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ben diese cciuilibristischc Leistung zunächst bei einem großen Teil der Zuhörer auslöste, nirgends rechte Befriedigung gefunden. Den Jungliberalen hat Bassermann zu wenig liberal, den nationalliberalen Agrariern zu doktrinär, und den nationalliberalen Großindustriellen zu sozialpolitisch ge- sprochen. Besonders sind die rheinisch-westfälischen Groß- industriellen sehr wenig von der diplomatischen Achselträgerei des nationalliberalen Parteiführers erbaut. Sie verlangen, daß als Gegegenlcistung für die von ihnen gezahlten Sub- sidien sich die nationalliberale Reichstagsfraktion konsequent in den Dienst der großindustriellen Interessen stellt. Die ..Rhein.-Westf. Ztg." liest deshalb Herrn Bassermann folgende Epistel: ..Vom reichgedeckten Tisch für alle Berufsstände fiel für die Großindustrie nur ein spärlicher Brocken ab, die oft gehörte Beschwichtigungsphrase,führende Elemente in die Parlamente zu bringen". Wir sind begierig, zu hören, welche Akade- miker ihre Mandate freundlichst zur Verfügung st e l l e n. Wird vor allem Herr Bassermann sein schönes Wort wahrhalten, sich bei denIndustriekapitänen, deren Rat er gebraucht", Richtlinien für unsere Sozial- und Wirtschaftspolitik zu beschaffen? Wie wird die nationalliberale Partei sich zu der für unser gesamtes Wirtschaftsleben aktuellen FrageSchutz der Arbeitswilligen" stellen. Die Moabiter   Vorgänge werfen ein grelles Licht auf die für einen Rechtsstaat wahrhaft skanda- löse Bedrückung der ehrlichen Arbeit. Für diese em- pörende Rechtlosigkeit und die Notwendigkeit einer Abhilfe fand man in Kassel   kein Wort. Wie stellt sich Herr Bassermann zu der Reichsversicherungs- Novelle? Wird bei den weiteren Beratungen der Führer seinen vollen Einfluß einsetzen, Laß die Partei den Na»cken steif hält und r dieIndustriekapitäne" eintritt, denen stets schöne Worte gespendet werden, wenn sie der Partei dienen sollen? Wie stellt er sich zu den noch schwebenden Fragen der Novelle der Gewerbeordnung, der Arbeitskammern usw.? Das sind doch alles Aufgaben, die den Reichstagsabgeordnetcn Bassermann näher angehen, als das preußische Wahl- recht, für welches wir die ewige Einmischung unserer siid- deutschen   Brüder uns verbitten möchten. Das Ergebnis der großen Tage von Kassel   ist in bezug auf aktuelle Wirtschafts- und Sozialpolitik überaus dürftig...... Viele hunderttausend vernünftige Deutsche   wollen Schluß des Krakeels über Finanzreform, der praktisch ganz zwecklos ist und nur zu Parteizipecken weiter geschürt wird. Sie halten die Erledigung von Tages- und Zukunftsfragen für wichtiger und glauben, daß dafür nicht die Einigkeit einer Partei genügt, sondern der Zusammenschluß aller bürgerlichen Parteien. Sie halten daher den Gedanken einer Sammelpolitik mit ausgesprochener Front gegen die radi- kalen Elemente für durchaus vernünftig. Namentlich die Industrie hat diese Sammlung für die zoll- und sozialpolitischen Aufgaben des nächsten Reichstages bitter nötig. Die großen Tage von Kassel   haben in dieser Hinsicht schwer enttäuscht und einProgramm der Programmlosigkeit", wie treffend gesagt worden ist, hinterlassen, das die traurige Zer- fahrenheit im Deutschen Reich nur noch vermehren muß." Zu dieser Standredc stimmt vortrefflich eine hübsche kleine Erzählung, die die'Dortmunder Zeitung" niit Be- Hagen ihren Lesern auftischt. Sie berichtet, daß auf dem Kasseler Parteitage von