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8r.224. 27. Iahrgaug. 2. Dtilm ilts.Armck" Dlllim WKMM Zovnabeud. 24. September M. Parteitag der deuticljen Sozial. demokratie zu Magdeburg . (Schluß aus der 1. Beilage.) Wagner-Braunschweig: Wir konnten uns in Braunschweig die heutigen Zustände nicht länger gefallen lasten. Wir haben es da nicht allein mit Wahlrecht und Verfassung, sondern mit einem Metternich schen Bureaukratenregiment. mit einer Vettern, und Cliquenwirtschaft zu tun. Erst als wir auf die Straße gingen, erst als ein Blutbad veranstaltet war, wurde die Regierung gezwungen, Farbe zu bekennen und hat sich dabei grenzenlos blamiert. Der Minister Otto erklärte, er habe sich schon längst auf ein neues Wahlrecht besonnen, er habe alle Wahlgesetze studiert, aber sei sich noch nicht klar geworden. (Hört! hört!) Wir Braunschweiger müssen unseren Jellatchich schlagen.(Sehr richtig!) Die Resolution muß so scharf wie mög lich gefaßt und die Erörterung des Massenstreiks darin aufgenommen werden. Die Wendung, mit allen Mitteln, haben wir schon oft genug angewandt, und wir müssen endlich ein Verstärkungsmittel unserer Demonstrationen anwenden. Wir haben in unserem Waffenarsenal nur den politischen Massen st reik über den wir uns ja in Jena klar geworden sind. Ich habe allerlei Be denken gegen den Mastenstreik, er muß aus der Masse heraus� kommen, denn die Opfer haben die kleinen Leute zu bringen, die uns. wenn wir den Massenstreik predigen, einfach sagen: Ja, ihr Parteibeamte, ihr Redakteure, ihr kommt wieder in eure Stellun- gen, aber wir müssen die Opfer bringen. Um so notwendiger ist es, die Arbeiter aufzuklären. Wohl weiß ich, daßderMassen st reik der Begeisterung entspringen mutz. Aber das darf uns nicht zu dem Irrtum verleiten, daß er nur das Werk plötzlicher Begeisterung sein könnte. Wenn die Stunde der Be geisterung über den Künstler kommt und er hat kein Motiv, so ver flattert die Begeisterung leicht. Hat er aber einen Plan im Kopf, und es kommt die Begeisterung über ihn, dann gibt es ein gutes Werk. Aehnlich in der Politik. Die Stunde der Begeisterung, die die Massen zu Mastenstreiks bringt, wird schon kommen; aber wenn sie dann nicht völlig sich darüber klar sind, kann es geschehen, daß sie nicht wissen, womit sie beginnen sollen. Wir haben in Jena den Massenstreik in unser Waffenarsenal eingestellt, aber er ist verrostet. Wir müssen den Massen zeigen, wie sie ihre Em pörung ausdrücken können, um so mehr, nachdem uns Limbertz die Pläne des Militärs verlesen hat. Ich nehme das nicht ernst, aber gerade auf diese Drohungen würde der Parteitag keine bessere Antwort geben, als eine möglich st scharfe Fassung der Resolution. Auch diejenigen, die gewisse Bedenken gegen den Massenstreik haben, könnten für die Resolution Luxemburg stimmen.(Lebhafter Beifall.) Eugen Ernst-Berlin: Ich glaube im Namen aller norddeutschen Parteigenossen, speziell der preußischen Genossen, unserer Freude Ausdruck geben zu sollen über die Unterstützung unserer süddeutschen Genossen.(Bravo !) Wir sind stets davon überzeugt gewesen, daß sie auch in Zukunft uns in unserem Kampf Beistand leisten werden und sind erfreut über den besonderen Aus- druck der Smpathie, den wir hier vernommen haben.(Beifall.) Es zeigt sich bei dieser Gelegenheit, daß wir einig sind in dem Kampf gegen den gemeinsamen Feind(lebhafter Beifall), daß wir immer zusammenstehen. Schulter an Schulter, verbunden durch dasselbe Ziel, dasselbe Streben.