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Nr. 159.

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monatlich

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für 1893 unter Nr. 6708.

Vorwärts

10. Jahrg.

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Fernspredjer: 3mt I. 4186. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  !

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Sonntag, den 9. Juli 1893.

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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

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Ein verfehlter Staatsstreich. Wer die Geschichte der Junis chlacht von 1848 Liste standen und zum Worte kamen, hätte es eigentlich sich ins Gedächtniß zurückruft, wird wissen, daß die Ar- einen großen Tag" geben müssen, in Wirklichkeit aber Die Nachrichten, welche über die jüngsten Vorkomm- beiter durch die plötzliche Auflösung der National- wurde die Debatte in einer vollständig zerfahrenen Weise nisse in Paris   zu uns gelangen, erheben es über jeglichen werkstätten aufs Pflaster geworfen und in den Kampf ge- geführt. Eine Ausnahme machte in dieser Beziehung nur Zweifel, daß das wacklige Ministerium Dupuy einen Staats- trieben wurden nachdem man Paris   in der Stille mit der Abg. Gröber( Zentrum), der die Debatte eröffnete und der mit einer Rückhaltlosigkeit und Energie für sich und seine streich versucht hat, der jedoch an der Besonnenheit der Truppen angefüllt hatte. Arbeiter gescheitert ist. Wir reden hier nicht von den Die Aehnlichkeit mit dem Verfahren des Ministeriums Partei die Zustimmung zu der Militärvorlage ablehnte, die albernen Studententrawallen, die unsere deutschen   Befür- Dupuy im Juli 1893 ist geradezu frappant. Die Studenten- sehr vortheilhaft abstach gegen die gesucht gefünftelte Art, worter der Militärvorlage, in ihrer Verlegenheit um Gründe, trawalle boten einen bequemen Vorwand, um unbemerkt mit der Dr. Lieber seitdem er sich einbildet, Führer des für ihr Leben gern zu einem welterschütternden, die Sicher- große Truppenmassen in Paris   zusammenzuziehen, die Zentrums zu sein aufzutreten beliebt. Der Abgeordnete heit Deutschlands   bedrohenden Ereigniß aufpuffen möchten. selbstverständlich nicht gegen die Studentchen bestimmt Richter hatte zwar einige sehr glückliche Momente, besonders Hätte der französischen   Regierung etwas daran gelegen, die waren. Und die Schließung der Arbeitsbörse entspricht da wo er von Herrn Dr. Böckel als dem Zünglein an der lüderlichen Bourgeoissöhnchen zur Ruhe und zur Raison genau der Schließung der Nationalwerkstätten. Also am Waage, von dem das Schicksal der Militärvorlage abhängt, zu bringen, ein halbes Dutzend Polizisten hätte ihr ausgereicht. 5. d. M. sollte die Arbeitsbörse geschlossen werden; die sprach. Im ganzen aber litt Richters Rede ersichtlich unter Man schonte aber die jungen Leutchen gefliffentlich- und Regierung that aber im letzten Moment so, als ob sie von den Folgen der Ueberanstrengung, denen in den letzten zwar nicht blos, wie wir anfangs glaubten, aus natürlicher der Maßregel abstehen und die Sache den Gerichten über- Wochen der Führer der Freifinnigen Volkspartei sich unter­Sympathie, weil es Fleisch ist vom eigenen Fleisch, sondern geben wolle. auch aus politischen Gründen, im Interesse einer rettenden That", die man in petto hatte.

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zogen hat.

Nichts als alte Lagerhalter wußte Rudolph v. Bennigsen vorzubringen. Nicht ein Gedanke war in der ganzen Rede dieses Herrn, welchen er nicht bei irgend einer früheren Gelegenheit schon zum besten gegeben hätte. Es charakterisirt den Werth der heutigen Rede Bennigsens, daß der Herr Präsident sich genöthigt sah, ihn zur Sache zu verweisen. Für die umgefallenen Freisinnigen sprach Rickert unter

