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stellung des Friedens an; fie stellten aber das sonderbare Verlangen, daß die Streikenden sofort die Arbeit wieder aufnehmen sollten und dann würde man sehen. Das mutzten die Kohlenarbeiter ablehnen, denn sie haben schon bei den Kämpfen im Jahre 1906 so schlechte Erfahrungen mit den Kohlengrotzhändlern gemacht, daß sie alles Vertrauen eingebüßt haben. A u g u st W c r n e r. der zu einer Konferenz hinzugezogen wurde, machte nun einen Vorschlag, den der Oberbürger- m e i st e r sofort billigte. Die Kohlenarbeiter sollten die Arbeit aufnehmen, wenn die Firma Kupfer sich verpflichten würde, das Einigungsamt den Streit entscheiden zu lassen. Diesen Vor- schlag sollte der Oberbürgermeister mit Zustimmung des Herrn v. Schulz und aller auf der einen Seite Beteiligten der Firma Kupfer machen. So geschah es, aber die Firma Kupfer lehnte ab und beharrte auf dem Protzen st andpunkt, der keinen Frieden möglich macht. Das mutz die Ocffentlichkcit erfahren I Für die Ausschreilungen in Moabit   macht der Redner in erster Linie das provokatorische Vorgehen der Polizei verantwortlich. das er unter der lebhaften Zustimmung der Versammelten scharf verurteilt. Die Polizei hatte eine fliegendeWache von etwa 20 Mann und 2 Leutnants im Parterrelokal desHauses eingerichtet. Der Vorsitzende nrachte dies der Versammlung bekannt und tadelte scharf das Verhalten des Wirtes Keller  , der den einen Saal zu einer Versammlung für ruhige, friedlich gesinnte Arbeiter vermietet und den anderen Saal für die P o l i z e i, um dieser Gelegenheit zu geben, eventuell gegen die Arbeiter vorgehen zu können. Eine Protestresolution im Sinne der Ausführungen des Re- ferenten wurde einstimmig angenommen. Gegen das Verhalten deS Herrn Bolle fMilchbolle), der sich besonders zum Schutzherrn der Firma Kupser aufgeworfen hat, sprach sich die Versammlung mit großer Entrüstung aus. Der Streik wird energisch fortgesetzt werden. In friedlicher Weise gingen die Versammelten auseinander; die Polizei lag umsonst auf der Lauer. Auch der große Saal in den»PharuS-Sälen*. wo eine zweite Versammlung stattfand, war bis auf den letzten Platz gefüllt. N i t f ch k e referierte und gab ein Bild von der Lage der Kohlen- arbeiter insgesamt und der der Streikenden bei der Firma Kupfer u. Co. speziell an der Hand von vielen Tatsachen. sDer .Vorwärts' hat darüber eingehend berichtet.) Daß die Forderungen der Streikenden an genannte Firma nicht unverschämt waren, zeigt die folgende Aufstellung, die der Referent mitteilte: Regelung der Lohn- und ArbeitSderhätnifle bei der Firma Kupfer u. Comp., Kohlenhandlung en gros, Berlin  . 1. Zeitlohn. a) Die Arbeiter erhalten einen Stundenlohn von K> Pf. bei einer täglich zehnstündigen Arbeitszeit. Der Lohn der Kutscher beträgt 33 M. pro Woche. 2. Akkordlohn. a) Für Ueberladen von Preßkohlen, Steinkohlen, KokS auf dem Platz bleiben die bisher gezahlten Sätze bestehen. d) Die Bezahlung für Austragen aus dem Kahn bleibt der freien Vereinbarung der Arbeiter mit der Firma überlassen, jedoch dürfen die augenblicklich gezahlten Lohnsätze nicht gekürzt werden. 3. Arbeitszeit. a) Die Arbeitszeit für Arbeirer beginnt des Morgens um 6 Uhr und endet abends um 3 Uhr. Diese Arbeitszeit wird unterbrochen durch Pausen von Va Stunde Frühstück. 