sozialen noch in politischen Dingen, auher im steten Zusammen- hang mit der Kirche; der im Mittelstand, im biederen Bauern und Zünftler die Stütze der Gesellschaft erblickt, die unter allen Um- ständen vor dem Kapitalismus der Großen wie vor dem Sozialis- mus der Arbeiter geschützt werden mutz. Das Zentrum hat nach seinem Kritiker MontanuS den großen Sündcnfall»*er alles weitere Unheil nach sich zog, als es der Sozialreform Bismarcks zustimmte und damit dem Staate Aufgaben zuerteilte, die der freiwilligen Selbsthilfe, der christlichen Nächstenliebe im Zusammenwirken mit der Kirche vorbehalten sein sollten. Durch die Sozialreform werde einerseits die Begehrlichkeit der Masse geweckt, dann aber auch die Meinung großgezogen, daß das herrschende Wirtschaftssystem in seiner Grundlage richtig, und nur im einzelnen zu verbessern sei, ivährend es doch nach der christlichen Soziallehre darauf ankomme, Omnia instaurare in Christo: Alles in GHtisto zu erneuern, Staat und Gesellschaft wieder in engen und ständigen Zusammenhang mit der Kirche zu bringen und in der bewährten Art der alten Stände und Zünfte eine neue Ordnung der Dinge herbeizuführen. Weg mit der Sozialreform, soweit nicht die Kirche sie leitet; weg mit der Gewerbefreiheit und Freizügigkeit; weg mit dem Schulzwang und der Volksbildung, die über dem Katechismus, über ein wenig Lesen und Schreiben und Rechnen hinausgeht— das sind die Hauptforderungen, die der Kritiker des Zentrums stellt. Und weil diese Forderungen von dem jetzigen Zentrum schnöde verleug- net werden, weil die Parteihäupter durch ihro Politik das Herr- schende System, statt cS von Grund auf nach christlichen Prinzipien umzuwandeln, nach Kräften fördern und festigen, deshalb hält MontanuS ein fürchterlich Gericht über die Vertreter des heutigen Zentrums. Immer mehr sehe man im wirtschaftlichen und sozialen Leben den Unterschied zwischen Katholiken und Nichtkatholiken schwinden; kaum noch finde man im katholischen Lager grundsätz» liche und entschiedene Gegner der heutigen Wirtschaftsordnung: „Selbst da, wo die Katholiken die Mehrheit haben, fichden wir keine sozialen Rücksichten im Erwerbsleben. Der Konkurrenzkampf unter ihnen und die Anbetung des goldenen Kalbes ist hier so groß wie da. Religiöse Motive spielen im Erwerbsleben immer weniger eine Rolle. Wir sehen darum katholische Groß- Unternehmer und Kom m«rz i e n r äpe� Waren« Hausbesitzer und Börsenspekulanten skrupel- los die kleineren Konkurrenten, selb st Christen, zugrunde richten, Syndikate und Ringe bilden ohne Rück. ficht auf gerechte Höchst»- und Mindestpreise, Löhne drücken — kurz, allo Allüren des jüdisch-liberalen Wirt- scha fts shste m S sich aneignen. Wir sehen, wie sie von den also erbeuteten Millionen Zins und ZinseszinS nehmen und dann gelegentlich Tausende stiften oder Wohltatigkeitsfeste ver- anstalten, um die Not zu lindern, die sie selber schaffen halfen, oder um einen Orden zu bekommen. Wer ernstlich von den Herren veriangen wollte, sie sollten sich beschränken, daß auch ihre Glaubensgenossen zu einer gleichen Stellung gelangen könnten, liefe Gefahr, als Sozialdemokrat tituliert zu werden." Lln einer anderen Stelle ist die Rede von den paar„Journa- listen und Politikern", die jetzt„mit religiösen Schlagworten und Phrasen diekatholischenMassenansichgezogenund nach ihrem persönlichen Willen und ihren Wün» schen, unabhängig von Staat und Kirche geleitet haben", die„jeden, der