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Im französischen Ministerrat gaben Ministerpräsident Briand und Minister Millmmd Er- klärungen ab über den Ausstand bei der Nordbahn, der un- erwartet ausgebrochen sei, nachdem die Eisenbahner die Ver- Mittelung der Regierung zwischen ihnen und den Eisenbahn- gesellschaften angenommen hätten, und der jetzt mehr einen politischen und revolutionären als berufsmäßigen Charakter annehme. Die Mehrheit des Personals sei gegen den Aus- stand.(?) die Führer der Bewegung wollten aber durch Einschüchterung ihre Genossen mit fortreißen.(??) Briand sagte ferner, militärische Maßnahmen seien bereits getroffen und würden noch verschärft werden, um die vollständigeFreiheit der Arbeit" zu sichern. zwei Akte von Sabotage würden gerichtlich verfolgt werden. Das Amtsblatt werde morgen ein Dekret veröffent- lichen, wonach die Eisenbahnen militärisch orgavisiert werden und insbesondere die Einberufung der Eisenbahner, die unter militärischer Kontrolle stehen, auf zwanzig Tage gestattet wird. Die Regierung werde gegebenenfalls auf den Lokomotiven als Führer und Heizer Mannschaften der Flotte verwenden können. Auch seien Maßnahmen getroffen, um den Post- d i e n st und die normale Bersorgnng von Paris mit Lebens- mittein zu sichern. Interpellation in der Kammer. Der sozialisttsche Deputterte Colly hat dem Minister- Präsidenten mitgeteilt, er werde ihn über die Verwendung von Soldaten im Eisenbahnerausstand und über die Drohung, Aus- ständige zur Fahne zu berufen, interpelliere«. Politische(leberltckt. Berlin , den 10, Ottober 1910. Eine neue Kaiserrede. Die heutige Jahrhundertfeier der Berliner Universität hat sich. wie das in Preußen nicht anders sein konnte, zu einem höfischen Festakt gestaltet, bei dem die Hohenzollern nach bekanntem Rezept alsPfleger der Wissenschaften",Träger der wissenschaftlichen Arbeit",Schützer der freien Forschung" usw. gepriesen wurden. Auch der Kaiser hielt bei diesem Anlaß wieder eine längere Rede, die inhaltlich jedoch nichts Bemerkenswertes bietet. Interessant ist lediglich, daß der Kaiser die Errichtung weiterer Anstalten empfahl, die, unbeeinträchtigt durch Unterrichtszwecke, aber in enger Fühlung mit Akademie und Universität, der Forschung dienen sollen. Wörtlich sagte er nach dem Bericht von Wolfis Telegr. Bureau: Solche Forschungsstätten tunlichst bald ins Leben zu rufen. erscheint Mir als eine heilige Aufgabe der Gegenwart und Ich halte es für Meine landesväterliche Pflicht, das allgemeine Interesse für dieses Unternehmen zu erbitten. Das hohe Ziel erfordert große Mittel und kann nur erreicht werden, wenn alle an dem Fortschritt der Wissenschast und der Wohlfahrt des Vaterlandes interessierten Kreise bereit sind, an der bedeutungsollen Aufgabe mitzuarbeiten und für sie Opfer zu bringen. Jedermann möchte Ich daher heute das neue Ziel mit der eindringlichen MahnungDua res agitur" vor Augen stellen und ans Herz legen. Ich hoffe und vertraue fest, daß das Werk gelingen wird, sind Mir doch auf eine nur im engen Kreise erfolgte Bekanntgabe des Planes hin schon jetzt aus den verschiedenen Teilen des Landes mit begeisterten Zustimmungs- äußerungen sehr ansehnliche Mittel, zwischen neun und zehn Millionen, zur Verfügung gestellt worden. Den opferwilligen Gebern auch an dieser Stelle Meinen wärmsten Dank auszusprechen, ist Mr herzliches Bedürfnis. Um dem Unternehmen aber dauernde Förderung zu sichern, ist es Mein Wunsch, unter Meinem Protektorat und Namen eine Gesellschaft zu begründen, die sich die Errichtung und Erhaltung von Forschungsinstituten zur Aufgabe stellt. Dieser Gesellschaft werde Ich gern die Mir dargebotenen Mittel überweisen. Daß den zu gründenden Instituten, soweit erforderlich, auch staatliche Hilfe nicht fehle, wird die Sorge meiner Regierung sein."