1 Stunde Mittag und Vz Stunde Vesper. d) Des Sonnabends findet der Schluß der ArbettSzeit eine halbe Stunde früher ohne Lohnkürzung statt. o) Die Arbeitszeit für Kutscher begimtt d«S Morgens um i» Uhr und endet abends 7 Uhr. 4. Ueberstunden. a) Für Ueberstunden erhalten die Arbeiter eine Bezahlung von 55 Pf. pro Stunde. d) In denjenigen Fällen, wo die Kutscher um 5 Uhr morgens anspannen müssen, auch in den Fällen, wo dieselben nach 7 Uhr abends in der Stadt beschäftigt sind, erhalten dieselben eine Ber- gütung von 50 Pf. pro Stunde. Die Berechnung der Ueber- stunden geschieht bis zur Rückkehr nach dem Stall. 5. Sonntagsarbeit. a) Die Arbeiten des Sonntags find möglichst zu vermeiden. ist solche dennoch in der gesetzlich zulässigen Zeit dringend not- wendig, so ist die Stunde mit 30 Pf. zu vergüten. Allgemeines. Die Auszahlung des Lohnes erfolgt wöchentlich deS Freitags. Fällt der Freitag auf einen Feiertag, so erfolgt die Lohnzahlung am Tage vorher. Nur der Polizei seien die Unruhen zuzuschreiben. Wäre die Polizei fortgeblieben, dann wäre sofort Ruhe eingetreten. Ein Fall ist dafür charatteristisch. Bei einem durch Streikbrecher hervor- gerufenen Auflauf wollte die Polizei schon in der bekannten Weise vorgehe», als der Redner dem diensthabenden Offizier erklärte, daß er, Redner, wenn ihm die Polizei nur fünf Minuten Zeit lasse, sofort die Ruhe herstellen wolle. Tatsächlich beruhigte sich die Menge sofort und ging auseinander, nachdem die Beamten sich zurückgezogen und der Redner zu den Personen gesprochen hatte. Die Streik- leitung wurde aus Schritt und Tritt bespitzelt und von Lokal zu Lokal gehetzt. Tie Polizei verhafte jetzt Streikende, um den übrigen Streikenden Angst einzujagen. Die Kollegen werden sich aber da- durch nicht abhalten lassen, weiter ihre Sache zu vertreten.(Großer Beifall.) Scharf nahm sich Redner die bürgerliche Presse vor, die mir ihren Hetzartikeln und Räubergeschichten nur die Reaktion auf- peitschen wolle. Selbst die linlsliberalen Blätter hätten vollständig versagt und sich unumwunden auf die Seite der Polizei gestellt. Die bürgerliche Presse trägt die meiste Schuld, indem sie die Polizei aufgehetzt und alle Vorgänge aufgebauscht habe. Einzig und allein derVorwärts' hat mit Nachdruck und Energie d ie I n t e r e s s en der Streikenden und der Bevölkerung vertreten. Redner schließt mit der Aufforderung, die Ruhe zu bewahren und weiter zu kämpfen wie bisher.(Stürmischer Beifall.) Sämtliche Diskussionsredner unterstrichen die Ausführungen des Referenten und die Empörung der Versammelten richtete sich sotvohl gegen das Treiben der Polizei als auch gegen die lügenhafte bürgerliche Presse. Besonders der Douuerstag-Artikel derMorgenpost' hatte unter den Transportarbeitern böseS Blut erregt, was sich durch stürmische Zurufe bemerkbar machte. Sämtliche Redner forderten die Kollegen eindringlich auf. die bürgerliche Presie, ganz gleich, welcher Schattierung, zum Hause hinauszuwerfen. Auch eine Genossin, Frau Kriech, nahm das Wort, indem sie in sehr humorvoller Weise zeigte, welche Vorteile der Arbeiterschaft durch das Vorgehen der Polizei zukommen. Die Organisationen können zufrieden sein mit der Werbearbeit der Polizei. Rednerin schließt mit den Worten:.1911 bei den Wahlen sehen wir uns wieder!'