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5et Minker�cit nichi die Rede sein kann, die letzten Vorgange seien lediglich durch das provokatorische Verhalten der Badenser herauf- beschworen worden und eine Notwendigkeit gewesen, um den Parteibeschlüssen Achtung zu verschaffen. Weiter weist er die Angriffe der Genossin Grünberg und des Genossen Lioßhaupter entschieden zurück. Er bittet schließlich um Annahme der Neso- lution Schneppenhorst, denn es müsse auch in Nürnberg ausge- sprachen werden, daß wir es uns nicht gefallen lassen, wenn die Beschlüsse der Parteitage gebrochen werden. In der Abstimmung wird dann die Resolution Schneppenhorst gegen eine starke Minderheit abgelehnt. Das Resultat wird von der Mehrheit mit Bravo begrüßte Knöck- lein erklärt darauf unter allgemeinem stürmischen Beifall, daß er seine Resolution zurückziehe. Von anderer Seite wird uns über die Versammlung noch geschrieben: In welcher Weise die Budgetbewilliger gearbeitet hatten, geht aus dem folgenden Flugblatt hervor, das die Metallarbeiter ge- druckt und verbreitet haben. Der Wortlaut ist: Achtung! Lesen und weitergeben. Kollegen und Kolleginnen! Donnerstag, den 6. Oktober, abends 8 Uhr, findet im Herkules-Velodrom eine Mitgliederversammlung des sozialdemo- kratischen Vereins Nürnberg-Altdorf statt. Wir ersuchen alle Kollegen und Kolleginnen, die Mitglieder dieses Vereins sind, die Versammlung unter allen Umständen zu besuchen, da ein kleiner Teil der Mitglieder oersucht, die Einigkeit der Partei zu sprengen. Wir verweisen nur auf das Telegramm, das diese kleine Gruppe im Namen der Nürn- berger Parteigenossen an den Parteitag geschickt hat. Wollt Ihr, daß solche skandalösen Dinge künftighin der- mieden werden, dann kommt alle und verwahrt Euch gegen solche Machinationen. Die Vertrauensleute. Es ist einfach skandalös, in welcher Weise die Genossen auf- ereizt werden, indem man ihnen vorschwindelt, eine kleine Minder- eit beabsichtige, die Partei zu sprengen. Die Partei hat ein Recht, zu erfahren, werDie Vertrauensleute" sind und von wem das Flugblatt ausgeht. Wenn Vertrauensleute zu zahlreichem Besuch einer Versammlung durch Handzettel auffordern, so ist dagegen nichts zu sagen. Aber skandalös ist es, wenn Massen von Arbeitern es handelt sich hier besonders um die Schuckertwerke zu un­lauteren Demonstrationszwecken dirigiert werden. Und dann wird über gebundene Mandate geschimpft. Genossin G r ü n b e r g, die trotz zweimaligen MißbilligungS- beschlusses der Nürnberger Genossen in Magdeburg für die Badenser gestimmt hat. hatte mehrere unfreiwillige Heiterkeits- erfolge. Sie sang ein Loblied auf die badischen Erfolge, wobei sie von der Einführung des Frauenwahlrechts für die Gemeinde sprach. Die Bewilligung sei berechtigt, denn schließlich habe der Minister v. Bodman doch vor der Partei eine Verbeugung gemacht. Wenn die Preußen das erreicht haben, was die Badenser durch- gesetzt haben(vielleicht dachte sie an das Sechsklassenwahlrecht), dann würden sie glauben, mit einem Fuß im Zukunftsstaat zu stehen. Sie wurde übertroffen vom Genossen Landtagsabgeordneten Roßhaupte r. Er stellte sich als Revisionisten vor; der Arbeiter könne sich für 20 Pf. mehr kaufen als für eine radikale Phrase. (Dabei muß man wissen, wie der