Nr. 235.
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Vorwärts
Berliner Volksblatt.
27. Jahrg.
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Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.
Friede auf den Werften!
Freitag, den 7. Oftober 1910.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.
Verfügung, mit denen sie den Feind empfindlich zu treffen Mann von ehrenhafter Vergangenheit und erprobtem Liberavermöchten, ohne sich selbst irgendwie zu schaden. Sie konnten lismus, ein unversöhnlicher Gegner der Klerisei. Das verin der Metallindustrie Gewehr bei Fuß stehen und den Kampf bürgt eins: die neue Regierung wird liberal und vor allem antitlerital ſein. Augenblick konzentrieren, wo man die Fabriken zur Das ist erklärlich, denn die erste Aufgabe, die der Rekonnten sich darauf beschränken, aus den Werften die Kessel- bestehen, die Macht der Klerikalen zu brechen. So lange das Die Differenzen auf den Seeschiffswerften werden zu schmiede, die Deckleger, die Maler, die Tischler des Innen- nicht geschehen ist, ist die neue Republit in Gefahr. einem friedlichen Austrag kommen, die Aussperrung der baus herauszuziehen und so mit einem geringen Aufwand die Wenn behauptet wird, daß die Lissaboner Regierung einen Metallarbeiter ist vermieden. Die Verhandlungen wollten zunächst zu einem, die Arbeiter befriedigenden Ergebnis nicht Fertigstellung der Schiffe zu verhüten. Sie konnten auch Ansturm der fonterevolutionären Provinz auszuhalten haben führen, weil die Unternehmer es vor allen Dingen prinzipiell zum gewaltigen Frontangriff vorgehen durch Hinausziehung wird, so scheint uns das durchaus nicht wahrscheinlich. Kenner aller Arbeitskräfte. des Landes behaupten unter Hinweis besonders auf die ablehnten, irgendeine Verkürzung der Arbeitszeit zuzuUnd damit standen ihnen an Geldmitteln jene gewaltigen letzten Wahlen- daß die Provinz durchaus nicht antigestehen, während sie auf dem Gebiete der Lohnzahlung zu Reserven zur Verfügung, welche die Bauarbeiter für ihren republikanisch ist, sondern, daß sowohl in den Städten, als geständnissen nicht abgeneigt waren. Nun bestehen aber auf einer Reihe von Seeschiffswerften Arbeitszeiten, die weit Kampf flüssig gemacht, aber nicht angegriffen hatten. Die auf dem flachen Lande die Republikaner sehr starken Anhang einer Reihe von Seeschiffswerften Arbeitszeiten, die weit deutsche Arbeiterschaft aber in ihrer Gesamtheit hätte gern brüche von Seiten der von den Pfaffen fanatisierten Be haben. Freilich können hier und da konterrevolutionäre Ausdas übersteigen, was manchen Arbeiterkategorien in ande- und freudig zu ihren Gunsten eingegriffen in den Kampf, der völkerung erfolgen, und sie werden der Regierung manche ren als den Werftbetrieben längst tariflich zugestanden sich gegen das gewaltigste Scharfmachergebilde Deutschlands , Schwierigkeit bereiten, aber sie dürften unter keinen Umständen worden ist. Man fann es speziell diesen Arbeitern nicht verden Bestand der Republik in der nächsten Zeit bedrohen. übeln, wenn sie darauf bestanden, auf den Werften in Be- gegen den Gesamtverband der Metallindustriellen, richtete. Ob aber dieselbe Einigkeit auf Seiten der Scharfmacher Anders wäre es freilich, wenn die Truppen in der ziehung auf die Arbeitszeit nicht schlechter gestellt zu sein als herrschte? Sehen wir uns in unserer nächsten Nachbarschaft Provinz sich gegen ihre revolutionären Kameraden wenden. in anderen Betrieben. Es war begreiflich, daß sie nach dieser um! Nach den Feststellungen der Berliner Leitung des Deut. Indessen würde der Vormarsch dieser Truppen auf Lissabon Richtung hin unzureichende Zugeständnisse nicht zu befriedischen Metallarbeiterverbandes haben in Groß- Berlin 117 Be- wohl sofort begonnen haben und man würde die Nachrichten gen vermochten. So kam schließlich folgendes Angebot der triebe, die 90 982 Personen beschäftigten, das Aussperrungs- Eifer weiter geben. Derartige Nachrichten liegen indessen zur darüber alsbald in Spanien erhalten und natürlich mit allem plakat ausgehängt. Damit haben wir einen ungefähren Stunde nicht vor. Ueberblick über den Umfang der Aussperrung, die von den rämpfen um den Bestand der Republik nicht mehr kommt. So ist zu hoffen, daß es zu WaffenBerliner Metallindustriellen zur Unterstützung ihrer Freunde Es scheint im Gegenteil, daß mit ganz wenigen Ausnahmen in der Metallindustrie zum 8. Oftober geplant war. die Truppen auf Seiten der Revolution sind.