eine offene und freie Diskussion der sozialen Prinzipienftagen anstrebte, mit wahrhaft virtuo» fer Tyrannei unterdrückten und durch die an der Partestkrippe stehende Pressse tot>sch,weiig>en ließen", die»jeden, der sich erkühnte, ihren persönlichen Wünschen entgegenzuhandeln und anderer Meinung zu sein, beim Volke mit geheimnisvollem Augenverdrehen aW Feind des Zentrums, und damit der katholischen Kirche hinstellten". Diese Vorwürfe richten sich gegen die„Kölner Richtung" im Zentrum, gegen die Bachemleute, aus deren Kreise der Ruf nach„mehr katholischen Kommerzienräten" erscholl. Die„Kölnische Volkszeitung" erwidert den Angriff, indem sie den Verfasser der Schrift als„politischen Konfusionarius", sein Programm als „Ghetto-KatholiziSmus" bezeichnet und seinen Anhängern den Rat gibt, außerhalb d«S Zentrums zu zeigen, was sie können, denn zur Partei gehörten sie längst nicht mehr! Im Zentrum krachts an allen Ecken und Enden. Vorläufig keine neuen Steuern. Der Reichskanzler hat seit seiner Rückkehr aus Hohenfinow verschiedentlich Konferenzen mit seinen Ministerkollcgen und den Staatssekretären abgehalten, über deren Resultat bisher noch nichts an die Oeffentlichkeit gedrungen war. Wie die Scherlpresse jetzt aus zuverlässiger Ouclle zu melden weiß, soll das Ergebnis der vielstündigen Besprechungen sein. »daß von dem Versuch, neue Reichssteuern auszuschreiben, mindestens vor den ReichStagSwahlen des nächsten Herbstes Abstand genommen wird. Man wird mit der größt- möglichsten Sparsamkeit auszukommen suchen. Die Bor » arbeiten zur Aufstellung de» nächsten Reichsetats sind noch nicht abgeschlossen. Gegenwärtig sind erst die einzelnen Etats mit den vom Reichsschatzamt vorgenommenen Abstrichen an die betreffenden ResiortS zurückgelangt, die nun ihrerseits dazu noch Stellung zu nehmen, die Abstriche entweder zu genehmigen oder sie ganz oder teilweise zu bekämpfen haben. Dann erst, wenn dieses Stadium durchlaufen ist, kann der ReichShauShaltSetot für 1311 endgültig aufgestellt und an den Bundesrat gebracht werden. SS läßt sich alio gegenwärtig die Gestaltung des neuen Etats noch nicht mit Sicherheit übersehen. Da« Bestreben des Reichsschatzamts soll nach wie vor dahin gehen, eine Balanzierung deS Etats herbeizuführen. Ob die» möglich sein wird, ist ja allerdings höchst fraglich. Für schlechthin un» möglich hält man eS aber im ReichSichatzamt noch immer nicht. Sicher sei also vor der Hand nur soviel: Neue Reichssteuer- vorlagen sind bis auf weiteres nicht zu erwarten und nahezu aus- geschloffen." Möglich, daß es gelingt, bis nach den ReichStagSwahlen ohne neue Steuern auszukommen. Der Steuerzahler ge- winnt dadurch jedoch rein gar nichts, denn um so größer werden nach den Wahlen die Nachforderungcn sein. Alle Be- schönigungen helfen nicht darüber hinweg, daß b e- reits wieder eine neue Reichsfinanzreform nötig i st._ Die Pole« und die Reichstagstvahle«. Der polnische„GornoSlazak" leitartikelt über die vorausficht- lichen Parteikämpfe, die sich bei den kommenden ReichStagSwahlen entspinnen werden. Von dem Ausgange der Wahlen für die Polen scheint sich das Blatt aber nicht viel zu versprechen, denn eS rechnet vorläufig nur damit, daß, wenn auch kein neues Mandat gewonnen wird, doch wenigstens der alte Bestand den Polen erhalten bleiben werde. Es schreibt: „Es bleibt noch die Frage offen, welche Folgen die Wahlen für uns Polen haben werden, ob wir gewinnen oder wenigsten» die