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B. 236  . 27. Jan. 3. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt.

Jahrgang.

Ein Offizierprozeß. bo

8ur fürchterlichen Niederlage für den Mili­tarismus wurde der Beleidigungsprozeß gegen den Ober­leutnant a. D. Heinr. Gramm vor der Straffammer I in Stutt gart. Ueber die Vorgeschichte des Prozesses und den Inhalt der Ankla sind die Leser schon durch unseren Artikel: Armee und 8iviljustiz" in Nr. 229, 1. Beilage, unterrichtet.

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Die Beweisaufnahme erstreckte fich in der Hauptsache auf die Erziehungsmethoden, die der Vorgesetzte Gramms, der Hauptmann Weller, bei den Mannschaften zur Anwendung brachte. Und da wurden tolle Sachen aufgedeckt. Der Hauptmann trattierte feine Mannschaft mit Schimpfwörtern wie: Aas, Schwein, Sau bieh, A.... loch, Schubejad, Saudadel, scheeles Fertel, Schweinehund, Stinktier, Mistgodel, Biest, Schweinemistgodel, Sauhund, Gehirn eunuche, beschnittener Halunte, scheeler Jud', Stintjude, trummer Hund, rotes Borstenvieh, ich schlage Dir ein paar an die Badzähne, daß Dir der Schw... hinten steht. Ein Mann, der ausgetreten war, weil ihm schlecht geworden, wurde vom Herrn Hauptmann vom Pferde herunter angeschnauzt: , Du Biest, ich reite Dich zusammen 1" Dem Angeklagten, Oberleutnant Gramm, wurde hingegen von all seinen früheren Untergebenen das Zeugnis ausgestellt, daß er ein humaner Dffizier gewesen sei, für den seine Leute durchs Feuer gingen. Unter der Bevölkerung der Garnison   Gmünd habe er das größte Ansehen genossen. Sein Weggang sei allgemein bedauert worden. Eine recht eigenartige Rolle hat auch der Oberst des Regiments b. Berrer gespielt. Er mußte zugeben, daß er den Oberleutnant

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Sonnabend, 8. Oktober 1910.

gefeßt geschimpft und geschlagen worden. Bei Angeklagten und seinem Verteidiger mehrfach Ovationen Der 3. Kompanie sei das nie vorgekommen. Die Unteroffiziere und gab seinem Abscheu über die Erziehungsmethoden des Haupt haben sich über diese Behandlung der Leute aufgehalten. manns Weller so drastisch Ausdruck, daß der Vorsitzende des Gerichts Man sagte sich: Das ist doch kein Zon mehr, mit dem man mit der Mannschaft verkehrt. Auch ich bin vom wiederholt eingreifen mußte. Hauptmann nicht richtig behandelt worden. Ich war ein Mann Das Urteil gegen den Angeklagten Gramm war bei Absendung borgerüdten Alters, war verheiratet und hatte des Berichts noch nicht gefällt. Doch mag es ausfallen, wie es Familie. Da hat es mich sehr gefchmerzt, auch in Gegen will, darüber täuschen sich wohl weder Antläger noch Richter, daß wart der gesamten Mannschaft ungerecht herunter- der Militarismus eine fürchterliche Niederlage erlitten hat. gerissen zu werden.

Rechtsanwalt Kohl: Ist es Ihnen nicht einmal infolge der Behandlung schlecht geworden, so daß Sie sich in ärztliche Be­handlung begeben mußten?

Beuge: Ich bin einmal mit einem Auftrag etwas zu spät fertig geworden, da wir erst furz zuvor von einer anstrengenden Uebung eingerückt waren. Da bin ich so angefahren worden, daß es mir schlecht wurde, da ich die Behandlung nicht mehr mit ansehen tonnte.

Rechtsanwalt Kohl: Das war doch eine Folge der Behand­lung, nicht des Dienstes?

8euge: Jawohl. Ich entschuldigte mich beim Herrn Haupt­mann. Er antwortete: Sie berfluchter Didtopf! Staatsanwalt Cuhorst  : Sind Sie ein so feinfühliger Soldat, daß es Ihnen schlecht wird, wenn man Didtopf zu Ihnen fagt?

Rechtsanwalt Rohl: Er hat gefagt: Sie berfluchter Didtopf! Das ist ein Unterschied.

Staatsanwalt Cuhorst  : Hatten Sie mit Gramm eine Unterredung? Wie kommen Sie dazu, hier gegen Ihren Haupt­mann aufzutreten?

8euge: Ich habe mit niemand eine Unterredung gehabt. Rechtsanwalt Koh1: Der Mann tritt nicht gegen seinen Haupt­mann auf, sondern er tritt für die Wahrheit ein. Das war vom Staatsanwalt eine Aeußerung, die geeignet ist, den Zeugen einzuschüchtern!

amtiert!

Aus der Frauenbewegung.

Anerkennung sozialer Frauenarbeit.

In der Generalversammlung des Bundes deutscher Frauens vereine, die zurzeit in Heidelberg   abgehalten wird, sprach als Ver treter der badischen Regierung Geh. Regierungsrat Jolly über die Wandlungen, die sich in bezug auf die staatsbürgerlichen Bestrebungen der Frauen vollziehen. Dabei bemerkte er: Die Berufung von Frauen in städtische Aemter mit gleicher Berechtigung wie die Männer, von Gewerbeinspektorinnen, hat sich längst vollzogen. Baden hat alle seine Senabenschulen den Mädchen geöffnet und die Frauen vollberechtigt an den Hochschulen zugelassen.