« Der Fehdebrief des Kardinals Kopp. Die ultramontaneGermania ", die in den letzten beiden Jahren dem Fürstbischof Kopp wiederholt als Sprachrohr ge- dient hat. bestätigt, daß der in der Sonntagsnummer des Vorwärts" abgedruckte Brief des Herrn Kopp an Fräulein v. Schalscha echt ist. Sie erklärt: Inzwischen hat nun dasBerliner Tageblatt" am Sonnabendabend de« wesentlichen Teil aus diesem Privatbriefe des Herrn Kardinal-Fürstbischofes infolge einer groben Indiskretion, die wir auf das schärfste verurteilen müssen, da es sich um einen Privatbrief handelt, veröffentlicht. Wer der Urheber dieser Indiskretion gewesen ist, haben wir freilich nicht feststellen können. Der Privatbrief war an Fräulein v. Schalscha, die Vorsitzende desVerbandes kath o lisch er Bereine erwerbstätiger Frauen und Mädchen Deutschlands " gerichtet, und soweit wir unterrichtet find, war Fräulein v. Schalscha berechtigt, einzelnen Persönlichkeiten von dem Inhalt des Briefes Kenntnis zu geben. Sie hat in der vorsichtigsten Weise von dieser Berechtigung Gebrauch gemacht, so daß, wie gesagt, nur durch eine grobe Indiskretion die Ver- breitung des Briefes erfolgen konnte, dessen Veröffentlichung von niemandem mehr als von Fräulein v. Schalscha bedauert werden kann." Selbstverständlich nimmt in dem Streit Kopp-Fifcher die Germania " für Kopp Partei. Seit sie vor einigen Jahren, als sie für die Anti-Jndexbewegung der Münsterschen Modernisten" Partei ergriff, von den vatikanischen Blättern der Hinneigung zum sogenanntenModernismus" verdächtigt wurde, hat sie sich in Befolgung des weisen Satzes, daß der bessere Teil der Tapferkeit die Vorsicht sei, ängstlich gehütet, gegen die jeweilig im Vatikan und im deutschen Episkopat herrschenden Ansichten zu verstoßen. So pflichtet sie auch jetzt dem Fürstbischof Kopp respektvollst bei und hält seine gegen den Erzbischof von Köln gerichteten Ausfälle für durch- aus angebracht: Es wird", meint sie,niemandem, der halbwegs im politischen Leben bewandert ist, als eine überraschendeEnthüllung" er- schienen sein, wenn der Herr Kardinal-Fürstbischof in seinem Privatbriefe bekundet, daß er kein Freund derJnter- tonfessionalisierung der Arbeiterbewegung ist und deshalb diese Jnterkonfessionalisierung wenigstens in seiner Diözese von der Arbeiterinnenbewegung fernzuhalten sucht. Wir haben annehmen zu dürfen geglaubt, daß das auch in Dortmund längst bekannt gewesen sei, und daß sich daraus derNotschrei" an die Adresse deS Kardinals Kopp aber gegen ihn leicht er« klären lasse. Es ist bekannt, daß auch andere Bischöfe den Jnterkonfessionalisierungs-Bestrebungen ablehnend gegenüberstehen, nicht bloß Kardinal-Fürstbischof Kopp von Breslau. Selbstdie Ausdrücke:Verseuchung desWestens" und Verflach ung alles katholischen Emp- findens" hält dieGermania " für ganz berechtigt, denn Kopp habe damit nicht sagen wollen, daß schon der ganze Westen in religiös-ttrchlicher Beziehung verseucht sei, sondern nur daß die Jnterkonfessionalisiemngs-Bestrebungen zur Verseuchung" führen., Vorvereitungen für die Reichstagswahlen. Der Landesausschuß der Fortschrittlichen Volkspartei Thüringens , der 12 Wahlkreise umfaßt, beschloß, an die nationalliberale Parteileitung wegen gemeinsamen Vorgehens bei den nächsten Wahlen erneut heranzutreten. Die Kom- Promißverhandlungen sind schon lange im Gange, es scheint aber, daß der nationalliberale Parteisekretär eine Einigung bisher verhindert hat.