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Nr. 235. 27. Jahrgang. 1. Ktiluge iles jOTiirtf Kerlim WIKsdlR fitifuj, 7. Vkkbet IM. StsStverorckneten- Versammlung. 27. Sitzung vom Donnerstag, den 6. Oktober, nachmittags S Uhr. Vorsteher Michelet   eröffnet die Sitzung nach 5Vä Uhr mit der Mitteilung, daß der in voriger Sitzung zum besoldeten Stadtrat gewählte Bürgermeister Sau sse- Elbing die Wahl ange- nommen hat. In der gemischten Deputation zur Erörterung der Frage einer cvent. Zuwendung an die Berliner   Kriegsveteranen ist die sozialdemokratische Fraktion durch die Stadtvv. Borgmann und Bruns, in derjenigen zur Beratung von Maßnahmen gegen die Fleischteuerung durch die Stadtvv. Borgmann und T o l k s d o r f vertreten. Eine Reihe von Petitionen wegen Niederschlagung von Umsatzsteuer soll nach dem Ausschußantrage dem Magistrat zur Erwägung überwiesen werden. Wie der Referent Stadtv. Ewald(Soz.) bezüglich der Petition des Kunst­händlers Karl Schröder betr. das Grundstück Soldiner Straße 19 ausführt, soll dieser Antrag den Sinn haben, dem Petenten event. Ratenzahlung zu gestatten. Die Versammlung tritt ohne Debatte dem Ausschußantrage bei. Das bestehende System derN e b e n k l a s s e n für schwach- sinnige Gemeindeschulkinder" will der Magistrat mit dem 1, April 1911 beseitigen und an seine Stelle eine Organisation selbständiger Hilfsschulen treten lassen. Er legt den Entwurf der neuenBestimmungen über den Unterricht in den Berliner   Hilfsschulen" vor. Dieselben sollen in der Regel eine Vorklasse und fünf aussteigende Klassen erhalten; die Kelter der Hilfsschulen sollen die Leitungsbefugnisse der Rektoren ausüben und die Funktionszulage von 699 M. soll pcnswnSfähig gemacht werden. Stadtv. Schulze(A. L.) beantragt Ausschußberatung zur noch- maligen Erörterung der Frage, ob die in Aussicht genommene Klassenfrequenz nicht noch zu hoch ist und ob es wirklich unumgäng. lich ist, selbständige Schulsysteme zu schaffen. Stadtv. Dr. Zadel(Soz.): Der Magistrat, der ja erst sehr spät und nach Vorantritt vieler anderer Kommunen an die Schaffung von Nebenklassen ging, hat in den 12 Jahren seitdem die besten Erfahrungen damit gemacht. Ten neuen Entwurf können wir aber doch wcchl nicht so unbesehen hinnehmen. Eigentlich hätte der Magistrat nach seiner eigenen Darstellung zu einem etwas anders gearteten Ergebnis kommen müssen. Die Motive unterscheiden ganz richtig zwischen Kindern, welche von Hause aus so minderwertig find, daß schon sehr bald die richtige Diagnose gestellt werden kann, und anderen Kindern, bei denen diese zu stellen tatsächlich erst nach zwei Jahren möglich ist. Dennoch ist für alle Kinder einmin- bestens einjähriger" Aufenthalt in der Nornialschule vorgesehen. Die erstger>annte Kati�ori« muß auf diese Weise ganz nutzlos 1lVa Jahre in der Gemeindeschule verbleiben und bildet dort lediglich ein Hemmnis für die anderen; diese Kinder geHöven oben durchaus in die Vorklasse hinein, von der aus sie dann entweder in die Normal- oder in die Hilfsschule zu bringen sind. Die Kinder in den Vorklassen genießen den außerordentlichen Vorzug einer geringen Klassenfrequenz, die die Berücksichtigung der Jndividuali- tat ermöglicht.(Andauernde große Unruhe, die das Verständnis der Ausführungen des Redners sehr erschwert.) Auch diese Vor- läge könne wieder zum Beweise dienen, wie die Schaffung von Kinderhorten, Waldschulen usw. durchaus zu den Aufgaben der Kommune gehöre. Zur Leitung solcher Hilfsschulen sollten auch Lehrerinnen bestellt werden; und gerade für verheiratete Lehrerinnen, die bisher sehr zu Unrecht von der Lehrtätigkeit aus- geschlossen seien, biete sich hier ein Feld der Betätigung. Stadtschulrat Dr. Fischer: Der Vorwurf, daß Kinder, die nach dem Urteil des Schularztes nicht