(Erneuter lebhafter Beifall.) W i r sind uns über den Ernst der Situation voll ständig klar, wir wissen, welchen Widerstand wir namentlich in Preußen zu brechen haben, aber wir wissen auch, welche B deutung der preußische Wahlrechtskampf nicht nur für Preußen. sondern für die demokratische Bewegung in ganz Deutschland hat.(Sehr wahr!) Wir geben Ihnen infolge dessen auch von dieser Stelle aus das Versprechen: Der Wahlrechts: kämpf in Preußen hört nicht auf, ehe nicht unser Ziel, das freie allgemeine Wahlrecht auch in Preußen errungen ist.(Lebhafter Beifall.) Der Kampf hört nicht auf, ehe nicht auch Preußen in die Reihen der Kulturländer mit demokratischer Verfassung gedrängt ist.(Wiederholter Beifall.) Es ist gesagt, daß eine gewisse Abneigung in den leitenden Kreisen von Partei und Gewerkschaften gegen die Erörterung des Massenstreikes vorhanden ist. Ich leugne nicht, daß hier und dort jemand vorhanden ist. der der Erörterung dieser Frage nicht sympathisch gegenübersteht, aber man darf solche einzelnen Vor- lkommnisse nicht verallgemeinern. In den leitenden Kreisen von Partei und Gewerkschaften bestehen keinerlei Be- denken, daß der Massenstreik angewendet werden mutz indem Augenblick, wo die politischeSituation uns das Mittel aufzwingt. Bedenken bestanden nur dagegen, daß der Massenstreik erörtert werden solle zu einer Zeit, wo wir mitten im Wahlrechtskampf standen. Wir sagten uns. wenn jetzt die Frage erörtert wird, dann kann man auch diejenigen, die mit der An- Wendung dieses Mittels nicht einverstanden sind, nicht hindern, ihre Meinung öffentlich zu sagen, und dann erleben wir das Schauspiel, daß wir mitten in der Aktion eine weitschweifende Diskussion haben, daß zur Freude unserer politischen Gegner von uns erörtert wird, ob unsere Macht ausreicht, dies Mittel zu gegebener Zeit anzuwenden.(Sehr wahr!) Diese Mei- nung kann nur entstanden sein aus einer mißverständlichen Auf- fassung des Beschlusses der Landeskommission. In der Landes- kommission ist ausdrücklich gesagt: Wir verwerfen das Mittel des Massenstreiks nicht, wir müssen aber von Fall zu Fall Stellung nehmen, ob er möglich ist oder nicht. Wir haben ihn nicht für den ganzen Wahlrechtskampf abgelehnt, sondern nur in dem damaligen Augenblick für unzweckmäßig gehalten. Es ist auch die Meinung laut geworden, als hätten wir der Presse verboten, irgendwelche Erörterungen anzustellen. Auch das ist nicht der Fall. In der Sitzung der Landeskommission hat ein Mitglied ausdrücklich gesagt: Nun zur Presse. Bisher ist hier nicht entschieden daß die Presse gar nichts über den Massenstreik bringen soll. Wir können nicht Zensoren sein, die die Redakteure als Kulis behandeln." Weiter weise ich darauf hin, daß die preußische Parteileitung immer und immer wieder die Frage erörtert hat: Ist es angebracht, irgend welche schärferen Maßregeln jetzt zu ergreifen, ist die politische Situation so. daß wir notwendigerweise einen Schritt weitergehen müssen? Ich glaube ohne Ruhmredigkeit konstatieren zu können. daß von Seiten der preußischen Parteiorgani- fationen auch nicht ein einziger Vorwurf gegen die preußische Parteileitung erhoben ist.