(Großer Beifall.) Mit einem wirksamen Schlußwort des Referenten, der das Ganze noch einmal zusammenfatzte und an die Anwesenden appellierte, die Franen und Kinder zu Kämpfern gegen den Kapitalismus zu erziehen, nicht mehr die bürgerliche Presse zu abonnieren und der politischen Partei beizutreten, schloß die Ver- Handlung. Auch hier wurde eine entsprechende Resolution einstimmig an- genommen. In der Nachbarschaft waren in vielen Häusern fliegende Polizei- wachen untergebracht. Die Schutzleute hatten den Revolver nur halb im offenen Futteral stecken. Die Versammelten gingen aber ruhig auseinander, nachdem Werner sie noch gewarnt hatte, sich auf eine Provokation einzulassen. Da; Gliener Proletariat gegen die Fleitchnot. Wir«, 2. Oktober. Wieder hat heute eine jener gewaltigen Demonstrationen statt- gefunden, durch die die Wiener   Arbeiterschaft mit eiserner Faust in die Geschicke dieses Staates eingreift. Eine Demonstration von Wucht und Gewalt, die nicht weit zurückbleibt hinter jener historischen Demonstration vom 28. November 1905, mit der das allgemeine Wahlrecht erzwungen wurde. Die Not der Massen hat sie diesmal auf die Straße getrieben, die Aufregung über die immer steigende Lebcnsmittelteuerung und namentlich über die Regierung, die gleichgültig und ergeben in den Willen der Agrarier der wachsenden Not zusieht und den Schrei des Volkes nach Oeffnung der Grenzen für billiges Fleisch geflissentlich überhört. Nun hat die Arbeiterschaft in einem friedlichen Aufzuge nochmals ihre Entschlossenheit zum Kampfe kundgetan und wenn die Regierung auch jetzt noch untätig bleibt, fällt die Verantwortung für das, was nun konimt, auf sie. Man wird ja bald sehen, ob sie den Mut haben wird, diese Verantwortung auf sich zu nehmen. Schon frühmorgens wurde eS in den Arbeitervierteln lebendig. Radfahrer durchzogen die Straßen und mahnten durch Hornsignale die Genossen, zur Demonstratton zu eilen. Um 8 Uhr sammelten sich die Genosse» in den einzelnen Gemeindebezirken und marschierten dann in geschlossenen Zügen mit ihren Fahnen und Standarten zum gemeinsamen Zusainmenkunstsort aus den Schwarzenbergplatz. Aus jedem einzelueir der 21 Bezirke kamen Tausende und Zehntausende. Aus den Arbeitervierteln der Umgebung kamen oft mehrere Stunden weit lange Züge von Arbeitern, so aus Liesing   und Atzgersdors mehrere Tausend, die fast zwei Stunden bis nach Wien   zu Fuß gehen mutzt�. Die Genossen von Wiener-Neustadt   hatten einen Sonderzug der Südbahn  gemietet, der sie in einer Stunde nach Wien   brachte. Aus anderen Orten wieder hatten die Genossen große Deputationen mir ihren Fahnen nach Wien   entsendet. Die Züge aus den einzelnen Bezirken waren so groß, daß sie den Wagenverkehr lahmlegten, und daß auch die Straßenbahn ihren Berkehr einstellen mußte. Allerdings muß man zugeben, daß die Leitung der kommunalen Straßenbahn ein ziemliches Entgegenkommen bewies. Auch die Polizei war diesmal so einsichtig, sich möglichst un- sichtbar zu machen und die Aufrechthaltung der Ordnung völlig deir Parteiordnern zu überlassen, die durch rote Armschleifen kenntlich gemacht waren. Um 10 Uhr erfolgte der Abmarsch vom Schwarzenbery-Platz. aber erst nach 12 Uhr war der Platz geleert. An der Spitze des Zuges gingen die Funktionäre der Parteivertretung und die Reichsratsabgeordneten aus der Provinz (die Wiener   Abgeordneten gingen mit ihren Organisationen). Knapp hinter ihnen hatte die Organisation der Bühnenarbeiter Ausstellung genommen, die einen Baldachin trug mit einer vom Theatermaler Burkart gemalten Dekoration, auf der einige drastische Karikaturen der Fleischwucherer zu sehen waren. Dann