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Dadurch gedachte man, wie jetzt feststeht, die Arbeiter in Sicherheit zu wiegen und in eine Falle zu locken. Vierund­Wie den Lesern bekannt ist, war der 5. Juli als zwanzig Stunden, nach dem den Arbeitern mitgetheilt worden Termin zur Schließung der Pariser Arbeits- war, daß die Behörden von einem brüsten, gewaltsamen börse bestimmt, falls die in derselben vertretenen Syn- Vorgehen abgesehen hätten, wurde die Arbeitsbörse plöglich dikate Gewerkschaften und Fachvereine sich nicht dem überfallen, gewaltsam befeht, und die darin dienstlich bes Gesetze von 1884 unterwerfen und nicht freiwillig", ähnlich schäftigten Gewerkschaftsvorstände gewaltsam entfernt. wie der deutsche Buchdrucker- Verein, unter polizeiliche Und das in einem Augenblick, wo die, von der Regie- Lautem Beifall der Konservativen. Das genügt. Den Um­Kontrolle sich stellen würden. Der Vorstand der Arbeits- rung geduldeten, mit Sammetpfötchen gehätschelten Studenten- fall der Polen   erklärte Jadzewski, während Dr. Böckel sich börse, und die Delegirten der Syndikate wiesen das trawalle in Paris   eine revolutionäre Atmosphäre erzeugt noch etwas zierte. Er und seine Freunde werden aber provokatorische, durch nichts gerechtfertigte Ansinnen mit und den Weg des Barrikadenbaues gezeitigt hatten! über den Stock springen. Die von Böckel in bezug auf Verachtung von sich. Damit war die Gelegenheit zu einem Die Arbeiter von Paris   waren brutal gereizt, wie im die Deckungsfrage gewünschten bestimmter formulirten Zusagen " Konflikt" geboten. Juni 1848. Hätten sie den ihnen hingeschleuderten Hand- lehnte der Reichskanzler rundweg ab. Er verlangt Ver­Das Ministerium Dupuy hat die Neuwahlen auf schuh   aufgenommen, so hatten wir, aller Vorausberechnung nach, trauen" zu der Regierung. Nachdem die Herren Böckel und den 20. des nächsten Monats( August) ausgeschrieben. Es eine zweite Auflage der Junischlacht und Zimmermann sich aus Gegnern der Vorlage zu Anhängern ist knieschlotterig schwach, wird von jedem Hauch der öffent- Junis chlächterei die Gesellschaft war gerettet, derselben entwickelt haben, ist nicht abzusehen, warum sie sich lichen Meinung bewegt, ist so schwankend wie die Majorität und die Panamagesellschaft konnte vergnügt und sieges jetzt sich nicht in die verlangte vertrauensselige Stimmung der französischen   Kammer, in deren Haltlosigkeit und gesetz- gewiß in die Wahlkampagne eintreten. sollten hinein locken lassen. Uebrigens soll auch ohne die Die Arbeiter von Paris   haben das Spiel aber durch- paar Antisemiten die Majorität für die Vorlage ge geberischer Impotenz sich die politische Entartung der Bourgeoisie treu widerspiegelt. Vom Ausfall der Wahlen schaut, sie sind nicht in die Falle gegangen, und der Staats- wonnen sein. hängt die Existenz des Ministeriums und das Schicksal der streich des Ministeriums Dupuy ist mißlungen. Da die noch vorgemerkten Redner auf das Wort ver jezigen Kammermajorität ab. Das französische   Proletariat hat seinen Feinden nicht zichteten, konnte die erste Lesung heute beendigt werden. Gelingt es den sozialistischen   Arbeitern, die mit aller den Gefallen gethan, sich vor dem entscheidenden Kampf Erst am nächsten Donnerstag tritt das Haus wieder zu= Macht in die Wahlbewegung eingetreten sind, und, durch kampfunfähig zu machen. Die bevorstehende Wahl bietet sammen und stehen an diesem Tag an erster Stelle die das Beispiel des sozialistischen   Deutschland  ihm die Möglichkeit der Revanche, der Strafe und Interpellationen Bebel( Straßburger Polizei- Präsident) gefeuert und belehrt, die Wichtigkeit der Organi  - des Sieges. und Osan( Futternoth) auf der Tagesordnung.

an=

sation und der Einheitlichkeit des Handelns begriffen haben gelingt es den sozialistischen   Arbeitern Frankreichs  , die Erfolge zu erringen, die ihnen im Fall organisirten,

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zielbewußten Borgehens gewiß sind, dann hat die Stunde Politische Leberlicht. Politische Uebersicht. in der nächſten Seſſion eine Novelle zum Alters- und Invalidi­

Berlin, den 8. Juli.

Die Konservativen v. Staudy, Steppuhn und Genossen beantragen gleichfalls, daß die Regierung wenn möglich schon der kapitalistischen   Gesellschaft in Frankreich   geschlagen- tätsgesetz vorlegen solle, wonach die Verwaltung, insbesondere wenn die Bourgeoisie auf dem Boden des betreffs des Markensystems, vereinfacht werden soll. Der Gesezes bleibt. Aus dem Neichstage. Wer heute den Reichstags- Nationalliberale Dsann und Genossen( hauptsächlich So ist die Lage und es gehört nicht viel Verhandlungen anwohnte, ohne sich vorher unterrichtet zu westdeutsche Nationalliberale) richtete an den Reichskanzler Scharfsinn dazu, um einzusehen, daß für das Ministerium haben, was auf der Tagesordnung steht, dem wird es die Anfrage, ob nicht wegen der Futternoth die Dupuy die Versuchung sehr groß war, das alte Kunststück schwer gefallen sein, sich aus den Reden der einzelnen Ab- Manöver in den Nothstandsbezirken ausfallen könnten. zu probiren und einen revolutionären Ausbruch geordneten darüber zu informiren, um was es sich denn Ein vom Abg. Werner eingebrachter schleuniger Antrag künstlich hervorzurufen. eigentlich handelt. Nach den Rednern, die heute auf der ersucht um Einstellung des Verfahrens in zwei Prozessen

Feuilleton.

Nachorud verboten.)

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Die Bekehrung André Savenay's. Stimme Bater Deschamps', der sagte: Augenverblendung

Sozialistischer Roman

von Georges Renard.