süddeutsche Eisenbahnerverband. dessen Leiter Roßhaupter ist, in Bayern schikaniert und terrorisiert wird.) In Bayern könne man Sozialdemokrat sein; das beweise sein Fall, allerdings müsse man tüchtig arbeiten. Als Zwischen- rufe ertönten:Fall HofmannT, erklärte er, darauf könne er nicht eingehen. Er gibt den Badensern durch- aus recht; höchstens hätten sie den Fehler gemacht, daß sie eine Zeitlang gegen das Budget stimmen wollten! Für die badischen Eisenbahner sei sehr viel erreicht worden; als ein Zwischcnruser das bestritt, erklärte der Redner selbstbewußt, das verstehe er besser. Die Abstimmung war zunächst zweifelhaft. Die Wiederholung ergab die Ablehnung der Resolution Sch neppenhorst. Beide Teile der Versammlung, der ab- lehnende und der zustimmende, waren fast gleich stark. Ohne die Wühlarbeit des Flugblatts und die ausgesprengte Ver- dächtigung, es sei beabsichtigt, den Genossen Südekum zu ver- drängen, wäre sicher die erste Resolution ange- n o m m e n worden,-darauf wurde die zweite Reso­lution zurückgezogen. Gegen die erste Resolu- tion hatte ein erheblicher Teil Genossen gestimmt. weil sie für richtiger hielten, überhaupt leine Reso- l u t t o n anzunehmen._ (Sericbtö- Zeitung. Der Streikposten wird bestraft. Eine auf 30 M. lautende polizeiliche Strafverfügung erhielt der Schmied Wilde, weil er in der Eldenaer Straßeals Streik- Posten gestanden und der Aufforderung eines Beamten, weiter zu gehen, nicht Folge geleistet habe". Vor der 150. Abteilung des Schöffengerichts Bcrlin-Mitte behauptete der Angeklagte, er habe ganz allein auf dem Bürgersteig gestanden, der Schutzmann habe kleines f eullleton. Der erste Rektor der Nniversttät Berlin . Der Charakter d«S ersten Rektors der 1810 eröffneten Universität Berlin war für alle Folgezeit ein Symbol. Es war der Jurist Schmalz, der Friedrich Wilhelm III. für den Gedanken' zu gewinnen suchte, in Berlin einen Ersatz für das verlorene Halle zu schaffen. Unter seinem Siektorat begann die Tätigkeit der neuen Universität. Er ließ sich während seines AmtSjahreS die jämmerlichste», Demütigungen von der Regierung gefallen und geradezu unter eine Art Polize»aufsicht stellen. Die.,Frelheits"kriege waren vorüber. Da war es der Pro- fessor Schmalz, der unmittelbar nach dein Frieden den türkischen Krieg gegen deninneren Feind" begann. Unter dem Vorwande eine in einer Zeitchronik bereits vor sieben Jahren veröffentlichte Be- hauptung zu berichten, daß er Mitglied des Tugendbundes gewesen, denunzierte er 1815 in einer kleinen Flugschrift den Machthabern angeblich bestehende geheime Verbindungen. In dieser Schrift wehrt er den Verdacht ab, daß er demo- kratische Ideen verbreitet habe. Vielmehr sei bekannt,mit welchem Eifer ich seit dem Beginn der französischen Revolution dem un° seligen Unsinne stets entgegenzuarbeiten suchte, welcher von Frank. reich über Teutschland sich verbreitete." Der Tugendbund sei, heißt es dann tveiter, gesetzlich aufgehoben.Aber es haben sich andere Verbindungen bald darauf in aller Stille gebildet, vielleicht aus den Trümmern jener.. löblich, wenn für Befreiung des Vaterlandes von auswärtigen Unterdrückern; fluchwürdig, wenn dadurch Zwecke im Innern ohne des Königs Willen durchgesetzt werden sollen. Das Dasein aber solcher