Keine Metallarbeiterausiperrung! usleje der vermeintlich mürbe Gewordenen öffnete. Sie gierung hartt, muß unter den gegebenen Verhältnissen darin
Werftbefizer zustande:
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1.200
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Die Einstellungslöhne bei den Hamburgischen Werften der Gruppe deutscher Seeschiffswerften werden bei Wieder: aufnahme der Arbeit um 2 Pf. erhöht mit der Maßgabe, daß der niedrigste Einstellungslohn irgendeines volljährigen Arbeiters 40 Pf. pro Stunde beträgt. Außer dieser Konzession in den Einstellungslöhnen wird eine Lohnerhöhung für alle Arbeiter um 2 Pf. pro Stunde vorgenommen. Dieselben Zugeständnisse machen die nicht Hamburgischen Werften der Gruppe deutscher Seeschiffswerften, jedoch mit der Einschränkung, daß der niedrigste Einstellungslohn für diese In Großberlin zusammen 231 Werte 154 200 Arbeiter Werften der örtlichen Vereinbarung vorbehalten bleibe. Die Da nur 117 Betriebe, die 90 982 Personen beschäftigen, Akkordfrage regelt sich nach den Vereinbarungen von 1907. die ordnungsgemäße Kündigung durch Aushängen des beAls neue Konzession wird ferner ab 1. Januar 1911 eine fannten„ Erlasses" der Zentralleitung der MetallVerkürzung der Arbeitszeit zugestanden, und zwar: industriellen durchgeführt haben, so würden in Berlin nicht a) bei den Hamburgischen Seeschiffswerften auf 55 60 3 roz. der in den Betrieben des Deutschen Metall- von Frömmigkeit triefte. Es würden also die anderen Gefalbten Stunden die Woche, industriellenverbandes tätigen Arbeiter, sondern nur sicher gern ein wenig Vorsehung spielen. Zum Glück dürfen b) bei allen Außer- Hamburgischen Seeschiffswerften, so- 60 Proz. der im Deutschen Metallindustriellenverbande or sie nicht und müssen zähneknirschend zuschauen, wie leicht so weit fie der Gruppe deutscher Seeschiffswerften an- ganisierten Unternehmer die Aussperrung praf- ein Thrönchen purzelt. gehören, auf 56 Stunden die Woche. tisch kennen lernen. Es sind die Großbetriebe der Berliner Der Nächstbeteiligte ist der Nachbar in Spanien , denn Die Verkürzung der Arbeitszeit beträgt nach diesen 3u- Metallindustrie, die 60 Proz. der Metallarbeiter aussperren die Salven in Portugal dröhnen hinüber nach Madrid und laffen ihn um das eigene Schicksal zittern. wollten. Beachtet man die Zahl der aussperrungs der gute Alfonso tun? Soll er im Vertrauen auf das Gottesgeftändnissen 1 Stunde wöchentlich. wütigen Unternehmer und vergleicht man sie mit gnadentum die Armee mobilisieren oder die Kriegsschiffe ausder Ziffer derjenigen, die die Plakate nicht ausgehängt laufen lassen? Er wird sich hüten! Denn noch sind die Tage haben, also von der Aussperrung nichts wissen wollen, so er von Barcelona , Madrid , Valencia und Bilbao nicht vergessen. gibt sich, daß rund die Hälfte der Berliner Metall- Man kann sicher sein: die spanischen Trupper würden nicht industriellen dem Aussperrungskommando ihrer Organi- marschieren. Das heißt nicht gem Lissabon , al.. vielleicht fationsleitung nicht gefolgt sind! gen Madrid !
