Einzelbild herunterladen
 

Nr. 237.

Abonnements- Bedingungen: Abonnements Preis pränumerando: Bierteljährl. 8,30 Mt., monatl. 1,10 m., wöchentlich 28 Big. frei ins Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags nummer mit illustrierter Sonntags Beilage Die Neue Welt" 10 Bfg. Post­Abonnement: 1,10 Mart pro Monat. Eingetragen in die Post- Zeitungs­Preisliste. Unter Kreuzband füx Deutschland   und Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mart pro Monat. Postabonnements nehmen an: Belgien  , Dänemart, Holland  , Italien  , Luxemburg  , Portugal  , Rumänien  , Schweden   und die Schweiz  .

Ericheint täglich außer Montags.

Vorwärts

Berliner Volksblatt.

27. Jahrg.

Die Infertions- Gebühr beträgt für die sechsgespaltene Kolonel. geile oder deren Raum 50 fg., für politische und gewerkschaftliche Vereins­und Versammlungs- Anzeigen 80 Bfg. ,, Kleine Anzeigen", das erste( fett. gedruckte) Wort 20 Pfg., jedes weitere Wort 10 Pfg. Stellengesuche und Schlaf­stellen- Anzeigen das erste Wort 10 Bfg., jedes weitere Wort 5 fg. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 5 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist bis 7 Uhr abends geöffnet.

Telegramm Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin"

Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.

Sonntag, den 9. Oktober 1910.

Revolutionsdelirien!

"

"

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.

damit von neuem in gauz Berlin  ! Trug man doch bereits am Sonnabend ganz offen die umfassendsten Kriegsrüstungen zur Schau, die man zu den sozialdemokratischen Volksversamm­Iungen am Sonntag getroffen hat. Aus den verschiedensten Polizeirevieren Berlins  , z. B. aus der Niederwallstraße, der

