Einzelbild herunterladen
 

Kr. 233. 27. Jahrgang. 1. MlP des Jotin W Serlim öallisliliitt. km>«g, 23. Zeplmbn 1910. Parteitag der deutschen Sozial- demoiiratie zu Magdeburg . Dritter Verhandlungstag. Infolge der Ausdehnung der Mittwochsitzung bis in die späten Nachtstunden waren wir gezwungen, den Schluß der Sitzung in stark verkürzter Form zu geben. Wir holen daher vom Schluß- wort des Genossen Dr. Frank ab den Bericht nach. Dr. Frank: Genosse Antrick hat mir mitgeteilt, daß er nicht zu den- jenigen gehört habe, die persönliche Angriffe gegen die badische LandtagSfraktion gerichtet hätten. Ich nehme deshalb gern Ge° legenhcit, hier zu erklären, daß meine Ausführungen über ihn nidst zutreffen. Ich freue mich, daß er Wert darauf legt, daß das hier konstatiert wird. Stadthagen hat in einer persönlichen Be- merkung seine Ausführungen im wesentlichen zugegeben. Er hat mitgeteilt, daß er tatsächlich von dem Benehmen der badischen Landtagsfraktion gesagt habe, sie sei nicht sozialdemokratisch, son dern bündisch. Er hat mit der Beweiskraft und Ueberzeugungs kraft, die ihm innewohnt, dann ausgeführt, er habe mit dem Wort .hündisch" etwas anderes sagen wollen.(Stadthagen : Nein, neinl) Er sei bereit, es dahin zu ändern, daß er sage, natio- nalliberal oder kompliziert. Genosse Stadthagen , Sie dürfen die Versicherung von uns annehmen, die Empfindung, die wir über Sie, über Ihre Erklärung und Ihre Rede haben, reicht an Empörung nicht heran. Es kann sein, daß unsere Gründe nicht neu waren, aber wir legen mehr Wert auf Wahrheit als auf Neuheit. Im übrigen haben wir doch auch Neues vorgebracht. In Nürnberg beriefen wir uns auf den Inhalt einzelner Budgctposten, namentlich auf die Erhöhung der Arbeiterlöhne und der Beamtengehälter. Dies- mal gaben wir die politische Situation als Grund an. Das sind, wie Bebel zugeben wird, verschiedene Dinge. Ich freue mich darüber, daß Bebel im Gegensatz zu so vielen Rednern von gestern und heute in seinem Schlußwort gezeigt hat, in wie vielen großen Fragen ivir im Grunde e i n i g s i n d. Er hat erklärt, daß er die Bedeutung der kleinen Konzcssionen nicht unterschätzt. Mit uns ist er der Mei- nung, daß zu Unrecht der Sozialdemokratie Ne- gation vorgeworfen wird. ES kommt der Zeitpunkt, wo sich durch das Wachstum einer Partei neue Pflichten ergeben, wenn wir infolge unserer Größe die Macht haben, die von uns kritisierten Zustände zu ändern und zu bessern. Wann dieser Zeit- punkt gekommen ist, darüber können wir uns in Ruhe und Kamerad. schaftlichkeit unterhalten. Bebel hat auch noch einmal die m on a r- chische Frage gestreift, und ich freue mich ausrichtig, daß sein Kaiserkandidat Prinz Ludwig von Bayern noch nicht alle Hoffnung aufzugeben braucht.(Heiterkeit.) Ich bitte aber, uns Badenser nicht zu benachteiligen und, damit es wenigstens zur Stichwahl kommt, auch den badischen Thronfolger Prinz Max zu berücksich- tigen.(Große Heiterkeit.) Denn der hat sich auch für ein besseres Wahlrecht ausgesprochen, ist für Berücksichtigung der unteren Klassen eingetreten und hat sich sozialer er- wiesen als Zentrum und Liberale, aber diese Dinge sind nicht so unbedingt aktuell, daß wir wegen dieser Alternative uns gegenseitig Unannehmlichkeiten zu sagen brauchten.