(Sehr richtig!) Das beweist, daß innerhalb der Organisationen die Meinung vorhanden war, unsere Vorschläge sind gut, um das Wahlrecht zu erringen. Also, es waren für uns lediglich p r a k- tische Erwägungen maßgebend, ob gerade die Zeit des Kampfes angebracht ist, die Frage zu erörtern. Nun ist gesagt, die Resolution des Vorstandes lasse vermissen, baß der politische Massenstreik auch als Mittel im Wahlrechtskampf gilt. Das ist eine Verkennung. Es ist in der Resolution ausdrück- lich die Rede davon, daß die Genossen den Kampf mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln werterführen werden. Darunter ist auch zu verstehen, daß, wenn die politische Situation es gebietet, wenn alle die Umstände, die Rosa Luxem- bürg angeführt hat, vorliegen, auch dies Mittel s e l b st v e r- stänolich angewandt werden mutz. Da spricht die poli- tische Situation, die wirtschaftlichen Verhältnisse, die Stimmung der Massen usw. mit. Wir sind aber der Meinung, daß dies Mittel nicht blindlings angewendet werden darf.(Sehr richtig!) Dazu hat es doch eine viel zu große Bedeutung. Weiter sind wir der Meinung, daß vor seiner Anwendung eine Aussprache mit den Gewerkschaften gepflogen werden mutz.(Sehr wahr!) Die Annahme der Resolution Luxemburg würde eine Unfreundlich- keit gegenüber den Gewerkschaften sein.(Sehr richtig!) Als die Gewerkschaften in Köln ihren bekannten Beschlutz über den Massenstreik gefaßt haben, da ist von feiten der politischen Organi- sation mit Recht darauf hingewiesen, daß sie sich in einer solchen Frage mit der politischen Partei hätten verständigen müssen.(Sehr richtig!) Aber was dem einen recht ist, ist dem anderen billig. Wollen wir dieses Mittel anwenden, dann müssen wir die Ueberzeugung haben, daß die Gewerkschaften mit uns gehen.(Lebhafte Zustimmung.) Gerade mit Rücksicht dar- auf, daß wir auf alle Eventualitäten gefaßt sein müssen, bitte ich, die Resolution Luxemburg abzulehnen, wir wollen uns nicht auf ein Mittel festlegen.(Sehr richtig!) Wie die politische Situation ist, wie die Gegner uns angreifen, so muß geantwortet werden, und da können Sie sicher sein, daß weder das Drohen mit der gepanzerten Faust, noch Schmeicheleien, uns auch nur um Haaresbreite von unserem Weg abbringen wer- den.(Bravo !) Wenn die preußische Parteileitung es wagen wollte, gegen die Fortsetzung des Wahlrechtskampfcs Stellung zu nehmen, dann ginge die Masse über sie hinweg. Dazu sitzt der Masse die Erbitterung über die Dreiklassenschmach viel zu tief im Herzen. Diese Erbitterung wird dafür sorgen, daß zu gegebener Zeit auch das richtige Mittel angewandt wird.(Sehr wahr!) Nun hat die Genossin Luxemburg eigentlich den entscheidenden Teil aus ihrer Resolution herausgestrichen; wie die Resolution jetzt besteht, ist es nur eine Umschreibung der Resolution der Parteileitung mit einigen unfreundlichen Bemerkungen, die daraus resultieren, daß sie glaubt, daß bisher die Diskussion unterbunden war. Ich ersuche sie deshalb, ihre Resolution zurückzuziehen.(Zustimmung.) Sollte sie das nicht tun, dann bitte ich, im ersten Teil stattdurch eine große entschlossene Massenaktion" zu sagen:durch große cnt- schlossene Massenaktionen". Den zweiten Absatz der Resolution bitte ich abzulehnen. Ich wiederhole, was der geschäftsführende Ausschutz für Preußen im Auftrage der Landeskommission immer und immer wieder gesagt hat: wir werden den Kampf führen mit allen Mitteln, die der Arbeiterschaft zu Gebote stehen, mit all der Erbitterung, mit all der heißen Leidenschaft, weil wir wissen, es ist unsere Pflicht, er st die Dreiklassenschmach hinwegzu- fegen, ehe Preußen in die Reihe der Kulturstaaten gedrängt werden kann. Weil wir wissen, daß Preußen eine stete Gefahr für den demokratischen Gedanken in Deutschland ist, deshalb werden wir nicht eher ruhen, als bis das Ziel erreicht ist.