folgten die Deputationen und diesen die Denlonstrationsteilnehmer aus der Provinz. In langem Zuge, bald in Zehncr-Reihen, bald in Zwanziger-Reihen marschierten dann die einzelnen Bezirke, an der Spitze jedes die Bezirksvertrauensmänner, hrnter ihnen dann zumeist die Frauen, die diesmal in überaus großer Zahl an der Demonstration teilnahmen. Jnnerhälö der Bezirke waren wieder besondere Gruppen der einzehien Gewerkschaften sowie auch der größeren Fabrikbetricbe. Jede Gruppe hatte ihre eigenen Fahnen, Standarten und Tafeln, meist rot oder weiß mit Inschriften. Die Standarten waren vielfach so groß, daß sie die ganze Breite der Straße einnahmen. Sie trugen die ver- schiedensten Inschriften, bald ernst-pathettsch, bald witzig-satirisch. Zahllos waren die Karikaturen der Agrarier. Die Hernalser  trugen eine Puppe, die einen feisten Agrarier darstellt. Ans einer Tafel ivar der Führer der Agrarier, Rcichsritter v. Hohenblum. im Zwie- gespräch mit einem Owien zu sehen:Bruder, du darfst nicht herein!' Auf einer anderen standen einige Ochsen vor den österreichischen Zollschranken, darunter die Inschrift:Eini möcht' i l' Ueberall, wo der Zug geht, steht ein dichtes Spalier von Neu- gierigen, viele mit roten Nelken geschmückt. Beim Parlament hat sich eine große Menschenmenge angesammelt. Man hat zum ersten- mal bei einer Demonstration die Rampe freigegeben. Bis hinaus zum Eingang steht die Menge in mehrfachen Reihen. Die Polizei beschränkt sich darauf, den Brunnen zu umgeben. Aus der Zuschauermcnge werden den Demonstranten zum Gruß rote Fahnen geschwenkt. Als die ersten Züge beim Parlament vorbei waren, schwingt sich Abgeordneter Genosse G l ö ck e l auf das Postament deS großen GaskandelaberS vor der Rampe und hält eine flammende Ansprache an die Menge. Stürmische Hochrufe auf die Sozialdemo- kratie und die Rufe:Nieder mit den Agrariern!'Nieder mit der Regierung I' sind das Echo. Um �11 Uhr kommt die Spitze des Zuges beim Rathause an, wo eine Versammlung angekündigl war. Aber schon lange vor- her war der kolossale Platz dicht besetzt von Demonstranten, die sich ihren Organisationen nicht angeschlossen hatten. Sie mußten, als die Züge herankamen, Platz machen, ob sie wollten oder nicht. Ursprünglich war beabsichtigt, von drei Stellen aus an die vor- überziehenden Demonstranten Ansprachen zu halten. Aber als der ungeheure Menschenstron. sich über den breiten Platz ergoß, auf dem die Radfahrer Spalier bildeten, sah man. daß es unmög- lich war, Halt zu machen. So wurden bloß an die ersten Züge Reden gehalten. Es sprachen die Abg. Schuh meier, Ellen- bogen. WinarSky, Reumann, Tomaschek, Seitz. Es war fast 12 Uhr, ohne daß auch nur die Hälfte des Zuges beim Rathaus vorbeigezogen wäre. Um den Zug vorwärts zu bringen, ließ man nun ldas Generalarrangement hatte der altbewährte Demonstrationsfeldherr Brelschneider) ein rascheres Tempo einschlagen und in der breiten Allee vor dem Rathaus zwei Bezirks- züge nebeneinander marschieren. Um 1 Uhr war die Demonstration vorbei. Der Eindruck, den sie auf die ganze Bevölkerung machte, wird aber nachwirken. « Prag  , 3. Oktober. In K l a d n o w nehmen die Demonstrattoncn anläßlich der Lebensmittelieuerung einen äußerst bedrohlichen Charakter an. Ta« sende von Arbeitern durch­ziehen die Straßen und fordern Staatshilfe. Die Statthalterei hat ein Bataillon Infanterie, drei Eskadronen Dragoner und 150 Gendarmen nach