8ur Frage des Stimmrechts, der völligen Gleichstellung von Mann und Frau, tann die Regierung nur eine zuwartende Stellung einnehmen; eine allmähliche Entwickelung fann hier stattfinden; größere Kreise von Frauen müssen dafür gewonnen werden. Der geistige Umwandlungsprozeß, der für die Erfüllung dieser Wünsche erforderlich ist, hat eben erst begonnen; bewährt sich diese neue An­schauung, dann wird ihr der Sieg nicht fehlen.

Herr Oberbürgermeister Dr. Wildens, als Vertreter der Stadt Heidelberg  , erklärte, die Erfahrungen in der Heranziehung der Frauen zu Gemeindeämtern sind durchaus günstige. Neue Berufss gebiete müssen der Frau erschlossen werden. Wir stehen ihren Be strebungen freundlich gegenüber.

Amtlicher Marktbericht der städtischen Markthallen Direktion über Marktlage: Fleisch: Wild: Zufuhr ge

Man beachte wohl, der Beuge ist Gerichtsdiener an dem über die Herkunft der gegen ihn gerichteten Denunziation, die der selben Gericht, an dem auch dieser Staatsanwalt Wahrheit nicht entsprach, im Dunkeln gelassen habe. Erst nachdem die Gerichtsverhandlung in Aussicht stand, hat er die Schwieger- Der Herr Staatsanwalt hatte zum Schluß noch den Mut, fünf den Großbandel in den Zentral- Marttballen. mutter Gramms ersucht, ihn von der Pflicht der Diskretion zu ent- Monate Gefängnis gegen den Angeklagten zu beantragen. Bufuhr reichlich, Geschäft rege, Preise unverändert. binden. In der Verhandlung wurde weiter bezeugt, daß der Ober­leutnant Gramm feinem Hauptmann Weller mal ernste Vor- Ganz besonders scharf wurde ihm angerechnet, daß die sozial- nügend, Seichäft ziemlich rege, Breise behauptet. Geflügel: Rufuhr demokratische Presse sich des Falles angenommen hatte. ausreichend, Geschäft lebhaft, Breise gut. ise: Bufuhr mäßig, Geschäft haltungen über die Behandlung der Mannschaften Der Verteidiger, Rechtsanwalt Kohl, antwortete dem Herrn Staats- ziemlich lebhaft, Breife leicht anziehend. Butter und Käse: Geſchäft ruhig, Breife unverändert. Gemüse, Dbh und Südfrüchte: Zufuhr reichlich, Geschäft ruhig, Preise fast unverändert.

gemacht hat.

anwalt:

Witterungsübersicht vom 7. Oftober 1910. morgens 8 Uhr.

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Sehr charakteristisch war die Art der Anklagevertretung durch den Staatsanwalt; Cuhorst   heißt dieser brave Beamte. ir demokratischen Bresse gar nichts Belastendes oder Unangenehmes für " Ich stehe auf dem Standpunkt, daß solche Artikel in der sozial­geben eine Szene nach dem stenographischen Bericht der Schwäb. einen Angeklagten find. Es ist traurig, daß man erst sagen muß, Tagwacht" wieder: Zeuge August Burkhardt, Gerichtsbiener beim daß solche Dinge wie die, die meinen Mandanten berühren, von Amtsgericht in Stuttgart  , hat von 1897 bis 1904 gulegt als der sogenannten nationalen Breffe leider nie Weller sei bis 1903 sein berührt werden. Ueberall werden sie abgewiesen. Wizefeldwebel im Regiment gedient. Kompaniechef geweien. Weller sei in seinen Ausdrücken sehr Das ist das große Unglück, daß, wenn die Leute ihr Recht vertreten wenig wählerisch gewefen. Ausdrücke wie Schweinehund, wollen, ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, als das beste Mittel, beschnittener alunte, Fertel habe er häufig hören zur sozialdemokratischen Presse zu greifen." müssen, namentlich beim Ererzieren. Er sei damals Sergeant Rechtsanwalt Kohl gehört, nebenbei gefagt, der Sozialdemo- damburg 772 ND 2 Rebel gewesen. Die Leute hätten sich nicht beschwert, mehrere Male fratie nicht an, er lehnte es eingangs seiner Rede ausdrücklich ab, Frank.a M769 NO habe es aber geheißen, die Mannschaft werde sich diese Beder sozialdemokratischen Partei zugerechnet zu werden. Und dieser München  handlung nicht mehr gefallen lassen. Die Kompanie fei allerdings etwas zurüd gewesen. Dem bürgerliche Rechtsanwalt sieht sich gezwungen, ein solches Urteil Hornisten Stegmaier habe der Hauptmann mal eine mit dem über die bürgerliche Presse zu fällen! Degen über den Kopf gehauen, daß die Glafur Auf Einzelheiten des Prozesses wird später noch einzugehen rahler, am Tage mild bei meist schwachen östlichen Binden. des Helmes abgefprungen fet. Es sei fort. fein. Es fei fort fein. Das überaus zahlreich anwesende Publikum bereitete dem

Swinembe 771 NW 2 heiter 11 Haparanda 753 NW

Berlin  

Wien  

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1 halb bb. 6

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772 NND 1 Nebel Wetterprognose für Sonnabend, den 8. Oftober 1910. Beitweise nebelig, meist vorwiegend heiter und troden, nachts etwas

Berliner   Wetterbureau.

Kaufhaus

Loebmann& Singer

( Brauerel Groterjan) N. 58, Schönhauser Allee   130 130( Brauerei Groterjan)

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