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Die Crelpiffe in Portugal . Lissabon » 13. Oktober. Von unserem F. R.-Korrespondenten. Di« Ereignisse in Portugal haben wieder einmal dem alten Blangui recht gegeben, der da sagte:Man entwirft die Revolu- tion nicht, man wird von ihr uberrumpeltl" In der Tat: obgleich die republikanische Partei in Portugal seit langem daran dachte, revolutionäre Mittel zu gebrauchen, um das Laub von der Monarchie zu befveien, war nichts festgestellt über den Zeitpunkt, an dem losgeschlagen werden sollte, und kein Plan existierte. Gewiss, die republikanische Agitation im ganzen Lande war sehr stark. Revolutionäre Gruppen existierten fast überall. Man ivuhte, dass man mit der Marine und einem grossen Teil der Armee rechnen konnte. Aber das war wahrhaftig in Portugal nichts Neues. Seit der Revolution in Oporto im Jahre 1891 hatten die Republikaner sehr grosses Ansehen im Volke. Sie übten einen starken Einfluß auf die Massen aus. Als Organisation tvaren sie allen anderen Parteien weit überlegen. Ihre Sache hatte niemals Rückschläge zu verzeichnen. Im Gegenteil, die Fehler der Monarchie und eine geschickte und kluge Propaganda hatten sie unaufhörlich neue Positionen gewinnen lassen. Indessen man wartete immer noch. Man war entschlossen zum Aufstand, aber jedesmal gab es irgendein Hindernis. Einige ungeduldige Kämpfer begannen zu verzweifeln, und bei, der- schiedenen Führern war die Begeisterung schon stark gesunken. Aber da, am 3. Oktober 1919, als niemand, selbst die Republi- kaner, selbst die Mitglieder des Revolutionskomitees nicht, der- artiges erwarteten, entschied plötzlich der Gott der Schlachten, dessen feindliche Gesinnung gegen das HauS Braganza fortan unbestritten ist, dass die Stunde der Revolution gekommen sei, und dass man sich zum Kampfe bereiten müsse. Die Sache trug sich folgendermaßen zu: Durch ein ausser- gelvöhnlicheS Zusammentreffen oder vielmehr durch«inen an hoher Stelle begangenen Fehler befanden sich am 3. Oktober auf der Reede von Lissabon drei Kreuzer!der portugiesischen Marine: der Tom Carlos", derSan Raphael" und derAdamastor". Es war sicherlich ein Irrtum, denn seit langem hatte die Re- gicrung sorgfältig darauf geachtet, dass kein Kriegsschiff in den Gewässern von Lissabon verweilte. Sie wußte, dass unter den Besatzungen der Marine die Monarchie sehr wenig Sympathien halte, und sie sah es daher nicht gern, ui?!> das mit gutem Grunde. dass Schiffe der Armada nahe dem Palast Nccessidades lagen. Nun. wie wir oben sagten, am 3. Oktober lagen angesichts des königlichen Palais drei der schönsten Einheiten der portu- giesischen Flotte. Als die Regierung ihren Fehler bemerkte, gab sie sofort Befehl an denDom Carlos", nach Cascaes abzudampfen, unter«ein Borwande, dass er dort einem Feste beiwohnen solle. In diesem Augenblick eiitschloss«» sich die republikanischen Seeleute, die Mitglieder des Revolutionskomitees waren, da sie die Dummheit der Regierung bemerkten und sich sagten, dass schwerlich wieder einmal solch günstige Gelegenheit zum Aufstände sich ergeben werde, alles zu wagen. Sic begaben sich sofort zu den übrigen Mitgliedern de» Rc- volutionskomitees und stellten ihnen ein Ultimatum. Schon zulange sagten sie sprechen wir von der Revolu- tion, und das Volk beginnt schon zu ermüden. Wir haben heute eine ausserordentlich günstige Gelegenheit zum Losschlagen.' und wir wollen sie benutzen. Drei Kreuzer sind im Hafen. Es wird möglich sein, sie zum Aufstand zu bringen. DerDom Carlos" hat den Befehl erhalten, morgen abzufahren und gleiche Befehle werden unverzüglich auch den beiden anderen Schiffen zugehen. Nun wohl, wir sind entschlossen, loszuschlagen und alles ans die Karte des AufstandeS zu fetzen. Und wenn ihr nicht mit uns kämpfen ivollt, werdet ihr gegen uns kämpfen müssen. Morgen, am 8. Oktober. um 1 Uhr früh, werden die Kanonen versuchen, Portugal von der Monarchie der