Im Gesamtverband deutscher Metallindustrieller find Ein anderes Moment, das in Betracht zu ziehen wäre nun aber die folgenden Berliner Unternehmerorganisa- ist die Gefahr einer Intervention der fremden tionen angeschlossen: Mächte. Aber eine solche besteht nicht. Freilich Verband Berliner Metallindustriellen. Verband Berliner Metallindustriellen.. 99 Werte 78 000 Arbeiter würden alle die„ von Gottesgnaden" aus Solidarität einBereinigung Berl. Metallwarenfabrikanten 116 75.000 greifen, wenn sie tönnten. Nicht aus Liebe zu dem Jüng Verein Berlin . Metallschraubenfabrikanten 16 linge, der da gegangen wurde, aber aus Prinzip. Denn wer foll denn noch das„ Gottesgnadentum" ernst nehmen, wenn ein paar Kanonenfalven, genügen uni die Herrlichkeit zusammenprasseln zu lassen, wie ein Startenhaus und kein Gott die Geschützschlunde zum Schweigen bringt und die Frevler, die die Hand gegen das gesalbte Haupt erheben, in Grund und Voden Sonnert?! Zumal dieses gesalbte Haupt von Portugal ja
Der Ausgleich in der Arbeitszeitverkürzung erfolgt durch eine Zulage von einem weiteren Pfennig auf den Stundenlohn. Die bereits versuchsweise zugestandene wöchentliche Lohnzahlung am Freitag tritt mit der ersten Lohnwoche des Jahres 1911 in Kraft.
Außer diesen materiellen Zugeständnissen haben sich die Werftbesitzer dazu bereit erklärt, daß die Arbeiterausschüsse, Aehnlich lag es auch anderwärts. Die Verluste, die den gemäß den Vorschlägen der Arbeiterorganisationen gewählt Unternehmern im Augenblicke der aufsteigenden Konjunktur werden sollen. aus der Aussperrung entstanden wären, waren größere als Die gestrige Werftarbeiterkonferenz stimmte diesen neuen die, welche sie den Arbeitern beizubringen vermocht hätten. Vorschlägen zu unter der Voraussetzung, daß die örtlichen So bequemten sie sich zu Unterhandlungen, die den Verhandlungskommissionen noch die rein örtlichen Differenz- mächtigen Metallindustriellen gewiß gewaltig schwer fielen. punkte regeln. Und selbst die gern gesehenen Gelben" mußten bei diesen Alle Streifenden und Ausgesperrten werden ohne den Verhandlungen in der Versenkung verschwinden. Mit einer Arbeitsnachweis und unter Sicherung ihrer Ansprüche, auch abwehrenden Handbewegung schob sie der Metallarbeiterverder Ueberschüsse aus den durch den Streit unterbrochenen band beiseite. Afforden, eingestellt.
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Auch das war ein Erfolg, den das mannhafte Auftreten Ueber die Zeit der Wiedereinstellung wird zur Zeit, wo der Arbeiter herbeigeführt hat. wir dies zu Papier geben, noch unterhandelt.
Die Arbeiter gehen als Sieger aus diesem Kampfe hervor. Daran läßt sich nichts deuteln. Sie erkämpften eine Konzession auf dem Gebiete der Arbeitszeitverkürzung.
Sie erkämpften die verlangte Einführung von MindestEinstellungslöhnen.
Sie erkämpften die Gewährung einer Lohnerhöhung. Sie erkämpften die Regelung der Akkordarbeit. Sie erkämpften die Anerkennung ihrer Organisation, welche die Unternehmer niederringen wollten.
Sie erkämpften neben den materiellen soviel ideelle Erfolge, daß die deutsche Arbeiterschaft den Werftarbeiterstreit von 1910 in aller Zukunft als einen Markstein in der Geschichte ihrer Fortschritte ansehen wird!