bisherige Anzahl polnischer Abgeordneten zu erhalten im- stände sein iverdeü. Es ist schwer, nach dieser Richtung etwas mit aller Bestimmtheit sagen zu können; wir erwarten jedoch, daß, wenn wir auch keinen neuen Abgeordneten gewinnen, der Verlust eines der bereits in unseren Händen befindlichen Mandate nicht zu befürchten ist, sobald wir nur die Birnen in der Asche nicht verschlafen und rechtzeitig an eine entsprechende Agitation denken. Wir Polen haben mehr wie jede andere Partei ein besonderes Interesse daran, möglichst viele Ab- geordnete nach dem Reichs- und Landtage zu entsenden, denn das hilft uns im Kampfe um unsere nationale Existenz." In Schlesien setzt die polnische Wahlagitation bereits ein. Für den kommenden Sonntag sind drei große Wahlversammlungen einberufen. In der radikalpolnischen Presse wird einem Zentrums- polnischen Kompromiß mit aller Entschiedenheit entgegen- gearbeitet. Der„Kurier Slaski" meldet, daß der Kompromiß- abgeordnete Pfarrer Glowatzki ein Mandat nicht mehr annehmen wolle und warnt bor dem in Aussicht genommenen Nachfolger, dem Pfarrer Ganczarski-Gr.-Strehlitz, weil dieser ein versteckter „Germanisator" sei. Inzwischen hat Pfarrer Ganczarski öffent- lich erklären lassen, daß er ein Wahlmandat nicht anzunehmen ge- denke und der radikale Korfanthsche„Kurier" bemerkt dazu:„Allem Anscheine nach sind Ganczarski und Glowatzki zu der Ueber- zeugung gelangt, daß die Zentrumstrauben in jenem Wahlkreise (Kosel-Gr.-Strehlitz) nicht mehr reifen und zu sauer sind." Grundbesitzerwerb der Polen . Nach einer Mitteilung des.Osten" sind seit dem lt. April, also in fünf Monaten, bOOOO Morgen Land im Werte von 17—18 Mill. Mark in polnischen Besitz übergegangen. Darunter befinden sich 22 große Güter, die sich auf die 4 Ostprovinzen ziemlich gleichmäßig verteilen, mit im ganzen 36 000 Morgen. Von den 49 großen Bauerngütern von 80 bis 800 Morgen entfallen je 17 auf West- preußen und Posen; es sind zusammen 13700 Morgen. Der Rest besteht aus kleinen Gütern und Parzellen. Freifinnige Sozialpolitik. Ein Teil der Wähler der Fortschrittlichen BolkSpartei besteht leider noch immer aus Arbeitern. Das trifft besonders in jenen Gegenden zu, wo die gewerkschaftliche Organisation noch nicht Ein- gang gefunden hat. Der Kapitalismus bläut aber auch ihnen sozio- listische Lektionen ein. Auf dem Bezirkstag der Fortschrittlichen Volkspartei in Nord- Hausen stellten die freisinnigen Arbeiter deS Wippertales(Wahlkreis Nordhausen ) Forderungen, die zwar den Drang nach Besserstellung bekunden, aber keine feste, bestimmte Normierung darstellen. Die Leute sind nicht klar über das, was sie fordern und so machen sie eS ihren freisinnigen Führern leicht, den Antrag, der als Material der Fraktion der Fortschrittlichen Volkspariei überwiesen wurde, ab- zumurksen. Erst wenn diese freisinnigen Arbeiter zu klarer Er- kenntnis kommen, werden sie finden, daß mit solch unklaren Forderungen nichts auszurichten ist. Der Antrag lautet: Die fortschrittlichen Abgeordneten werden ersucht, in nach- folgendem Sinne sozialpolitisch zu wirken: 1. Festsetzung eines auskömmlichen ortsüblichen TagelohnS, der in der Landwirtschaft, in Fabriken usw. auch ordnungsmäßig ausgezahlt werden muß. 2. Bessere Aussicht in den Fabriken und anderen Betrieben. Ordnungsmäßige Behandlung der Arbeiter und Arbeiterinnen. 3. Vergebung der staatlichen und kommunalen Arbeiten nur an solche Unternehmer, welche Gewähr leisten, daß sie so viel wie möglich nur inländische Arbeiter beschäftigen und auskömmliche Löhne zahlen. 