(Lebhafter Beifall.) Vors. Klühs: Folgende Erklärung ist eingelaufen: Die unterzeichneten Parteitagsdelegierten legen die ent schiedenste Verwahrung ein gegen die Einbringung des Antrags der Genossin Luxemburg (Bewegung und Unruhe), der die Er- örterung und Propagierung des Massenstreiks in der Parteipresse und Versammlungen fordert. Der D Massenstreik, gleichviel aus welchen Gründen und zu welchen Zwecken er geführt werden soll, bedarf zu seiner wirksamen Durchführung der Beteiligung aller Organisationen der deutschen Arbeiterbewegung, insbesondere der Beteiligung und Unterstützung der gewerkschaftlichen Verbände. Von diesen Erwägungen aus- gehend, sind bisher alle Vorberatungen über die Anwendbarkeit dcS Massenstreiks als Kampfesmittel zur Erringung eines freien preußischen Wahlrechts geführt worden zwischen der obersten Ver- tretung der Partei, dem Parteivorstande, und der obersten Ver: tretung der gewerkschaftlichen Organisationen, der General: kommission der Gewerkschaften. Auch Angelegenheiten von minder wichtiger Bedeutung, welche die Interessen beider Zweige der Arbeiterbewegung berührten, wie die Unterstützung der Maifeier-Gemaßregelten, sind durch gemein schaftliche Beratungen zwischen Parteivorstand und General kommission geregelt worden. Es ist deshalb unerläßlich, daß auch die Frage der Erörterung und Propagierung des Massenstreiks zuvor zwischen Parteivorstand und Generalkommission beraten wird, ehe sie an den Parteitag zur Entscheidung gelangt. Die Unterzeichneten halten darum die Einbringung des An- trags Nr. 100 für verfehlt, weil er nur die Wirkung haben kann. das erfreuliche Einvernehmen zwischen den beiden Vertretungen der deutschen Arbeiterbewegung zu stören."(Bewegung und einzelne Oho-Rufe.) Severing-Bielefeld. Paul Müller-Berlin . Lesche-Altona, Sachse: Bochum , A. Ärev-Hannover, Töneböhn-Recklinghausen, Ritzert: Iserlohn , Wittich-Frankfurt a. M.. Schumann-Bcrlin, Thielemanw Osnabrück. Georg Ulrich-Frankfurt a. M., Adolf Ritter-Berlin , Karl Giebel-Berlin , Fritzsch-Berlin , Eugen Brückner-Berlin , Mey- Hannover. Hetzscholl�Berlin , Heldt-Chemnitz, Silberschmidt-Berlin , Koch-Magdeburg, Tönnies-Hamburg, Hoch-Sorau-Forst, Alexander Schlicke -Stuttgart . Rößler-Altcnburg, Evers-Hildcsheim, Schmidt- Herford, Ernsting-Minden, Schmidt-9. Hannoverscher Wahlkreis. Goldner-Meißen. Hoffmann-Bielefeld , Dreckshage-Bielefeld. Spind- ler-Döbeln, Knieriem-München und Bohm-Vörd'e. Vogtherr-Wiesbaden : Unser Antrag betrachtet die Frage des Wahlrechts als eine Reicksfrage. Wie ja schon Limbertz gesagt hat, macht auch die Militärverwaltung die Frage z u e in er Reichsfrage. Unfraglich geht man darauf aus, alle Einzelstaatcn zu verpreußen. Die reaktionäre Presse des preußischen Junkertums machte auch ihrerseits die Wahlrechtsfrage zu einer Reichsfrage, als sie sich einmischte in die Regelung des Wahlrechts in den Einzelstaaten. Die Eigenart der Einzelstaaten liegt lediglich in der Verschiedenartigkeit der wirt- schaftlichen Struktur. Bei uns in Preußen herrschen die Junker, anderswo herrschen die Großindustriellen, aber in der Verneinung der Volksrechte sind sie einig In diesem Sinne ver- langt mein Antrag regelmäßige Inangriffnahme der einzelstaat- lichen Wahlrechtsfrage durch unsere Fraktion auf dem Wege von selbständigen Initiativanträgen. Unsere Gegner im Reich müssen gezwungen werden, zu der Wahlrechtsfrage Stel- lung zu nehmen. Mit solchen Zlnträgen erhöhen wir auch die Stoßkraft unserer Agitation.