Freunden Bassermanns ein Ver- trauensvotum für Basscrmann beantragt worden sei; aber die Westfalen   erklärten, sich angesichts der der Pa»teileitzung zur Last gelegten viele il Wahl Mißerfolge bei diesem Antrage der Abstimmung enthalten zu müssen. Darauf wurde der Antrag zurückgezogen. Bassermann mußte auf das begehrte Vertrauensvotum verzichten. Freisinnige und Nationalliberale in Sachsen  . Der Landesvorstand der Fortschrittlichen Volkspartei   für das Königreich Sachsen hat in der gestern in Dresden   abgehaltenen Sitzung beschloffen, überall bei den nächsten Rcichstagswahlen eigene Kandidaten aufzustellen, wo das möglich ist, doch sollen liberale Doppelkandidaturen vermieden werden. Man will daher mit den Nationalliberalen eine entsprechende, natürlich auf Gegen- seitigkcit beruhende Verständigung suchen. Typhuserkrankungen beim Militär. Unter den Mannschaften des Pionierbataillons 23 in Grau- d e n z ist seit einigen Tagen der Typhus ausgebrochen. Wie uns gemeldet wird, find bisher 2 5 Soldaten an der Seuche erkrankt. Um eine Weiterverbreitung zu verhindern, hat die Militärverwaltung die von den Mannschaften benutzten Stcohsäcke auf dem Kaserneuhofe verbrennen lassen, auch wurden die Räumlichkeiten in der Kaserne desinfiziert. Bei dem Bataillon sind zurzeit etwa 140 R« s e r V i st cn zur Ucbung eingezogen, deren Entlassung bald bevorsteht. ES würde sich daher empfcblen, die Mannschaften zu isolieren, daniit die Leute nicht über die vorgesehene Zeit hinaus beim Regiment verbleiben müssen. Die meisten der Reservisten sind verheiratet und Familienväter; ein längeres Fortbleiben von der Arbeitstelle würde wahrscheinlich mit Entlassung gestraft werden. Eine Maßregel, die die Leute doppelt schwer treffen muß, da sie durch daS Herausreißen aus ihrem Beruf schon starken wirtschaftlichen Schaden erlitten haben. Ein kompromittierter Zentrumsführer. Wie tvir vor kurzem berichteten, hatte der Bodenrcsormer Adolf Damaschke   an den Kölner Zentrumsführer Stadtverordneten Justizrat Kausen die Frage gerichtet, ob er von einem Vertreter großer Terraininteressenten für die Abfassung seiner sich gegen die ReichSwertzuwachssteuer richtenden Broschüre ein Honorar verlangt habe, das als sehr hoch bezeichnet werde, ferner ob ihm bekannt set, daß in den Kreisen der Terraininteressenten für dieses Honorar gesammelt worden sei. In der jüngsten Nummer des Organs der Bodenrcsormer druckt Damaschke die Antwort des JnstizratS Kaufen ab. Im Anschluß daran schreibt Damaschke: Ich hatte erwartet, daß ein Mann wie Herr Justizrat Kausen die Gerüchte widerlegeu würde, die in Terraininteressentenkreisen schmunzelnd kolportiert werden. Nun bestätigt er sie. Sind sie aber zutreffend, dann handelt es sich keineswegs umdrei oder vier an- gesehene Herren", sondern um eine viel größere Zahl von großen Terrainbesitzern, die unter dem ausdrücklichen Hinweis auf die Opfer, die das Reichszuwachsstcuergcsetz von ihnen forder» würde, und mit dem ausdrückliche» Ziel, daS Zustandekommen dieses Gesetzes zu erschweren oder zu verhindern. Geldmittel gesammelt haben, eben weil sie sich besonders viel davon versprachen, wenn gerade Herr Justizrot Kausen eine Kampfschrist gegen dies Gesetz herausgebe, und weil dieser eben nur gegen ein Hohes Honorar dafür zu ge- Winnen war.... Gewiß wird es nieniand persönlich verdacht werden können, wenn er gegen Bezahlung einer Jntereffenschicht dient. Aber eins werden wir stets