(Heiter- keit.) Ich freue mich weiter darüber, daß Bebel die Nürnberger Resolution nicht auf die Gemeinden ausdehnen will. Nur gab er eine falsche Begründung für eine richtige Taktik. Sind die Gemeinden wirklich nur ein Anhängsel des Klassenstaates, wäre es für uns ein doppelter und dreifacher Grund, ihre Etats abzulehnen. (Sehr richtig! bei den Süddeutschen.) Es gibt übrigens große Blätter, die in der Gemeindefrage anders denken als Grosse Bebel. DieLeipziger V o l k s z e i t u ng" zum Beispiel. Neulich erfuhr ich von einem charakteristischen Fall aus der nächsten Nähe von Berlin , wo man doch nicht mehr nötig hat, Studien zu machen.(Heiterkeit.) In Werder erwies sich die Not- wendigkeit, für ein Organ des Klassenstaates, den Polizeidiener, eine neue Hose anzuschaffen(Heiterkeit), wofür 6 M. ge­fordert wurden.(Erneute Heiterkeit.) Und die braven Genossen, die in diesem Rathaus tätig sind(Ledebour: Das ist ja ein Hohn auf diese Debatten!) Lassen Sie mich doch aussprechen! die braven Genossen also haben die 6 M., natürlich mit schwerem Herzen, bewilligt und der Polizeidiener hat die neue Hose bekommen. Und nun das prinzipielle Nachspiel, Genosse Ledebour . Im Wahlverein sagten die Genoffen, Ihr habt gegen die Nürn- berger Resolution verstoßen. Sie sehen, zu welchen Konsequenzen wir kommen, wenn wir uns an den Wortlaut halten, und man sieht, daß die Aufklärung über diese Frage doch nicht ganz so gegenstandslcs ist. In Dänemark können unsere Genossen nicht den gewaltig feierlichen Akt der Ablehnung des Budgets durchführen, weil es nämlich dort gar keine Gesamtabstimmung gibt. In England nehmen sie es an, in B e l g i e n werden sie es wahrscheinlich annehmen, wenn sie mit den Liberalen die Mehr- heit haben, in Oe st erreich lehnen sie es ab, aber sie stimmen für die Dringlichkeit, damit die anderen es annehmen können.(Hört! hört! bei den Süddeutschen.) Nachher schicken sie dann eine schön marxistische Begründung. Ja der Adler, der fehlt uns.(Heiterkeit und Zustimmung.) In der Schweiz , die Bebel doch so gut kennt, stimmen die ganz be° sonders radikalen Berner Genossen für das Budget.(Hört! hört!) Bebel hat jetzt erwähnt,, daß wir, um die Caprivischen Handels- Verträge zu retten, für die in ihnen enthaltenen Zollsätze gestimmt haben, ohne damit unsere prinzipielle Haltung gegenüber den ganzen Zöllen aufzugeben. So haben wir die Verbesserungen des Klasscnwahlrechts in den Gemeinden akzeptiert, ohne darum auf unsere Forderung des allgemeinen, gleichen Wahlrechts zu verzichten. Die erdrückende Mehrheit ge- rade der geordneten Vertretung unserer Genossen hat sich in Baden auf unsere Seite gestellt und das waren die Ge- nossen, die die Verhältnisse kennen, die am eigenen Leibe erfahren werden, ob unsere Politik aufwärts oder abwärts in den Sumpf führt.(Sehr gut! bei den Süddeutschen.) Bebel meint, wir oürfen das nicht überschätzen, denn wir hätten in Baden d i e Presse zur Verfügung. Da kann man erwidern: in Berlin werden Hunderttausende allein durch denVorwärts" über unsere Parteiverhältnisse orientiert. Wenn Bebel glaubt, die Badener Arbeiter dadurch umzustimmen, daß er nach Baden kommt, unterschätzt er ihre Urteilsfähigkeit.(Sehr richtig! bei den Süddeutschen.) In Berlin hat einmal über dieselben Partei- streitfragen eine Versammlung mit 5000 Zuhörern einem der Jungen ich glaube es war Bruno Wille zugejubelt, und dann hat eine andere Versammlung mit 6000 Teilnehmern Bebel zugeiubelt.