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fdjemf die Bon den Bürgerlichen   Politikern solange gesuchte Wahlparole gefunden zu haben. Nach ihm ist in dem In- dustriebezirk des Westens die Forderung des Tages: Der Kampf gegen die Sozialdemokratie...Das ist eine gute Parole für die nächsten Wahle n." Tausende nationaler Arbeiter seufzen unter dem sozialdemokratischen Terrorismus und verlangen von uns Hilfe. Hierauf trat Schluß der Diskussion und Vertagung auf Sonntag ein._- Hus der Partei. Die Organisationen zum Parteitag. Ueber die Parteivcrsammlung in Stuttgart  , deren Verlauf wir schon kurz telegraphisch meldeten, berichtet die Schwäbische Tagwacht": Die gestrige überaus st a r k besuchte Versammlung im Fest- saal des Gewerkichaftshonses nahm den Bericht vom Parteitag in Magdeburg   entgegen. Referent war Genosse Westmeyer. An der Diskussion beteiligten sich die Genossen H e y m a n n, Schumacher, Kinkel, Keil, Bratz, Feuer st ein, Rosi- mann und Genossin Zetkin  . Der Versammlung lagen drei Resolutionen vor. Gegen etwa 13 Stimmen und bei zahlreichen Stimmenthaltungen wurde folgende Resolution a n- g e n 0 m in e n: Die Versammlung spricht ihre volle Uebereiiistimmung mit den Beschlüssen des Parteitages aus und verpflichtet jeden Ge- Nossen  , im Sinne dieser Beschlüsse zu wirken." DoS Abstimmungsresultat wurde mit stürmischem Beifall begrüßt. Damit waren folgende zwei Resolutionen erledigt: Die heutige Parteiversammlung spricht ihre Genugtuung darüber aus, daß trotz der vorgekommenen Differenzen über die Budgetfrage die Einheit und Geschlossenheit der Partei als not- wendige Voraussetzung für die Erfolge ihrer politischen Aktionen bei der Behandlung der preußischen Wahlrechtsfrage sich so glänzend dokumentiert hat. Sie ist im ganzen mit dem Verlauf des Magdeburger Partei- tages einverstanden und bedauert nur die unnötige Verschärfung in der taktischen Auffasiung der Budgetfrage, die zweckmäßiger- weise den einzelnen Landesorganisationen zur Entscheidung über- Wielen werden sollte." Feuerstein. Die heutige Versammlung erklärt sich zwar nicht mit allen Beschlüssen des Parteitages einverstanden, trotzdem fordert sie von allen Genossen, daß die nun einmal gefaßten Beschlüsse gehalten werden, da durch Nichteinhaltung der gefaßten Beschlüsse die Ein- heit der Partei gefährdet wird." Englert. Der Parteiverein für den zweiten Hamburger Wahl- kreis nahm am Freitag in einer zahlreich besuchten Versamm- lung den Bericht vom Parteitage entgegen. Paul Hoffmann gab ein anschauliches Bild von den Verhandlungen und verweilte namentlich bei der Budgetdebatte, sich auf den Boden der Magdeburger   Beschlüffc stellend. Weder der Disziplinbruch der Badenser noch die Budgetbewilligung fand einen Verteidiger, viel- mehr wurde scharf zum Ausdruck gebracht, daß die Partei nach wie bor   die altbewährte Taktik beibehalten müsse. Mehrere Redner wiesen energisch jede Leisetreterei zurück und vertraten die P r o p a- gierung des. Massenstreiks im Sinne der Ge- nossin Luxemburg  . Von der Parteipresse verlangten sie eine klare Stellungnahme zu tattischen und prinzipiellen Fragen, wobei sie betonten, daß die Taktik aus dem Prinzip hergeleitet werden müsse. Genosse Aürgerschaftsmitglied Unland, der ebenfalls