Unfere intelligenten Polizeibehörden und ihre nicht minder sein wüstes Blutbad unter den Massen, das schien iegt Derfflingerstraße, der Frankfurter Allee   usw. usw. wurde uns intelligenten Auftraggeber scheinen noch immer von Revolutions  - endlich möglich zu werden! Und so unbesonnen und gemeldet, daß dort ganze Wagenladungen von Revolvern und delirien geplagt zu werden. Eigentlich ist das kaum glaub- rücksichtslos auch die Polizei vorgegangen war, in so Karabinern nebst Munition eingetroffen seien, die man wohl lich, denn gerade Moabit   sollte doch unserer Polizei bewiesen abenteuerlicher Vergrößerung polizeilicher Gespensterseherei für die am heutigen Sonntag zu erwartende Revolution" haben, wie in Wirklichkeit Aufruhr" entsteht. Denn just mit( nach einem unvorsichtigen Zeugnis der Deutschen   bereithalten will! Eine rührende Fürsorge für dem Augenblick, wo sich dort die Polizei von der Straße wieder Tageszeitung" selbst!) auch die polizeioffiziösen die Berliner   Bevölkerung, die eine nicht minder zurückzog, war dort die Ruhe" wieder hergestellt! Daraus Federn die Vorgänge in der Presse schilderten: das alles rührende Gegenliebe auslösen muß! In der Tat: In der sollte doch selbst ein bureaukratisch und polizeilich gedrilltes genügte unserem Scharfmachergesindel noch Agitation für die Sozialdemokratie sind uns unsere guten Gehirn zu folgern vermögen, daß es auch an den vorher nicht! Es ließ vielmehr kein Mittel der Aufputschung und Freunde, unsere Feinde, doch noch gewaltig über! Möge gegangenen Tagen nicht zu den beklagenswerten Skandal Aufreizung unversucht, um die Polizei zu noch unerhörterem ihr Agitationseifer für uns nie erlahmen! szenen gekommen wäre, wenn nicht die Polizei durch ihr Vorgehen aufzuftacheln! Aber nicht nur die Polizei, sondern auch die liebe Presse provokatorisches Auftreten Menschenansammlungen verursacht Die Scharfmacher haben sich auch diesmal verrechnet, ist wieder am Werke, zu provozieren und künstlich So hätte, deren gewaltsame Auseinandertreibung durch Säbel- aber ihre Rechnung war dennoch infernalisch! Kalfulierten auf zuputschen! Selbst die liberale Presse. hiebe sie dann für eine notwendige Säuberung" der Straße sie doch damit, daß schließlich auch die geduldigste Volts- erzählt das Berliner Tageblatt", daß sich schon um ausgab! masse durch fortgesetzte unerträgliche Provokationen zu tat- 8 Uhr die Genossen an den Zahlstellen sammeln würden, um Oder ist etwa der Polizei die Revolution in sächlichem Widerstand aufgepeitscht werden dann um 11 Uhr geschlossen nach den Versammlungen Portugal   auf die Nerven gefallen? Glaubt sie vielleicht, müßte! Und wir glauben, daß diese teuflische Spekulation zu ziehen. Auch nach den Versammlungen sollten Demon­daß das zeitliche Zusammenfallen des Aufruhrs" in Moabit   unseres Scharfmachergesindels sich auch erfüllt hätte, it rationen" stattfinden, die sich besonders nach den großen und der Revolution in Lissabon   mehr sei als ein Zu- wenn nicht die Volksmassen in Moabit   durch die sozial Parks hin ergießen würden. Natürlich handelt es sich bei alle. fall? Argwöhnt sie vielleicht, daß sich geheimnisvolle demokratische Schulung zu politischer Besonnenheit und eisernster dem um nichts als Polizeiphantasie! Wenn die Genossen sich Fäden spannten zwischen den Aufrührern Berlins" und Selbstdisziplin erzogen worden wären! Viel weniger sicher am Sonntag früh auf den Zahlstellen einfinden, so lediglich den Rebellen der portugiesischen Hauptstadt? Nun, zu die Rücksicht auf persönliche Folgen, als das Gefühl der zum Zwecke der Flugblattverbreitung. Alles andere ist zutrauen wäre unsern Polizeimachthabern schließlich alles! Wie Verantwortlichkeit für die allgemeine Sache Schwindel! Demonstrationen werden nicht stattfinden! An fehr das tobsüchtige Scharfmachergeheul von der Revolutions  - erstickte jeden Gedanken an Notwehr! Jeder fühlte, daß es sie war auch nicht einen Augenblick lang ge. Lüfternheit der roten Rotte unsere Polizeibehörden ver auch in der schwierigsten Situation nur ein politisches Gebot da cht, was wir hiermit ausdrücklich feststellen, um unserer wirrt und benommen hat, das bewiesen ja zur Genüge gab: Sich nicht provozieren zu lassen! bürgerlichen Presse auch gleich den etwaigen neuen die im schauerlichsten Nick