(Bebel ruft: Da war aber Wille dabei!) Im stillen Kämmerlein wird auch der Radikalste zugeben, daß es nicht an den Personen, sondern an den Verhältnissen liegt, wenn die Süddeutschen mit solcher Einmütigkeit anderer Meinung sind, als Sie.(Ruf bei den Norddeutschen: Die Ein- mütigkeit ist ja gar nicht vorhanden!) In Baden erkennen selbst die Gegner der Budgetbewilligung im übrigen die Haltung der Fraktion an. Q u a r ck wirft uns ungenügende Agitation gegen- über der Gemeinde- und Städteordnung vor. Nach meiner Meinung ist diese Agitation energisch, planmäßig und erfolgreich betrieben worden. Was würde man sagen, wenn wir den preußischen Ge- nossen ihre Agitation vorschreiben wollten? Wer solche Rüffel erteilt, wie Genosse Quarck, der muß erst den BefähigungS- (Nachweis dafür erbringen, daß er selbst die rich- tige Taktik einzuhalten weiß.(Sehr gut! bei den Süddeutschen.) Von den Bemerkungen Lehmanns will ich nur einen Punkt hervorheben, damit nicht morgen schon in der Zen- trumspresse daraus eine Kette von Verleumdungen erwächst. Er ist das Opfer eines boshaften Klatsches geworden, wenn er be- hauptet, es sei schon ausgemacht gewesen, daß die Nationalliberalen später die Budgetablehnung rechtfertigen würden. Dies zu sagen halte ich mich von dieser Stelle aus, auch den Gegnern gegenüber für verpflichtet.(Sehr richtig! bei den Badensern.) Es liegt uns wahrlich fern, unsere Erfolge heraus- zustrcichen. Wir befinden uns infolge der Debatten in der Zwangs- läge, diese Sachen vorzutragen und wir haben uns auf das Rot- wendigste beschränkt. Das Grotzblockabkommen bei den Wahlen ist von keiner Seite bemängelt worden. Für den Reichstag existiert diese Frage ja nicht. Bebel hat der Meinung Ausdruck gegeben, es können Fälle eintreten, wo trotz der Nürnberger Resolution eine Fraktion gezwungen ist, sich der Stimme zu enthalten, weil sie glaubt, daß sie sonst die Interessen der Partei schädigt. Ich nehme gern Kenntnis davon, daß Bebel zugibt, es kann zwingende Fälle geben, in denen man das Bekenntnis zum Kampf gegen den Klassenstaat, wie es in der Budgetverweigerung liegt, nicht zum Ausdruck bringt.(Sehr gut! bei den Süddeutschen.) Es ist natürlich auf aller Lippen die Frage, was soll ge- schehen, wie soll die Lösung der Dinge sein? Da will ich vor allem an die Spitze setzen das eine, daß in der ganzen Debatte gestern und heute weder vom Korreferenten, noch von einem Dis- kussionsredner, weder versteckt noch offen eine Dro- hung ausgesprochen ist(sehr wahr! bei den Süddeutschen), und wenn We st meyer hierher gekommen ist in der Absicht, gegen Drohungen zu polemisieren, dann hat er sich an die falsche Adresse gewandt.(Zuruf: Ouessel hat gedroht.) Wenn Sie aus den s a n f- ten Worten von Ouessel eine Drohung herausgehört haben (Heiterkeit), dann sind Sie wirklich viel sensibler als wir Süd- deutschen alle. Von einer Seite habe ich allerdings eine Drohung gehört, ich nehme an, daß Westmeyer ein treuer Leser derNeuen Zeit" ist, und dort hat der Pfeil-Artikler allerdings davon geredet, daß man vom Gesamt st amm der Partei einen Zweig loslösen müsse.