nach Magdeburg   delegiert war, meinte, der Beschluß in der Budgctfrage bedeute nur ein Ueberkleistern: es wäre richtiger gewesen, schon jetzt die reinliche Scheidung vorzunehmen, weil in zwei oder drei Jahren sich das alt Spiel wiederholen werde. Wären die Budget- bewilliger und DiSziplinbrechcr fchbn jetzt gegangen, so wäre die alte Einheit und Geschlossenheit der Partei bald wiederhergestellt, weil eben die Massen, das kämpfende Proletariat, das Heer der Klassenkämpfer nicht verlassen und die wenigen Irregeleiteten schnell zur Fahne des Marxismus zurückkehren würden.(Lebhafter Beifall.) In Dessau   erstattete Genosse P e u s Bericht. Er erklärte: In der Budgetfrage habe er darum stets mit Nein gestimmt,, weil er der grundsätzlichen Auffassung sei, daß die Budgetfrage in erster Linie Sache der Landesorganisation und Landesfraktion sei, und mau den Disziplinbruch durch die falsche Regelung mit verschulde. Auch seinem Zusammenstoß mit Bebel widmete er einige Worte, darlegend, daß Bebel dabei durchaus im Unrecht gewesen sei, was er ja auch durch seinen Rückzug anerkannt habe. In der Diskussion meinte der Vorsitzende Stelzer, Bebel habe seine Worte wohl nicht so lchlimm gemeint, wie sie aufgefaßt worden seien, und Peus habe ihm ja auch schneidig geantwortet. Eine weitere Debatte und eine Resolution wurden nicht beliebt. Die Parteischule hat am Sonnabend, den 1. Oktober, ihren fünften Kuxsus be- gönnen. Es nehmen diesmal 23 Genossen und 3 Genossinnen teil; von den Genossen find 4 von gewerkschaftlichen Zentralverbänden (je zwei von den Bergarbeitern und den Maurern) geschickt worden. Von den Teilnehmern am Kursus stammen 1b aus preußischen Landesteilen, die übrigen verteilen sich auf Baden(2), Bayern  (1), Bremen(1), Hamburg  (1), Mecklenburg  (1), Sachsen  (3), Württem- berg(2). Der Lehrplan der Schule hält sich im allgemeinen im Nahmen der früheren Jahrgänge; Nationalökonomie und Geschichte(poli- tische Geschichte, gesellschaftliche EntWickelung, Theorie und Ge­schichte des Sozialismusi bilden die wichtigsten Hjeoretischen Unter­richtsfächer. daneben wird über Rechtskunde, Nawrcrkenntnis und einige praktische Gebiete(mündlicher und schriftlicher Gedanken- austausch, Leitungstechnik) vorgetragen. Ter neue Kursus wurde vom Genossen Heinrich Schulz   mit einigen Worten der Begrüßung eröffnet. Im Namen des Partei- Vorstandes wünschte Genosse W o l i e n b u h r den neuen Partei- schülcrn vielen Erfolg; die alten Agitatoren der Partei hätten zwar keine Parteischule gehabt, aber für sie sei es auch leichter ge- Wesen, sich in die damals erst in bescheidenem Ausmaße vorliegende wiisenscbasiliche politische Literatur einzuarbeiten: zudem hätten sie die theoretische EntWickelung und Vertiefung de§ Sozialismus mit erlebt. Ter jüngeren Generation gehe dieier Vorzug ab, sie müsse ihn durch dies Studium einzuholen versuchen und darum seien die neueren Hilfsmittel der Urteilsbildung, besonders die Parteischule, von großem Werte für die Partei. Nach der schlichten Eröffnungsfeier, der die meisten Lehrer und einige Mitglieder des Partcivorstandes beiwohnten, begann sofort der Unterricht.  _ Ein Partriblatt für Wrstprrußen. Ein langgehegter Wunsch der Genossen WestpreußenS ist endlich in Erfüllung gegangen. Mit den, 1. Oktober hat ein eigenes Partei- blatt für Weflpreußen zu erscheinen begonnen, das Tageblatt Volks wacht" in Danzig  . Verantwortlicher Redakleur ist Genosse A. C r i s p i e n. Möge der neue Streiter in der Hochburg der Funker dem Sozialismus tüchtige Dienste leisten. Wir wünschen ihm kräftiges Gedeihen. Niedergehetzt. Gegen den Genossen Albert, der von der Breslauer Straf- kammer zu einem J'ahr Gefängnis verurteilt worden ist und gegen den noch lb weitere Prozesse anstehen, stand Sonnabend vormittag Termin vor der Breslauer Strafkammer wegen Beleidigung der Bonner   Richter an. G e- nosse Albert war zum Ter'min nicht erschienen. An seine Kollegen in der Redaktion derVolkswacht" hatte er ein Schreiben gerichtet, nach dem er sich auf Anraten seines Arztes i n ein Sanatorium begeben habe. Einstweilen halte er alle Mittel, vor unbefangene Richter zu kommen, für erschöpft. Bei seinem nächsten Prozeß würde er in Untersuchungshaft genommen und dadurch in seiner Verteidigung noch mehr be- sch'ränkt, ganz abgesehen davon, daß seine Nerven die Stra- pazen einer Untersuchungshaft nicht aushalten würden. E r werde nach Breslau   zurückkehren, sobald er einiger- maßen die Gewähr habe, ungefähr die gleichen Rechtsgaranticn zu haben, wie jeder Angeklagte außerhalb Breslaus  . Wir wünschen, daß Genosse Albert bald wieder so weit her- gestellt ist, daß er seinen schweren Strauß mit der Breslauer Justiz ohne allzu schwere Schädigung seiner Gesundheit zu Ende kämpfen kann. Redakteurfrenden. Genosse M a r ck w a l d von derKönigs- berger Volkszeitung" hat seine vier monatige Ge- fängnisstrafe wegen angeblicher Prinzcnbeleidigung am 1. Oktober im Strasgcfängnis zu Braunsberg angetreten. Er hat die von ihm ursprünglich eingelegte Revision zurückgezogen, ob- Wohl seine Ansicht über die juristische UnHaltbarkeit des Urteils bis Iveit über die Reihen unserer Genossen geteilt wird. Genosse Marckwald glaubte es nicht verantworten zu können, im Wahl- kämpfe zu fehlen. Da aber der Termin der Reichstagswahl mög- licherwcise überaschend plötzlich angesetzt werden kann, andererseits aber die Mühlen des Reichsgerichts oft äußerst langsam klappern, so sah er sich gezwungen, auf die Anrufung der Revisionsinstanz zu verzichten. Genosse Linde, dernur" zu sechs Wochen Gefängnis der- urteilt ist und der daher eine allzu schwere Unterbrechung seiner Partei tätigkeit im Wahlkampfe keinesfalls riskiert, hat die von ihm eingelegte Revision aufrechterhalten. Eine seltsame Verschärfung der Strafe bedeutet es, bemerkt dieKönigsberger Bolkszeitung" zu der Nachricht, daß, ohne An- gäbe von Gründen, zuungunsten unseres Genossen von dem Ge- schäftsplane abgewichen ist, der vorsieht, daß Gefängnisstrafen hier wohnhafter Verurteilter bis zu acht Monaten in der Regel in Königsberg zu verbüßen sind. SemKts- Leitung. Streikprozesse. , Nachdem seit vierzehn Tagen eine Anzahl von streikenden Schmieden wegen Stehens auf der Granitbahn des Bürgersteiges verurteilt worden sind, kam gestern vor dem Schöffengericht ein Fall zur Verhandlung, dem der Arbeitgcberverband den Stempel einesschweren Falles" aufgedrückt hat. Der Syndikus der Ar- beitgeberverbände, Rechtsanwalt Hennigsohn, vertrat den angeblich Verletzten, der als Nebenkläger