieben; sie müssen den„Inhalt" be- nutzen, um die künstlerische Form sehen zu lehren, das„WaS" heranziehen, um für das„Wie" erziehen zu können. Wenn einem Besucher in einer den Besitztümern der einzelnen Sammlungen angemessenen Weise etwa die Madonnenmalcrei oder die Land- fchaftsmalerei derartig entwickelt wird, daß über alle Länder hin- weg das Motiv historisch in parallelen und in sich kreuzenden Linien ohne Rücksicht auf die einzelnen Künstlerfigurcn vorgeführt wird, so treten so viele Assoziationsvorstellungen in Tätigkeit, daß der Beschauer zunächst mit Eifer den Gegenstand als solchen ver- folgen wird, um bei— in behaglicher Weise— zunehmender künstlerischer Bildung auch die Art und Weise zu würdigen, wie die Künstler in den verschiedenen Ländern und zu den verschiedenen Zeiten technisch in näherem und weiterem Hinblick ihre Aufgaben gelöst haben. Dann werden die Sammlungen von Kunstwerken zu volkserziehenden Einrichtungen; allerdings dürften sie an dem Charakter eines„wissenschaftlichen Instituts" eine Einbuße er- leiden. Aber ist es berechtigt, für eine Handvoll kunftwissenschaft- licher Forscher, für eine gewisse Anzahl von Gewerbetreibenden so viele Millionen auszugeben? Und werden jene wirklich so stark verlieren? Welche? Museum ist denn auch nur annähernd in der Lage, irgendeinen hervorragenden Künstler in der Weise zu prä- sentieren, daß der Gelehrte ihn sozusagen an Ort und Stelle zu erfassen imstande ist?" Bisher hat man jedenfalls bei der Einrichtung der Museen die Interessen des Volkes gänzlich außer acht gelassen. Die Demo- kratie wird die Perücken erst davon zu überzeugen haben, daß die Museen nicht nur für sie da sind. Theater. Neue» Schauspielhaus(Nollendorfplatz). M o l k K r e, der Klassiker unter den Bühnendichtern Frankreichs , ist zurzeit in Berlin sehr populär. Werke von ihm werden nun in drei Theatern gegeben. Dabei geht eS ohne NeuauSgrabungen nicht ab. Treibt auch nur der Konkurrenzkampf zwischen den einheimischen Bühnen diese Blüten, so wird man doch noch immer bei dem alten geistreichen Spötter am besten aufgehoben sein; auch selbst dann, wenn man, wie jeyt am Nollendorfplatz, zwei Stücke mit zusammen acht Akten von ihm an einem einzigen Abend zu kosten bekommt. Da aber das königliche Schauspielhaus Moliöre in Ludwig Fuldas Uebersetzung mit Beschlag belegt hat, so mußte das Neue Schauspielhaus, um den„Tartüff " aufzuführen, zu einer minderwertigen Uebertragung von Adolk Laue greifen. Glücklicherweise hat diese in dem Oberregisseur Ernst W e l i s ch einen sehr sachkundigen Bearbeiter gekunden, der es verstand, der Molisreschen VerSsprache ihre graziöse Geschmeidigkeit und der Komödie ihre geschlossene Bühnenwirkung zu wahren. Hieran hat die Gegner so weit gehen soll, daß wir uns einen Ma u l k o r b umhängen müssen, dann danke ich!(Bewegung und Zustimmung.) Sorgen die Genossen durch ihre Handlungen dafür, daß in einem solchen Momente wie dem jetzigen es nicht nötig ist, solche Kritik üben zu müssen!(stürmischer Beifall.) Das ist .ja sehr schön von den Revisionisten, in solchen Momenten zu kommen, man möge doch nicht debattieren, wir sind unschuldig, die Radikalen sind an allem schuld!(Lebhafte Zustimmung.) Ich habe selbst- verständlich ein großes Interesse daran, daß der Brandenburger Kreis wieder zurückerobert wird, aber wenn ich sagen soll, ob das gerade die Person Peus sein soll, da habe ich eine andere Meinung! (Große Bewegung. Verschiedene Zwischenrufe: Aber! aber!) Ihr habt Euch immer noch nicht an den Bebel gewöhnt. Vielleicht wirds nie.