it. 223. 27. Jahrgang. 2. Snltze des Jonuirts" Krlim MM Freitaz. 23. Zepteulbet!9ly. pztteilzg äer deutschen Sozial- Semoki'atie zu liiagdeburg. Vierter Berhandlungstag. Magdeburg , den 22. September. Vorsitzender Klühs eröffnet die Verhandlungen um 9f4 Uhr. Auf Ul.r Tagesordnung steht der Bericht über die parlamentarische Tätigkeit der Rcichstagsfraktion. Berichterstatter ist Abg. Noske. Ich habe nur über eine kurze Tagung des Reichstages Bericht zu erstatten. Viel Gutes können wir Ihnen über die Verhandlungen des letzten Jahres nicht mitteilem Wenn die sozialdemo- kratischen Abgeordneten vor ihren Wählern in den letzten Monaten Bericht erstattet haben, dann werden sie ohne Ausnahme erklären müssen, daß sie aus dem Reichstage fast mit ganz leeren Händen wieder heimgekommen sind. In dieser Tagungsperiode vom 30. November bis zum 10. Mai stand fortgesetzt noch die Frage der sogenannten Finanzreform im Vordergrund des Interesses. Der skandalöse Plünderungszug auf die Taschen des deutschen Volkes hat zur Folge gehabt, daß ein wahres Tohuwabohu zwischen den bürgerlichen Parteien eingerissen ist. Die Erbitterung der bürgerlichen Parteien auf- einander ist immer noch außerordentlich groß. Abgesehen von son- stigen Meinungsverschiedenheiten sind die Parteien des neuen fchwarz-blauen Blocks erbost darüber, daß von den Libe- ralen fortgesetzt die Stcuerfragen bei der Agitation in den Vordergrund des Interesses gezogen werden. Die Liberalen sind empört und wütend darüber, daß ihre Bülow--Block- Herrlichkeit ein Ende erreicht hat, und daß sie im wahren Sinne des Wortes von den Konservativen mit Fußtritten aus dem Block herausgeworfen sind. Auch wir wollen dem fchwarz-blauen Block seinen Raubzug nicht vergessen. Aber wir werden uns natürlich auch daran erinnern, daß die Liberalen bereit waren, ebenfalls 400 Millionen indirekte Steuern zu bewilligen. Auch Bülow ist mit seinem Block in den Abgrund gefallen. Neue Männer sind gekommen. Die Rück- ständigkeit der politischen Zustände ist daran sehr deutlich zu er- kennen, daß es den neuen Männern möglich war, 5 Monate ohne jede Kontrolle der Volksvertretung die Geschäfte zu führen. Selbstverständlich hat die Fraktion bei der ersten Gelegen- iheit gegen diese unhaltbaren Zustände Protest erhoben. In der bürgerlichen Presse stellt man den neuen Reichskanzler als einen weltfremden Mann hin. Aus der Entfernung sehen Weltfremdheit und Unfähigkeit einander außeroroent- lich ähnlich.(Zustimmung.) Wir wissen, daß eS bei allen Maß- nahmen des Reichskanzlers immer anders gekommen ist, als er selbst erwartet hat. Bethmann wollte abwarten, bis Beruhigung bei den bürgerlichen Parteien eingetreten sei. Deshalb hat er die Einberufung des Reichstags nach Möglichkeit verschoben. Die zur Verfügung stehende Zeit wurde dadurch aufs äußerste beschränkt. Wer einen anderen an einer freiwilligen Arbeit hindert, sollte nach dem Willen des Kaisers zu Zuchthaus verurteilt werden. Die Regierung hätte daher unmittelbar nach Zusammentritt des Reichs- tags zum Teufel gejagt werden müssen. Den bürger- lichen Parteien war das nicht unangenehm, daß der Reichstag so spät zusammentrat, weil sie dann unangenehmen Erörterungen zu- nächst noch aus dem Wege gingen. Die Fortschrittler haben im Reichstage Unzufriedenheit gezeigt wegen des späten Zusammen- tritts. Sie gebärden sich jetzt nach dem Zerschellen des Bülow- blocks radikaler als in den letzten Jahren. Daß dieser RadikaliS- muS vorhält, daß er echt ist, daran ist schwer zu glauben, wenn man sich erinnert, wie würdelos vielfach die Haltung der Fortschrittler gerade während der Dauer der Blockherrlichkeit ge- Wesen ist. An Sensationen hat es während der diesmaligen Tagung des Reichstages nahezu vollständig gefehlt. Die Finanz- resorm sollte im Zeichen der