zugelassen war. Angeklagt war der durch Rechtsanwalt Dr. Oskar Cohn verteidigte Schmied Stell- wacher. Vergehen gegen Z 153 der Gewerbeordnung und gefähr- liche Körperverletzung wird ihm zur Last gelegt. Die Verhandlung zeigte, daß es eine ziemlich harmlose Rempelei war, aus der die Anklagebehörde die angegebenen Straftaten herleitete. Der Ange- klagte hat den Arbeitswilligen Nowak eines Morgens in der Haus- tür getroffen und ihn gefragt, ob er zur Arbeit gehe. Nowak ver- neinte das; daraus forderte ihn der Angeklagte auf, nach dem Streikbureau mitzukommen. Als Nowak das verweigerte, sagte der Angeklagte, wenn Nowak nicht mitkäme, würde erwat kleenes" kriegen. Die Anklagebehörde sagt:wat kleenes kriegen" bedeutet Prügel kriegen, also hat der Angeklagte durch Drohung mit einer Körperverletzung den Nowak zur Teilnahme am Streik bewegen wollen. Im Laufe dieser Unterredung zwischen dem Angeklagten und Nowak hat der Angeklagte mit einm Spazierstock nach Nowak geschlagen. Dabei löste sich der Stock von der Krücke, so daß es zweifelhaft bleibt, ob Nowak überhaupt getroffen ist. Der Ange- klagte will den Schlag in Abwehr einer Anrempelung durch Nowak geführt haben. Dieser behauptet dagegen, daß er der Angegriffene sei. Belastet wurde der Angeklagte eigentlich nur durch den Ar- beitswilligen Nowak, während die Angaben von drei anderen Zeugen mehr oder weniger unbestimmt waren. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft beantragte einen Monat und eine Woche Gefängnis und begründete das Strafmatz mit einem Hinweis auf die Vorgänge in Moabit  . Diese Vorgänge so meinte der Anklagevertreter hätten gezeigt, wohin es führe, wenn Ausschreitungen bei einem Streik vorkämen. Der Vertreter des Nebenklägers bezeichnete die beantragte Strafe als sehr milde. Er hätte eine höhere Strafe gewünscht, wollte aber, um sich nichts nachsagen zu lassen, nicht über den Antrag des Staatsanwalts hinausgehen. Der Verteidiger verwahrte sich dagegen, daß der Vertreter der Anklage die noch völlig unaufgeklärten Borgänge in Moabit   heran- ziehe, uni das Strafmatz für eine Handlung zu begründen, die drei Monate vor diesen Vorgängen liegt. Im übrigen beantragte der Verteidiger die Freisprechung des Angeklagten, weil der Beweis seiner Schuld nicht gelungen sei. DaS Gericht schloß sich dem sonderbaren Ergebnis staats- anwaltlicher Sprachforschung an, wonachwat Heenes" gleich- bedeutend mit Prügel ist, und verurteilte den Angeklagten wegen Vergehens gegen 8 153 und Körperverletzung zu einer Woche Ge- fängnis. *#* Einer der streikenden Schmiede, namens Wolf» der vor dem Hause de» Schmiedemeisters Bielefeld in der Ackerstraße auf der Granitbahn des Bürgersteiges gestanden haben soll, wurde vom Schöffengericht zu einer Geldstrafe von 6 M. verurteilt. Das Urteil stützt sich lediglich auf die Aussage des Schutzmannes, der den Angeklagten ststiert hatte. Die Ladung von Zeugen, welche die An- gäbe des Angeklagten, er gehöre gar nicht zu den Persoen, die sich auf dem Bürgersteige bewegten, beweisen sollten, lehnte das Gericht ab. '.' Die fortdauernde Ablehnung von Entlastungszeugen zeigt, daß das Gericht glaubt, auch ohne Aufklärung des Sachverhalts zu einem Schuldig gelangen zu dürfen. Warum sagt nicht auch die Strafprozeßordnung kurz