Verbindungen verbreitet Furcht unter den Bürgern aller teutschen Lande, und erfüllt den rechtlichen Bürger der preußischen Staaten mit Unwillen. Von solchen Bunden gehen aus jene pöbelhaften Schmähredcn gegen andere Regierungen, und jene tollen Deklamationen über Vereinigung des ganzen Teutschland unter Eine Regierung: eine Vereinigung, welcher von jeher der Geist aller teutschen Völker widerstrebte, für welche aber itzt die Anhänglichkeit an die besonderen Dynastien durch Hohn und Auf- wiogelung in jeder teutschen Brust niedergedrückt werden soll." Diese Menschen wollen durch Krieg der Teutschen gegen Teutsche Eintracht in Teutschland bringen; durch bitteren gegen- seitigen Haß Einheit der Regierung gründen; und durch Mord, Plünderung und Nothzucht(letztere gar klärlich gepredigt) alt- teutsche Redlichkeit und Zucht vermehren... Männer ohne Hände(oft ohne Kopf), haben immer Schmähungen ausgestoßen, weil sie keine Befehle auszusprechen hatten�"-- keine Aufforderung an ihn gerichtet, sondern ihn sogleich sistiert. Der Verteidiger, Dr. Oskar Sohn, bot Beweis für diese Angabe des Angeklagten an. Aber das Gericht lehnte den Beweisantrag ab. Es begnügte sich lediglich mit der Aussage des Schutzmanns, der den Angeklagten sistiert hatte, und verurteilte diesen daraufhin zu 25 M. Während der Verhandlung kam ein Vorgang zur Sprache, der deutlich zeigt, was sich mancher Schutzmann dem Publikum gegenüber glaubt herausnehmen zu können. Der Schutzmann, jetzige Wachtmeister Schäfer, hat dem Angeklagten, nachdem er ihn sistiert hatte, auf der Straße das Rauchen verboten. Als der An- geklagte dieser Anmaßung des Beamten keine Folge gab. hat der Schutzmann, wie er sagt, dem Angeklagten die Zigarre aus dem Mundegenominen". Wie der Angeklagte sagt, hat ihm der Schutzmann die Zigarre aus dem Munde geschlagen. Es ist deS- wegen eine Anzeige gegen den Schutzmann erstattet, das Dis- ziplinarverfahren gegen ihn aber bis zur Erledigung deS gericht- lichen Verfahrens gegen Wilde ausgesetzt worden. Noch ein Moment aus der Gerichtsverhandlung verdient her- vorgehoben zu werden. Als der Verteidiger darauf hinwies, daß eS ständige Praxis des Polizeipräsidiums ist, Streikposten wegen der geringsten Uebertretung mit der höchst zulässigen Strafe von 30 M. zu belegen, was für einen Schmied mehr als ein Wochenloyn bedeute, meinte der Vorsitzende Richter: TaS bezahlt doch die Ber - bandSkasse. Darauf antwortete der Verteidiger: Wenn es so sein sollte, dann wäre die Praxis der Polizei erst recht verwerflich, denn dann muß angenommen werden, daß der Polizeipräsident denkt: Wenn die Mittel der Verbandskasse durch einige hundert Strafmandate a 30 M. geschwächt werden, dann muß die Streik- Unterstützung um ebensoviel geschmälert werden und der Streik wird desto eher beendet. Es würde sich also um eine Willkür der Polizei handeln, die bestimmt wäre, das Streikrecht auf Ilm - und Schleichwegen zu beeinträchtige»». Aus ber Berliner Erziehungsanstalt Lichtenberg . Vor dem Amtsgericht Lichtenberg hatten am Freitag ein Bau- arbeiter B. und seine Frau sich zu verantworten wegen eines er- regten Auftrittes, der Anfang Mai zwischen ihnen und Angestellten des Berliner ErziehungShanseS Lichtenberg sich ereignet hatte. B. N>ir angeklagt, den Aufseher