Sparsamkeit stehen. Von Sparsam- ikeit ist denn auch fortgesetzt im Reichstag geredet worden, heraus- gekommen ist aber dabei verteufelt wenig. Lediglich einzelne Kasernenbauten. Exerzierplätze und andere Dinge sind vorüber- gehend zurückgestellt worden. Sie werden aber nachkommen, und werden dann den Etat schlimmer belasten, als wenn sie in regelmäßigem bisherigen Turnus beschlossen worden wären. Da wo Sparsamkeit kleines Feuilleton. Der Laubfall. Daß gelbe und rote Blätter von Baum und Strauch fallen, daß raschelndes Laub die Erde bedeckt, dient nicht nur dazu, in poetischen Seelen wehmütige Gedanken hervorzurufen. Der Laubfall hat vielmehr sehr wichtige ökonomische Funkionen im Haushalte der Natur. Ohne weiteres leuchtet ein, daß die dürren Blätter dem Boden einen Teil der mineralischen Substanzen wieder- geben, die ihm durch das Wachstum der Pflanzen entzogen wurden. Niedere Pilze, Bakterien, Insekten und vor allem, wie Darwin gezeigt hat, die Regenwürmer Helsen dazu mit, das Laub zu Humus zu machen, der den Wurzeln Nahrung spendet. Ferner aber versorgen die wockenen Blätter den Boden mit Humusbakterien, die sie aufspeicherten, als fie noch grünes Laub waren. Der wichtigste Zweck des Laubsalles jedoch ist. den Blattknospen Licht zuzuführen, damit sich neue Blätter bilden können. Eine entlaubte Baumkrone empfängt vielleicht zwanzigmal so viel Licht als eine belaubte. Jedes Blatt hat eben eine bestimmte, begrenzte Lebensdauer, nach deren Ablauf es un- bedingt verwelkt. Würden nun die dichtstehenden Blätter zu ver« schiedenen Zeiten absallen, so käme nie so viel Licht in die Krone, daß die zukiir.fttge Laubgeneratton gedeihen könnte. Der rasche gleich- zeitige Laubfall ist demnach«ine Anpassungserscheinung. So er- erklären sich auch gewisse interessante Erscheinungen. Der Strauch Eupeetorium adenophonun behält sein Laub, wenn alles ringsum kahl ist. Der Grund für diese Ausnahme ist, daß seine Blätter zerstreut, durch große Zwischenräume getrennt sitzen, fie entziehen also kein Licht und dürfen noch sitzen bleiben. Der schnellst« T«lrgraph. Vor einigen Jahren gelang eS zwei ungarischen Ingenieuren. Anton Pollack und Joseph Virag. einen Telegrapbcnapparat zu konstruieren, der an Schnelligkeit, Sicherheit und Billigkeit alle bisher gebräuchlichen Shsteme in den Schatten stellt. Dieser Schnelltelegraph ist nämlich im stände, in einer einzigen Stunde IKCXXX) Worte zu übermitteln. Zur Bewältigung von 4600 Depeschen in einer Stunde find nur zwei Drähte und neun Beamte nötig. Während die Kosten anderer Systeme(Morse , HugHeS) sich um 100 000 M. gruppieren, verlangt der neue Apparat nur zirka 27 000 M. Es ist einleuchtend, daß die Einführung eines so wohlfeile- System« eine Revolutionicrung in der Benutzung des Telegraphen nach sich ziehen würde. Nach dem Urteil der Fachleute stellt der Schnelltelegraph den be- deutendsten Fortschritt des Telegraphenwesens fett Erfindung des Typendruckes dar. Der Kern des neuen Systems liegt, wie die Monatsschrift.Himmel und Erde' mitteilt, in einer Verbindung von Telephonie und elektrischer Photographie. Die zeitraubende Klopftätigkeit, vermittelst derer die anderen Apparate in Gang gesetzt werden, unterbleibt vollkommen. Die zu depeschierende Botschaft wird von einer Hilfskraft auf einen endlosen Papierstreifen eingelocht oder eingestanzt. Darauf wird der Apparat eingeschaltet. Der Streifen läuft mit rasender Geschwindigkeit von 70 bis 220 Buchstaben in der Sekunde an zwei Bürsten vorbei, schließt und öffnet dadurch einen geübt worden ist, ist es zum Teil zum direkten Schaden von Handel und Verkehr und nicht zuletzt auch der Arbeiter geschehen, wie zum Beispiel beim P o st e t a t, wo zum Beispiel große Beträge bei den ehemaligen Ausgaben zur Ausdehnung des Telegraphen- und