4. Keine Ausbeutung der Arveiter durch die Untemehmer durch Ueberbürdung der Arbeitskraft. ö. Besteuerung der ausländischen Arbeiter resp. der Unter- nehmer, welche ausländische Arbeiter beschäftigen. 6. Bessere Regelung und Beschränkung der Kinderarbeit. 7. Bezeichnung der Waren, ob Fabrik» oder Handarbeit. Haupt- sächlich in der Textilindustrie. Wa« heißt heute»Festsetzung eine» auskömmlichen ortsüblichen TagelohneS, der in der Landwirtschaft, in Fabriken usw. auch ordnungsmäßig ausgezahlt werden muß?" Soll die Regierung nach dem Muster für die Verpflegungssätze der Krankenversicherung die ortsüblichen Löhne diktieren? Wenn man schon Minimallöhne will, dann können eS doch nur die sein, die von beruflichen Organisationen festgesetzt sind. Die Antrag- steller rekrutieren sich zum großen Teile auS Textil- arbeitern und Kaliarbeitern. Diese sollten sich ihren Gewerk- schaffen anschließen, dann würden sie bald solche undefinier- baren Anträge fallen lassen und, gestützt auf ihre Organisation, be- stimmt formulierte Forderungen stellen können. DaS gilt sowohl für die in Fabriken, wie auch in der Hausindustrie der Textilbranche Tätigen. UebrigenS. wie kann man die Erfüllung solcher Forderungen von den Freisinnigen verlangen, denen in wirtschaftlichen Dingen jede Einrichtung deS Staates ein Greuel ist, wo bliebe denn der Grundsatz des„laisso? faire". Glauben denn die Antragsteller wirk- lich, die fteisinnigen Führer würden sich in sozialpolitische Experimente einlassen, mit denen sie ihre Hauptgefolgschaft— die keine gesetzlichen Beschränkungen will— vor den Kopf stoßen? Da müßte der Druck schon sehr stark sein. Und das ist er nicht, denn die Arbeitergefolgschast de» Freisinns ist nicht so groß, als baß sie ein Machtwort sprechen könnte. Die sozialpolitischen Forderungen der Sozialdemokratie hat der Freisinn bisher nur der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, in geringem Maße unterstützt, um nur vor ihren Arbeiteranhängern renommieren zu können: Seht, wir find auch für Sozialpolitik! Zum größten Teil sind noch immer die Freisinnigen bezw. Fortschrittler der entschiedenste Gegner wirklich sozialpolitischer Forderungen._ Polizeiinspektor Schubert rektifiziert. Am 6. August hatte der Polizeiinspektor Schubert in Eisleben als stellvertretender Amtsanwalt in einer Berufunassache die Aeuße- rung getan,- die Sozialdemokratie betrachte den Eid nur als leeren Wortschwall, weöhalb er auch die Parteigenössischen Zeugen für unglaubwürdig halte. Eine überaus stark besuchte Versammlung protestierte gegen die Anmaßung und beschloß, den Justizminister von dem Vorgang in Kenntnis zu setzen sowie zu veranlassen, daß der Herr nicht mehr in seinem Amte fungiere. Jetzt»st nun vom Oberstaatsanwalt in Naumburg als Beauftragten de» Justiz- minister« die Beschwerdeantwort zurückgekommen. Hierin wird der Vorgang alS ziemlich harmlos hingestellt, aber zugestanden, daß die Schubertsche Aeußerung nicht angebracht gewesen sei. Er solle des- halb dieser entsprechend instruiert«erden. Also doch! SS ist wenigstens etivaS._ Aus der Hamburger Bürgerschaft. In der ersten Sitzung nach den Ferien, am Mittwochabend, liefen mehrere Anträge ein, welche die Einleitung geeigneter Schritte zur Beseitigung der Fleifchnot und Ver- billigung des Fleisches bezw. Aufhebung der Grenzsperre unv Lebensmittelzölle