(Ruf: er soll sich an uns gewöhnen.) Da müßt Ihr andere Saiten aufziehen, ehe ich mich an Eure Handlungen gewöhnen könnte. Mit E u r e n P e r s o n e n ist es natürlich anders. (F r a n k: Damit ist Peus Wahl gesichert.) Ich gehe nun zu den Ausführungen Franks über. Es war ja selbstverständlich, daß sich Frank die größte Mühe geben würde, seine und seiner Freunde Haltung im badischen Landtag und ihre Gründe für die Budgetabstimmung hier auseinanderzusetzen. Ich bin dabei außerordentlich enttäuscht worden und ich habe auch auf dem Parteitag von verschiedenen Seiten Ausdrücke der Verwunderung hören müssen, daß Frank keine besseren Gründe vorzuführen wußte, als er hier vernehmen ließ. H e i l m a n n meinte heute, die Verhandlungen hätten gar nichts Neues geboten. Das kann sein, wenn ich allerdings auch anderer Meinung bin. Aber bei so viel erörterten Fragen ist es allerdings schwer, etwas Neues vorzubringen. Von dem Anhänger der Budgetbewilligung hätten wir allerdings neue Gründe erwarten dürfen, weil die, die er vorgebracht hat, zu den oft abgehandelten ollen Kamellen gehören, die die große Mehrheit der Partei niemals bestimmt haben, von ihrer Auffassung abzugehen. Da erzählt uns Frank von der Stellung der badischen Fraktion im Landtage. Nun, im Reichstage haben wir diese Stellung läng st. Längst sind wir im Senioren- konvent vertreten und stellen Kommissionsvorsitzende. Singer war lange Jahre Vorsitzender der Geschäftsordnungskommission. Gegenwärtig ist Geyer Vorsitzender der GeschäftsordnungS- kommission und S ü d e k u m Vorsitzender der Wertzuwachssteuer- kommission. Aber es ist uns keinen Augenblick beige- kommen, das als eine besondere Begünstigung anzusehen, die uns zu einer anderen Haltung der Regierung gegenüber verpflichtet.— Es kann sein, daß Baden eine ganze Reihe Fortschritte aufzuweisen hat, die zum Beispiel für Sachsen sehr erstrebenswert wären. In Süddeutschland ist der Verkehr auch mit den politischen Gegnern ein ganz anderer, weit mensch- licher als in Norddeutschland. Selbstverständlich liegt dann auch die Gefahr einer größeren Nachgiebigkeit vor, und ich bin überzeugt, das hat bei Euch in Baden mehr als einmal bei wichtigen Fragen den Ausschlag gegeben. Aber da kann ich keinerlei Vorwurf machen, ich freue mich über diese günstigeren Verhält- nisse in Süddeutschland und bcdaure, daß sie in Norddeutschland aus sehr natürlichen Gründen nicht vorhanden sind. Frank nahm Bezug auf das Schulgesetz. Die Meinungen über die erreichten Vorteile gehen in der Partei aus- einander. Was Frank uns gestern aufgezählt hat, hält sich innerhalb der Grenzen, die ein Nationallibe- raler bewilligen kann. lSehr richtig!) Mit diesen kleinen Errungenschaften kann man nicht die Zustimmung zum Budget rechtfertigen.(Zuruf: Sie haben ja selbst das sächsische Budget oft bewilligt!) Fällt mir gar nicht ein, nicht einmal. Lesen Sie nur meine Reden im sächsischen Landtag und Sie werden sehen, daß niemals Minister so heruntergehauen worden sind, wie damals durch den Bebel. In der„Lörracher Volks- zeitung" wird ausgeführt, das neue Schulgesetz hat bei der Be- völkerung und namentlich bei der Lehrerschaft keine gute Auf- nähme gefunden. Es wird keine lange Lebensdauer haben. Das steht in der Volkszeitung, Organ der werktätigen Klassen des badischen Oberlandes in Lörrach , und ist offenbar von einem Lehrer geschrieben worden. Wenn so Leute urteilen, die am allermeisten am Schulgesetz interessiert sind, so haben unsere Ge- nassen wahrlich keine Ursache, wegen solcher