(Hört, hört! bei den Süddeutschen.) Das wird wohl Westmeyer vorgeschwebt haben. Wir dagegen halten es für selbstverständlich, daß die verantwortlichen Personen in der Partei alles t u n w e r d e nt, um zu vermeiden, daß unsere herrliche Bewegung solche Rückschläge erleidet.(Leb- hafter Beifall.) Nun ist nur ein Weg gezeigt, der eventuell mal zum Frieden führen könnte und der sicher auch jeßt sofort den Waffenstillstand gewährleistet hätte. Das war der Vorschlag auf Einsetzung einer Kommission. Man hat den Vorschlag verlacht, aber die Debatte hat soviel Beweise dafür erbracht, daß noch keine Klarheit über diese Dinge herrscht, daß ich mit Spinoza sagen möchte: ignorantia non est argumentum Unwissenheit ist kein Beweismittel.(Sehr gut! bei den Süddeutschen.) Wenn Bebel meint, wir können doch nicht jetzt nach 16 Jahren erst an die Untersuchung der Frage herantreten, dann sage ich: Sie haben heute ein Beispiel aus dem Leben gehabt, aus dem hervorgeht, daß die nächstliegenden Dinge am leichtesten zu übersehen wären. Sie haben gesagt, daß der Inhalt der Äer- fassungen der Staaten nicht allen Genossen bekannt ist. Haben wir es nicht erleben müssen, daß 208 Genossen über die Verfassung der eigenen Partei im Unklaren sind(sehr gut! bei den Südd.), haben wir nicht gesehen, daß die, die uns über die Pflichten der Disziplin belehren wollen, selbst mit einem Antrag gekommen sind, der mit de? Pflichten der Disziplin, wie wir sie verstehen, nicht in Einklang zu bringen ist.(Erneutes sehr gut! bei den Südd.) Bebel hat Ihnen das viel besser und klarer bewiesen, als ich es tun könnte.(D i t t- mann: Er hat es nicht bewiesen.) Ja, Dittmann, wenn Sie nicht durch Bebel zu überzeugen sind, durch mich lassen Sie sich nicht überzeugen.(Heiterkeit.) Aber ich nehme dann wenigstens an, daß Sie, ohne überzeugt zu sein, im Sinne von Bebel stimmen werden.(Große Heiterkeit.) H a a s e hat erklärt, es werde Ein- druck machen, daß feststeht, wieviel Genossen im voraus diesen An- trag unterschrieben haben. Da muß ich doch feststellen, daß der weitaus größte Teil der Unterschriften unter dem Antrag stand, bevor Bebel als Vertreter der Anklage und bevor einer der badischen Genossen zu seiner Verteidigung das Wort bekommen hat.(Sehr richtig! bei den Südd.) Nun frage ich Sie, es waren ja, glaube ich, mit Ausnahme von mir, alle Parteijuristen unter diesem Antrag.(Heine: Ich nicht! Heiterkeit.) Nein, Sie kommen nicht in diesen Verdacht.(Heiterkeit.) Was würden Sic von einem bürgerlichen Richterkollegium halten, das in den Gerichtssaal kommt, nicht bloß mit einem fertigen, sondern auch mit einem formell unterschriebenen Urteil?(Große Unruhe bei der Mehrheit. Ledebour ruft: Lag etwa die Resolution Bebel nicht vor?) Was würden Sie davon halten, wenn der geist- volle Begründer dieses Antrages zugeben müßte, daß der Dolus eventualis eine Rolle gespielt habe. Wenn Sie einen der Süd- deutschen gefragt hätten, bevor Sie Ihren Antrag unterzeichnet haben, dann hätte er förmlich Sie angebettelt, Sie sollten ihn unterschreiben, weil nach außenhin nichts die Situation so beleuchtet, als wie die Tatsache, daß ein großer Teil des Parteitages, ohne die Angeklagten zu hören, das schärfste Urteil über sie ausspricht.(Lebhafte Zustimmung bei den Süddeutschen.) Sie haben sich jetzt bei dem Rückzug, den der Ge» nosse Haase zu decken'»ersuchte(Haase: Es war doch kein Rückzug!), es war ein Rückzug des Antrages, was haben Sie denn gemeint, Genosse Haase?