Mielingcr mit einem Stock miß- handelt und ihn sowie den HauSverrvalter Stolzenburg beschimpft zu haben. Die Anklage gegen Frau B. behauptete, daß auch sie mit ihrem Schirm auf Mielinger eingehauen habe. Ein Sohn des Ehepaares B., der in Fürsorgeerziehung genommen worden ist, befindet sich in der genannten Anstalt. Inspektor Buth, der ja inzwischen endlich abgegangen ist. hatte der Mutter rundweg die Erlaubnis verweigert, ihren Sohn zu besuchen. Als aber ein bei der Waisenverwaltung beschäftigter Magistratsassessor ihr sagte, einen Besuch dürfe sie machen, fuhr sie»»ach Lichtenberg hinaus und erwartete nunmehr, zugelassen zu werden. Doch auch jetzt wurde ihr das verweigert. Da sie meinte, daß man ihr Zulassung ge- währen müsse, so erschien sie am folgenden Tage(2. Mai) in Be- gleitung ihres Mannes vor der Anstalt und forderte, den Sohn zu sehen. Die erneut« Abweisung, die ihnen widerfuhr, wurde vor Gericht von B. so geschildert, daß ein Beamter ihnen gefolgt sei und unter dem Ruf:»Hier immer weiter, immer weiter!" ihn vor sich hergeschoben habe, wobei er(B.) sogar Fußtritte zu fühlen gekriegt habe. Selbstverständlich habe er sich da gewehrt. Aufseher Miclinger bekundete, er habe B. nur am Arm gefaßt, B. aber habe geschimpft und ihm seinen Stock über den Kopf geschlagen, und auch Frau B. habe von hinten mit ihrem Schirm zugehauen. Dieselben Angaben machte Aufseher Gold, der seinem Kollegen M. zu Hilfe gekomn»en tvar. B. soll auch beiden Aufsehern drohend zugerufen haben, er seib«t»affnet bis an die Zähne". Tatsächlich»var B. ohne Waffe, wohl aber hatte Gold seinen Säbel bei sich, und er zog ihn, um ihn eventuell gegen B. zu gebrauck»«»». Mm» sieht, wie rasch auch in der Anstalt Lichtenberg der Säbel aus der Scheide gerissen wird. Gold sagte aus. er habe nicht wirklich zugeschlagen; auch von Fußtritten»Visse er nichts. Ein Arzt, zu dem B. nachher gegangen liar, bekundete, B. habe am Kopf auf den beiden Scheitel- deinen eine blutende Rißwunde von 1 Zentimeter Länge gehabt. Ein Feststellung darüber, wie sie entstanden sein kann, wurde vom Gericht nicht versucht. B. nimmt an, sie rühre von einem Draht- zäun her, an den einer der Aufseher ihn gedrängt habe. Der Amtsamvalt beantragte gegen B. 3 Wochen Gefängnis, gegen Frau B. 30 M. Geldstrafe. Frau B. führte zu ihrer Verteidigung noch an, sie habe bestiinmt nicht geschlagen, ihr aber seien die Sachen zerrissen worden. Das Gericht hielt beide Angeklagte für über- führt ur»d verurteilte sie nach dem Antrage des Amtsanwalts. Wir vermuten, daß der ganze Auftritt sich hätte vermeiden lassen oder doch»hin viel von seiner Schärfe genommen worden wäre, wenn die Anstaltsangestellten gegen die Eheleute B» die anscheinend wie auch die Gerichtsverhandlung zeigte rasch erregbar sind, weniger forsch aufgetreten wären. Nachdrücklichste Rüge gebührt der Eilfertigkeit, mit der der eine Aufseher seinen Säbel gezogen hat. Wir hatten bisher gemeint, de.» Aufschern der Anstalt Lichten- Diese Nationalen rühmen sich, fährt Schmalz fort, sie hätten 1813 das Volk für die Freiheitskriege begeistert. DaS sei aber nicht wah» Das Volk habe in ruhiger Kraft auf den Wink des Königs gewartet.Und nun wollen jene den Ruhm des Volkes sich zulügen. Aber gar nichts taten sie, ihr Geschrei