Errungenschaften großes Halloh zu machen und der Partei anzukündigen, was sie errungen hätten, sei mustergültig. Das sind furchtbare Uebertreibungen. Ich kann diese Politik nur national- aber auch die stilvolle Inszenierung und die ganz vortreffliche Dar- stellung ihren Anteil. Alles wird zu äußerst dramatischer Lebendig- keit erhoben; jede satirische Pointe sticht hervor ohne auffällige Unterstreichung; selbst die für moderne Anschauung nur mehr etwas antiquierte Moral der Komödie erhält ihre gewisse Natür- lichkeit. Erich Ziegel (Tartüff ) und Hans S i e b e r t(Orgon), vor allem Berta H a u s n e r als famose Dorine und Ida W ü st (Elmire) gaben glanzvolle Leistungen. Hierauf folgte die in Deutschland noch unbekannte Posse:„Der Herr von Pourceaugnac", die Franz Kaibel übersetzt und bearbeitet hat, während die zur Handlung gehörigen Gesänge und Pantomimen nach Mottven aus Moliöres Zeit von Friedrich B e r m a n n komponiert find. Im Mittelpunkt steht ein ältlicher, närrisch aufgeputzter Landedelmann, der nach Paris gekommen ist, um die Tochter eines reichen Bürgers zu heiraten und mit dessem Gelde sein rostfleckiges Wappen frisch zu vergolden. Natürlich hat Julia bereits einen jüngeren Liebhaber. Für die beiden kommt'S nun darauf an, den Provinzler aus dem Felde zu schlagen. Das ge- schieht durch derbdrastische Mittel unter Beihilfe zweier sehr gerissener Domestiken, nämlich des neapolitanischen.Hausmarschalls" und einer Zofe, die ihrerseits wieder ein paar ärztliche Charlatane mobilisieren. Selbstverständlich hat man sich bei Moliöre, wenn es gilt, die Mediziner zu verspotten, toller Streiche zu versehen. Wie nun die beiden Jünger des AeSculap den adeligen Frciersmann„wissenschaftlich" untersuchen und durch eine Rotte von Dienern mit großen — Klistierspritzen in die Enge treiben, ihn schließlich auch durch maS- kierte Spießgesellen auasi Schulden halber polizeilich verfolgen lassen: das sind die Hauptspäße, bei denen der Dichter alle Minen seines Groteskhumors springen läßt. Literarischen Wert wird man dieser Ausgrabung allerdings schwerlich zugestehen können; dennoch dürfte sie vom kulturhistonschen Standpunkt einiges Interesse gewähren. DaS Zeitkolorit tritt in prachtvoller charakteristlscher Verständigung zutage; und die Aufführung hat altfrauzösischen Stil und Schmiß. Die Darsteller entwickeln ein reizvolles Spiel, eine übersprudelnde Laune, die ansteckend wirkt. Kurz, man amüsiert sich prächtig bei Moliere im Neuen Schauspielhaus und kann nur wünschen, daß dies Vergnügen von längerer Dauer sein möge. o. k. Lu st spielhaus: DerFeldherrnhügel, eine Schnurre in drei Akten von Karl R ö s s l e r und Roda Roda . Herr Rössler, der sein Glück schon öfter auf den Brettern versuchte und Roda Roda , der witzige Mosscn-Anekdotcnfabriknnt, die beiden Elter», können sich zu der Reklame, die eine zopfige Zensur für ihren, doch ziemlich harmlosen Sprößling gemacht hat, gratulieren. Jeder kleinste Scherz, und mochte er sich eines noch so würdigen Alters erfreuen, wurde mit dankbarer Heiterkeit, als steckten wunder welche Beziehungen dahinter, quittiert. Starker Applaus rief die Autoren mehrfach vor den Vorhang und Roda Roda nickte mit ver- gnügtem Lachen den Zufriedenen zu. Neben der Zensur gebührt auch dem„König " der Herren De FlerS und Cavaillet ein gut'gemessenes Teil an dem Erfolge. Die Ver- fasser haben die brillante Parodie auf monarchische Empfangs- feicrlichkeiten und Ansprachen. die sie in der französischen Posse fanden, freilich mit arg vergröbernden und so die