(Heiterkeit bei den Süddeutschen. Dittmann: Wir können den Antrag ja wieder aufnehmen! Beifall.) Ich weiß, daß Sie den Antrag wieder einbringen können. lDittmann: Provozieren Sie doch nicht!) Soll denn die ganze Tätigkeit auf dem Parteitage darin bestehen, imß Sie in Situa­tionen, wo«die Parteigenossen einig sind, dann wieder alt« Anträge einbringen.(Große Unruhe. Zuruf: Wir haben den Antrag eben nur aus Disziplin zurückgezogen.) Wenn Sie sich dadurch provoziert fühlen, daß ich in schlichter, einfacher Weise die Tat- fachen erzähle, dann kann ich Ihnen allerdings nicht helfen. Haase hat sich darauf zurückgezogen, daß ja der Parteivorstand mit der Tendenz des Antrages einverstanden sei. Was will denn das besagen? Glauben Sie, daß es in der Welt jemals eine Situation gibt, die genau der anderen gleich ist. Glau- ben Sie, daß eine Budgetabstimmung von heute unbedingt der iis zwei Jahren gleichen muß.(Dittmann: Hört! hört!) Ach, Dittmann. Sie klammern sich in Ihrer rein äußerlichen Auffassung der Dinge an die Frag«, ob ein ja oder ein nein ertönt. Was jetzt die Lage nach Zurückziehung des Amendements entscheidet, das ist die Tatsache, daß die Genossen, die das Unglück haben, in den Land- tagen zu sitzen, wieder unter dem gleichen Recht stehen, wie die an- deren Parteigenossen. Stellen Sie sich die Verhältnisse vor, wenn Ihr genialer Zusatzantrag angenommen würde. Die statutari- schen Bestimmungen würden zur Farce herabgewürdigt.(Beifall bei den Süddeutschen.) Die klugen Genossen, die den Antrag zurück- gezogen haben und die damit die Abgeordneten wieder auf den Boden des allgemeinen Parteirechts gestellt haben, haben sich das Verdienst erworben, daß sie die Partei vor einer Bla- magc bewahrt haben.(Lebhafter Beifall bei der Minder- heit, Gelächter bei der Mehrheit.) Wir wollen Recht und keine Gnade. Wir denken wie jene Frau, die wegen Holzdiebstahls vor den Amtmann geführt wurde. Der sagte: Ich will Dich nicht be- strafen, aber das nächste Mal kostet es 5 Rubel. Nichts da, sagte die Frau, ich stehle mei Holz und zahle mei Straf'.(Heiterkeit und Unruhe. Dittmann ruft: Was soll das heißen?) Das soll Ihnen deweisen, daß Sie nicht sagen sollen, wir haben die. Leute diesmal geschont, sie hätten eigentlich hinausgeworfen werden müssen. Wir wollen, daß Sie uns recht geben.(Große Unruhe bei der Mehrheit.) Wir wollen, daß Sie uns Recht sprechen, will ich sagen, das erste war natürlich au(richtiger ge meint. Im Verlaufe seiner Ausführungen hat Haase in seiner liebens- würdigen bestrickenden Art uns gesagt, man habe auf eine Er- klärung von unserer Seite gewartet. Ich habe mit meinen Freunden nicht darüber geredet. Vielleicht wären sie Haases Liebenswürdigkeit erlegen, wenn ihnen Haase nicht mit der gezückten Resolution der 200 entgegengetreten wäre. Von diesem Augenblick an war eine solche Erklärung natürlich eine Unmög- lichkeit. Heute sage ich Ihnen im Namen der Süddeutschen: Selbst- redend haben wir das allergrößte Interesse an der Einigkeit und Geschlossenheit der Partei.(Beifall.) Wir werben in dieser Nich- tung das unferige tun, aber keiner von uns kann Ihnen heute er- klären, was geschehen wird in den Bndgctabstinimunge» der nächste» Jahre. Das ist eine Frage der Verhältnisse.