Telephonnetzes abgesetzt worden sind, worunter der Verkehr leidet und eine ganz erhebliche Anzahl von Arbeitern der Telegraphen- Verwaltung auf die Straße gesetzt worden sind. Recht er- heblich gesteigert sind von der bürgerlichen Mehrheit abermals die fortlaufenden Ausgaben für Heeres- und Marinezwecke. Es kann den bürgerlichen Parteien offenbar das Heer gar nicht teuer genug werden, sie Häven es ganz be- sonders ins Herz geschlossen mit Rücksicht auf die Verwendung, die es im Lande selber gegen die arbeitende Bevölkerung finden kann. Ist doch während der Dauer des Reichstages not- wendig gewesen, mit allem Nachdruck Stellung dagegen zu nehmen, daß ein Teil des Heeres dazu Verwendung fand, die st r e i k e n d e n Mansfelder Arbeiter zu Paaren zu treiben. (Hört! Hört!) Die Idee der Verständigung zwischen den ein- zelnen Völkern über die Beschränkung der Rüstungen hat bei der Regierung nach wie vor keine Gegenliebe gefunden. Natürlich ist sie von der sozialdemokratischen Fraktion mit allem Nachdruck propagiert worden. Mit einer gewissen Genugtuung können wir darauf verweisen, daß allerdings bei den Verhand- lungen über die Frage besonders einer Verständigung mit Eng- band wegen der Flottenrüstungen auch bürgerliche Redner der An- ficht Ausdruck gegeben haben, daß wie bisher das Tempo der Rüstungen nicht fortgesetzt werden könne, daß der Idee der Ver- ständigung über die Beschränkung der Flottenrüstungen näher- getreten werden müsse. Bei der Steigerung der Flottenausgaben ist man zum Teil sogar über das Flottengesetz hinausgegangen, durch größeres Deplacement, stärkere Armierung, als vorgesehen war. Selbswerständlich sind die Schulden des Reiches durch die bürger- i lichen Parteien abermals g e st e i g e r t worden. Die fünfte Milliarde Schulden wird im Reich in gar nicht allzu langer Zeit voll gemacht werden. Gespart wurde bei Kulturausgaben und bei all den Ausgaben, bei denen es sich um die Interessen der Aermeren, der Arbeiter handelte. So hatte man zum Beispiel bei Erhöhung der�Besoldung der Offiziere in Aussicht gestellt, auch den Sold für. die Soldaten um 8 Pf. erhöhen zu wollen. Dann hatte man aiber kein Geld dazu, und lediglich dem Drängen der sozialdemokratischen Fraktion ist es zu verdanken, daß in einem Nachtragsetat für 1009 3 Millionen gefordert wurden, I für die in Zukunft den Soldaten Putzzeug geliefert wird. Welche Blamage ist das für das Reich, daß es noch immer seine Kriegs- Veteranen hungern läßt. Man hat aus Anlaß der vierzigjährigen Wiederkehr der Schlachten auf den französischen Feldern wieder in den höchsten Tönen die Kriegsveteranen gefeiert und hat erleben müssen, daß in diesen Festtagen hungernde Veteranen Selbstmord verübt haben.(Hört! hört!) Der neue Schatzsekretär Mermuth ist ein Gemütsmensch. Er hat die Veteranen dadurch getröstet, daß er in den letzten Tagen in der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" schreiben ließ, daß itt anderen Ländern die Veteranen noch mehr und noch zahl» reicher hungern.(Hört! hört!) Ein geradezu unerhörter Skandal ist, wie die Reichstagsmehrheit und die Regierung mit den bedauernswerten Opfern ihrer Steuergesetzgebung, mit den auf die Straße gesetzten Streichholzarb eitern umspringen. Ob- gleich durch eine Resolution Unterstützung gefordert worden ist, zahlt die Regierung keinen Pfennig. Sie vertritt offenbar den Standpunkt, mögen sie betteln gehen, wenn sie hungrig sind. Nach diesem Grundsatz handelt der Reichsschatzsekretär Mermuth auch in der Frag« der Unterstützung der durch die Steuerreform des Schnapsblocks auf die Straße geworfenen Tabakarbeiter. Die Arbeitslosigkeit ist infolge der Steuererhöhungen viel größer geworden als zuerst angenommen worden war. Es war trotz aller Mühe nur zu erreichen, daß mit einem ganz kleinen