fordern: besteht ein solcher Zu- samnienhang. dann soll er auch offen zu erkennen gegeben werden... Daß Herr Kausen im Auftrag großer Terraininteressenten und gegen Bezahlung seine Broschüre verfaßt hat. war auS dieser nirgends ersichtlich. Nach dieser Entlarvung ist der Kölner  AentruntSführer für die Oeffentlichkeit ein toter Mann. Deutsche   Redefreiheit. Genosse Julius Vahlteich   sollte am Sonntagnachmittag in Neumarkt   bei Breslau   einen Vortrag überSozialismus in Amerika   und Deutschland  " halten. Bei Eröffnung der Versamm- lung verlangte der Ueberwachende von ihm eine Legitimation. Der amerikanische   Paß wurde zurückgewiesen und ein Ausweis verlangt, daß Genosse Vahlteich deutscher   Staatsbürger ist. Als Vahlteich einen solchen Ausweis nicht beibringen konnte, wurde ihm das Reden verboten. Die Genossen setzten eine Viertelstunde später eine Vereinsversammlung an, um in geschlossenem Kreise den Vortrag zu hören. Die Polizei drang jedoch nach wenigen Minuten in den Saal und räumte ihn. Auch aus Brieg   kommt soeben ein polizeilicher Ukas, nach dem Vahlteich, falls er Montag dort zu reden versuchen werde, Polizei- lich entfernt wird. Julius Vahlteich   war deutscher   Reichstagsabgeordneter in den Jahren 1874 bis 77 und von 1878 bis 1881. Er ging dann nach Amerika   und ist dort amerikanischer Staatsbürger geworden. Taß� man nunmehr ihn alsAusländer" behandelt und verhindert, in Versammlungen zu reden, charakterisiert den preußischen Polizei- geist._ Das Funfundztvanzig-Pfennigstück» das sich in den Städten allgemeiner Unbeliebtheit erfreut, ist auf Veranlassung der öffentlichen Kassen jetzt dem platten Lande, nament- lich durch die Postanstalten zugeführt worden, um festzustellen, ob die Münzen im Verkehr bleiben werden. Bisher find die Münzen in großen Mengen in die Bestände der Reichsbank zurückgeflossen, viel- fach auch als Wechselgeld bei Umwechselungen nicht angenommen worden. ES soll festgestellt werden, ob die Münze dein platten Lande willkommener sein wird, in Süddcutschland z. V. hat die Münze an sich eine gute Aufnahme gefunden, doch wünscht inan ihr eine andere Gestalt zu geben, um Verwechselungen zu verhindern. Zur neueste« Revolte in Deutsch  -Sudtvestafrika. Die Niedermetzelung der Kaffern beim Bahnbau Windhuk Karibib dürfte noch ein diplomatisches Nachspiel haben. Die Kaffern sind englische Untertanen, die, wie die englische Presse feststellt, zu der zivilisierten Klasse der Schwarzen Südafrikas   gehören, und von denen viele das Stimmrecht für das Union  -Parlament be- sitzen. Diese Schwarzen haben sogar eigene Zeitungen, in denen die Vorgänge im deutschen Schutzgebiet sicher eingehend geschildert werden. Die englische Presse verlangt eine strenge Untersuchung. Und die deutsche Kolonialvertvaltung wird diesmal nicht einfach mit der Ausrede wegkommen, daß die Schwarzen im Interesse der Ordnung niedergeschossen werden müßten. Englische Blätter lassen keinen Zweifel darüber, daß darauf hingewirkt werden wird, die Ausfuhr von schwarzen Arbeitskräften nach Deutsch-Südwestafrika  künftig m. verhindern._ Moabiterei im Ruhrrevier. Ein schlagfertiger Schutzmann hatte sich vor der Strafkammer des Landgerichts Bochum   zu verantworten. Bei Abzug der Wahl- rechtsdemonstranten vom Schützenhof am 10. April waren ver- schiedene Schutzleute außer Rand und Band geraten. Blindlings wurde in die Menge hineingegriffen und zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Einzelne