wirkte nicht auf das Volk." Die Schrift rief unter den Professoren mehrere Gegenschriften hervor, bis schließlich Friedrich Wilhelm III. die ganz« Schreiberei ernstlich verbot und zugleich die Herren daran erinnerte, daß die alten preußischen Kette»»» und Peitschen-Edikte über die Zensur u»»d die Vereine, die aus der Zeit vor dem Zusommel»bruch stammten, noch in Kraft wären, auch-für die Professoren. In der bald ausbrechenden Demagogen.Verfolgung ward dann Schmalz der verhaßteste und verächtlichste Treiber. TKeater. Kammerspiele:.Die Heirat wider Willen" von Moliöre;Die Komödie der Irrungen" von S h a k e- s p e a r e. Keines der Stücke, weder der hier zum ersten Male in einer Uebersetzung Hugo von HostnannSthals gespielte Molivresche Einakter nochDie Komödie der Irrungen" lasten etwas von der Größe ihrer Dichter ahnen, ES sind flüchtig hingeworfene Gelegen- heitSarbeiten, die, wenig wählerisch, nur ainüsieren wolle»». Heute wirkt der Text nur noch an einige»» Stellen lustig, und die Freude an dem reizvoll farbigen Kostüm, in dem die Stücke geboten wurden, konnte kaum für viele tote Stellen entschädigen. In dem für den Hos geschriebenen Schwanke MoliüreS läuft der Spaß auf eine grobe Prellerei hinaus. Der gute Sganarell, dessen hüpfende Verliebtheit von Viklor Arnold unwiderstehlich gemimt wurde, gedenkt mit seinen fünfzig Jahren die Rachbars- tochter, eine kleine durchtriebene Kokett«, die nur aus sein Vermögen spekuliert, als Gattin heimznsühren. Ein wenig bänglich, fragst er alle nach Rat. um schließlich ein Gespräch der Angebeteten niit einem Liebhaber zu belauschen, das ihm im letzten Augenblick noch die Augen öffnet. Sofort verlangt er von dem Vater Aufhebung der Verlobuirg, Was dieser Ehrenmonn damit beantwortet, daß er sein elegailtes Modesöhnchen dem Säumigen auf den Hals schickt, Sganarell wird von dem jungen Fant abwechselnd inil Höf- lichen Aufforderungen zum Duell und Prügeln solange be- arbeitet, bis er endlich nachgibt. Nur durch die vollendete spielerische Anmut M o i s s i s in der Rolle des Bürschchens konnte da? Peinliche der Szene zur Erträglichkeit herabgemildert werden. Ein graziöses Menuett, den künftigen Ehehimmel des atmen lieber- tölpelten boshaft symbolisierend, beschloß die Aufführtlng. Fräulein Konstantin, ine schöne Braut, tanzt mit den» Bräutigam und entgleitet ihm immer wieder, um irgend einem neuen Galan die Hand im Reigen zu bieten. Das Witzigste im Stückchen war die berg sei der Säbel zur Abwehr etwaiger Leibesbedrohung durch Zöglinge, nicht aber als Waffe gegen Anstaltsbesucher verliehen worden. Ein grober Kunstfehler bei der Ausübung der Zahnheilkunde hat dem Dentisten Wilhelm Schu»idt aus Rixdorf eine Anklage wegen fahrlässiger Kirperver- lctzung eingebracht, die ihn gestern vor die 3, Strafkammer deS Landgerichts II führte. Mitte Juli d. I. erhielt der Angeklagte von einer Frau M. den Auftrag, ihr ein Gebiß anzufertigen. Bald nach der Ablieferung stellte es sich heraus, daß die natürlichen Zähne der Frau M. weit hervorragten, da der Angeklagte die künstlichen Zähne viel zu kurz gemacht hatte. Anstatt nun diesen Schönheitsfehler dadurch zu reparieren, daß er anstatt der kurzen längere Zähne in das Gebiß einsetzte, gab der Angeklagte der Frau den kuriosen Rat, sich