(Lebhafter Beifall.) Disiinann-Hanau : Wir sind uns einig darüber, daß die sieg- reiche Durchführung des Wahlrechtskampfes in Preußen gewaltige Kraftanstrengung und Opfer erfordern wird. Die Resolution des Vorstandes dürste einstim/niae Annahme finde». Im wesentlichen handelt es sich um die Annahme des Antrages der Genossin Luxemburg . Laut dem Referenten ist der erste Teil von Vorstand und Kontrollkommission akzeptiert worden. Mit dem Antrage des Genossen Ernst ist Genossin Luxemburg einverstanden. Von einem Teil der Genossen, insbesondere aus leitenden Gewerkschafts- kreisen ist eine Erklärung zum Antrag Luxemburg vorgelegt wor- den, die leider eine Verwahrung enthält. Es heißt in der Er- klärung, daß der Wahlrechtskampf in allen seinen Phasen gemein- sam von Partei und Gewerkschaften vorbereitet und durchgeführt werden soll. Genossen, das ist« t w a s S e l b st v e r stä n d l i ch e s. (Sehr richtig I) Niemand, am wenigsten die Genossin Luxemburg . hat jemals das Gegenteil verlangt. Selbstredend müssen im Wahl- rechtskampfe Partei und Gewerkschaften Schulter an S ch u I t e r m a r s ch i e re n. In allen Orten haben Partei und Gewerkschaftsgenossen ihr Bestes getan, um den Wahlrechtskampf vorwärts zu bringen. In Jena hat die deutsche Sozialdemokratie den Massenstreik in ihr Programm aufgenommen. Der Jenaer Beschluß bringt zweifellos zum Ausdruck, daß die Erörterung des Massenstreiks nicht nur nicht verboten ist. sondern die Genossen verpflichtet sind, bei der Frage der Waffen, die im Wahlrechtskampf zur Anwen- dung gelangen sollen, auch die Beschlüsse von Jena in Erinnerung zu behalten.(Sehr richstgl) Auf dem letzten preußischen Partei- tag ist beschlossen worden, daß der politisch: Massenstreik eines jener Mittel ist, die wir eventuell zur Anwendung bringen wollen,(Zu- ruf: Was beschlossen ist, braucht doch nicht noch einmal beschlossen zu werden!) Wir haben oft Resolutionen gefaßt, die eine Be- tonung früherer Bestimmungen bedeuten.(Zustimmung.) Auch wenn Sie die Resolution Luxemburg in ihrem zweiten Teil ab- lehnen, werden Sie an der Sache nichts ändern, weil Sie eben gar nichts daran ändern können. Darüber sind wir uns alle einig, daß wir beim Wiedereintritt in den Wahlrechtskampf nicht etwa sagen können: jetzt haben wir wieder angefangen und das Nächste ist der politische Massenstreik. Wir sind uns darüber einig, daß nach der politischen Situation Verfahren werden muß. Genosse Limbertz hat uns da ein militärisches Prachtstück verlesen. Die blutigen Polizeiattacken sind uns ja genügend be- kannt, und ich erinnere an die letzte große Frankfurter inter - nationale Kundgebung, wo in Mainz und Hanau Extra- züge für das Militär bereit standen. Der Kampf muß uns einig finden, und darum bitte ich, verständigen wir uns wenn möglich über die Resolution Luxemburg und seien wir einig, die Organisation von Gewerkschaften und Partei zu stärken, bis zum äußersten alle Kräfte zusammenzufassen. Denn alle Kräfte sind notwendig in den schweren Kämpfen der Zukunft und Einigkeit ist nötiger denn je.