Carter- Stil verfaßten Polizei- Die Scharfmacherpresse, zu der wir füglich auch die Schwindel ummöglich zu machen, die Sozialdemokratie habe berichte über die Moabiter Straßenkämpfe", das bewiesen ultramontane Presse rechnen, hat sich, als alle anderen auf eine geplante Straßendemonstration verzichtet, mehr noch die polizei offiziösen Andeutungen, daß Berdächtigungen der Sozialdemokratie an ihrer eigenen Lächerlich weil sie durch die grotesken Kriegsrüstungen der Polizei vin­dem Aufruhr irgendeine Organisation zugrunde liegen feit zugrunde gingen, hartnäckig an die Frage geflammert: geschüchtert worden sei. Die Scharfmacher und Revolutionsdeliranten werden müsse, welch idiotische Verdächtigungen sich in der Scharf- Warum hat der Vorwärts" nicht ausdrücklich seine Leser macher und Amtspresse dann in progressivem gewarnt. Die einfache Antwort darauf lautet: Weil auch am Sonntag eine bittere Enttäuschung erleben! Revolutionsdelirium zu der direkten Bezichtigung aus- es dessen nicht bedurfte! Wir wissen erfahrungs- Die Massen werden sich nicht aufputschen lassen, sie werden wuchsen, daß die Sozialdemokratie den Aufruhr" in gemäß, daß sich selbst durch die stärkste Provokation die agent provocateurs eifach aus Ia chen! Das szeniert und organisiert habe! Mit welch aberwikiger fein geschulter und disziplinierter Parteigenosse zu Un- deutsche Proletariat läßt sich nun einmal nicht provozieren, so Frechheit sich diese scharfmacherischen Revolutionsdelirien speziell besonnenheiten hinreißen läßt! Der deutschen   Sozial- toll es seine lieben Freunde auch anstellen mögen! in der Amtspresse ausrasten, beweist folgendes Zitat aus der demokratie ist die Einsicht, daß durch durch blutige Selbst eine Straßendemonstration wird nicht einmal Nr. 116 des in Gräfenthal   erscheinenden Thüringer   8usammenstöße nur Junkern und Scharfmachern stattfinden. Wozu auch? Hat denn nicht die Polizei selbst in die höchste Wonne bereitet wird, schon von sozialistengesetzlicher Moabit   so unvergleichlich wirksam demonstriert? Und sollte Berlin  , 80. September. Nach den scharfen Ankündigungen der Zeit her derart in Fleisch und Blut übergegangen, fie am Sonntag abermals demonstrieren, sollte sie die Kara­Bolizei hatte man für die Nacht zum Mittwoch auf ein erhebliches daß es für ihre Anhänger auch bei einer Situation wie in biner spazieren tragen wollen, so wird ihr das Nachlassen der Bewegung gerechnet, statt dessen haben sich wieder Moabit   nicht erst der Belehrung und Verwarnung bedarf! Proletariat auch dies Vergnügen gerne gönnen! Aber es unerhörte Szenen abgespielt. Die kleine Polizeimacht konnte die im Seiner Parteigenossen wegen brauchte sich also der Vor- wird der Polizei nicht einmal die Genug. Aufruhr begriffenen Straßen nur durch friegsgemäßes Bor gehen zur Ruhe bringen und säubern, indem die beiden wärts" nicht zu sorgen. Wenn aber auf der anderen Seite tuung berschaffen, sich von einem Schwarm Reihen der an den Häusern bordringenden Schuß die Polizei durch ihr strupelloses Verhauen friedlich die heiterer Bewunderer umgeben zu sehen! Das Leute die gegenüberliegenden Fenster unter die Mündungen Straße passierender Sozialdemokraten die Richtigkeit Proletariat demonstriert, wann es will; nicht, wann es den ihrer Mehrladepistolen nahmen. Tansende von Aufrührern er der sozialdemokratischen Auffassung bon dem Wesen Scharfmachern paßt, wann die Revolutionsdeliranten das warteten auf den Balkons und in den Fenstern mit zurechtgelegten des preußischen Junker- und Polizeistaates bewies, so fonnte Schießzeng knallen lassen möchten! Steinhaufen, Blumentöpfen, ja sogar mit Hausgeräten und Möbel- das der Vorwärts" ebenso wenig hindern, wie er Am Sonntagabend werden die Scharfmacher um eine ftücken, wie Matrayen, Stühlen, Handtuchhaltern, Kohlenkasten, es hindern konnte und zu hindern brauchte, wenn der Enttäuschung und einen Aerger reicher sein! Hackbrettern und geladenen Revolvern die Schuyleute; ein Hagel Masse der politisch Indifferenten Empfänglichkeit von Geschossen aller Art prasselte auf die Hüter der öffentlichen Ordnung herab. Es fehlte nicht an den jebe Revolte begleitenden für die fozialdemokratischen Ideen mit Polizeifäbel und Plünderungen von Geschäftsläden und Privatwohnungen. Selbst Gummischlauch eingebläut wurde!