Schutzleute zeichneten sich dabei durch besondere Roheit aus. So der Schutzmann Hett, gegen den die Staatsanwaltschaft auf erfolgte Anzeige hin schließlich Anklage wegen vorsätzlicher Mißhandlung und Beleidigung erheben mußte. Die Beweisaufnahme ergab, daß, während der Mißhandelte der Anordnung eines Schutzmanns Folge leistete, er ohne jedweden Anlaß von einem anderen Schutzmann, dem Angerlagten, von hinten überfallen und mit den Worten:Lump, Lumpenfrauen- zimmer schleppen Sic auch noch mit!" mehrmals heftig mit ge- ballier Faust unters Kinn geschlagen wurde, daß das Blut aus dem Munde kam. Trotz dieses Beweisergebniffes hatte der Staats- anwalt noch den Mut, wegen der Mißhandlung Freisprechung zu beantragen, da der Angeklagte sich inkolossal schwieriger Situa- tion" befunden und folglich in Erregung gehandelt habe. Das Gericht schloß sich zwar dieser Auffassung nicht an, ließ es aber wegen der Mißhandlung mit. einer Geldstrafe von 30 M., wegen der Beleidigung mit einer solchen von 10 M. bewenden. In einem anderen Falle von Mißhandlung stellte sich Genosse Redakteur Wolfs dem Mißhandelten als Zeuge zur Verfügung, wurde deshalb in rücksichtslosester Weise zur Polizeiwache trans  - portiert und erhielt auf erstattete Anzeige jetzt nach sechs Monaten den endgültigen Bescheid von der Staatsanwaltschaft, daß sie die Erhebung einer Anklage gegen den Schutzmann ablehne, weil Wolfs  einer gegebenen Anordnung nicht Folge geleistet habe". Von einer nicht befolgten Anordnung war weder im Unter- suchungsverfahren gegen die beiden Schutzleute die Rede, noch haben diese selbst eine derartige Behauptung aufgestellt. Oeltermcb. Wiener   Preßfreiheit. Die klerikal-imperialistische Clique beginnt sich an der»Arbeiter- Zeitung  " für die getreulich� Enthüllung aller ihrer Plaue zu rächen. Nachdem man erst vor zwei Wochen das Blatt an einem Morgen. wo alles ein wichtiges Wahlresullat auS Böhmen   erwartete, kon­fisziert hatte, mußte unser österreichisches Zentralorgan vergangenen Freitag mit einer ersten Seite erscheinen, die aus dem Zeitungskopf. einer weißen Halbseite und dem Feuilleton bestand. Der Leitartikel war von dem PreßstaatSanwall WieSner bis auf dfe Unter- schrift konfisziert worden, weil er die portugiesische Revolution anders als mit monarchischem Bedauern besprochen hatte. Nun, wenn diese Manieren auS den Zeiten der Badem   und Thun   jetzt wieder beliebt werden<die damals sehr viel konfiszierten deutsch  - bürgerlichen Blätter sind jetzt BienerthS Reptile), dann wird hoffentlich unser Wiener   Bruderblatc den Effekt der Zensnranstrengungen bald in einer entsprechenden Auflagesteigerung buchen können. Die Banernunruhen in Bosnien  . Die Unruhen, über die wir schon mehrere kleine Meldungen veröffentlicht haben, sind die direkte Folge sträflicher UnterlassungS- süuden der Regierung. Als die Sozialdemokraten im österreichischen Parlament und in der Delegation dringend forderten, daß die versklavten Kitteten Bosniens   befreit werden, verlenmdete man ihre Forderung die bekanntlich nur mit den fünf Stimmen der zu Ministern ernannten Abgeordneten abgelehnt wurde, als Obstruktion. Nun zeigt sich der Erfolg. Die Kineten, die Benutzer des den mohammedanischen Grundherren(Bcgs, Agas) gehörenden Bodens, die ein Zehntel ihrer Ernte dem Staat, ein Drittel aber, die Tretina, bei Heu und Klee   aber noch mehr, dem Grund- Herrn abliefern müssen, demonstrieren