ihre natürlichen Zähne kürzen zu lassen. Di« Frau vertraute dem Angeklagten blindlings und ließ an sich die schmerzvolle Operation vornehmen. Hierbei beging der Ange- klagte den nie wieder gut zu machenden Fehler, daß er bei dem Absägen der Zähne bis in das weiche Zahnmark, das sogenannte Dentin", vorging. Dies hatte zur Folge, daß die Frau große Schmerzen hatte und daß ihr. ein Beißen und Kauen völlig un- möglich war. Als sich die Frau dann weigerte, das Honovar für diese eigentümlicheBehandlung" zu zahlen, hatte der Angellagt« noch den Mut, sie zu verklagen. Er wurde jedoch mit der Klage glatt abgewiesen. Nunmehr erstattete Frau M Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung. Das Schöffengericht Rixdorf er- kannte gegen Sch. auf 120 M. Geldstrafe. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde unter Bestätigung des ersten Urteils von der Strafkammer auf Kosten des Angeklagten vcrwvrfcr». .Milit.-pol. Korrespondenz" gegen dl«Tägliche Rundschav". I Die achte Strafkammer de« Landgerichts I verharrdelte gestern als Berufungsinstanz eine Privatklage des Herausgebers der Militärisch-politischen Korrespoirdenz", Otto von Loßberg, gegen den verantwortlichen Redakteur derTäglichen Rundschau". Dr. Fritz Stephan Neumann, dem Rechts-ciirwalt Bredereck als Ver- teidiger zur Seite stand. DieTägliche Rundschau'»var mit dem Privatkläger in eine Fehde geraten. DieTägliche Rundschau" hatte in bezug auf eine unzutreffende Meldung der Korrespondenz über die angebliche Versetzung de? Generals v. d. Goltz auf den Konstantinopeler Botschasterposten erklärt:Man könnte über diesen blühei»den Unsinn barmherzig hinwegsehen, wenn sich nicht gerade die Auslandspresse solch naiver Phantasieprodukte zum Zweck der Deutschlandshetze kritiklos bemächtigte." Daraufhin strengte Herr von Loßberg die Privatklage an. Das Amtsgericht Berlm-Mitte lehnte die Eröffnung de? Hauptverfahrens ab, da dem Angeklagten der Schutz des§ 103 St.-G.-B. zuzubilligen sei. Auf die vom Privalkläger erhobene Beschlveid« gegen den Beschlutz de« Amts» gerichtS wurde die Eröffnung des HaupwerfahrenS angeordnet. Das Schöffengericht Berlin-Mitte , vor dem die Sache am 3. Aimi 1009 verhandelt wurde, verurteilte Herrn Dr. Neumann zu 50 M. Geldstrafe, indem es annahm, daß der Angeklagte in seiner Kriti! über die Schutzgrenzen des§ 193 hinausgegangen sei. Gegen dieses Urteil tvar von beiden Seiten Berufung eingelegt worden. In der gestrigen Verhandlung vor der Strafkaminer wiederholt« der Angeklagte u. a. seine schon in erster Instanz gemachten Aus- führungen, daß die Schriftlertung derTäglichen Rundschau", um festzustellen, ob derMil-pol. Korr." authentische? Material zu Gebote stehe, bei den zuständigen Stellen an»eftaat habe. Vom Kricgöministerium, dem Großen Generalstab, dem Militärkabinett und dem Auswärtigen Amt sei der Bescheid ergangen: daß Herr v. Loßberg an diesen Stellen keinerlei Informationen erhalt«.- Di« Verhandlung endete mit der Berurteilung des Dr. Reumann zu 299 M. Geldstrafe. Das Gericht nahm an. daß der Wortlaut de? Artikels die Absicht der Beleidigung erkennen lasse und der Angeklagte in seiner Kritik der literarischen Tätigkeit des Privat- klägerS über das erlaubt« Matz hinausgegangen fe». Er habe auch in einem Falle fälschlich Herrn v. Loßberg die Verantwortung für eine Notiz unterstellt, die gar nicht auS derMil.