(Lebhafter Beifall.) Leinert-Hannover : Da sich die Genossin Luxemburg bcdauer- licherweise nicht zur Zurückziehung ihrer Resolution verstanden hat, bin ich in die unangenehme Lage versetzt, mich weniger mit der Wahlrechtsvorlage als mit dem Antrage Luxemburg zu beschäftigen. Im Interesse der ganzen Agitation ist eine einheitliche Kund- g e b u n g viel wichtiger als eine Erörterung der Masscnstreikfrage. Auf diesem Parteitage ist doch festgestellt, daß jeder Disziplin zu üben hat. Daher bedaure ich, unter dem Antrag die Namen Liebknecht und Rudolf zu finden, die beide in der prcußi- schen Landeskommission die Debatten über die Wahlrcchtskampf- maßregeln mitgemacht haben.(Sehr richtig!) Dort waren wir der Meinung, daß der gegenwärtige Zeitpunkt zur Erörterung dcS Massenstreiks der allerungeeignetstc ist. Der Antrag Luxemburg bedeutet tatsächlich einen Disziplinbruch.(Lachen.) In Mannheim ist festgelegt worden, daß unter Umständen der Massen- streik zur Anwendung gelangen soll, und auch, wann er ausgeführt werden soll. Auch die Methode der Ausführung ist genau festgelegt worden, denn es ist bestimmt: soweit der Parteivorstand die Not- wendigkeit eines politischen Massenstreiks für gegeben erachtet, hat derselbe sich mit der Generalkommission in Verbindung zu setzen und alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Unter diesen Umständen ist eine Erörterung darüber, ob wir den Massenstreik ergreifen wollen oder nicht, sicher nicht von Nutzen. Ich mache auch darauf aufmerksam, welchen Eindruck es machen muß, wenn wir in eine Erörterung eintreten, wenn wir große Versammlungen abhalten, wenn, die Genossin Luxem- bürg in ihrer Art die Massen für den Massenstreik begeistert und wenn dann nachher die auch auf diesem Parteitag schlecht weggekommenen Führer der Gewerkschaften kommen und sagen: Das geht nicht unter diesen Umständen.(Hört! hört!) Was wird dann aus einer solchen Aktion? Genossin Luxenckurg stellt ihren Antrag zum PunktPreußische Wahlrcchtsfrage", um den eS sich hier gar nicht handelt. Warum soll der Parteitag über eine rein preußische Frage entscheiden, die die preußische Parteiinstanz schon den ganzen Winter und den ganzen Sommer beschäftigt hat. Einer großen Organisation wie die preußische es ist. einen Parteitagsbeschluß aufzuzwingen, ist nicht im Partei- interesse gelegen. Wir müssen diesen Antrag ablehnen, weil wir mit ihm ja nichts anfangen können. Die Leiter der Organi- sationen, der Parteivorstand und die Generalkommission wissen den Zeitpunkt nicht, wann der Massenstreik kommt. Wenn die Genossin Luxemburg sagt, nur die Massen können entscheiden, so ist das ein Appell an die Massen in dem Gegensatz zu den Führern, der auf diesem Parteitag schon einmal zum Ausdruck gekommen ist und gegen den wir protestieren.(Lebhafter Beifall bei den Süddeutschen.) Wir sollen zurzeit an die nächsten Reichs- tagswahlen denken, nicht an den Massenstreik.(Sehr richtig!) Wir offenbaren mit der Annahme des Antrages unseren Gegnern von vornherein unsere Taktik. Liebknecht sagt, er habe die Dis- ziplin mit der Muttermilch eingesogen und achte deshalb alle Beschlüsse. Aber sein Vater hat einmal gesagt, wenn in 24 Stun- den die politische Situation sich 24mal ändert, ändert sich auch 24mal unsere Taktik.(Lebhafter Beifall bei den Süddeutschen.) Die Genossin Luxemburg spricht von eventueller Kopflosigkeit der Massen. Das beweist nur ihre Unkenntnis von der Organisation. Müßten lvir in 24 Stunden den Massenstreik d u r ch f ü h rcn und wäre die berufene Instanz einig, dann würde niemand kopflos sein. Dafür bürgt das Klassengefühl und die Organisation unserer Partei und der Gewerkschaften.