zu Tausenden gegen diese feudale Abgabe, den Hai, und verweigern sie. Mit Waffen- gewalt wird von den Gendarmen der Wucherzins von den Knieten erpreßt, denen die Annexion statt der in Serbien  längst durchgeführten obligatorischen Grundentlastung aus Staats- Mitteln bloß den freiwilligen Loskauf mit Hilfe einer kapitalistischen  Bank brachte. Die Bewegung greift rqsch um sich, große Truppen»' Massen werden zusammengezogen. Gegen die Jugendbewegung. Prag  , 10. Oktober. Der Verein der anarchistischen Jugend wurde gestern von der Statthalterei wegen Propaganda anarchistischer Ideen aufgelöst. In dem Dekret, welches die Auflösung bestimmt, heißt eS, daß antimilitä» rischc Propaganda in dem Verein getrieben worden sei. Deshalb wurden bei den Mitgliedern Haussuchungen veranstaltet, deren Ergebnis die Beschlagnahme zahlreicher Bücher und. Zeitschriften war. Die Mutter eines der Vercinsmit- glieder wurde bei dieser Gelegenheit wegen öffentlicher Gewalttätigkeit und beleidigender Droh.ungen verhaftet und dem Strafgericht eingeliefert, Schweiz  . Parteitag der schweizerischen Demokraten. Rapperswyl, 10. Oktober. Der aus 7 Kantonen zahlreich be- suchte Parteitag der schweizerischen Demokraten beschloß, eine euer- gische Agitation für die Annahme der Verhältniswahl zum Nationalrat. Ferner nahm die Versammlung Stellung gegen den Gotthardvertrag und beschloß die Frage der Abschaf- fung des Todesstrafe demnächst vor den schweizerischen Vollstag zu bringen. Frankreich  . Die Sozialisten gegen die Tenernng. Paris  , 10. Oktober. Die sozialistische Partei veröffentlicht einen Aufruf gegen die Lebensmittelverteuerung und ver» langt die AufHebungder Einfuhrzölle auf Getreide. Wein usw., die Anwendung der Gesetze gegen Warenwuchcr, vor- läufiges Verbot der Fischausfuhr und Bestimmung der Preise für unbedingt notwendige Lebens-- mittelvonStaatswegen. Falls die Regierung diese Maß- nahmen verweigern sollte, empfiehlt der Aufruf, den B rannt- weinzu boykottieren, der dem Staat jährlich 400 Millionen Franks einbringt._ Vom radikale» Kongreß in Ronen.  gtouen, 0. Oktober. Der Kongreß der Radikalen und Radikal- sozialistcn beschäftigte sich gestern abend mit der Unterrichts- frage und nahm mit 00 gegen 72 Stimmen die Beschlüsse des Ausschusses an, welche fordern, daß nur staatliche Volks» schulen bestehen dürfen. Durch Wahl des früheren Ministerpräsidenten Senators C o m b e s zum Obmann des Vollzugsausschusses der Partei hat der Kongreß dem Ministerium B r i a n d einen weiteren unzweideutigen Beweis der Unzufriedenheit und des Miß- trauen e gegeben, Spanien  . Rcliolutionsangst. Madrid  , 10. Oktober. Die Regierung hat die Einberu- fung mehrerer Jahrgänge von Reservisten be- schloffen. Im Ministerrat kam die Befürchtung zum Ausdruck, daß diese Maßnahmen von der Bevölkerung sehr schlecht aufgenommen werden würden, wenn auch nicht so ungünstig wie im letzten Jahre. Aber die Regierung müsse daran festhalten, daß die Haltung der Republikaner  , namentlich in den letzten Tagen, �ie Einberufung der Reservisten unvermeidlich mache. Trotz des scharfen Vorgehens der Polizei gegenüber den Republikanern seien in den letzten Tagen zahlreiche Versamm- lungen in den Häusern von Lerroux  , Sorriano, CaldoS und anderen Republikanern oder Sozialisten abgehalten worden. Mit großem Enthusiasmus sei der Erfolg der Revolution in Lissa- bon applaudiert und offene Glückwunschtelegramme seien den Mit- gliedern