-pol.«irr." stammte._ BSttterunaSuberNNu vom 8. Oktober 1010, morgen« 8 Ubr. escttcrvrognol« für Sonntag, den 9. Oktober 1910. Zunächst wärmer bei ziemlich lebhasten südwestlichen Winde» und pg» nehmender Bewölkung; nachher Regen und wieder etwas kühler. Berliner Wetterburean. parodistiich groteske Verhöhnung zweier Philosopher», eine» gelehrte» bombastischen KarnpfhahnS und eine« Skeptikers, die der Kreier über die Chancen seines Unternehmens konkulltert. Die fünf Akte der Shakespeareschen Komödie, die das alte, schon im griechischen Lustspiele und dann von PlautuS benutzte Motiv der zum Verwechseln ähnlichen und fortwährend verwechselten Zwilling»« brsider variiert, wurde in weuig mehr als einer Stund« ohne Zlvischeuakt im Galopp heruntergespielt. Die Personen in malerisch orientalischer Tracht traten großenteils auf einer Bogenbrücke auf, durch deren offene Wölbung man aufs Meer hinauSiah, Such in den Darstellern und den bewegten Gruppen war farbige südländisch« Lebendigkeit. Wiktor Arnold»md Richard Großmann liefen als die zwei schwarzen viel geprügelten DromioS zuweilen kaum mehr unterscheidbar eilfertig schaukelnd hin und her. von den beiden AntipholuS verdiente M o i s s» die Palme. W a ß m a a n sekundierte. Sehr flott und temperamentvoll brachten Frl. Heim» und Frl. Eibenschütz da« Schwesternpaar heraus. dt. Schiller-Theater O:D e r D u m m k o p f". von Ludwig Fulda . Fulda holt mit seinem Titelhelden'ein bißchen weit aus. DaS Motto desdummen" oder guten Hau« Hingt aus dem Märchen teiS herüber: ganz so völlig wettftemd-naiv, und ganz so gesund und kräftig zeichnet er seinen jungen Kontoristen Justus Häberltu, für den in ttonrod W i e n e ein»ach allen Richtungen einziger Ver» tieler erstand. Ob es heutzutage noch einen solchen Rar-»«, gibt, der eine ihm zugefallene große Erbschaft dreigenialen" Verr�rn schenkt, nur weil der Testator ihn seinerDuimnheit halber" als den würdigsten erachtet hat, ist schwerlich glaubhaft. Fulda wollt« einen Typus jeuer gutgläubigen, menschenfreundlichengroßen Kinder' in den Rttttelpuntt einer kleinen Umwelt stellen, in deren niedriger und materialistischer Betriebsamkeit er fich nicht zurecht findet. Justu» fühl» sich trotz de« freiwillig er­wählten Loses der Armut glücklich; denn er ist sich selbst treu ge» blieben. Am schwersten fällt eS ihm, fich von der erbärmlichen Handlungsweise seiner Blutsverwandten überzeugen zu lasten. In Doris Wiegand(Else W a s a>. einer reichen Amerikanerin,»st ihm aber der treueste Anwalt erstanden. Sie weiß»hm die Augen zu öffnen, und sie ist es auch, die erkannt hat. daß Justus durch ein« Heirat vor der bösen, habsüchtigen Welt bewahrt werden muß. Wohl gelang eS Fulda nicht vollkommen, seinen Helden an den Klippen mancher Unglaublichkeiten vorbeizuführen; aber er verstand e«, ihn init Hilfe einer klug konstruierten Handlung voller humorvoller Szenen doch plausibel zu machen. Und in diesem Bestreben fand sich der Dichter durch die Darstellung wirksam untersttitzt. Außer Wiene und Frl. Wasa taten fich noch Marie G u n d r a(Frau Schirmer). Friy«chterberg(Rechtsanwalt) und Harry Förster (al» ergötzlicher Dichterling) hervor.«. k. )