Kladnow entsandt, da weitere Zwijchenfälle befürchtet werden. poUtilcKe(leberNcbt. Berlin  , den 3. Ottober 1910. Nationalliberale Bettelei«m konservative Hilfe. DieKölnische Zeitung  ' bringt in der Montag- nummer einen Artikel, in dem sie alsbaldiger Sanimlung der bürgerlichen Parteien das Wott redet und er- klärt, die gefährlichsten Gegner des modernen Staates und der nationalliberalen Partei seien die Sozialdemokraten und das Zentrum. Ihnen muß der Kampf um so mehr gelten, heißt es/ als ein Erstarken dieser beiden Parteien wiederum die Gefahr ultramontan- sozialistischer Mehrheftsbildung näher rückt. Zu Beginn de» JahreS war an dieser Stelle gesagt, es könne einmal die Zeit konimen, wo die nationale Not die Parteien des alten Block» wieder zusammenführe. Die Zeit ist da! An den Kon- s e r v a t i v e n ist es, ihre Zeichen zu deuten, denn noch ist es nicht zu spät, durch eine zwar schivierige, aber fruchtbare konservativ-li b e rale Politik einen Teil der Un- Zufriedenheit zu beseitigen, die bisher bei den Wahlen Scharen der Mißvergnügten ins rote Lager getrieben hat. Die Zeit ist da, die rote Flut droht uns bis an die Brust zu steigen. Nach Magdeburg   scheint uns kein anderer Optimismus mehr gestattet als der, daß die Revisionisten, wenn sie es könnten, uns Bourgeois mit etwas freundlicherem Gesicht den Hals umdrehen würden als die Radikalen. Das badische Vorbild wird daher wohl wenig Nachahmer finden und die bürgerliche S a m m l u'n g sp o li ti k wird sich, auch wenn sich jene konservativ-liberale Arbeitsgemeinschaft nicht erzielen läßt, von Fall zu Fall bei der Wahltaktik von selb st ergeben. Das wird für die Disziplin der bürger- lichen Wähler eine schwere Belastungsprobe sein, und was dabei herankommt, ist nicht vorauszusehen. Wir vertrauen aber, daß die bessere Einsicht die deutschen Bürger und deutschen Bauern hindern wird, sich in Extreme zu verlieren, sie muß sie schließlich doch zur Politik des verständigen Aus- gleichs der Gegensätze zurückführen, wie ihn der National- liberalismus verkörpert. Die Angst vor der roten Flut schwitzt den brapen National- liberalen aus allen Poren und in ihrer Angst verschmähen sie selbst nicht mehr den Ruf: Hilf Heydebrand l Ein Zenttumsruf nach Sammlung! In Köln   sprach am Sonntag in einer ZcntrumSwähler- Versammlung der Abgeordnete T r i m b o r n. Seine AuSführun- gen gipfelten in folgenden Sätzen: Es bleibt der Regierung kein anderer Weg übrig, als alle Kräfte zu einer zuverlässigen Abwehrmehrheit gegen das weitere Vordringen der Sozialdemokratie und zu einer Arbeitsgemeinschaft auf mittlerer Linie zu sammeln. Eine solche Politit müßte allerdings wieder an den Faden anknüpfen, der 1906 so jäh zerrissen worden sei. Die Regierung müsse ein deutliches Wort an die Adresse der nationalliberalen Partei richten. Niemals in einem Parlamente habe eine Partei von ihrer Machtstellung einen so bescheidenen Gebrauch ge- macht, wie seinerzeit das Zentrum. Die Sttafprozehrcform gefährdet. DerDeutschen Tageszeitung" wird geschrieben, daß mit der Möglichkeit des Scheiterns der Strafprozcßreform gerechnet werden müsse. Die Regierung könne der Zuziehung von Laien als Richter in der Berufungsinstanz auf keinen Fall zustimmen. Den Berufungsgerichten müsse ein ver- mehrteS Ansehen in den Augen des Publikums verschafft werden dadurch, daß diese Gerichte lediglich mit Berufsrichtern besetzt werden. Außerdem