Autorisirte Uebersetzung von Marie Runert.

Sört nicht auf die, welche zu Euch davon reden, daß das Eigenthum, daß das Erbrecht aufgehoben werden müsse, die eine chimärische Gleichheit herstellen wollen. Das find Utopisten, Träumer, Leute die Euch nur die Köpfe heiß machen wollen. Es lebe der praktische So­zialismus!"

treffen, befizen."

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" Das goldene Zeitalter wird dahinter weit zurück. bleiben. Das Meer wird sich in einen ungeheuren See von Limonade verwandeln."

Sagt ihr, daß Ihr sozialistischer seid als sie, um sie davon " Opfui," sagte Mrs. Webster entrüstet. So wird zurückzuhalten, daß sie es zu sehr sei. Das ist meine also die Kochkunst dann die erste Kunst sein?" Methode, und ich halte dafür, daß sie gut ist." Onein, alle Talente werden sich in unerhörtem Maße Onkel Theodor ließ nur ein dumpfes Grunzen ver- entwickeln. So 3. B. wird die Erde dann mindestens nehmen. André träumte: er erinnerte sich der rauhen 37 Millionen Schauspieler, die unsern Molière weit über­das alles! Augenverblendung! Nichts weiter!" Es ent-" Das kann einen schönen Lärm geben," rief der junge stand ein Augenblick des Schweigens. Herr Dusaule ver- Dusaule, vorausgesetzt, daß jeder ebenso viel Skandal macht, sicherte sich jetzt erst mit einiger Unruhe, daß diese Diner wie ein Schauspieler von heutzutage!" unterhaltung Frau Savenay   wahrscheinlich sehr wenig gefallen habe. Zugleich erinnerte er sich aber auch, daß er noch einen Vorrath von Anekdoten über Sozialismus und Sozialisten bereit habe. Man war beim Dessert an- Von frisch ausgepreßten Zitronen," rief Henri Dusaule. gekommen; das war der rechte Moment für seine kleinen Aber wird es dann auch noch Fische geben?" Leckereien. " Ich glaube wohl, nur wird man sie dann soweit ge­" Gestehen Sie, gnädige Frau," sagte er, daß wir zähmt haben, daß man sie vor die Schiffe spannt, um diese in einer sehr schwierigen Lage sein würden, wenn zu ziehen. Lachen Sie nicht. Das steht im sozialistischen  Man könnte auch sagen: es lebe der Sozialismus wir mit dem, was uns der Sozialismus verspricht, Evangelium, in den Büchern Fourier's." ohne Sozialisten," sagte der junge Dusaule. nicht zufrieden wären. Wissen Sie, daß es, nach dem, was" D, ist das nicht sehr interessant, was uns Herr diese Propheten sagen, wenn die Welt erst nach ihren Dusaule vom Sozialismus erzählt?" sagte Miß May zu Grundsätzen eingerichtet ist, Menschen von sieben Fuß Länge André und zeigte ihre schönen, wenn auch etwas langen Zähne. geben wird?" Doch André ließ diese Fluth von scherzhaft und wißig " D," rief Germaine, da würde ich ja viel zu klein sein sollenden Bemerkungen über sich ergehen, ohne ein " Nicht übel, was Ihr da fagtet, aber behaltet dergleichen sein. Da könnte man mich am Ende für eine Liliputanerin Wort zu sprechen. lieber für Euch, rathe ich. Das Bolt ist ein Kind, das man halten." Was haben Sie denn heute Abend? Sie sind un­mit Worten aufregen, aber auch beruhigen fann. Sie kennen" Noch mehr, Sie würden sogar 144 Jahre alt werden. ausstehlich," fing seine Nachbarin wieder an. Ich glaube, das alte Sprichwort: Mit den Wölfen muß man heulen". Das ist nämlich das Durchschnittsalter der Menschen in Gott   verzeih's, Sie träumen gar von Ihrer Amazone aus Das ist das ABC der praktischen Politif. Wollt Ihr die der sozialistischen   Gesellschaft. Außerdem werden die der Volksversammlung. Wenn Sie sie uns doch wenigstens Menge führen, dann heult mit ihr, heult stärker als sie; Menschen aber auch an Klugheit zunehmen. an Klugheit zunehmen. Statt einmal zeigen wollten! Halt! Eine Idee! Walt sie nicht ergreift und tragt ihre Fahne, und dann könnt Ihr sie mörderischer Kriege wird es nur noch einen ungeheuren Fächer? Ich möchte einen bei ihr bestellen." -che führen, wohin es Euch beliebt. Heute läuft sie mit dem Wettbewerb um die Meisterschaft im Pastetenbacken Germaine hatte die letzten Worte gehört. Sie schgeln an­Sozialismus. Ihr braucht sie nicht vor den Kopf zu stoßen. I geben.. fich dem Verlangen der Freundin an.

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Oder noch besser: Es leben die Sozialisten ohne So­zialismus," fügte André hinzu.

Der alte Dufaule blinzelte zu den jungen Leuten wie zu Eingeweihten hinüber.

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