geeignet sind, in der Normalschule -vorwärts zu kommen, doch dahin geschickt werden und erst nach einem Jahr in die Vorklasse kommen sollen, ist unberechtigt. Die zur Entscheidung berufenen Instanzen sind sich darüber einig, daß diese Entscheidung sehr schwierig ist; überall, wo Hrlssschulen be° stehen, wird diese Entscheidung erst nach zwei Jahren getroffen. Tatsächlich können übrigens unter Umständen auch aus der siebenten oder sechsten Klasse Kinder in die Vorklasse gesetzt werden. Lehrerinnen halte auch ich für die Leitung solcher Schulen für durchaus geeignet; mit den verheirateten hat man aber z. B. in Oesterreich   ermutigende Erfahrungen nicht gemacht. Stadtv. Dr. Zadel: Ich wünsche nur. daß nicht schematisiert wird. Kinder, die von vornherein idiotisch sind, gehören unter keinen Umständen in die Normalschule. In demm i n d e st e n s ein Jahr" in denBestimmungen" liegt die Gefahr, die ich beseitigt haben will. Stadtv. Cassel erkennt in den Ausführungen Zadels einen be­rechtigten Kern an; der Anregung wäre im Ausschusse weiter ngch- zugehen. Die Vorlage wird hierauf einem Ausschüsse überwiesen. kleines feuilleton. Die Stadt der Revolution. Lissabon,�   Portugals   Haupt stadt an der Tejomündung, das jetzt die Stätte des siegreichen VolkSaufstaudes geworden ist, hat schon vielerlei Zerstörungen und furchtbare Unglücksfälle erlebt. Im 19. Jahrhundert, wurde die von den Arabern Aloschbuna genannte Stadt vollkommen zerstört und war, als sie dieUngläubigen" wieder aufgebaut hatten, der Mittelpunkt zahlloser Kämpfe, bis sie endlich Alfons l. von Portugal  mit Hilfe der Kreuzfahrer für immer den Händen der Mohamme- daner entriß. Die christliche Hauptstadt brachte dann das Erd- beben von 1344 und die Pest von 1348 wieder der Vernichtung nahe; Heinrich II. von Castilien   plünderte und verbrannte den unteren Teil der Stadt. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam mit der höchsten EntWickelung der seefahrenden Portugiesen mich die schönste Blüte Lissabons   als der ersten Handelsstadt der Welt. Doch alle Herrlichkeiten und Schätze der Architektur und Kunst, die damals aufgehäuft wurden, erlagen dem furchtbaren Erdbeben vom 1. November 17Sö. das zwei Drittel der Stadt völlig dem Erd- boden gleichmachte und in ganz Europa   das größte Mitgefühl mit Lissabon   hervorrief. Nur das östliche Lissabon   ist von diesem ErL- beben verschont geblieben und erinnert, wenigstens in seinem un teren Teil Alfama  , mit seinem Gewirr enger Gäßchen und alter Häuser an die große Vergangenheit, vom Zeitalter der Entdeckungen bis zu den Tagen der Mauren   und der alten Römer. Das neu« Lissabon  , wie es nach 173£5 durch die großartige organisatorische Kraft von Portugals   bedeutendstem Staatsmann Pombal   aus Schutt und Trümmern hervorstieg, ist eine der schönsten Hafen- Plätze der Welt. In einer Länge von 6 Kilometern entfaltet sich die Stadt, an der Meeresküste entlang amphitheatralisch auf- gebaut, auf den zahlreichen Hügeln, die sich in sanften abwechsc- lungsreichem Linienschwung erheben. Wundervoll ist der Anblick dieser vier Stadtviertel, die sich in der herrlichen Umrahmung einer üppigen Vegetation zu einem blühenden Ganzen vereinen. In der Sonne leuchten dann aus dem Grün die alten Türme, vor allem der gewaltige Torre de Bclem in seinem maurisch. gothischen Schmuck die vielen schönen Kirchen. Ueberall flimmern die Azulejos hervor, dj  « bunten Fayencen, die den eigenartigen Schmuck der Häuser bilden. Lissabon   ist in neuester Zeit zu einer großen Lagerfestung ausgebaut worden. Diese Festungsanlagen, die besonder? an der Tejomündung sehr stark sind, haben in den jüngsten Kämpfen der- mutlich eine große Rolle gespielt. Das königliche Schloß, der Paqo das Neccssidades, mit seinem