Betrage über die doch ohnehin so geringe gesetzliche UnterstützungS- summe von 4 Millionen Mark hinausgegangen wurde. Mermuth steht auf dem Standpunkt, daß der arbeitslose Tabakarbeiter, wenn er unterstützt würde, die Lust zur Arbeit ganz ver» lieren würde, und er schlägt deshalb das kürzere Verfahren ein, die außerordentlich billige Radikalkur anzuwenden, daß man die Arbeiter einfach verhungern läßt. In der Sozialreform sind wir fast gar nicht voran» gekommen. Der neue Staatssekretär des Innern, Delbrück , elektrischen Strom, der in den Apparat geht, um dann durch den Leitungsdraht an die Empfangsstation zu gelangen. Hier tritt er in ein Telephon ein und bewegt dessen Schallinembren. Mit dieser hängt durch einen Magneten ein kleiner Holzspiegel zusammen, auf den sich die Bewegungen der Membren übertragen. Auf diesen Spiegel fallen nun die Strahlen einer kleinen Glühlampe und werden zurückgeworfen. Da der Holzspiegel in kleinsten Bewegungen, etwa ein Tausendstel Millimeter, schwingt, tanzt das Licht auf dem Spiegel. Die reflektierten Strahlen fallen auf lichtempfindliches Papier, vor dem sich eine Zylinderlinse befindet, die das Schrift- bild zu einem glänzenden Punkte zusammenzieht. Dieser Punkt bewegt sich genau so fort wie der Spiegel und erzeugt photographisch treue Zeichen. Wenn die Depesche ab- telegraphiert ist, hört der Spiegel auf sich zu bewegen, das Licht tanzt nicht mehr. Dies beachtet der empfangende Beamte durch ein rotes Fenster, das in den Aparat sieht,„stellt ab" und schneidet automatisch die fertige Depesche ab, die nun noch durch ein Fixier- und Entwickelungsbad gezogen wird, um schließlich durch einen Schlitz der Kaftenwand hinauszugleiten. Trotz seiner überall— auch von der deutschen Postverwaltung anerkannten Güte ist das System noch nirgends eingeführt worden, sei es, weil die Anschaffungskosten zu groß sind, sei es. weil die Verwaltungen das Uinlernen der Beamtenschaft scheuen. Die größte Bctonbrücke der Erde ist eben in der Umgebung von Philadelphia fertiggestellt worden. Sie ist nicht nur ein Wunderwerk der Technik, sondern auch von einer erstaunlichen Leichtigkeit und Eleganz des Schwungs und übertrifft fast in jeder tinsicht noch die berühmte ähnliche Brücke von Luxemburg . Die pannweite der beiden mittleren Bogen beträgt über 70 Meter, und an diese setzen sich nach dem Ufer des TaleS hin noch zwei kleinere Bogen an. Der Bau hat volle zwei Jahre gedauert bei einer Durch- schniltszahl von 300 Arbeitern. Zur Herstellung des HolzgerüsteS, über dem die eigentlichen Bogen errichtet werden mußten, waren 10 800 Kubikmeter Holz und 20 Tonnen eiserne Schrauben und Bolzen notwendig. Der Bedarf an Beton erreichte 14 260 Kubikmeter, die ein Gewicht von fast 87000 Tonnen darstellen. Eine ErspanriS ist die Wahl dieses Materials keineswegs gewesen, sondern die Brücke hätte ans Stahl billiger sein können. In Amerika kann man sich aber solche Merkwürdigkeiten wohl leisten, wenn sie auch einige Tausende Dollars mehr kosten. Die größte Schwierigkeit bei», Bau war vielleicht die Verschiebung des Zimmerwerkes, das nicht weniger als 6 Stockwerke trug. Um diese umfangreiche und kostspielige Arbeit nicht zweimal ausführen zu müssen, wurde der ungeheuere Holzbau so montiert, daß er verschoben werden tonnte. Zu diesem Zweck war eine Art von Schienenweg auf Betonpfeilern geschaffen worden, worauf das Zimmerwerk mit Stahlrollen ruhte. Zur Fortbewegung dienten 24 Winden, an denen gleichzeittg 30 Mann drehten. Welch außerordentliche Arbeit diese Verschiebung bedeutete, geht aus der Angabe hervor, daß die ganze Masse in drei Tagen nicht viel mehr als zehn Meter weit gebracht werden konnte. «IS Entgelt für diesen ungewöhnlichen Aufwand haben die Bewohner ist noch mehr wie sein Vorgänger ein Staatssekretär gegen die Sozialreform. Es ist aus dem letzten Winter überhaupt nur über einen einzigen nennenswerten Fortschritt der Sozialreformgesetz- gebung hinzuweisen, nämlich auf das Stellender m itt- lungsgesetz, dem wir zustimmen konnten, nachdem es durch die Arbeit unserer Genossen in der Kommission einige Verbesse- rungen gegenüber dem jetzigen Zustande bringt. Wo die bürger- lichen Parteien zur Sozialreform Stellung nehmen müssen, werden sie sich auch weiter bemühen, das RezeptderweißenSalbe anzuwenden.