aktuell satirische Schärfe abstumpfenden Variationen ins Deutsch - Oesterreichische übersetzt. Aber auch in dieser Form blieb liberal nennen. Diese Politik der Vertuschung und Slb- schleifung aller Gegensäue führt zur allgemeinen Versumpfung. (Sehr richtig!) Daß die badischen Parteigenossen hinter ihren Abgeordneten stehen, wußten wir. Sie haben ja auch nicht» anderes gelesen als die paar badischen Parteiblätter, die fort- gesetzt die Massen im Sinne ihrer Politik be- arbeitet haben. Es ist höchst bedauerlich, daß man sich hier in unserer Partei einer so mangelhaften Information schuldig macht. Dann hat Frank und eine Reihe anderer Redner Bezug ge- nommen auf einen Satz in unserer Resolution, in der von kleinen Konzessionen gesprochen wird. Q u e s s e l ging sogar so weit, zu sagen:„Ja, Bebel, damit verleugnen Sie Ihr ganzes Lebens- werk." Man lasse doch die Kirche im Dorfe. Ich habe lediglich die kleinen Konzessionen in Gegensatz gestellt zu der grundlegen- den Umgestaltung der Gesellschaft, die unsere Partei fordert und für die keine Regierung eintreten kann. Ich unterschätze die kleinen Konzessionen nicht, aber man soll sie auch nicht über- schätzen, man soll nicht kleine Konzessionen, von denen man früher kein Aufhebens geinacht hat, heute so hinstellen, als handele es sich um wunder was für Errungenschaften. Wenn selbst ein Marx seinerzeit gesagt hat, die Eroberung des Zehnstundcntagcs in England 1347 war nicht eine Reform, das war eine Revolution, dann werden Sie mir als Anhänger von Marx glauben, daß ich die Erfolge nicht geringer einschätze, obwohl eine Zehnstundenbill 1910 doch etwas ganz anderes ist als wie 1847.(Lebhafte Zu- stimmung.) Im großen ganzen haben ja auch alle Redner, wenn auch der Ton sehr oft den gegenteiligen Eindruck hervorrief, ein- mütig erklärt, daß wir praktisch zu arbeiten haben. und das haben wir von jeher getan. Wir haben seinerzeit den Ausschlag für den russi- schen Handelsvertrag gegeben und dadurch die Herab- setzung der Gctreidezölle von S auf 3,60 M. erreicht, wir haben uns 1891 bemüht, die Gcwerbeordnungsnovelle in unserem Sinne zu verbessern, aber als dann die sogenannte Ver- schlechtcrungskommission unter Führung des Freiherrn von Stumm unsere Verbesserungen wieder herausbrachte, da haben wir natürlich entschlossen dagegen gestimmt. So könnte ich Ihnen noch weitere Beispiele in Hülle und Fülle an- führen. Worüber wir uns streiten, worüber wir auch in der Eraktion sehr häufig streiten, das ist das, ob das Maß von onzessionen so groß ist, daß wir mancherlei Verschlechterungen durchgehen lassen können. Aber das sind keine ernsten Kämpfe, darüber entscheidet die Fraktion im großen ganzen einmütig, und die Frage: Radikalis- mus oder Revisionismus hat in der Rcichstagsfraktion bisher noch gar keine Rolle gespielt.(Lebhafte Zustimmung.) Nun hat Frank gemeint: In bezug auf den Prinzen Lud- w i g sind Sie aber reingefallen.(Heiterkeit.) Nein, ich bin gar nicht reingefallen. Daß Prinz Ludwig katholisch ist, weiß ich längst, daß er gut katholisch ist, weiß ich auch, und ich bin offengestanden im Zweifel, ob ich das Glaubensbekenntnis in Alt- ö t t i n g e n oder das kurz zuvor in Königsberg ergangene für besser oder vernünftiger halten soll, wenn von Vernunft dabei über- Haupt die Rede sein sollte.(Heiterkeit.) Es ist ja dementiert wor- den, aber das ist ganz gleich. Die Erziehung unserer Prinzen und Fürsten im fortschrittlichen Sinne läßt ja überhaupt viel zu wün- schen übrig.