# Der Hansabund wird dieser Tage einen Uufruf zur Sammlung eines Wahlfonds veröffentlichen. Die Scharfmacher an der Slrbeit. Nachdem in den letzten Tagen die von großindustriellen Cliquen unterhaltenen Zeitungen aus den Moabiter Vor- gängen immer wieder die Folgerung gezogen haben, daß un- bedingt ein Gesetz zum Schutz von Streikbrechern nötig sei, scheint der Zentralverband deutscher Industrieller den Boden für genügend vorbereitet zu halten, um attä seinerseits in Aktion zu treten. Er hat nämlich an seine Mitglieder folgendes Rundschreiben gerichtet: Von unseren Mitgliedern und den derHauptstelle Deutscher Arbeitgeberverbände" angeschlossenen Verbänden laufen fortgesetzt Klagen ein über die bei Streiks oder Aus- sperrungen von den Arbeitern mit dem Streik- postenstehen verübten Mißbräuche und Aus- schreitungen. Durch diese sind die Streikposten zu der gefährlich st en und wirkungsvollsten Waffe der Arbeiter in ihren Kämpfen gegen die Arbeilgeber ausgebildet worden. Tatsächlich wird in nicht seltenen Fällen von den Streik- Posten gegen die nicht organisierten und arbeitswilligen Arbeiter Drohung. Ehrverletzung, sogar körperlicher Zwang ausgeübt. D a- gegen vorzugehen ist nach Lage der gegenwärtigen Gesetze und der diesen von den obersten Gerichten gegebenen Auslegung meistens unmöglich. Allgemeine polizeiliche Anordnungen, durch die dem mit dem Streikpostenstehen verbundenen Unwesen in vielen Fällen wirkungsvoll entgegengetreten werden könnte, sind entweder gar nicht oder nur ganz ungenügend erlassen worden. Infolge dieser beklagenswerten Zustände ist das Direktorium des Zentral- Verbandes aus den Kreisen der Mitglieder dringend aufgefordert worden. Schritte zur Beseitigung der mit dem Streikpostenstehen verbundenen Mißstände zu tun. In seiner Sitzung am 12. und 13. September hat das Direktorium beschlossen, dieser Aufforderung nachzukommen. Es erachtet, daß durch geeignete Bestimmungen in dem in Vorbereitung be- findlichen n e u e n Entwurf zum neuen Strafgesetz- buch dem Unwesen beim Streikpostenstehen gesteuert werden könnte und wird einen dahingehenden Antrag den zuständigen Reichsbehörden unterbreiten. Vor Fest« stellung der im einzelnen zu treffende» Maßnahmen ist es jedoch für wünschenswert erachtet worden, an die Mitglieder des Zentral- Verbandes das Ersuchen zu richten, als weiteres Material für die Begründung des Antrages der Geschäfts- sührung genaue Angaben über einzelne Fälle von Mißbrauch und Ausschreitungen beim Streikpostenstehen mitzuteilen. Infolge dieses Beschlusses richten wir nicht nur an die Einzelmitglieder, sondern ganz besonders an die dem Zentralverbande Deutscher Arbeitgeberverbände angeschlossenen Vereine usw. und Arbeitgeber- verbände die dringende Bitte, wegen Beschaffung des erwähnten Materials ohne Zeitverlust eine Umfrage bei ihren Mitgliedern zu veranstalten und uns das Ergebnis bis spätestens 1. November d. I. zugehen zu lassen." Unterm 11. Dezember 1897 erging ein ähnliches Rund- schreiben; damals war der Urheber Posadowsky , der als Gegenleistung gegen die 12000 Mark, die die Scharfmacher deni Reichsamt des Innern zur Bekämpfung der Arbeiter- organisationen zur Verfügung