verlangen. Ein weiterer Antrag forderte, daß die Quarantäne und Tuberkulin- impfung für aus Dänemark eingeführtes Schlachtvieh aufgehoben und dafür angeordnet werde, daß diese» Vieh unter den erforder- lichen Vorsichtsmaßregeln direkt auf die Schlachthöfe zur alsbaldi- gen Abfchlachtung überführt werde. Die Anfrage gelangen in einer ded nächsten Sitzungen zur Verhandlung. Da die neue Beamtengehaltsvorlage im Schöße der Kommission ruht und noch geraume Zeit vergehen dürfte, bis die Sache an das Plenum zurück gelangt, beantragte der Senat, bis zur definitiven Regelung, allen Beamten und Angestellten mit einem Jahresgehalt von weniger als 3000 M. eine jährliche Ge- Haltszulage von 100 M. zu gewähren. Auf Antrag der Linkslibe- ralen wurde die Grenze auf 4000 M. festgesetzt und mit dieser Modifikation der Antrag angenommen. Obwohl schon früher die Bürgerschaft sich gegen die Vor« schulen zu den höheren Schulen ausgesprochen hat, be- antragte der Senat den Bau einer neuen Realschule mit Vor- schule. Die Linke wandte sich entschieden gegen den Antrag, während der Vertreter der Patrizierpartei die Abneigung dieser auf Demolratisterung des Schulwesens abzielende Beseitigung der Vorschulen in vie Worte kleidete:„Nach meinem Geschmack ist es nicht gut, die Eltern zu zwingen, ihre Kinder in die Volksschule zu schicken, wenn sie sie dorthin gar nicht haben wollen." Mit 63 gegen 60 Stimmen wurde die Realschule ohne Vorschule bewilligt, doch Hat noch eine zweite Lesung stattzufinoen. Oberbürgermeister Cuno, der bisherige Vertreter de» ReichStagSwahlkreiseS Hagen- Schwelm , will bei der nächsten Reichstagswahl nicht wieder kandidieren. Sein Rücktritt von der Kandidatur wird damit be- gründet, seine halbamtliche Tätigkeit ermögliche ihm nicht eine uneingeschränkte Wahrnehmung des Mandats. Amtsmüde. Der Oberpräsident der Provinz Pommern, streiherr V. Maltzahn-Gültz, wird am 1. April auS seinem Amte scheiden. Der Mann hat in der letzten Zeit bekanntlich dadurch von sich reden gemacht, daß er die Behauptung aufstellte, die deutsche Presse werde zum größten Teil von jungen Leuten re- digiert, die noch nicht einmal hinter den Ohren trocken seien. Sonst ist Wissenswertes über ihn nicht bekannt. Oeftemich. Parlamentarisches. Wien , 22. September. Im heutigen, unter dem Vorsitz des Grafen Aehrenthal abgehaltenen gemeinsamen Ministerrat wurde beschlossen, die Delegationen am 12. Oktober zusammentreten zu lassen. Sie werden, wie verlautet, ein begrenztes Arbeitsprogramm haben, doch wird Graf Aehrenthal in derselben ein ausführliches Expos« geben, welche» einen Einblick in die politischen Ereignisse der letzten Zeit geben wird. Der Böhmische Landtag wurde für den 30. September ein». berufen. fi-ankmcft. Die Regierung deS ehemaligen Sozialisten. Ein Telegramm aus Paris meldet: Die Direktion der West- bahn hat entsprechend dem Beschluß des DiSzipliinarausschusseS den Syndikatssekretär Renault aus dem Dienst ent» lassen. Dieser erhob gegen seine Entlassung Einspruch und ver. weigevte die Annahme des ihm angebotenen RestgeHalteS. Das Syndikat der Eisenbahnangestellten beschloß, in den nächsten Tagen große Protestversammlungen zu veranstalten. Renault ist der Verfasser einer Broschüre:„Der Syndikalismus auf den Eisenbahnen", in der er unter anderem ausführt, daß als letzte Waffen den Eisenbahnern nichts anderes übrig bleibe gegen die Ausbeutung und Bedrückung, als der Stveik. Wegen dieses „Verbrechens" hat ihn die staatliche Eisenbahnverwaltung vor das Disziplinargericht gestellt. Hier fielen zehn Stimmen gegen die Dienstentlassung, zehn dafür, die Stimme des Präsidenten ent- schied für. Die„Humanitt" schrieb, als die Anklage erhöben wurde: Die privaten Eisenbahngefellschaften lauern nur auf da» Beispiel des Staates und werden, im Falle man Hand an den Führer der Eisen- bahner legt, mit doppelter Brutalität vorgehen. Die Regierung deS Herrn Briand weiß genau, daß die Stim- mung unter den Eisenbahnern aufs äußerste erregt ist, und daß diese Matzregelung deS beliebten Führer» leicht den Stein ins Rollen bringen kann. Herr Briand will offenbar der Bourgeoisie sich als der„Mann- der starken Hand" anpreisen und es auf die Kraftprobe ankommen lassen. ES kann leicht die Welt das Schau- spiel erleben, wie der ehemalige rrrevolutionäre Sozialist auf die Arbeiter schießen läßt. Sclwecleti. Die ersten Sozialdemokraten in der Ersten Kammer. Das Landsthing von Gäflcborgslän hatte am Dienstag die Wahlen zur Ersten Kammer zu vollziehen und S Abgeordnete zu wählen. Gewählt wurden zwei Sozialdemokraten, nämlich der Ge- nosse Ernst Blomberg, der bereits Mitglied der Zweiten Kammer des Reichstag»»st, und Genosse I. O. Oedlund, Vorsteher der Ge- nossenschaftsbäckerej in Gäfle; außerdem zwei Liberale und zwei Moderate oder Konservative. Bei der Wahl kamen nur zwei Parteibezeichnungen vor: die„Freisinnigen" und die„Moderaten". Die Sozialdemokraten stimmten unter moderater Parteibezeich« nung. Da» war ein Coup, durch den eS ihnen bei dem propor- tionalen Wahlsystem möglich wurde, statt ein«» zwei Genossen in die Kammer zu bringen. Sie hatten vor der Wahl versucht, ein ehrliches Wahlbündnis mit den Liberalen abzuschließen und wollten diesen drei Mandate zukommen lassen unter der Bedingung, daß ein wirklich zuverlässiger liberaler Mann darunter sein sollte, sich selbst aber mit einem Mandat begnügen. Aber die Liberalen von Gäflciborg sind mehr antisozialistisch al» liberal gesinnt und lehnten das ab. Mit den Moderaten hatten unsere Genossen keinerlei Ab- machungen getroffen, sie haben ihnen aber durch die unevlvartete Uebernahme ihrer Partetbezeichnung einen Streich gespielt, der der Sozialdemokratie ein Mandat brachte, als sie nach der Zahl ihrer Landsthingsvertreter erhalten konnte. Japan . Die NnSschlachtung der„Berschwörung". An» London werden weitere Einzelheiten über die verschwä- mng gemeldet: Der Kaiser sollte ermordet werden im Laufe eine» Besuche» der Militärschule, die sich in einem Vorort von Tokio befindet. Man ist überrascht, daß man der japanischen Presse die Veroffent- lichung einer derartigen Nachricht gestaltet hat, weil bisher solche Veröffentlichungen in der Presse streng unterdrückt wurden. Worauf es ankommt, sieht man au» der Auslassung des„Daily Expreß ":„Die Japaner"— heißt es da~„haben von�jeher dem Mikado große Verehrung und Treue entgegengebracht. Seine Person war rhnen geheiligt, da sie als Verkörperung Japan ? galt. Di« Nachricht von einer Verschwörung gegen sein Leben muß daher um so seltsamer erscheinen. Nur Japaner, die«narchi- stische Bestrebungen Europas kennen gelernt baden, können die Urheber des verwerflichen Planes fein." Man sieht, man hat dt« Nachricht nicht umsonst in die Press« ebracht: es gilt, gegen die„Anarchisten" und natürlich auch gegen ie Arbeiterbewegung scharf zu machen.
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