(Große Unruhe.) Das ist die Erklärung, die ich Ihnen ab zugeben habe. Ich hoffe, daß die Genossen, denen es ernst ist mit der Einigkeit der Partei, nunmehr zur Arbeit gegen den Feind über­gehen!(Lebhafter Beifall bei den Süddeutschen.) Haase- Königsberg(zur Geschäftsordnung): Ich beantrage, die Abstimmung auf niorgen früh zu vertagen. Frank hat sein Schlußwort zu Angriffen auf Zubeil und andere benutzt. Diesen muß Gelegenheit zur BeratungüberdieSchritte zur Nichtig st ellung gegeben werden. Mit Einlvilligung des Parteitages gibt Vorsitzender Dies dem österreichischen Genossen Schrammet das Wort zu einer Rich- tigstellung. Schrammet: Wir haben, wenn wir für die Dringlichkeit des Budgets gestimmt haben, nur für die Vornahme der Abstimmung, aber nicht für das Budget selbst gestimmt. Im österreichischen Reichsrat wird das Budget, so wie bei Ihnen, in drei Lesungen verhandelt. Die dritte Lesung des Budgets kann aber nur dann sofort nach Erledigung der zweiten Lesung vorgenommen werden, wenn für die sofortige Vornahme der dritten Lesung eine Zwei« drittelmehrheit vorhanden ist. Es ist also selbstverständlich, daß wir nur für sofortige Verhandlung gestimmt haben, das ij� etwas ganz anderes, als für das Budget zu stimm«». Ich erkläre! bei dieser Gelegenheit, daß die Genossen ganz beruhigt sein können über unsere Haltung im österreichischen Parlament(Zurufe: DaS sind wir auch!), daß wir auf keinen Fall für ein Budget stimmen würden, ohne die Zustimmung unserer Genossen im Reiche zu. haben. Wir werden nicht selbständig handeln, sondern unS immeck den Beschlüssen der Gesamtheit fügen, die für die Angelegenheit ge- faßt worden sind.(Beifall.) Persönliche Bemerkungen. PeuS- Dessau: Bebel hat heute aus einer Nummer deö Volksblatts für Anhalt" eine Aeußerung von mir entnommen, in der ich anerkenne, daß auch die Demokratische Vereinigung für die Arbeiter eintritt, wenn man es im weitesten Sinne des Wortes faßt. Gerade Bebel selbst hat übrigens den Dr. Breit» scheid sehr herausgestrichen, und man hat sich in mehreren Wahl« kreisen und in Berlin selbst die Wahlhilfe von Breitscheid sehr gern gefallen lassen. Ich habe im Volksblatt so gut wie in Branden- bürg erklärt, daß ich einen Block von Bebel bis Bassermann für Blödsinn halte. Bebel hat dann seiner Meinung für mich als Kandidaten für Brandcnburg-Wosthavelland Ausdruck gegeben. Bebel mag mancher Kandidat nicht gefallen. Vorsitzender Dich: Das geht uns gar nichts an, ob dem oder jenem die oder jene Kandidatur gefällt oder nicht. Pens(fortfahrend) Wenn in meinem Wahlkreise nach meiner offiziell aufgestellten Kandidatur ein Genosse sick herausnehmen würde, öffentlich so über mich zu sprechen, wie Bebel das getan bat, so würde das im Wahlkreise als g r o b e T i s z i p l i n l o s i g» keit empfunden werden.(Zustimmung und Widerspruch.) Vor» läufig haben nur die Wahlkreise über die Kandidatur zu entscheiden. e b e l: Sehr richtig!) Und ich habe viel zu großen Respekt vor der Demokratie der Sozialdemokratie(Sehr gut! und Wider- spruch.), als daß ich annehmen könnte, daß die Aeuherungen Bebels irgendwelchen Erfolg haben könnten auf die Stimmung des Wahlkreises, in dem ich seit 20 Jahren arbeite und seit vier- zehn Jahren kandidiere. Braun- Königsberg: Ich weiß nicht, ob ich zur Kategorie der Dummen oder der Schlauen unter den Unterzeichnern der Reso- lution 94 gehöre. Ich möchte ja sonst lieber in die Kategorie der Schlauen eingereiht werden, aber in diesem Zusammenhange muß ich dieses Kompliment als sehr zweifelhaft mit allem Nachdruck ablehnen. Zählt B e b el mich auch zu denen, die die Leimrute ausgelegt haben?