gestellt hatten, mit diesem Rund- schreiben den Boden für die Zuchthausvorlage zu bereiten be- gann. Was zustande kam, ist bekannt: ein Sammelsurium von erlogenen Räubergeschichten im Stile der heuttgen Reichs- Verbandserzählungen. Jetzt scheint der Zentralverband der Regierung nicht mehr das Geschick zuDenkschriften" dieser Art zuzutrauen, er macht sich selbst an die Arbeit, und wird dem Reichstage jedenfalls eine Sammlung gewerkschaftlicher Missetaten" präsentieren, die sich sicher würdig an die Seite ihrer amtlichen Vorgängerin stellen kann. DieKrawalle" in Reinscheid. Die bürgerliche Presse hat am Dienstag allerlei Räuber. geschichten berichtet, die sich in Remscheid abgÄvickelt haben sollen. Man behauptete, daß im Anschluß an Versammlungen Tumulte entstanden sind, daß die Polizei mit Steinen be- warfen wurde und sich der Kampf bis in die frühen Morgen- stunden hinein fortgesetzt habe. In Wirklichkeit haben in Remscheid 6 Volksversammlungen stattgesunden, die sich mit dem Zwangsarbeitsnachweis der Unternehmer beschäftigten. Die Lokale erwiesen sich als viel zu klein, so daß Tausende auf den Straßen stehen bleiben mußten. Demonstrationen waren nicht geplant. Einige junge Leute verulkten die Polizei und liefen davon. Die Polizei griff darauf die in der Nähe stehenden älteren Leute an. Verschiedene Personen, auch Frauen und Mädchen, Ivurden verletzt, zwei Personen schwer. Von einem Kampfe, der stundenlang odex gar bis in die Morgenstunden gedauert haben soll, kann nicht die Rede sein. Berliner freisinniger Parteitag. In Berlin tagte gestern ein Parteitag der Fortschrittlichen Volkspartei für Groß-Berlin, an dem eine Anzahl freisinniger Abgeordneten und etwa hundert'Delegierte teilnahmen. Herr Fischbeck sprach über das Thema:Unsere Stellung zum System Bethmann Hollweg und zu den anderen Parteien." In der Dis« kussion wurde hauptsächlich hie Frage behandelt, ob für die nächsten ReichstagSwahlen mit dem sogenannten Großblock der Linken im Reiche zu rechnen sei oder nicht, und ob es sich empfehle, eine gene- rclle Stichwahlparole schon vor den Hauptwahlen auszugeben. Abg. Naumann hob insbesondere hervor, daß eine allgemeine Stichwahlparole nicht gefordert werden könne. Er begründete das mit der Bestimmung des Organisationsstatuts, wonach bei Stichwahlen die Organisation des Wahlkreises die Entscheidung trifft, und betonte, daß an dieser Vorschrift nicht gerüttelt werden dürfe. Die große Mehrheit stimmte dieser Auffassung zu. Ersatzwahl in Sachsen . Der sächsische Landtagsabgeordnete Dürr (Hospitant der nationalliberalen Fraktion), der den 23. ländlichen Wahlkreis, Leipzig -Land, im sächsischen Landtag bertrat, hqt sich in seiner Villa in Gaschwitz erschossen. Es muß deshalb eine Ersatzwahl in diesem Kreis stattfinden, deren Aussichten für die Sozialdemokratie nicht ungünstig sind. Der 23. ländliche Wahlkreis war<bis zum Jahre IVW , der Einführung des DreiklasscnwahlgesetzeS, sicherer Besitz der Sozialdemokratie; 1881 wurde Bebel zum erstenmal gewählt, 1887 wiedergewählt, zuletzt hat Goldstein den Kreis ver- treten. 1909 stimmten 2033 Wähler für Dürr , für den sozialdemo- kratischen Kandidaten Möller dagegen 2793. Das Pluralwahlshstem brachte jedoch Dürr mit öSVS Stimmen den Sieg, Möller brachte es nur aus 4063 Stimmen.__________.