(Sehr richtig!) Wenn es gelingen sollte, bei den weiteren sozialpolitischen Vorlagen, insbesondere bei der Reichs- Versicherungsordnung, Verbesserungen zu erreichen, so wird das nur der Furcht der bürgerlichen Parteien vor den nach» st en Reichstagswahlen zu verdanken sein. Die mir zur Verfügung stehende Zeit gestattet nicht, daß ich hier darüber be» richte, wie die Fraktion zu den einzelnen auftauchenden Fragen sich gestellt hat. Ich glaube behaupten zu können, daß die Fraktion ihre Pflicht nach bestem Wissen und Gowissen getan, daß sie aus eigener Jnitia» tive eine ganze Reihe notwendiger Aktionen eingeleitet hat; aber die von uns eingebrachten Anträge und Gesetzentwürfe kommen fast gar nicht mehr zur Verhandlung, da von den Schwerins» tagen beinahe gar nicht mehr Gebrauch gemacht wird. In einer ganzen Reihe von Interpellationen haben wir die Regie» rung vor dem Forum des Reichstages und damit des Volkes zur Rechenschaft gezogen. Wir haben insbesondere nichts unversucht gelassen, um auch im Reichstage den Wahlrcchtskampf unserer preußischen Genossen zu unterstützen. Daß wir fleißig gearbeitet, erkennen selbst unsere Gegner an. Ich habe auch in der Parteipresse eine Kritik'der Tätigkeit der Fraktion nicht ge- funden. Wenn so wenig für das arbeitende Volk erreicht wurde, dann sind nicht wir daran schuld, sondern die Verantwortung tragen restlos die bürgerlichen Parteien. Selbst Mermuth mußte aus» sprechen, daß die Arbeiter verstanden haben, sich inner- und außer- halb des Reichstages eine starke, wirkungsvolle Ver» tretung zu verschaffen. Es liegt an den Arbeitern, diese Vertretung so stark zu machen, daß sie unwiderstehlich wird. ES dürfte vielleicht zum letzten Male vor den Neuwahlen dies- mal der Fraktionsbericht erstattet werden, wenn auch die Mandats» dauer des Reichstages erst im Januar 1912 endet. Die Regierung betrachtet den Reichstag als ein lästiges Uebel; seine Auf« gäbe soll in der Hauptsache sein, Geld zu bewilligen, denn Geld beschaffen, das können die gekrönten Instrumente des Him- mels nicht.(Sehr gut!) Die Männer von Gottesgnaden ver« stehen Geld zu nehmen, selbst in den Zeiten, in denen die Massen des Volkes allen Schäden der Unterernährung preisgegeben sind, die durch die ungeheuren Preise des Fleisches und aller Lebens- mittel in Deutschland verursacht wird.(Lebhafte Zustimmung.) Es ist nichr wahrscheinlich, daß der Reichstag seine Lebenszeit auslebt, sondern es ist viel wahrscheinlich;!, daß schon vorher, zwar nicht der Leutnant mit den 10 Mann, wie uns Herr v. Ol» d e n b u r g ankündigte, sondern der Major v. Bethmann Hollweg dem Reichstag ein Ende machen wird. Bethmann Hollweg läßt einen Sammclruf um den anderen an die bürgerlichen Parteien ergehen und auch der Kaiser stimmte in seiner Marienburger Rede ein. Man sucht nach einer Wahlparole. Wie ein Blinder mit dem Krückstock sucht Bethmann Hollweg zu erkunden, wie die Stimmung im Lande und wie die Absichten der bürgerlichen Parteien sind. Aber wir müssen gestehen, man zeigt da viel Sinn für das, was dem deutschen Volke not tut, denn in den Tagen, wo wie jetzt wütende Empörung über den Mangel an Nahrung die Massen erfüllt, läßt der Reichs» kanzler seine Presse diskutieren, ob die Frage der Aufrechterhaltung und womögl'ch noch der Steigerung der Hochschutzzölle zur Wahlparole gemacht werden könnte.