(Lebhafter Beifall.) Es wäre eine große Dummheit, heute unsere Taktik festzulegen. Wir sind jeder Agitation gewachsen und haben nicht nötig, Resolutionen anzu­nehmen, die nichts nützen und nur zu unfruchtbarer Diskussion führen.(Lebhafter Beifall.) Wolfgang Heine -Berlin : Als Mitglied der Reichstagsfraktion wende ich mich zunächst gegen den Antrag 101, der vollkommen über- flüssig ist. Vogtherr als früherer und Lehmann als jetziger Reichs- tagsabgeordncter sollten doch wissen, daß sie der Reichstagsfraktion nicht noch in einer Forin, die cincnr Tadel wegen Pflichtverletzung gleichkommt, einen Auftrag geben sollten, den sie läng st er- füllt hat.(Heiterkeit.) Natürlich können wir nicht in jedem Kalenderjahr den Antrag zur Erörterung bringen, das hängt von den Schwerinstagen und der Geschäftslage ab. Aber wir haben die Sache beim Etat und in Form von Interpellationen erörtert.(Be- stätigende Zwischenrufe Fischers und Ledebours.) Man kann doch solche Dinge nicht mit der Regelmäßigkeit von Kirchcnfcsten betreiben, ich bitte also um Ablehnung des Antrags. Die VorstandSrcsolution über die Wahlrcchtsfrage kann ich nur empfeh- len. Ueber daS preußische Wahlrecht brauche ich kein Wort zu ver- lieren. Nun zum Antrag 100. Ich möchte mich nicht einmischen in den heutigen Streit zwischen den Mitarbeitern derNeuen Zeit" und desVorwärts". Meine Meinung darüber ist bekannt. Ich habe nichts gegen eine Erörterung des Massenstreiks, wenn es eben eine Erörterung ist. Aber für Frau Luxemburg ist die Erörterung gleichbedeutend mit Propagierung, auch wenn sie den Ausspruch verständigerweise hat fallen lassen. Ich bin durchaus der Meinung des Vorredners und des Redners vom Parteivorstand, daß eine solche Erörterung, die zu einer Prüfung der uns zur Verfügung stehenden Machtmittel führen muß, in einem solchen Kampf"nicht angebracht ist. Wenn wir das erörtern wollen, wollen wir es in einem geschlossenen Kreise tun. Frau Luxemburg hat von den französischen Genossen gesprochen, die den Massenstreik ständig im Munde führen, ohne daß es dazu kommt. Sorgen wir, daß man uns nicht denselben Vorwurf macht.(Lebhafter Beifall.) Klara Zctkin-Stuttgart : Ich bin hier entgegengesetzter Mei» nung wie Genosse Heine. Wollen wir, daß die Massen reif sind für den Gebrauch des Massenstreiks, so müssen wir im Bewußtsein der Massen die geistige Vorbedingung dafür schaffen, nur darum handelt es sich jetzt.(Lebhafter Beifall.) Die besten Vor- bebingungen für die Erörterung der Frage sind gerade in dem Zeitpunkt gegeben, wo eine gewaltige Bewegung die Massen selbst auf den Plan ruft. Gerade dann ist eine Empfänglichkeit vor- handen, die die Massen befähigt, unsere Anregungen aufzunehmen. (Sehr richtig!) Diese Begeisterung müssen wir ausnutzen, um den Massen das Verständnis für die komplizierten Tatsachen zu ver- schaffen, innerhalb deren sich der Kampf abspielt. Ich würde es für frivol halten, wollten wir den Gedanken des Massen- streiksunterdaserwachendeProletariathinaus- tragen, ohne es überdie Tragweite, die Gefahren und Opfer zu unterrichten.(Sehr richtig!) Nur wenn diese Gefahren und Opfer ganz erfaßt sind, dürfen wir unsererseits die Bergntlvvrtung auf uns nehmen, de» Mellen den neuen Weg