weiten Park und der Schloßkirche, das nicht allzu weit von dem Hafen liegt, ist der Zielpunkt, auf den das Bombardement gerichtet war. Die beiden anderen von Die ehemalige Hedwigspfarrschule, jetzt 72. G e- meindeschule, und die 14. Gemeindeschule in der Kessel- straße sollen als selbständige Schulen eingezogen werden. Die katholische Schule soll als Filiale der ebenfalls nur sehr schwach besetzten 16. Gemeindeschule fortbestehen. Stadtb. Dr. AronS(Soz.): Wir beantragen Ausschußberatung. Der Vereinigung der Hedwigspfarrschule mit der 16. Gemeinde- schule stellen wir keinen Widerspruch entgegen. Nicht ausreichend aber erscheint uns die Begründung für die Zlbsicht der Einziehung der Schule in der Kesselstraße; jedenfalls sind in den benachbarten Schulen keineswegs so viel freie Plätze vorhanden, als die Ein- Ziehung der 16. Schule erfordern würde. Die Vorlage geht an einen Ausschuß. Am 39. Juni d. I. nahm die Versammlung den Dringlich- keitsantrag Dr. Arons(Soz.) an, der den Magistrat er- suchte, mit dem Polizeipräsidium wegen Aufhebung der Genehmi- aung des Apothekenschlusses während der N a cht in Ver- Handlung zu treten. Der Magistrat teilt unterm 19. September mit, daß er einstweilen von weiteren Schritten absehen und erst abwarten will, ob weitere berechtigte Klagen des Publikums sich er- geben werden. Dem Polizeipräsidium seien neuerliche Beschwerden auch nicht bekannt geworden. Ohne Debatte nimmt die Versammlung von der Vorlage Kenntnis. Vom 1. April 1911 ab soll das L u i s e n stä dt i sch e Gym- nasium aus der Luisenstadt nach dem Schönhauser- Tor-Vtertel unverkürzt allmählich und klassenweise ver- legt werden und zwar zunächst in das Chorinerstr. 74 belegene Schulhaus; später soll es seinen Platz auf dem städtischen Gelände in der Kopenhagen   er Straße erhalten. Um die eventuelle Umwandlung in ein Realg y m nasium vor zubereiten, soll von Untertertia ab neben dem Griechischen englischer Ersatzunterricht eingerichtet werden. Von der Alten Linken und von den Sozialdemokraten liegen Anträge auf AuSschußbeoatung vor. Stadtv. Dr. Arons betont, daß der Antrag seiner Freunde sich hauptsächlich gegen die Absicht der Beibehaltung der Vorschule richte. Stadtv. Rumann(A. L.) hält den Magistratsantrag für über- aus anfechtbar. Es sei ganz unklar, weshalb gerade dieses Gym- nasium daran glauben solle. Viel zweckmäßiger wäre die Ein- zichung des an der Grenze des Stadtteils gelegenen Köllnischen Gymnasiums, das nur 62 Schüler mehr habe und dessen Bau sich für die künftige Stadtbibliothek vorzüglich eigne. Auch solle man sich doch nicht jetzt schon auf das Terrain an der Kopcnhagener Straße festlegen. Stadtschulrat Michaelis sucht die Vorlage zu rechtfertigen Das Luisenstädtische Gymnasium habe den stärksten Frequenz- rückgang aufzuweisen; ein Bedürfnis für die Anstalt sei in ihrem Rayon nicht mehr vorhanden. Es sei die höchste Zeit für die Ver- legiing. Das Bedürfnis einer höheren Lehranstalt für die äußere Schönhauser Vorstadt sei unbestrcitibar. Geplant sei andererseits die Verlegung der Friedrichswcrderschen Oberrealschule nach dem Südwesten und die Schaffung eines Reform-Realgymnasiums mit einer weiteren Obcrrealschule in Moabit  . Stadtv. Cassel äußert sich wesentlich im Sinne der Aus- führungen ges Magistratsvertreters und behält die Prüfung der Einzelheiten dem Ausschüsse vor. . Die Vorlage geht an einen Ausschuß von 1b Mitgliedern. Die Vorlage, welche die Herausgabe eines Altar- bildes aus der Anstaltskirche des ehemaligen evangelischen Johannis st ifts zu Plötzensee an das Kuratorium des Stifts zum Gegenstande hat. erklärt Stadtv. Lentz(A. L.) ablehnen zu müssen. Es wird Ausschußberatung auch für diese Vorlage beschlossen. Die Rachtragsforderung von 59 999 M. für den E r w e r