(Hört! hört!) Das könnte uns gewiß recht sein, wenn der Großgrund» besitzer von Hohen-Finow versuchen würde, unter dieser Parole das Bürgertum gegen uns zusammenzufassen. Aber er wird gar nicht nötig haben, sich zu strapazieren, wir selbst werden dann die Schutzzollfrage zur Wahlparole machen, aber wir werden rufen: Nieder mit den Wucherzöllen(Bravo I), die dem Volke den kümmerlichen Ertrag seiner Arbeit zugunsten der Junker und Großkapitalisten rauben und daS ganze Volk in die schweren gesundheitlichen Folgen der Unterernährung stürzt.(Lebhafter von Philadelphia nun in ihrer Rachbarschaft einen Punkt von ungewöhnlicher Schönheit, da die Prachtbrücke über ein tiefes Tal mit üppigster Vegetation führt. Theater. Deutsche ? Theater:„Die Romantischen', verS- lustspiel von Edmond Rost and. RostaudS in der Erfindung gekünstelt«, aber dennoch sinnvoll ainnutige Verskomödie, die in Fuldas gewandter Uebersetzung schon von verschiedenen Berliner Bühnen gegeben wurde, fand auch in der Aufführung des Deutschen Theaters beifällige Aufnahme. Daß zwei befreundete Väter, die Sohn und Tochter miteinander verheiraten wollen, auf. die Idee verfallen, grimmige Familienfeindschast zu markieren, um die ro- mantisch angelegten Kinder durch Borspiegelung von interessanten Widerständen desto nachdrücklicher zur Liebe zu ermuntern, ist eine ziemlich harte Zumutung an die Gutgläubigkeit des Publikums. Zumal die Alten im Stücke sonst sich keineswegs als philosophisch überlegene, heiter spottende Betrachter menschlicher Torheit, vielmehr als eingefleischte Philister und Gewohnheitsmenschen zeigen. Aber die Jronisierung der grünen großsprecherischen Jugendschwärmerei hat so liebenswürdigen Witz und so viel kein gesehene psychologische Nuancen, daß die Mißstimmung über solcherlei Unmöglichkeiten kaum zu Wort kommt. DaS Liebespärchen erhielt durch Harry Liedtke , ein junges, bis- her in Episodenrollen beschäftigtes Mitglied des Ensembles, und Lude Höflich eine sehr glückliche, die Innigkeit der Empfindung, wie die prahlende Ueberspanni heit der Phantasie treffsicher herausarbeitende Dar» stellung. Der Höhepunkt lag in dem zweiten Akte, wo die stolzen Jllufionen der eben Verlobten jäh zusammenbrechen und sich heraus» stellt, daß sogar der furchtbare Ueberfall, bei dem der Jüngling heldenhaft die Feinde in die Flucht schlug, ein von den Vätern be» stelltes und bezahltes Schaustück war. Die gekränkte Eitelkeit bei diesem Absturz aus erhabenen Höhen, die erboßte Stichelei, da» Zankduett der Düpierten kam außerordentlich drollig in diesem lebensvollen Spiel heraus. Glänzend war die groteske Komik von BienSfeld und Frl. Höflich in der räuberromantischen Eni» führungsszene. durch die die erschrockene Dame von dem Geschmack an«benteuer außerhalb des wohlumhegten Reichs der Poesie definitiv kuriert wird. Auch Jakob Tiedtkes sanftmütig phlegmatischer Berganiin verdiente alles Lob. Notizen. — Ausfuhrverbote für prähistorische Menschen. Der französische Unterstaatssekretär der Schönen Künste hat einen Ausschuß beaufttagt, einen Gesetzentwurs auszuarbeiten, durch den verhindert werden soll, daß wichtige geschichtliche Funde aus Frank- reich ins Ausland geschafft werden. Ferner wurde beschlossen, ver» schiedene Grotten im Dordogne -Departement, die an solchen Funden besonders reich sind, alS geschichtliche Baudenkmäler erklären zu lassen. Diese Maßregel richtet sich gegen den Schweizer Hauser, der für deutsche Museen Nachgrabungen in großem Umfange veranstaltet und zahlreiche Grundstücke angekauft hatte.(Seine beiden wichtigsten Funde hat bekanntlich das Berliner Museum für Völlerkunde zu einem allerdings beispiellos hohe« Preise angekauft.)
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