(Vorsitzender: Erkundigen Sie sich doch bei Bebel privatim! Große Heiterkeit!) Hätte es Bebel privatim gesagt, hätte ich ihm privatim meine Meinung gesagt und so muß ich auf öffentliche Richtigstellung dringen. Ich kann in meinem und in Katzensteins Namen erklären, daß wir nicht im entfernte st en daran denken, uns etwa mit unserem Vorschlage in Gegensatz zum Vorstand __ u stellen oder die Entscheidung zu verschleppen. Ich will viel- mehr über die Vorstandsresolution hinausgehen und in Zukunft solchen Debatten vorbeugen. Die Auseinandersetzungen werden selbst mit der Abstimmung über die Vorstandsresolution noch nicht beendet sein.(Rufe: Sie reden ja zur Sache!) Die Studienkom- Mission soll dafür sorgen, daß spätere Erörterungen fruchtbarer werden. Gehen Sie heute nicht darauf ein, vielleicht später ein- mal.(Beifall.) Haase-Königsberg: Frank hat den Unterzeichnern der Re- solution 93, also auch mir vorgeworfen, daß wir bereits mit einem fertigen Urteil in den Saal gekommen wären, bevor noch die Referenten ihre Ausführungen gemacht hatten. Frank muß wissen, daß diese Darstellung der Wahrheit widerspricht, und er hat diese Bemerkungen auch nur gemacht, weil er sich davon ge- wisse Wirkungen nach außen hin verspricht. Unser Antrag ist nicht anders zustande gekommen, wie der Min- derheitsantrag und die Vorstandsresolution. Für den Antrag auf Einsetzung einer Studienkommission wurden auch Unterschriften gesammelt, bevor der Gegenstand in VerHand- lung gezogen wurde.(Karl Liebknecht : Bevor wir mit dem Untcrschriftensammeln begonnen haben.) Ich kann beweisen, daß wir uns vorher nicht gebunden haben, Frank kann sich erkundigen und er wird das bestätigt finden. Unser Antrag ver- stößt nicht juristisch und technisch gegen das Organisationsstatut. Er ist der Ausspruch einer moralischen Verurtei- lung, aber er fordert keinen Ausschluß. Wir tun, was zuletzt die Nationalliberalen in Sachsen taten und sagen: Wvnn Ihr Partcitagsbeschlüsse nicht achten wollt, dann könnt Ihr Euch selbst nicht mehr als Parteigenossen betrachten. DaS ist ja das große Unglück, daß wir eine so große Anzahl von Leuten haben ich meine hier nicht unsere badischen Freunde, die immer noch Parteimitglieder bleiben, obwohl sie zur Freude der Gegner An- schauungcn propagieren, die alles andere eher alS fozialdemo- kratifch sind.(Demonstrativer Beifall, Händeklatschen. Ruf: DaS ist nicht persönlich, das ist Wiedereröffnung der Debatte!) Um seine schwache Stellung zu verdecken, hat Frank die Behauptung aufgestellt, wir hätten mit der Zurückziehung unseres Antrages einen Rückzug angetreten. Frank hat dabei übersehen, daß Bebel in der von ihm verlesenen Erklärung an uns die Bitte gerichtet hat, unseren?lntrag, der nur die moralische Ver- u r t e i l u n g ausspricht, nicht aufrecht zu erhalten, weil der ge- samt« Parteivorstand sachlich mit uns einig und derselben Mei- nung sei, und daß es in derselben Erklärung im Anschluß dar«»