der provisorischen portugiesischen Regierung aus diesen Kreisen gesandt worden. Man habe erWrt, daß das Beispiel Por- tugals eigentlich Spanien   beschämen müsse und daß der Augen- blick zu einer direkten Aktion in Spanien   gekommen wäre. Bisher habe man nur mit Worten operiert, es sei aber zu befürchten, daß jetzt die Taten nachfolgen. Die spanische Regierung habe volles Vertrauen zu dem LoyaliömuS seiner Armee und ebenso volles Vertrauen auf das gute Resultat der liberalen Re- formen des Kabinetts Canalejas  ; immerhin müsse aber die Regie- rung es als ihre erste Pflicht betrachten, jeden Versuch bon In- surrektion im Heime zu ersticken. Kundgebungen für Ferrer verboten. Madrid  , 10. Oktober. Canalejas   erklärte, die beabsichtigten Kundgebungen in Katalonien   würden gestattet, soweit sie sich für die Abschaffung der Todes st rase und für die G e- Wissensfreiheit aussprechen oder die Sympathie für die Revolution in Portugal   ausdrücken. Dagegen würden Kundgebungen für Ferrer nicht gestattet. Barcelona  , 10. Oktober. Gestern hatten sich 3000 Demon- stranten nach dem hiesigen Kirchhof begeben, um am Grabe Ferrers einen Kranz niederzulegen. Bei dieser Ge- legenheit kam eS zu Ruhestörungen(?). so daß die Polizei gezwungen war, die Menge zu zerstreuen.(Das heißt: die Polizei verursachte Ruhestörungen. Die Red.) KalKan  . Rüstungen in der Türkei   und in Griechenland  . Konstantinopel  , 10. Oktober. Man bestätigt die Meldung, daß die türkische Regierung beabsichtigt, in England drei für Bra- silien bestimmte Panzerkreuzer bon 18000 Tonnen zu kaufen. Der Marinerninistcr hat beschlossen, die Meerenge der Dardanellen zu befestigen und die FortS am BoS- porus weiter auszubauen. Meldungen aus Thessalien besagen, daß Griechen- land seine Feldzugsvorbereitungen mit fieber- hafter Eile betreibt. Auch die'Grenzgarnisonen sollen bedeutend verstärkt worden sein. Mazedonische Klagen. Athen  , 0. Oktober. Depeschen aus Kussovo in M a z e- d o n i e n melden, daß die Stadt militärisch besetzt sei; die Einwohner wären zum Teil gefangen gesetzt und würden mißhandelt, andere würden in ihren Häusern festgc» halten, so daß sie Gefahr liefen, Hungers zu sterben. Die Beziehungen zwischen der Türkei   und Griechenland   lassen augenblicklich wieder zu wünschen übrig. Die türkische   Polizei hat wegen der Unruhen in Ca- v a l l a die Ausweisung von über 100 Hellenen ange» ordnet. Es bestätigt sich, daß die Regierung beabsichtigt, die seinerzeit Griechenland gelvährten Kapitulationen zurückzu- ziehen.. �oncluras. Ein energischer Kommandant. New?)ork, 0. Oktober. Nach einer Depesche der New Kork Sun aus Guatemala   sind die in A m a p a l a(Honduras  ) lebenden Aus- länder auS der Stadt geflohen, nachdem der Stadtkommandant Be­fehl gegeben hatte, alle Engländer und Amerikaner festzunehmen und ihr Eigentum zu konfiszieren. Der englische   Konsul entkam nur mit genauer Not unter einem Kugelregen der Soldaten des Kommandanten.. Dieser wollte auch den englischen Geschäftsträger verhaften lassest, den er beschuldigt, die Bevölkerung zur N'evulotioy. aufgereizt zu haben. Der Kommandant droht, beim Er- scheinen eines englischen Kriegsschiffes, um dessen Entsendung der Konsul gebeten hatte, die Stadt niederbrennen zu lassen. Washington, 8. Oktober. Das Staatsdepartement hat dem KanonenbootP r i n c e t o n", das sich gegenwärtig in Aca- pulco befindet, Befehl e.r teilt, nach Amapala zu gehen,