Boten":

biertels."

"

Die Revolution in Portugal  .

Der englische   Gesandte hat schon von seiner Regierung die telegraphische Anweisung erhalten, halbamtlich wegen der amtlichen Anerkennung der Republik   in Unterhandlungen ein­zutreten. Die Haltung Englands, das in Portugal   den größten Einfluß hat, wird für alle anderen Mächte bestimmend sein.

Wessen sich das portugiesische Volt von seinem abgedankten Landesvater" zu erwarten hatte, wenn es ihm nicht schleunigft den Laufpaß gegeben hätte, zeigt die folgende Meldung:

feine Petroleurs und Petroleusen hat Moabit  . Worin unter- In welcher Weise die Polizei in Moabit   und Berlin  Die Republik   tann heute als vorerst gesichert gelten scheidet sich noch diese wüste Anarchie von den Orgien der Pariser nicht nur, sondern im ganzen Lande wieder einmal für die alle Hoffnungen der Reaktionäre auf die Provinzen sind zu Wasser Kommune? Sozialdemokratie agitiert hat, das werden schon die nächsten geworden und auch die Kolonien erkennen die Republik   an. Wer will noch mit der Behauptung fommen, es sei nur der Mob, Wahlen beweisen. Und diese Werbearbeit für die Sozial- Der hier und da schüchtern in flerifalen Blättern ausgesprochene der Auswurf der Straße, der hier seine Nadaulust befriedigt? demokratie wird trotz aller scharfmacherischen Heß- und Wunsch, daß die Mächte dem neuen Regiment die Anerkennung ber Es steht fest, daß sämtliche Haustüren der Beussel-, Rostocker und Putschversuche der einzige Erfolg der großen Polizei- fagen mögen, womöglich gar zugunsten des abgefägten Instruments der anderen in Betracht kommenden Straßen freundwillige zu aftion in Moabit   bleiben! Natürlich geben wir uns darum des Himmels zu intervenieren, wird sicherlich nicht erfüllt werden. fluchtsstätten für die Aufrührer boten, daß sämtliche Fenster bis zum Dachgeschoß hinauf ihre ordnungsfeindliche Besakung hatten. nicht der Illusion hin, daß nunmehr der agrarische Janhagel Die Bolizei aber flopste vor geschlossene Türen. Nicht der Mob oder die industrielle Scharfmacherfippe ihre Aufreizungs­ist es, der hier in offener Auflehnung gegen die Staatsgewalt versuche einstellen würden. Das läßt deren Grimm über die sich erhebt, es ist die verhette Bevölkerung des dortigen Stadt- ihrer Ausbeutergier durch die modernen Arbeiterorgani­sationen gesetzten Schranken nun einmal nicht zu. Aber die Wie der Gräfenthaler   Amtsverkündiger machten es Regierung, das Ministerium des Innern tausend und abertausend Amtsblätter! Die wenigstens, die nicht direkt materiell interessiert sind, sollten Preßmeute des Scharfmacherklüngels log an Revolutions  - doch allmählich wieder kühleres Blut und gesunde Einsicht märchen das Blaue vom Himmel herunter! Und mit allem genug gewinnen, um nicht der Sozialdemokratie zu unge­Vorbedacht! Nichts hatte bisher geholfen, die maßlose Em- ahnten Wahltriumphen zu verhelfen! pörung der Massen gegen die Steuerplünderer und Wahl- Einstweilen freilich scheint man auch an diesen Stellen rechtsverweigerer zu. beschwichtigen. Auch die heillosen Lügen der Sozialdemokratie noch unentwegt Agitations. über den Verlauf des Magdeburger   Parteitages erwiesen sich, dienste leisten zu wollen. Behauptet doch die militärisch­wie die Stichwahl in Frankfurt  - Lebus   zeigte, als völlig politische Korrespondenz, daß Wilhelm II.   angeordnet habe, wirkunglos. Da kamen die ersten Zusammenstöße in Moabit  , daß ihm eine Vorschlagsliste vorgelegt werde aur Ber­und das verzweifelte Scharfmachertum atmete leihung von Auszeichnungen an diejenigen Offi­auf! Was schon dem Monsterjunker Bismard in feinem ziere und Beaniten der Schutzmannschaft, die an den beserferhaften Sozialistenhaß als heißersehntes 3iel Moabiter Unruhen" beteiligt waren. Man wird brutalster Provokationspolitik vorgeschwebt, was seitdem so eine solche Handlung an agitatorischer Wirkung wohl noch müssen. viel kleine, aber mit nicht geringerem Haß erfüllte Junker beträchtlich höher veranschlagen dürfen, als die Königs- Sie haben das freilich nicht gewünscht, sondern Theophil als Scharfmacherlosung in die Welt hinausgegrölt: die berger Rede! Aber damit nicht genug: Kaum daß man auf Braga  , der Leiter der provisorischen Regierung, hat erklärt, daß Inszenierung eines Aufruhrs", die Provokation eines Putsches, die Provokationen in Moabit   verzichtet hat, so beginnt man diese die Ruhe des Königs sehr gern gesehen habe. Nach einer

"

Madrid  , 8. Oftober. Der Imparcial" meldet ans Lissabon  : Die neue Regierung hat das Geheimarchiv der früheren Regierung unter Siegel gelegt. In dem Bureau des früheren Ministerpräsidenten wurde der von dem König Manuel   bereits unterzeichnete Staats­att gefunden, wonach am 10. Oftober die Cortes gewaltsam ge­schlossen, die Verfassung suspendiert und das Land bis auf Wieder­herstellung der Ruhe unter die Herrschaft einer Militärdiktatur des Generals Pedro Costa gestellt werden sollte. Das sensationelle Dolument soll zur Rechtfertigung des Vorgehens der Republikaner  beröffentlicht werden.

Manuel hat also guten Grund gehabt, sich schleunigst aus dem

Staube zu machen: Hätten die Republikaner   ihn erwischt, so hätten sie ihn wegen Versuch des Hochberrats unter Anklage stellen