fürchte die Regierung, daß die nötige Anzahl von Laienrichtern überhaupt nicht beschafft werden könnte. Vermehrtes Ansehen können die Verufungskammern nur dann erlangen, wenn durch Laienrichter ein bestimmender Einfluß auf die Rechtsprechung ausgeübt wird. Recht fadenscheinig ist auch der Grund, daß die nötige Anzahl von Laienrichtern nicht beschafft werden könnten._ Erledigtes Neichstagsmandat. Der Reichstagsabgeordnctc Amtsrat Arendt, konservativer Vertreter de« Wahlkreises Königsberg 2(Labiau-Wehl a'u) ist gestern in Spannegeln bei Popelken gestorben. Arendt wurde 1907 mit 11 575 Stimmen gewählt, 3179 fielen auf den Sozialdemokraten, 1730 auf den Fortschritt. Bei der Wahl im Jahre 1903 brachten es die Konservattven auf 7127 Stinune», der Sozialdemokrat auf 5063, so daß die Aussicht besteht, daß unsere Partei bei der bevorstehenden Ersatzwahl in die Stichwahl mit den Konservativen kommt.__ fpanhreicb. Protest gegen de« Drill. Paris  , 2. Ottober. In der Kaserne Lob au der Garde Rcpubliquaine ereignete sich ein Fall von Gehorsams- Verweigerung. Als der Wachoffiziec die Mannschaften an- treten ließ, erschienen die durch den Sicherheitsdienst bei den Streiks ermüdeten Gardisten etwas lau gsa m. Der Offizier schickte die Mannschaft darauf wieder zurück und ließ viermal das Antreten wiederholen. Als er sie ein fiinftes Mal rief, erschienen sie nicht im Kasernenhof. Dagegen Pfiffen sie aus den Fenstern und stimmten die Internationale an. Bellten. Leopolds Erbe. Brüssel, 3. Oktober. Der Kolonialetat für das Jahr 1911 ist den Mitgliedern der Kammer zugegangen. Es ergibt sich, daß die ordentlichen Einnahsmen und Ausgaben mit einem Defizit von 6VH Millionen Frank abschließen; außerdem werden an außer- ordentlichen Ausgaben in dem Etatsjahr 1911 etwa 12 Millionen Frank beansprucht, so daß also im ganzen für 18� Mil- lionen Frank aufzukommen ist. Die Deckung soll durch Ausgabe von Schatzscheinen erfolgen. In politischen Kreisen aber nimmt man an, daß dies nicht möglich sein wird, so daß also mit der Notwendigkeit einer Kolonialanleihe gerechnet werden muß. Der Kongostaat, eine der Hinterlassenschaften deS geschäfts- kundigen Königs Leopold, wird demnach für das belgische Volk ein recht teures Erde. Spanien  . Canalejas bleibt! Madrid  , 2. Oktober. Gestern stellte CanalejaS   beim König die Vertrauensfrage, um sein antiklerikales Programm ohne jede Abschwächung durchführen zu dürfen. Der König er- neuerte ihm sein voll st es Vertrauen. Eine Demonstration der Schwarzen. Madrid  , 2. Ottobor. In San Sebastian   wurde von estva 30 000 Katholiken eine Kundgebu ng veranstaltet, bei der zahl. reiche Reden gehalten wurden, die scharfe Anklagen gegen die Re- gierung enthielten. Auch in zahlreichen anderen Provinzstädten wurden Protestkundgebungen gegen die antiklerikale Politik ver- anstaltet, die überall, ausgenommen in Valencia   und Saragossa  , ruhig verlaufen sind. Madrid  , 2. Oktober. Eine große Anzahl Katholiken, die heute früh der Messe in der Kirche Virgen del Pilar beiwohnten, zogen später zum Palais des Zivilgouverneurs. Während dieser eine Abordnung empfing, umringten die Manifestanten das Palais und sangen g e i st l i ch e Lieder. Eine Gruppe von Republikanern antwortete init der Marseillaise  . Es entstand eine Schlägerei. Die Gendarmen und die Polizei zerstreuten die Manifestanten mit Säbel hieben. Am Nachmittag herrschte wieder Ruhe.