(Große Heiterkeit.) Das ist eine bekannte Tatsache. an der wir nichts ändern können, und darin sind wir ja auch ganz einig, daß wir weder Prinzen noch Fürsten n» der Spitze brauchen. (Sehr gut!) Aber da Prinz Ludwig sich für das allgemeine Wahl- recht erklärt und sogar— ich glaube, nicht einmal unsere Genossen haben das beantragt— nach jeder Volkszählung eine N e u e i n« teilung der Wahlkreise verlangt bat, so habe ich damals gesagt: wenn wir einen Kaiser zu wählen hätten und in der Wahl auf einen F ü r st e n beschränkt wären, denn im anderen Falle würde ich ja selb st als Kandidat auftreten(Stür- mische, minutenlang anhaltende Heiterkeit)— ja, ich sage das des- halb, weil ich weiß, daß ich dann die Revisionisten und die Radikalen auf meiner Seite haben würde(erneute große Heiterkeit)—, also ich habe gesagt: wenn schon innerhalb de? Fürstenkreises gewählt werden muh, dann wähle ich den Prinzen Ludwig, der ist mir viel lieber, als ein Hohcnzoller.(David: Na also!) Wundern Sie sich darüber?. Auch Sie würden das tun. Darüber sind wir uns doch einig. noch genug des Amüsanten. Der schwarz-gelbe„Kurfürst", der sich zum Jubiläumsfest eines ungarisch -österreichischen Regiments in dem Kasino einfindet und aus Versehen mit der preußischen Wacht am Rhein als Festmusik empfangen wird, ist ein verjüngter, in seiner Trottelhaftigkeit durch einen liebenswürdigen Zug von Schlamperei gemilderter Serenissimus. Hoheit hat gerade noch so viel Verstand, um die blamablen Dummheiten, die er in seinen Reden vor der ehrfürchtig aufhorchenden Umgebung verzapft, selbst lächerlich zu finden. In seinem eigentlichen Fach, dem der galanten Abenteuer, gibt er sogar Anzeichen einer gewissen pfiffigen Gcwecktheit von sich. Erst im zweiten Akt nimmt mit dem Erscheinen dieses Herrn die zerstteute Witz- und Anekdotensammlung, als welche sich das Stückchen darstellt, ein rascheres, etwas bühnenmäßigeres Tenipo an. Das Beste war vielleicht die spitzige Schlußpointe. Ein Oberst, der den dring- lichen Wunsch nach Pensionierung hegt und. um sich unmöglich zu machen, bei dem Manöver von seinem Feldherrnhügel aus die blödsinnigsten Kommandos in die Welt schickt, wird von dem Kurfürsten, der mit einer Dame charmiert hat und dem herzoglichen Vetter aus Nord- deutschland ob seiner tiefsinnig genialen, eigenartigen Strategie belobt; und der Herr Korpskommandant, der eben noch den Schuldigen ingrimmig herunterhunzte, beugt sich vor dieser höheren Einsicht in pflichtgemäßer Demut. Im allgemeinen wurde flott gespielt. Hervorragend humoristisch, mit einer ganz spezifisch österreichischen Färbung, brachte G u st a v Eharlä das Gemisch von Idiotismus, Trägheit und spöttischer Selbstironie in der von den Autoren nur flüchtig larrikawristisch hin» geworfenen Rolle der Hoheit heraus. dt Humor und Satire« Die Wacht Silberknöpfe, blaue Röcke auf dem Podium in der Ecke.« Den Parteitag überwacht spät und früh ein Polizei- Hailptmann, und ein braver Wacht- nieister ist bei ihm dabei. Stund' um Stund' der Zeiger rückt, und das blaue Pärchen horcht. Dafür, daß der Kopf nicht nickt, ist durch Doppelheit gesorgt. Schläft der Hauptmann einmal ein.». Aber so'was gibt's ja nicht. Will der andre müde sein, ruft der Chef ihn streng zur Pflicht. Hören soll er, was man sagt, und eS obendrein verstehn... Ist das nicht zu viel gewagt oder ist eS ein Versehn? Ueberwachend überwacht, daß er wirklich horcht und wacht, da erwacht wohl gar ein Wacht» meister auS der tiefsten Nacht. Welch' ein sonderbar' Verfahren, Untergebne aufzuklaren! Franz.
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten