Arbeitsbörse eine Versammlung ab, um über den Anschluß an denStreik bei der Nordbahngesellschaft zu beschließen. Die Mehrzahlvon ihnen stimmte für den Anschluß. Die Shndikatssekreiäre allergroßen Eisenbahngesellschaften waren anlinsend. Es gelangte eineTagesordnung zur Annahme, in der es heiyt:Die Angestellten der Mittelineer- Eisenbahn akklamieren mitEnthusiasmus den Generalstreik. Sie verpflichten sich, die Arbeitnicht wieder aufzunehuie», wenn ihre Forderungen nicht voll be-friedigt werden und die Arbeiter und Angestellten, die wegen Be-teiligung an dem Streit eutlasscn worden sind, wieder eingestelltwerden. Am Schluß der Versammlung wurde die Internationalegesungen.Aus Lyon wird berichtet, daß das dortige nationale S y n d i k a tder Ange st eilten der Paris-Lyon- Mittelmeer-bahn eine Versammlung abhielt, in der der Anschluß an denPariser Streik beschlossen wurde.Aus Billcueuf St. George wird um Mitternacht gemeldet, daßmehrere hundert Angestellte der Paris-Lyon-Miltelmeerbahn ebenfallsden Streik beschlossen haben.Von der Orlcnns-Bahngescllschaft wird gemeldet, daß auch dieAngestellten dieser Gesellschaft gestern abend ans dem Boulevard-Hospital eine Versammlung abgehalten haben. In der zur Annahmegelangten Tagesordnung heißt es, daß die 2h00 Angestellten verlangen, daß die von den Angestellte» der übrige» Gesellschaften inbezng ans die Erhöhung der Löhne gestellten Forderungen durchgeführtwerden müßten. Ebenso die rückivirkende Kraft des PcnsisusgcscScsfür die Arbeiter vom Juli 1909, sowie Durchführung des Gesetzesüber den wöchentlichen Ruhetag, ferner daß Strciktage bezahltWerden müßten. Der Streik wurde indessen nicht beschlossen.Dagegen wird auS Juvisy gemeldet, daß dort in einer Ver-fommlunp von mehr als 100 Angestellten der Paris-Orleans-Bahnder Strc»k votiert wurde. Das Streikkomitee ist gegenwärtig mitder Verteilung von Streikkarten beschäftigt.Eine hiesige Nachrichtenagentur meldet aus Algier, daß dasSyndikat der Heizer und Lokomotivführer deS Gebiets von Algierebenfalls de» Ausstand beschlossen habe. Die Angestellten werdendem Pariser Beispiel folgen und sofort in den Streik treten. DieserBeschluß wurde in einer gestern abend 9 Uhr abgehaltenen Vor-sammlung der Eisenbahnarbeiter gefaßt.Paris» 13. Oktober. Heute morgen war der Ausstand auf derNordbahn und der staatlichen Westbahn ein vollständiger. Die übrigenBabnnetze wurden bisher weniger in Mitleidenschaft gezogen, wahr-schemlich weil der Ausstandsbeschluß allen Angestellten noch nicht zu-gegangen ist. Durch den angekündigten Streik der Angestellten derMetropolitanbnhn wird die Pariser Bevölkerung sehr in Mitleiden-schaft gezogen. Die Verkehrsstörung, welche hierdurch in Paris ver-ursacht werden wird, wird sehr bedeutend sein.Paris, 13. Oktober. Bei der Nordbahngesellschaft undder W e st l i ch e n S t a a t S b a h n ist die Situation gegen gesternwenig verändert. Von der Nordbahngesellschaft wird erklärt,daß die Arbeiter sich mehr und mehr wieder ein-gefunden hätten.(?) Einige sind d ein militärischen Ge-stellungsbefehl nachgekommen. Dagegen wird ansLille gemeldet, daß die dortigen Eisenbahnarbeiterdem Gestellungsbefehl nicht nachgekommen sind. Von8200 Angestellten, welche die Einberufung zum Militär erhielten,haben nur 40 die Arbeit wieder aufgenommen. DieEisenbahngesellschaft hat heute 60 Arbeiter und Angestellte ausgesperrt.Der Aufforderung, dem Generalstreik beizutreten, welche dieSyndikate der Orleans- und der Paris— Lyon-M i t t e l m e e r b a h n in der letzten Nacht beschlossen hatten, sinddie Arbeiter nur zum Teil nachgekommen, und der Dienstdieser Bahngesellschaften hat sich g a n z n o r m a l abgewickelt.Dasselbe ist von der O stb a h n ges ellsch a ft zu j sagen, woallerdings ungefähr ein fünftel aller Arbeiter in denAusstand getreten ist. Doch konnte mit Hilfe von aus-wärtigen Kräften namentlich aus der Provinz, der Dienst auf-recht erhalten werden.Millerand bewaffnet die Streikbrecher.Paris, 13. Oktober. In einem Erlaß Millerandswerden diearbeitswilligenAngcstelltender Bahn-gesellschaften aufgefordert, sich während ihrer Dienstzeitmit Waffen zu versehen, um gegen überraschendeAngriffe der Ausständigen geschützt zu sein. Bei derwachsenden Ausdehnung der Streikbewegung sei esdem Staate unmöglich, zum Schutze eines jeden einzelnenVorsichtsmaßregeln zu ergreifen.Die Justiz gegen die Streikenden.Paris, 13. Oktober. Ein Eisenbahnbediensteter in Rouenwurde wegen Verleitung zur Niederlegung derArbeit zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. In P o n t o i s ewurde der Lokomotivführer V i b e r t wegen Streikaufreizungzu zwei Monate» Gefängnis verurtelt, m S o t t e v i l l e ein Schaffnerzu drei Monaten.Paris, 13. Oktober. Der auf heute vormittag augesetzteMinisterrat ist auf morgen vertagt worden. DerMinisterpräsident und der I u st i z m i n i st e r hielten eineBeratung mit dem Generalstaatsanwalt wegen deS ein-zuleitenden Strafverfahrens ab.Die Sozialisten fordern Kammereinberufung.Paris, 13. Oktober. Die sozialistischen Deputierten habeneinen Aufruf erlassen, worin sie dieRegterungsmaß-regeln verurteilen und die sofortige Ein-berufung der Kammer fordern.Die„Humanitö" teilt mit. daß sie dem Minister desInnern durch einen Spezialboten ein Exeniplarihrer heutigen Ausgabe habe zugehen lassen.Die sozialistische Kammerfraktion hielt eineSitzung ad und beschloß, in Permanenz zu tagen,um die Eisenbahner weiter zu verteidigen.Die Fraktion wird die übrigen Abgeordneten umihre Unterschriften ersuchen zu dem Antrage aufun nr ittelbare Einberufung des Parlaments.Nach der den Streikenden feindlichen Haltung der bürgerlichenPresse ist es aber nicht anzunehmen, daß die Sozialisten dienötige Stimmenzahl zusammenbringen.Die gefährdete Verpflegung von Paris.Paris, 13. Oktober. Die Stadt Paris ist heute so gut wie vonaller Welt abgeschnitten. Die Lage hat sich weiter verschlimmertund wird eine unentwirrbare. Die Lebensmittelzufuhrnach den Zentralmarkthallen weist bereits eine großeVerminderung auf. B e s o n d e S Fische und Milch trafen inbedeutend geringerer Menge ein. Anstatt 200 000 Kilogramm Fischetrafen-deren nur 02 000 ein. 100000 Liter Milch trafekiweniger ein als wie gewöhnlich. An Geflügelfehlen zirka 20 000 Stück. Mau ist gespannt, wie die Regierungda? Versprechen halten wird, daß kein Mangel an Lebensmittelneintreten werde. Jetzt, wo die Angestellten der West- und Mittelmeer-vahir sich dem Generalstreik angeschlossen haben, ist die ganzeZufuhr von Fleisch, Milch, Früchten usw. f a st voll-ständig unterbunden. Wenn bis morgen der Streik nichtbeendet fein wird, werden die oben genannten Lebensmittel einenPreisaufschlag von 60 P r o z. und mehr erleiden.� Optimistischer lauten die beiden folgenden Mcl-düngen:Paris, 18. Oktober. Ministerpräsident B r i a n d ließ demBureau deS Munizipalrats die Erklärung zugehen, daß die Ver-pflegung von Paris sichergestellt sei. Die A b-lieferungen in den Hallen und auf dem Schlachtviehmarkthätten sich rn normaler Weise vollzogen und würden sich auchfernerhin ebenso vollziehen.Pari», 13. Oktober. Die Lebensmittelpreise in Paris habenzwar ein wenig angezogen. Doch ist eine Hungersnot nicht zu be-fürchten. Paris wird zu Schiff verproviantiertwerden. In Havre, Rouen und anderen Seinehäfen werdengroße Züge von Lastkähnen zusammengestellt, die durchSchleppdampfer nach Paris gebracht werden. Auf ihnen kommtGemüse, Fleisch, Fisch, Milch und Getreide.Sympathiestreiks.Paris, 13. Oktober. Die Bauarbeiter, 4000 an der Zahl,haben in einer Versammlung beschlossen, den General st reikheute zu verkünden. Jn Corbeil, unweit Paris, habendie Streckenarbeiter in der Nähe des Bahnhofes von Chavilleden Ausstand beschlossen.Die Straßenarbeiter und Tagelöhner von Paris,deren Zahl sich auf etwa 60 000 beläuft, wollen heute in einerVersammlung zur Streikfrage Stellung nehmen. Auch ihrAusstand ist zu crwanen.Gestern abend haben die Elektriker auf der Arbeitsbörsedie Erklärung des AuSstandes beschlossen, fallsnicht bis heute abend ihre Forderungen erfüllt werden. Diese sindin Form eines Ultimatums an den Seinepräfekten abgegangen.Wie die.Liberte" meldet, sind die Angestellten derStraßenbahn Paris- St. Germain ebenfalls in denStreik getreten. Infolgedessen konnten heute keineStraßenbahnwagen verkehren.Automobilverkehr nach der Nordsee.Paris, 13. Oktober. Die Flucht ans Paris hält an. AlleVerkehrsmittel außer der Bahn müssen jetzt zur Beförderung derReisenden nach den Kanalhäsen herhalten. In den ersten Stundendes Nordbahnstrciks waren Automobile nur für 600 bis 1000 Fr.zu haben. Jetzt ist der A u t o m o b i l v e r k e h r nach B o u l o g n eund Dieppe bereits geregelt worden. Die Reise firmaCook läßt am Morgen Automobilomnibusse nach Boulogneund Dieppe abgehen. Rechtzeitig am Abend vor Abgang der letztenKanaldampfer trafen sie dort ein. Paris— Boulogne kostet 150 Fr.,während die Fahrt nach Dieppe um 25 Fr. billiger ist.Folgen des Streiks.Paris, 13. Oktober. Die erste Folge deS Eisenbahnerstreiks istdie Aussperrung der Hälfte aller Grubenarbeiterdes Kohlenbeckens von Courbier e. 4500 Grubenarbeitersind zum Feiern gezwungen. Andere Kohlengebiete werden eben-falls mit der Entlassung von Arbeitern vorgehen, da die Trans-p o r t m i t t e l für die geförderte Kohle mangeln.Brüssel, 13. Oktober. Die Rückwirkung des französischen Eisen-bahnerauSstandcS auf belgische Bahnen und Handel macht sich heutebereits stärker ftihlbar. Die französische Nordbahn hat Kohlen-be st eilungen, welche sie bei den belgischen Gruben machte,eingestellt, andererseits konnten die französischen Hoch-ösen in Hautmont, Louvroil und SousleboiS, welcheihr Heiz niaterial aus Belgien beziehen, ihren B e-trieb nicht a u f rechterhalten. Die Kohlenausfuhrnach Frankreich wurde größtenteils eingestellt.Viele mit Kohlen beladenen Wagen können die Grenze nicht passierenund stauen sich infolgedessen in den Grenzbahnhöfen an. Auto-mobile, welche Personen befördern, treffen andauernd aus Parisin Charleroi und Möns ein.Wirkungen im Auslande.Rom, 13. Oktober. Der Ausstand der französischen Eisen-bahner findet auch ein E ch o bei ihren Kollegen in I t a l i e n.Diese haben dem Bautenminister heute ihre Forderungenüberreicht, ivelche unter anderem in einer Aufbesserungder Gehälter und in einer Herabsetzung derArbeitszeit bestehen.Genf, 13. Oktober. Die französischen Eisenbahnerdes Bahnhofs Cornavin in Genf haben sich der S t r e i k-belvegung angeschlossen und heute nachmittag d i eArbeit niedergelegt. Der Bahnhof ist verlassen. VonBern sind Beamte der Bimdesbahn eingetroffen, um die Lagezu studieren.Der deutsch-französische Verkehr.Köln, 13. Oktober. Gegenüber französischen Meldungen, daß esgelungen sei, einige Züge an die Grenze zu bringen, wird uns vonder Kölner zuständigen Stelle mitgeteilt, daß bisherkeinerlei A ender ung im Verkehr mit Frankreich eingetreten sei.Von allen westdeutschen Stationen wird keinerlei Beförderungfür Frankreich übernommen. Recht übel erging eSeiner Kölner Gesellschaft, die gelegentlich des Besuches derBrüsseler Ausstellung einen Abstecher nach Paris unternahmund die nunmehr, wie einzelne Mitglieder ihren Angehörigen tele-graphisch mitteilten, lieber den Rückweg zu Fuß machen wollen,als sich den Schikanen der Ausständigen auszusetzen.Zm Jahrestag der€rm«rdung Ferrers.Am 13. Oktober war eS ein Jahr, daß Francisco Ferrer in denGräben von Montjuich erschossen wurde, auf den Befehl fanatischerMönche, denen die herrschende militärische Clique bereitwilligstdienstbar war.Diese Tat, eine der infamsten, die die Kirche der Inquisitionjemals begangen hat, hat ihr Vergeltungen zugezogen, an die sienicht gedacht hat. Noch nicht ein Jahr nach dem 13. Oktober 1909hat Portugal das Joch der Kirche abgeworfen und Spanien, dasseit der Ermordung FerrerS aus der Gärung nicht herausgekommenist, trat in die letzte Periode des Kampfes ein, auS dem es siegreichhervorgehen muß.Bor einem Jahre waren die blutgierigen Mönche in Spaniendie Mächtigen. Auf der iberischen Halbinsel war die Atmosphäre sovoll von Klerikalismus, Militärherrschaft und Unterdrückung, daßalle Welt empfand, eine Aenderung sei notwendig. Wenn man aberdamals vorausgesagt hätte, daß dem Ministerium Maura einKabinett folgen werde, daß trotz vieler nicht ernst gemeinter Ver»sprechungen doch als beherrschenden Punkt seiner Politik den Anti-klerikalismus proklanneren und verfolgen mußte, so würde man fürnaiv erklärt worden sein.Dieser Kampf gegen die Kirche wirb nicht nur geführt umgrößere Freiheit, sondern eS ist auch eine unabwendbare ökonomischeNotwendigkeit, daß er durchgefochten werden muß. DaS Volk kämpftinstinktiv und vergießt großmütig sein Blut, damit daS Leben wenigersklavisch werde. Aber die spanische Bourgeoisie weiß, daß fie mehrals alle anderen an Materiellem gewinnen wird beim Sturze derklerikalen Macht.Um sich der enormen Güter der katholischen Kirche zu be-mächtigen, vereint die Bourgeoisie ihre Kräfte mit denen deS Volkesund stürzt sich in den Kanipf. In Spanien belaufen sich die Be-sitzungen der katholischen Kirche ans ein Drittel des ganzen National-Vermögens. Die spanische Kirche ist eine der größten gewerblichenOrganisationen der Welt. Ihre Tätigkeit erstreckt sich auf alleZweige des Handels und der Industrie. Sie besitzt Bergwerke undDampfschiffsgesellschaften, Kerzenfabriken und Likörbrennereien. AlleArbeit wird in diesen Betrieben von den Mönchen und Nonnen ge-macht, die keinen Lohn beziehen.In Barcelona allein gibt cS an 300 solcher Klöster, die derkatalonischen Bourgeoisie eine unerträgliche Konkurrenz machen, weilihnen die Handarbeit nichts kostet und weil sie der Regierungkeinerlei Steuern zahlen. Und ebenso bedeutet diese industrielleArbeit der Klöster«ine furchtbare Schmutzkonkonkurrenz für dieArbeiter, deren Lohn gedrückt wird durch den verwüstenden Weit«bewerb dieser Parasiten.ES ist daher nicht erstaunlich, wenn Bourgeoisie und Arbeiterin diesem Kampfe zusammengehen. Sie haben beide von der Aus-Hebung der Orden zu gewiunen. Natürlich würde der Bourgeoisieder Löwenanteil zufallen.Zur Stunde erlebt die Kirche eine der schwärzesten Stunden inder Geschichte des Christentums. Ueberall bereitet sich der Kampfzum entscheidenden Punkte vor. Die Kirche wird übrigens nichtals die gerechte Vergeltung für ein langes Regime der Ungerechtig-keit, der Unterdrückung und der Verfinsterung erhalten.Die Erfordernisse der neuen Zeit wollen, daß die Kirche ausihrer weltlich herrschenden Stellung verschwinde. Das Schlachtfeldmuß frei werden für zwei Armeen. Denn sobald der Swrz derweltlichen Macht der Kirche entschieden ist, wird sich das Proletariatgegen seinen eigentlichen Feind, gegen den Kapitalismus mit ganzerKraft wenden können.London, 13. Oktober. In der vorigen Nacht sind der Bürger-steig vor der spanischen Botschaft und die Eingangs-stufen mit einer blutroten chemischen Sub st anzbestrichen worden. Alle Bemühungen des Dienstpersonaisder Botschaft konnten bis zum Mittag diesen Anstrich nicht be-fettigen.Barcelona, 13. Oktober. Der Zibilgouberneur von Barcelona.Sennor Nunez, erklärte gestern, daß die vielfach alarmierendenGerüchte aus Barcelona völlig unbegründet sind.Ausschreitungen anläßlich des Ferrer-JahrestageS werdenkaum stattfinden.„Ich habe jeden Demonstrations-zug untersagt. Das Grab Fcrrers darf bekränzt werden.Auch dürfen feine Anhänger zu ihm pilgern. Doch jedergeschlossene Zug, jede organisierte Demon«stration wird mit Waffengewalt unterdrückt. Die Lagein Barcelona ist keinesfalls so beunruhigend, wie eS nachMadrider Meldungen erscheinen will. Die Stadt verfügt über ge-ordnete Zivil- und Militärbehörden, die mit Leichtigkeitjede Ausschreitung unterdrücken können.San Sebastian, 13. Oktober. Die Regierung hat inden Städten Nord- und Ostipanicns für heute die um-fassend st en Vorsichtsmaßregeln getroffen. Seit gesternabend sind alle Truppen in ihren Kasernen kon-signiert. Abteilungen stehen bereit, jederzeit zur Unterstützungder Polizeibehörde abzurücken und etwaige Unruhen im Keim zuunterdrücken. 7 Tage lang wird dem Militär keinUrlaub gewährt, um alle Mannschaften zur Stelle zuhaben._poUtifcbe dcbcrlicbtBerlin, den 13. Ottober 1910.An die Maschinengewehre!Die Scharfmacher können es noch immer nicht verwinden,daß die preußische Regierung nicht bei den Moabiter UnruhenKanonen und Maschinengewehre zur Anwendung gebracht unddadurch auf ihre Art eine Begründung für den Erlaß einesneuen verschärften Sozialistengesetzes geliefert hat. Sie er-mahnen deshalb in der von ihnen unterhaltenen Presse dieRegierung, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit sofortdas Versäumte nachzuholen und nach dem im BissingschenKorpsbefehl enthaltenen vaterländischen Rezept zu verfahren.Zugleich drängen sie unter Hinweis auf den jetzigen Eisen-bahnerstreik in Frankreich die Regierung, wenigstens zum„Schutz der Arbeitswilligen" dem Reichstag in nächster Sessioneinen Gesetzentwurf nach dem Muster der bekannten ver-unglückten Zuchthausvorlage vorzulegen, oder, wenn auchdieses Vorgehen für inopportun gehalten werden sollte, in dasneue Strafgesetz einige schöne Antistreik-Paragraphen hinein-zuschreiben.An erster Stelle steht bei diesen Treibereien natürlichbie ehemals Kronsbeinsche, jetzt Pohlsche„Post". In seinerletzten Nummer leistet sich dieses verächtliche Blatt wiederfolgende Hetzerei:„Auf die tagelangen Straßenkämpfe in Moabit find genau so.wie wir es befürchtet hatten, grobe Ausschreitungen zunächst imheiligen Köln und dann im Belgischen Land, wo die Erinnerungenan 48 noch besonders lebendig sind, in Remscheid gefolgt. WürdeeS zur Aussperrung der Metallarbeiter gekommen sein,dann würden wir wahrscheinlich noch viel Schlimmereserlebt haben. Die sozialdemokratsich organi»sierten Massen wissen jetzt, daß es ihnenmöglich ist, tagelang die Siraßen zu beherrschen.ohne daß mit den schärfsten Mitteln gegen sievsorgegangen wird. DaS Verhalten der Staatsgewaltin Moabit hat keine abschreckende Wirkung auf sie ausgeübt. DieRevolverschützen jener Straßenschlachten sind wahrscheinlichheute in den Kaschemmen und Budiken die Heldendes Tages. Die dem Deutschen angeborene Kampflust wird sichnur zu leicht zu weiteren Ausschreitungen hinreißen lassen. Inden Kreisen der sozialdemokratischen Massen heißt«S jetzt, derKlassenstaat hat Militär, aber er gebraucht eS nicht. Wer aberbürgt unS dafür, daß der Waffenstillstand, der in derMetallindustrie eben abgeschlossen ist, nicht bald wieder gebrochenwird? Wer bürgt uns dafür, daß nicht bald hier, bald dort neueAusstände entstehen, die bald zu Auf st Süden werden.Ist es doch so weit bereits gekommen im Deutschen Reich, daß derArbeitswillige sein Recht aus Arbeit nicht durchsetzen kann.Wenn ein Streik ausbricht, ist eS gewöhnlich nur eine Minderheit.die für die Niederlegung der Arbeit ist; die übrigen werdendurch Beschimpfungen. Verhöhnungen und Bedrohungen ge-zwungen, sich anzuschließen. Ist eS doch so weit gekommen, daßan vielen Baustellen nur noch sozialdemokratisch organisierteArbeiter beschäftigt werden können. War eS doch beim letztengroßen Bergarbeiterstreik der Staatsgewalt vollkommen unmöglich,die Arbeitswilligen zu beschützen. Der Staat hat schonheute auf diesem Gebiete vollständig versagt.Wohin soll es kommen, wenn«S auf dieserBahn weiter geht?"Dann tvird auf den französischen Eisenbahnerstreik hin-gewiesen und ohne Beweis frech behauptet, die„Umstürzler"planten in Deutschland demnächst ähnliche Streiks zu in-szenieren. Nur ein Mittel könne helfen— rücksichtslose Tat-kraft der Regierung l Und diese hätte sich besonders darin zuzeigen, daß sofort beim geringsten Anlaß mit Waffengewalteingegriffen und das Strafgesetz verschärft werde. Wörtlichheißt es in dem Artikel:„Hoffentlich hat unsere Regierung die Kraft, einemweiteren Herabsinken auf der schiefen Ebeneentgegenzutreten. Es ist aber die höchste Zeit, daß diesbald geschieht. Die Verhetzung ist bereits in die weitesten Kreisegedrungen. Man vergleiche nur die Artikel der sozialdemokratischenBlätter, man höre sich nur die Reden an, die in Bolksversamm-