b des Seerestaurationsgrundstücks in Rei nickendorf, wofür 1007 bereits 300 999 M. bewilligt worden waren, hat der eingesetzte Sonderausschuß zu genehmigen be. antragt. Ohne Debatte stimmt die Versammlung zu. Der Rechnungsausschuß hat über eine lange Reihe von Rechnungen und Rechnungsvorlagen Bericht erstattet. Die Prüfung der Baurechnung über die Zentral-Dispensier-Anstalt in Buch hat ihm zu folgendem Antrag Veranlassung gegeben: Die Versammlung ersucht den Magistrat, zu bestimmen, daß die von der Versammlung nachträglich bewilligten lieber- schreitungen von Kostenanschlägen nicht zur nachträglichen Er­höhung des Ausgabesolls verwendet werden dürfen, sofern es sich nicht um nachträglich bewilligte Projektänderungen handelt. Nach kurzer Debatte, in der Kämmerer Dr. Steiniger den Antrag für dem Grunde nach berechtigt, aber für zuweitgehend erNärt. wird dieser dem Ausschusse zur nochmaligen Erörterung zurückgegeben. Im Uebrigen gelangen die Anträge de» Ausschusses durchweg ohne Debatte zur Annahme. Schluß der öffentlichen Sitzung gegen Uhr. den früheren Kintgen bewohnten Schlösser, die in dem Stabtöffd i Dann nimm doch mehr Mchorie Lissabons   auffallen, sind der Paqo be Belem und das imposante Ajuda  -Schloß, das sich mitten in dem herrlichen botanischen Garten erhebt. Lissabon   ist auch heute noch ein wichtiger Handelshafen. der besonders den Verkehr mit Europa   und Sudamerika vermittelt. Die Flaggen von England, Deutschland  . Frankreich   dominieren im Hafen über die von Portugal  . Eltern im Kinbeöalter. Im Orient werden die Menschen sehr viel früher heiratsfähig und gehen infolgedessen oftmals auch in erstaunlich jungem Alter Ehen oder solche Verhältnisse, wie sie nach dem Stande der Kultur des betreffenden Volkes an deren Stelle treten, ein. Besonders bekannt sind diese Zustände von Indien   her, wo sie sich allmählich zu einer Art von sozialer Gefahr -entwickelt haben, s« daß die regierenden Behörden ihnen entgegen zu arbeiten beschlossen haben. Gewöhnlich wird angenommen, daß diese Erscheinung auf ein tropisches oder subtropisches Klima be- schränkt ist. Diese Regel scheint aber zum mindesten in vereinzelten fällen Ausnahmen zu erleiden, denn vielleicht das merkwürdigste Beispiel einer Frühheirat, das jemals mit Sicherheit ermittelt worden ist, hat derLancet"-Korrespondent in Peking   jetzt in einer Gegend von China   ausfindig gemacht, die in ihrem Klima durchaus nichts Tropisches hat. Dort gibt es also ein glückliches Elternpaar, das nach dem Geburtsregister 9 bezw. 8 Jahre alt ist. Da aber in China   der Brauch besteht, den Kindern bei der Geburt ein Alter von einem Jahr beizulegen, so würde nach unserer Rechnung der männliche Teil dieses Paares erst 8, der weibliche erst 7 Jahre alt sein. Das Wunder kam zur Kenntnis des europäischen   Arztes bereits in sehr bestimmter Form, nämlich mit voller Ziamens- und Ortsangabe und auch unter Hinzufügung einer Photographie, auf der die siebenjährige Mutter ihr Kleines, das bei der Geburt un- esähr einen Fuß lang war, sAbst nährt. Immerhin scheint der Fall selbst in China   erhebliches Aufsehen erregt zu haben, weil der Gouverneur der nordchinesischen Provinz Schansi, wo das Er- eignis eingetreten ist, einen amtlichen Bericht darüber nach Peking  geschickt hat. Außerdem hat der deutsche Arzt durch einen chinesi- scheu Freund noch besondere Nachforschungen anstellen lassen, die zu einer vollen Bestätigung aller erwähnten Angaben geführt haben. In der medizinischen Literatur wurde bisher nur eine Mutter von 9 Jahren, aber niemals ein annähernd so junger Vater erwähnt. Humor und Tatire. Alles wird teurer! Da« Prinzip. Der Angestellte: Bis wie weit kann man diese Preise steigen lassen? Der Prinzipal i Bis wir den ersten Pflasterstein im