- AuS dem Reiche Peter Spahn ?. Im Reichstagswahlkreise Bonn-Rheinbach haben unsere Genossen höchstens an zwei oder drei Orten Gelegenheit zur Ab- Haltung von Versammlungen. Allüberall sorgt die Partei für Wahr- heit, Freiheit und Recht dafür, daß die Wirte uns die Lokale ver­sagen. Nun war es unseren Genossen in Wesseling » einem halbindustriellen Ort zwischen Bonn und Köln , gelungen, vom dortigen Schützenverein die Erlaubnis zur Abhaltung einer Versamm- lung auf dem Schützenplatz zu erhalten. Die dazu nachgesuchte Ge« nehmigung wurde jedoch vom Bürgermeister versagt; die beim Landrat eingereichte Beschwerde batte Erfolg, der Regierungsbeamte war lolerantcr als der Gemeindebeamte. Man wußte, daß von hinten herum am Vorstand des Säriitzenvereins gearbeitet wurde. Bürger­meister, Pfarrer und katholischer Arbeiterverein wollten die Schmach nicht dulden, daß im Reiche Peter Spahns die Sozialdemokratie um mit Kardinal Kopp zu reden dieVerseuchung des Westens" betreiben darf. Als dann am Sonntag sich auf dem Schützenplatz eine beträchtliche Menge angesammelt hatte und die Versammlung ihren Anfang nehmen sollte, erschien zunächst eine bewaffnete Macht von sechs Beamten inschimmernder Wehr", sodann der Vorsitzende des Schützenvereins, der erklärte, daß der Borstand beschlossen habe, den Platz nicht herzugeben. Als unsere Genossen auf der vom Bürgermeister ausgestellten Ge- nehmigung bestanden, erklärte der Sprecher der bewaffneten Macht, em grauhaariger Haudegen, daß er, wenn der Platz nicht geräumt werde, Gelvalt anwenden werde. Nun sind unsere Leute in frommen Zentrumsgegenden ans der- artige Ueberroschungen gefaßt und so war denn vorsichtigerweise eine zweite Versammlung in der Scheune unseres Wesselinger Vertrauensmannes angemeldet worden. Hierher begaben sich die Versammelten in einem Zuge, der sich unterwegs immer mehr ver- stärkte. In der Scheune wurde die Versammlung eröffnet und sodann in den Hof verlegt, der die Erschienenen nicht sasien konnte. so daß sich die Menge auf die Straße ergoß und von hier aus den Ausführungen unseres Redners, deS Genosien Erdmann-Köln, lauschte, der die politische Lage im Hinblick auf die nächsten ReichstagSwahlen beleuchtete und namentlich mit dem Zentrum ins Gericht ging. Die Gegner der Sozialdemokratie, die die Schützenplatz-Versamnilung verhindert habe», haben wieder mal prächtige Reklaii« für unsere Partei gemacht. Wir dürfen mit dem Verlauf und dem Erfolg der Versammlung, die durch das Eitz- greifen der Polizei zu einem Ereignis für den Ort geworden ist, zufrieden sein. Wir kommen wieder I Der konservative Reichstagskandidat für Potsdam« Spandau . Welche geringen Hoffnungen die Konservativen auf den im nächsten Jahre bevorstehenden Reichstagswahlkampf setzen, erfuhr man am Montag in einer konservativen Versammlung in Potsdam , die der dortige Nene Wahlverein zur Aufstellung der Kandidatur veranstaltet hatte. Der Vorsitzende, Freiherr v. Stössel, schilderte unter Hinweis auf den mangelhaften Besuch diegrenzenlose Un- zufriedenheit", die in den Kreisen der Gewerbetreibenden und kleinen Beamten vorhanden sei und die ihre Ursache wahrscheinlich in der Finanzreform habe. Der Redner teilte mit, daß der Reichstags- abgeordnete Pauli aus eine Wiederanfstellung verzichtet habe, weil ihm die Haltung der Arbeiterschaft in Spandau die Ueberzeuguug verschafft habe, daß er keinen Erfolg mehr erzielen werde. Der Borstand des Wahlvereins empfehle deshalb die Aufstellung des Landtagsabgeordneten Rechtsanwalt Lüdecke, der bei energischer Agitation daS heißumstrittene Mandat erobern könne. Die Stimmung der Versammlung war, als Rechtsanwalt