und bündig: Wer von einem Polizei- beamten angezeigt wird, hat kein Recht, seine Unschuld darzutun? Die Heranziehung der Moabiter   Sache illustriert dieObjektivität" unserer Anklagebehörden. Schade, daß der Verteidiger nicht bean- tragte, den Staatsanwalt eidlich als Zeugen darüber zu laden, daß ihm keinerlei Tatsachen für seine Behauptungen bekannt sind, wohl aber dafür, daß nachweislich auf schuldlose Leute, wie z. B. auf Zeitungskorrespondenten, seitens der Polizei lediglich deshalb ein- gehauen ist, weil ein arbeitswilliger Hauptmann von Köpenick zum Draufhauen kommandiert hatte. Kinematographentheater vor dem KauftmmnSgmcht. Seit dem Anwachsen der Lichtbildbühnen haben sich auch die Kaufmannsgerichte mehr wie früher mit diesen Unternehmungen zu beschäftigen, und meist ist hier vor Eintritt in die materielle Verhandlung erst die Frage der kaufmanns- oder gewerbegericht- lichen Zuständigkeit zu lösen. Bei rein technisch Angestellten, wie z. B. den Operateuren, ist ja die Zuständigkeit de» Gewerbegerichts außer Frage, aber selbst bei rein kaufmännischen Angestellten hält das Berliner   Kausmannsgericht, im Gegensatz zum Gesetz und der Auffassung des RcichSgerichts wie des Oberhandelsgerichtes, nicht immer das KaufmannLgericht für die zuständige Instanz. So war in einem vor der 4. Kammer des Berliner   KaufmannSgerichtS schwebenden Prozeß der Inhaber eines Bioskopthcaters von der bei ihm tätig gewesenen Kassiererin verklagt. Die Tätigkeit der Kassiererin war zweifellos eine rein kaufmännische, ähnlich der einer Kassiererin im Warenhaus, der Inhaber des Theaters war aber nicht ins Handelsregister eingetragen. Das Kaufmanns- gericht beschloß, aus diesem Grunde den Rechtsstreit ans Gewerbe- gericht zu überweisen. Der Beklagte sei kein Kaufmann, daher ss«- höre die von der Kassiererin erhobene Klage nicht vor das Kauf- mannsgericht. Sache der Beisitzer sollte es sein, dieser die Arbeiter schädigen- den falschen Praxis ein Ende zu machen. Auf der Suche nach dem Vater. Den Gegensatz zwischen geschriebenem und natürlichem Recht zeigte ein Prozeß wegen versuchter Erpressung, der gestern unter Vorsitz des Landgerichtsrats Kade die 10. Strafkammer des Landgerichts I   beschäftigte. Aus der Untersuchungshaft wurde der Handlungsgehilfe Richard Wiechmann vorgeführt.   Die Mutter des Angeklagten lebte vor etwa 28 Jahren in Königsberg und verheiratete sich dort mit einem gewissen Wiech- mann. Die Ehe war nur von kurzem Bestand. Nach elsmonatigem Zusammenleben trennten sich die Eheleute wieder. Während der Ehemann nach Verlin übersiedelte, nahm die Frau eine Stellung als Wirtschafterin bei einem Herrn Radin an. Auch später, als sie diese Stellung aufgab, erhielt sie noch hin und wieder den Be- such desguten Onkels" Radin. Etwa zwei Jahre, nachdem die Eheleute auseinander gegangen waren, erblickte der jetzige An- geklagte das Licht der Welt. Als er dann größer wurde und nach seinem Vater fragte, redete ihm die Mutter vor, daß der Vater ver- schollen wäre, trotzdem sie dessen Aufenthaltsort sehr genau kannte. Der Angeklagte reifte nun allmählich zum Manne heran, immer in dem Gedanken, daß sein Vater verschollen sei. Es gelang ihm, eine achtbare und auskömmliche Stellung zu erlangen, in welcher er zur