Schaufenster haben. Derechte" Kaffee. Er: Ich kann den Kaffeepreis nicht wester steigern; die Kundschaft würde Spektakel schlagen. Sie: flrgus B. vor den Geschworenen. Die gestrige Verhandlung gegen die Brüder Koppius endete, wie zu erwarten war, mit einem Schuldig gegen beide Angeklagten. Die Geschivorencn sprachen Karl Koppiub schuldig des Mordes in zwei Fällen, des vollendeten Raubes in drei Fällen, des Mord- versuche in vier Fällen, des versuchten Raubes in zwei Fällen und der versuchten und vollendeten schweren Erpressung in mehreren selbständigen Handlungen. Der Angeklagte Fritz Koppius wurde schuldig befunden des Mordes in zwei Füllen, des Mordversuches in zwei Fällen, des Raubes in zwei Fällen, des versuchten Raubes in zwei Füllen und der vollendeten und versuchten schweren Er- Pressung in mehreren Fällen. Berneint wurde von den Geschwore- nen lediglich bei Karl KoppiuS die Schuldfrage nach versuchtem Raub an Frau Wagner. Hier wurde Mordversuch als vorliegend angenommen. Das' Urteil lautete: Die Angeklagten Karl Friedrich und Friedrich Wilhelm Koppius werden wegen je zweier Morde in ideellem Zusammen- hang mit schwerem Raube zweimal zum Tode und außerdem wegen Mordversuchs, vollendeten und versuchten Raubes und qualifizierter Erpressung Karl Koppius zu 15 und Fritz Koppius zu 7 Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Verhandlung>var der Erörterung der bekannten gegen den Verlagsbuchhändler Weber gerichteten Erpresscrbriefe gewidmet. Karl Koppius behauptet, auf den Gedanken der Erpressung bin ich durch einen Zufall gekommen. Ein Mann, den ich nur dem Vor- namen Rudolf nach kenne, hatte mir viel von Siegfried Weber erzählt, mit dem er in München   zu tun gehabt habe. Er teilte mir mit, er wolle von Weber unter dem Vorwand, daß er ein Werk schreiben werde, durch Drohungen Geld zu erlangen suchen. Nach- her verreiste er. Den ersten Brief, unterschrieben Argus R., schrieb ich, und habe nachher ihn Rudolf zum Lesen gegeben. Dem un- bekannten Rudolf schreibt Karl Koppius auch in seiner weiteren Vernehmung eine Rolle bei den Erpresservcrsuchen zu. Fritz Koppius weiß von Rudolf nichts. Karl Koppius erklärt das so. von Rudolf habe ich meinem Bruder nichts erzählt, ich lovllte nicht, daß mein Bruder ängstlich würde, wenn er erführe, daß ich von dem Mord an den Friedrichschen Eheleuten mit Rudolf gesprochen habe. Den ersten Erpresserbrief sendete Karl Koppius an den VerlagSbuchhändler Weber zu Weihnachten   ein. In dem Brief stellte er sich als«inen Verbrecher vor, der auf seinen jetzigen Lebenswandel durch den Staat getrieben sei. Er führe ihn erst seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis. Er habe unter anderem 29 Morde, darunter drei in Leipzig  , begangen, und wolle seine Taten in packender Weise in einem Buch beschreiben, das er der Verlagsbuchhandlung anbiete. 5999 M. Vorschuß wolle er haben, 5999 M. wenn das Werk erschienen ist. Zum Zeichen, daß er nicht renommiere und für die Unfähigkeit der Polizei, führte er an, daß er den Mord in der Windmühlenstraße ausgeführt habe. Das Bild, das die Staatsanwaltschaft nach Zeugenaussagen von ihm angc- fertigt und veröffentlicht hatte, entspreche dem Gesicht, das er außerhalb des Hauses der Tat trage, nicht. Den Verbleib der Sparkassenbücher habe die Polizei nicht ermitteln können, weil er diese verbrannt habe. Daß die Polizei den Verbleib der beiden geraubten Uhren nicht ermittelt habe, liege nicht an ihm. Er habe sie noch am 2. November auf dem Leihaint für 27 M. versetzt. Wenn die Adressaten aqf dos Anerbieten nicht eingingen, so würde es ihr Schaden sein. Am 24. Dezember um 6 Uhr sollen die Adressaten nach einem Zeitungskiosk den Vorschuß senden. Unterzeichnet War der Erpresserbrief mit Argus R. Die beiden