Damit ist ein Riesenkampf vermieden, der nach dem Willen der Scharfmacher zirka zwei Millionen Menschen der Brotlosigkeit ausgesetzt hätte, denn die von den Werftbesitzern angerufenen, ihnen eng liierten Metallindustriellen hatten gedroht, am 8. Oktober nicht weniger als 400 000 Metallarbeiter auf die Straße zu werfen, falls bis dahin der Streik auf den Seeschiffswerften nicht beendet sei. Er ist nun beendet unter Bedingungen, welche die Herren Werftbesizer fofort haben fonnten, sofern sie sich überhaupt zu Verhandlungen geneigt erklärt hätten. Statt dessen griffen sie zur Teil. aussperrung ihrer Arbeiter. Und als diese sich das nicht ohne weiteres bieten ließen, sondern den Werften nicht ausgezählt, sondern geschlossen den Rücken kehrten, rief man den RiesenAussperrungs- Apparat der Metallindustriellen an. Aber die Metallarbeiter genau wie die übrigen beteiligten Arbeiter pfiffen auf diese Drohung. Ueberall erklärten sie sich bereit, fofort die Beiträge auf das Doppelte zu erhöhen, sie waren entschlossen, die ersten 14 Tage der Aussperrung ohne jede In dem Gewirr von Nachrichten, die über die Vorgänge Unterstützung auszuharren. Soweit sie nicht ausgesperrt in Portugal einlaufen und die zum großen Teile durchaus würden, wollten sie des Winkes harren, der auch sie aus den widerspruchsvoll und wenig glaubwürdig sind, bleibt doch Werken hinausrief, um diese vollständig lahmzulegen. Ob eins sicher: es zu dieser Hinausziehung der nicht ausgesperrten 40 Proz. feitens der Organisationen gekommen wäre, war eine Frage der Taktik. Den Arbeitern standen noch andere Mittel zur
Die Republik ist proklamiert und der König ist geflüchtet. An der Spitze der provisorischen Regierung steht Teophilo Braga, ein auch über die Grenzen Portugals berühmter
Aber was kann
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Soll etwa der neugebackene König von England seine Armada entsenden? Aber abgesehen davon, daß auch hier der Befehl kaum ausgeführt würde, ist dafür gesorgt, daß er nicht gegeben wird. England ist von allen Staaten am stärksten wirtschaftlich in Portugal interessiert; die englische Bourgeoisie aber weiß ganz genau, daß es in ihrem Interesse ist, wenn das Land, nach dem sie waren absetzt, aufblüht, und sie sieht sicher in der Beseitigung der monarchischpfäffifchen Weißwirtschaft die Gewähr hierfür. Diese englische Bourgeoisie weiß genau, daß es sich um eine bourgeoise Re publik handelt, sie fühlt sich solidarisch mit den portugiesischen man eine romantische lassengenossen. Deshalb würde Regung des Königs zum Schuße des monarchischen Prinzips einfach auslachen.
In der gleichen Lage ist auch König Viktor Emanuel: italienische Flinten und Schiffsgeschütze würden nicht gegen die portugiesischen Republikaner losgehen.
Sollen wir von den übrigen Gesalbten des Herrn" sprechen? Es lohnt nicht, denn es ist eine feststehende Tatsache, daß kein Kulturvolk der Welt sich heute dazu mißbrauchen ließe, sein Blut zu vergießen zum Schuße der Krone auf irgendeinem Stöpfchen. Nein, es ist nichts riehr mit dem Legitimitätsprinzip. Die Vernunft hat gesiegt und die republikanischen Ideale der Proletarier schützen die Welt vor Vom Auslande droht also sicher der neugeborenen Republik dem Unglück eines Krieges zur Verfechtung dieses Prinzips. nicht die geringste Gefahr.
Allerdings eine solche Gefahr würde alsbald entbrennen, wenn diese Republik nicht pünktlich die Schuldenzinsen zahlen würde. Hier ist der Punkt, wo die Bourgeoisie empfindlich ist! Man weiß das in Portugal sehr genau und es ist bemerkenswert, daß die revolutionäre Regierung mit fast komischer Hast sich beeilt, in die Wett zu telegraphieren, daß sie pünktlich die Berzentchen zahlen wird. Das schien ihr die allererste Pflicht, um das Verhältnis zur übrigen bourgeoisen Welt klaraustellen. Die Perzentchen, ja die Berzentchen! Sind sie gesichert, dann ist das übrige Nebensache.
Auch ein Prätendent hat sich beeilt, sich in empfehlende Erinnerung zu bringen. Es sitt da in Desterreich so ein braver Dom Miguel de Braganza , der wohlverbriefte Ansprüche" auf die Strone Portugals hat. Der gute Mann hat