größten Zufriedenheit seines Chefs arbeitete. Eines Tages wurde er an das Totenbett seiner Mutter gerufen, die ihm sterbend das Geheimnis anvertraute, daß nicht ihr Ehemann, sondern jener Herr Radin sein Vater sei. Bon diesem Moment an war der Ltjährige junge Mensch wie umgewandelt. Aus dem früher lustigen und strebsamen Menschen wurde ein kopfhängerischer Grübler. Er gab ohne zwingenden Grund seine Stellung auf und machte sich auf die Suche nach feinem Bater. Nachdem er in dem Nachlatz seiner Mutter eine angefangene Alimentationsklage gegen jenen Herrn Radin gefunden hatte, war es seine felsenfeste Ueber- zeugung geworden, daß dieser tatsächlich sein Vater sei. Diese AlimentationSklage war, wie sich aus anderen Schriftstücken ergab, deshalb nicht eingeleitet worden, weil die Ehe noch bestand und nach dem Gesetz der Ehemann so lange als Vater in Frage kommt» wie die Ehe besteht und nicht der Ehemann auf Unehelichkeits- crklärung geklagt hat. Eines Tages erschien der Angeklagte bei dem in einem östlichen Vorort wohnhasten und inzwischen zum wohlhabenden Rentier gewordenen Radin. Seine vertrauliche Be- grützung:Guten Tag, Bater" wurde jedoch von R. ganz ent- schieden zurückgewiesen. Er suchte nunmehr den Mann seiner Mutter auf, der in Berlin   eine Portierstelle bekleidet. Ms er diesen als Vater begrüßte, lehnte dieser ebenfalls die Vaterschaft ganz entschieden ab, unter dem Hinweis, daß er mit seiner Frau nur elf Monate zusammengelebt habe und der Angeklagte erst nach zwei Jahren zur Welt gekommen sei. Der junge Mann, ohnehin eine etwas schwärmerisch-sensible Natur, nahm sich diese eigen- tümlichen Verhältnisse sehr zu Herzen. In seiner verzweifelten Stimmung kam er zu der Ueberzeugung, daß es besser sei, wenn er ins Ausland gehen und sich dort eine Existenz gründen würde. Er fuhr erst nach Wiesbaden  , um dort Herrn R., den er gemäß der Angaben seiner Mutter als Vater in Anspruch nahm, zu treffen. Als er hier erfuhr, daß R. schon abgereist wäre, fuhr er nach Berlin  zurück, wo er ihn in dem HotelHabsburger Hof" traf. Er bat hier seinen natürlichen Vater himmelhoch, ihm die Mittel zu geben. mit denen er nach Afrika   auswandern und sich hier als Kaufmann niederlassen wollte. Als R. ablehnte, drohte der Angeklagte, daß er erst ihn und dann sich selbst erschießen würde, da sein Leben ohnehin schon vernichtet sei. Am nächsten Tage erschien er wieder in dem Hotel, um seinenVater" zu sprechen. Als er erfuhr, daß R. soeben mit einer Droschke zum Bahnhof gefahren sei, um wieder abzureisen, warf er sich ebenfalls in eine Droschke und jagte hinter R. her. Auf dem Bahnhof Friedrichstraße   kam eS zu einer erregten Auseinandersetzung, bei welcher der Angeklagte drohte, daß R. nicht lebendig Berlin   verlassen werde. Radin hatte sich inzwischen polizeilichen Schutzes versichert und lieh den Angeklagten, bei dem ein Revolver mit sechs scharfen Patronen gefunden wurde, fest- nehmen. Die Folge war die jetzige Anklage wegen Verbrechens gegen den Z 254 St.-G.-B.