Braganza zu befreien. Diese Reden, deren Authentizität mir von zwei Mitgliedern des RevolutionskomiteeS selbst verbürgt wurde, machten den ge- wünschten Eindruck. Eine lebhafte Debatte entspann sich. Es gab freilich noch einige Zögernde, aber zum Schluß beschloß man einstimmig, den Kampf für die Republik zu eröffnen. Tie öffentliche Meinung hat zu Beginn der Ereignisse an- genommen und die ganze europäische Presse hat es weiter ge- geben, dass der Aufstand losgebrochen sei infolge der Ermordung des Dr. Boinparda, die die Geister aufgereizt und die Revolution entfesselt habe. Diese Lesart ist richtig zu stellen, denn die Etppöcung über den Mord an dem republikanischen Abgeordneten von Lissabon hat, weit entfernt, die revolutionäre Bewegung zu begünstigen, sie außerordentlich gehemmt. Die Regierung nämlich, die wegen dieses Falles Unruhen be- fürchtete, ließ die Truppen konsignieren. Und diese Maßregel verhinderte die Führer der Revolution, mit den Soldaten und den Offizieren, die den Aufstand unterstützen sollten, in fortlaufender Verbindung zu bleiben. Indessen, wenn auch nicht in dem gewünschten Maße, so ge- lang es immerhin, mit den befreundeten militärischen Elementen in Verbindung zu kommen, und so schlug man loS. Das 16. Infanterie-Regiment König Alfons XIII . von Spanien ist sein Ehrenobcrst war der erste Truppenteil, der sich erhob. Die Soldaten töteten den Oberste» und, setzten die höheren Offiziere gefangen. Dann stiegen sie mit einigen Offizieren an der Spitze auf die Straße. Das 1. Artillerie-Regiment vereinigte sich sofort mit ihnen. Auch die Artilleristen arretierten den Obersten und die Offiziere, und ebenso wie die Jnfanteriekaserne vertraute man die Artillerie- kaserne der Bewachung der republikanischen Zivilkämpfer an, die in den benachbarten Straßen warteten. Ter erste Zusammenstoß der republikanischen Truppen war der mit der Munizipalgarde, einer Art Prätortanergarde, die aus 2099 Mann zusammengesetzt war, und ausschließlich zu dem Zwecke geschaffen wurde, das Königtum gegen den Volkszorn zu schützen. Die Schlacht war ernst. Man schlug sich mit Erbitterung. Soldaten und Volk wetteiferten an Tapferkeit gegen die Munizipalgardc. Stach einer halben Stunde mußte diese sich zurückziehen. Die Republikaner hatten den ersten Sieg erfochten. Vielleicht wären sie von den übrigen Truppen der Garnison noch niedergeschlagen worden, hätten sich ergeben oder sterben müssen, wenn nicht der Generalstab der königlichen Armee, der sich auf dem Platz Rocio befand, einen taktischen Jehler begangen hatte, den alle Berufsmilitärs als unverzeihlich betrachten müssen. Darüber im nächsten Artikel. »» « Die reuktionäre Presse gegen die Republik . DerLokalanzeiger" Scherls verbreitet im holden Einklang mit den offen-reaktionären und klerikalen Blättern allerlei Schauer- Nachrichten über die Greuel der portugiesischen Revolution. Gestern setzte er seinen Lesern folgenden Bericht seines Lissaboner v. K.- Korrespondenten vor: Lissabon , 12. Oktober. Während der Naihk Kurde die Garnison wieder in Alarmzustand versetzt. Kavallerie und Artillerie hielten sogar auf dem Roccio in der Mitte der Stadt. Anlaß zu den jetzt noch fortdauernden Truppenbewegungen gab abends ein Krawall vor dem Campanilo-Kloster. Behörden und Zeitungen versichern wieder, die Jesuiten hätten aus dem Kloster Bombe» geworfen, aber von solchen ist keine Spur zu sehen. Tatsächlich gerieten beim Plünocrn des Klosters Matrosen mit Soldaten in Streit und beschossen einander. Gehaust hatten sie wie chinesische Boxer. Als ich vor dem Kloster eintraf, wurde gerade durch die republi- kanischen Behörden der Geldschrank des Klosters abgefahren. Nach der offiziellen Beschlagnahme, die sich auch auf die geweihten Gefäße erstreckte, begann die Plünderung durch die Soldateska. Sie war so mutwillig wie empörend und barbarisch. Die Heiligen- bilder wurden einfach an die Wand geknallt, grosse