Brüder warteten vergeblich am 24. Dezember auf den Geldbrief. Die Adressaten hatten den Brief erst am 25. De- zcmbcr erhalten und setzten sich dann mit der Polizei in Verbin» dung. Recherchen ergaben, daß in der Tat die Uhren auf dem Städtischen Leihamt versetzt waren und daß die Handschrift des Briefes mit der auf den Postanweisungen gebrauchten identisch war. Ohne Zweifel war also Argus R. der solange vergeblich ge» suchte Mörder der Friedrichschen Eheleute. Die Polizei veranlaßte dann, daß die Herren Weber in den Leipziger Neuesten Nachrichten" Inserate erließen. Am 8. Januar erhielt Weber einen zweiten Erpresserbries von Karl Koppius. Die erste Seite hatte Fritz Koppius aus dem Postamt geschrieben. Da er aber, erzählte Karl, darüber schimpfte, daß solche Schreiberei, der reine Wahnsinn sei, nahm ich den Brief aus der Hand und schrieb ihn zu Ende. In dem Brief wird die Ungeschicklichkeit der Polizei und die Polizcisallc in denLeipziger Neuesten Nachrichten" verhöhnt und zun: Schluß gefordert: falls Weber auf das Per- lagsgeschäft nicht eingehen wolle, solle er 1999 M. Abfindungs- summe an einem bestimmten Zeitungskiosk niederlegen. Dem Ver- langen ivurde entsprochen. Die beide» Koppius sahen aber, daß der Zeitungskiosk polizeilich überwacht war. Sie sahen sich die Polizei. Die Differenz. Der Geschäftsmann: Der Wein kostet jetzt 59 Pf. mehr pro 190 Liter. Da werd' ich den Liter um 10 teurer verkaufen. So komm ich auf meine Koste». Die Miete. Der Mieter: Warum soll ich denn soviel mehr Miete zahlen? Der Hausherr: Weil Sie ebensoviel mehr ver- dienen. DerSchnapS bleibtihmtreu. Der Hungernde: Sie können den Schnapspreis ruhig weiter erhöhen; er wird immer noch billiger als eine Mahlzeit bleiben. Auch die Liebe. Das Liebchen: Schatz, Du weißt, daß alles teurer wirdMa müssen auch die Liebhaber mehr ranSriicken. _(L'assiette au beurre.) Notizen. Die S onntagSkonzerte im Schiller-Theater Charlotten bürg nehmen ihren Anfang am 16. Oktober. Der erste bis zum 11. Dezember dauernde Zyklus wird ein sehr reich- haltiges Programm bringen. Im ersten Konzert kommt je ein Trio von TschaikowSki   und Beethoven   zum Bortrag, für den gesanglichen Teil ist Anton Sistermans   gewonnen Worden. Das zweite Konzert bringt ein Klaviertrio des russischen Komponisten Arenskh und Beethovens Streichtrio in kls-änr. Für das dritte Konzert sind ausschließlich Werke von Johann Sebastian Bach   angesetzt, darunter das Trio für Flöte, Violine und Klavier in C-moIl aus de»» Musikalischen Opfer" und die sogenannte Kaffee-Kantate. Da« fülifte Konzert wird ausschließlich Mozart   gewidmet sein. Für den ersten Zyklus von fünf Konzerten wird ein übertragbares Abonnement ausgegeben, das zum Preise von 2,50 und 3,60 M. (einschließlich Garderobe und Programm) zu haben ist. Die Fritz-Reuter  -AnSstellung ist von» Künstler' >ause ins Abgeordnetenhaus übergesiedelt und wird dort im Festsaa» sreitag, den 7. Oktober, vormittags 10 Uhr eröffnet. Eine neue Schopenhaner-AuSgabe wird von dem Mnnchener Verlag R. Piper u. Co. angekündigt. Die Leitung dieses Unternehmens hat Prof. Deutzen   übernommen. Die Ausgabe soll einen absolut korrekten Text bieten, dazu an Vollständigkeit alle bisherigen übertreffen. Namentlich sollen auch der Nachlaß und die Briefe, soioeit sie erreichbar sind, zun» erstennial vollständig publiziert werden. Die zahlreichen fremdsprachlichen Zitate werden sämtlich auch in deutscher Uebersetzung gegeben werden. Eine Ausstellung gegen die Schundliteratur veranstaltet die Deutsche   Dichter-Gedächtnis-Stistung in Hamburg  . Sie führt in typischen Beispielen die Erzeugnisse der Schundliteratur und die besten Gegeumittel zu ihrer Bekämpfung vor. Diese Aus- stellnng soll auch an andere Städte leihweise abgegeben werden.