(Erpressung mit Androhung von Mord)» welcher nur Zuchthausstrafe zuläßt. Vor Gericht bat Justizrat Lconh. Friedman» in eindringlichen Worten darum, die Ver- fehlung des Angeklagten in möglichst mildem Lichte ansehen zu wollen, zumal Radin vor Gericht den Verkehr mit der Mutter habe zugeben müssen. Das Gericht erkannte auch auf die niedrigste ge- setzlich zulässige Strafe von 4 Monaten Zuchthaus  , die in 6 Monate Gefängnis umgewandelt wurden. Außerdem wurde dem An- geklagten die Untersuchungshaft voll angerechnet. Ein Musterschutzmann. Im Jndustriestädtchen Teuchern» Kreis Weißenfels  , amtierte seit Jahrzehnten ein Polizist Paul Schulze, der sich im Kampf gegen die Sozialdemokratie ganz besonders hervorgetan hat. In vielen Prozessen gegen Parteigenossen hat er eine gewichtige Rolle als Zeuge gespielt und sein Eid wurde von den Richtern stets in vollem Umfange gewürdigt. Solch unbegrenztes Zutrauen der Justiz zu seiner ehrenwerten Person machte den Mann dreist. Er wagte sick auch an Angehörige der Bourgeoisie, doch dies wurde sein Verhängnis. Eine der Honoratioren von Teuchern  , ein Maurermeister Steinmetz, war wegen Alimentenzahlung verklagt worden, worin ihm ein Tierarzt auS dem gleichen Ort eidliche Hilfe leistete, indem er beschwor, daß auch er mit dem klagende» Mädchen verkehrt habe. Zu dieser netten Intimität einer kleinen Stadt wußte Schulze nun zu bemerken, daß der Tierarzt falsch geschworen. Der Maurermeister habe auch ihm(Sch.) erst 2000 M. und dann 5000 M. geboten, damit er ihn herausbeschwöre. Der ohnehin genugsam blamierte Maurermeister strengte Privatklage gegen den Polizisten an und dieser wurde zu 400 M. Geldstrafe verurteilt. Aus Rache verbreitete hierauf der hereingefallene Ordnungshüter das Gerücht, er selbst habe mit der Frau des Maurermeisters Ehebruch   getrieben. Bei einer zweiten hieraus folgenden Privatklage wurde der biedere Schulze vom Schöffen» gericht zu 300 M. Geldstrafe, seine Frau zu 20 M. verurteilt. Hiergegen legten beide Parteien Berufung ein, die vor dem Land- gericht Naumburg   verhandelt wurde. Es gelang dem Polizisten nicht im geringsten der Nachweis, daß er mit der bedauernswerten Frau des Maurermeisters unerlaubten Verkehr getrieben habe, nichtsdestoweniger beharrte unser Eideslcister bei seiner Behaup- tung. Schließlich wurde er unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zu sechs Monaten Gefängnis, seine Frau zu 100 M. Geld- strafe verurteilt. In der Urteilsbegründung hob der Gerichtsvorsitzende hervor» daß das Verhalten des Polizisten ein Ausfluß sittlich-moralischen Tiefstandes fei. Das Gericht fei empört über das gemcingefähr» liche Treiben des Angeklagten. Er gehöre zu den Leuten, die un- wahre Behauptungen aufstellen und diese trotz aller Gegenbeweise mit dreister Stirn aufrechterhalten, wobei sie vor keiner Gemein- heit zurückschrecken. Wäre diese mit schweren moralischen De- selten behaftete uniformierte Ordnungsstütze nicht mit beiden Füßen im bürgerlichsittlichen" Sumpf hängen geblieben, so hätte sie wohl noch lange als bevorzugter Schwurzeuge gegen organisierte Arbeiter gedient. An diesem Beispiel läßt sich wieder einmal deutlich sehen, in welche Sackgasse das berühmte System der Poli, zisteneide die Justiz sührt.*'- Hisq der frauenbewegirncf* Leseabende. Zehlendorf  (Wannseebahn  ). Mittwoch, den 5. Oktober, bei Venns Mickley Vortrag:Die Erziehung der Kinder." Spandau  . Dienstag, den 4. Oktober, 8% Uhr. Bei Fritz Böhls, Kavelstraße 20. Vortrag der Genossin Matschke-Berlin  .