Lüdecke das Wort nahm, durchaus keine gehobene. Er wurde mit Schweigen empfangen und erst am Schlüsse seiner Kaudidalenrede, die nichts besonderes bot, wurde Beifall laut. Gegenüber der Be- Häuptling des Kandidaten, daß nicht die Erbitterung, sondern die Gleichgültigkeit der Wähler das schlimmste sei, erklärte Oberhof - Prediger a. D. Rogge, das sei ei» großer Irrtum. Die Erbitterung sei viel größer als die Gleichgültigkeit der Wähler, und sie sei hervor- gerufen durch die Fmanzreform. Die Regierung sei von Schuld nicht freizusprechen. Auffällig war die Anwesenheit zahlreicher hoher Regierungs- beamter, während die kleinen Beamten und Handwerker, die sonst die Versammlungen des Neuen Wahlvcreins füllten, fast ganz fehlten. Ungarn . Beschwindelung von Arbeiterkassen. Budapest , 11. Oktober. Der Arzt Dr. Fränkel und der Apotheker Rudolf Glück, sowie zwei andere Aerzte, deren Namen noch nicht bekannt sind, wurden heute verhaftet. Sie haben die A r b e i t e r- Bezirkskrankenkassen um viele tausend Kronen geschädigt. Es wurde» fingierte Rezepte geschrieben, die in der Gliickschen Apotheke die Gegenzeichnung fanden und bei der Krankenkasse honoriert wurden. Die Affäre scheint größere Dimensionen annehmen zu wollen. Bei der polizeilichen Ver- nehmung bezeichneten sowohl Dr. Fränkel als auch Apotheker Glück, denen bereits große Betrügereien nachgewiesen wurden, inehrere a ir gesehene Aerzte und Apotheker, die sich eben- falls durch Fingierung von Rezepten bereichert haben sollen. Italien . Nene MilitaranSgaben in Italien . Rom , 9. Oktober. Nach einem Interview mit dem Minister Spingardi, daS der MailänderCorriere della Terra" veröffentlicht. wird im Herbst nach Wiederaufnahme der Kaminerarbeiten ein Gesetzesentwurf vorgelegt werden, der 69 Millionen für außerordentliche Ausgaben für daS Heer aus­wirft. Das Geld soll für die Umgestaltung der Ar- t i l l e r i e dienen. AuS diesem Interview ersieht man, wie sehr der sozialistische Militärschriftsteller, der unter dem Pseudonym Sylva Viviani schreibt, recht hat, wenn er be- hauptet, daß die nächsten Jahre notwendig neue Militär- ausgaben bringen müssen. Und zwar handelt eS sich bei diesen neuen Ausgaben lediglich um die Verwirklichung des bereit« von der Kammermchrheit gebilligten Programms. Für dieses Programm hat man schlauerweise zunächst vom Parlament eine ganz unzuläng- liche Summe gefordert. Nach und nach fordert man nun das Nötige dazu. Als erste Abschlagszahlung käme diebescheidene" Summe von fünfzig Millionen in Betracht. Der Minister hat sich weiter des Langen und Bretten über den Eifer aus» gelassen, mit dem die Befestigungsarbeiten an der Ostgrenze fortgesetzt werden. Das Interview zeigt deutlich. daß die italienische Bourgeoisie gar nicht daran denkt, ihre Rüstungen zugunsten der Kulturanfgaben zu beschränken. Grenzsperre für portugiesische Kongregationen. Rom , 11. Oktober. Wie die Zeitungen melden, hat die R e- gier ung Anweisung gegeben, alle gesetzmäßigen Maßnahmen zur Anwendung zu bringen, um die ver- triebenen portugiesischen Kongregationen zu verhindern, sich in Italien niederzulassen. Salkan. Ein Abkommen über Kreta ? Konstantinopel , 11. Oktober. Die ZeitungJeune Türe" ver- zeichnet Gerüchte, welche in uffizsellen Kreisen umlaufen, nach deneil ottomanische und griechische Staatsmänner in Fühlung ge» treten sind, um«in Einvernehmen über die Kreta zu gewährende Autonomie zu erzielen. Man hoffe, zu einem günstigen Resultate zu gelangen,