Wachskerzen über dem Knie zerbrochen und die Priestergewänder aus jedem Schubfach der Sakristei gerissen und zertrampelt. Aus reinem Mut- willen wurden sogar die ärmlichen Geräte in den Mönchzcllcn zer- stört. Das eigentliche Phänomen in diesem Chaos aber war ein Mann mit Degen und Uniform eines Marineoffiziers, der als Führer der fremden Besucher lachend auf die Spuren der Plünderung wies. Sein würdiger Kamerad ist jener Offizier, der im Königs- palais die Besucher dadurch ergötzt, dass er grinsend und mimend Platz nimmt auf dem Thron des Königs, dem er früher dort Treue geschworen hat. Außerhalb der Stadt ist nichts geplündert. Die Zimmer des Königs liegen, wie er sie verlassen hat. Auf dem Schreibtisch die Zigaretten, auf dem ungcmachten Bett das im Auf- springen abgestreifte Nachtzeug. Die Machthaber begannen sich nun wohl zu fühlen, dass sie die Zügel der Regierung weniger fest- halten als sie gedacht. Das neue Ministerium enthält keine Radi- taten, die oarum unzufrieden sind. Vor allem aber murrt der Soldat, er schimpft auf das Essen und den Stadtdienst. Als ich gestern beim Minister des Aeussern, Mackwdo, war, ließen drei beschmutzte Infanteristen sich nicht von Dienern abweisen, son- der» erzwangen den Eintritt in das Kabinett des Ministers, der nur mit zebnfachem Händeschütteln und Bitten die Beschwerdeführer beschwichtigen konnte. Wenn man erst so weit ist, dann sind die Zustände auf die Dauer wohl unhaltbar, ob- wohl eine unmittelbare Katastrophe nicht bevorzustehen scheint. Man sieht dieser Korrespondenz die tendenziöse Mache auf den ersten Blick an und erkennt, daß der Bericht gerade so viel Wert hat, wie die Schauermeldungen desselben angeblich unparteiischen Papiers über die Moabiter Vorgänge. Natürlich geht eS bei einer Revolution und bei der Liquidation einer Schandwirtschaft, wie die portugesische Monarchie war, nicht ohne Unordnungen ab. Daß sich die Erbitterung der Bevölkerung gegen die das Land aussaugenden Orden in einzelnen Akten der Zerstörung Luft macht, ist wahr- lich nicht verwunderlich. Indes bleibt außerordentlich wenig von derartigen. Handlungen übrig, wenn man abstreicht, was man auf die Uebertreibungen und die vom Hah gegen Revolution und Rcpu- blik beflügelte Phantasie des Herrn v. G. rechnen muß. Die Monarchisten würden sich im Falle einer siegreichen Gcgenrevolu- tion wahrscheinlich nicht mit der Zerstörung einger Geräte der Gegner begnügen, sondern das Leben der Besiegten fordern, wie viele Beispiele aus der Geschichte beweisen, neuerdings noch erst die Gegenrevolution in Russland . «» » Die Anerkennuilgsnieldungen verfrüht. London , 14. Oktober. Die Nachricht von der Anerkennung der portugiesischen Republik durch Brasilien bestätigt sich nicht. Wie dieTimes" mitteilt, ging gestern ein Telegramm aus Rio ein, wonach die dortige Regierung ihren Gesandten in Lissabon anwies, in Verhandlungen zum Schutze der brasilianischen Unter- tanen einzutreten, ohne jedoch die Republik anzuerkennen. Bern , 14. Oktober. Gegenüber der Lissaboner Meldung, dass die Schweiz die portugiesische Republik anerkannt habe, wird fest» gestellt: Die Note der provisorischen Negierung von Portugal hat kein Begehren um Anerkennung der Republik enthalten. Der schweizerische Bundesrat ist daher bis jetzt noch nicht in der Lage gewesen, sich über die Aneriennung der neuen portugiesischen Staats- form auszusprechen. Manuel hat sein Eigentum. Lissabon , 14. Ottober. Dem Vertreter des englischen Gesandten ist das persönliche Eigentum des Königs Manuel ausgehändigt worden. Die nächsten Wahlen werden nach dem allgemeinen Stimm- recht erfolgen. cothringer»lock und Zentrumsparlei als Sdsrittmacher desnationallismus". Bei der am Sonntag, den 9. Oktober, im Kanton Metz - Land stattgefundenen Nachwahl zum Bezirkstage lzweiter Mahlgang! wurde der Kandidat des rechte» Flügels des Lothringer Blocks und des Zentrums, Bertrand, mit 3991 Stimmen ge- wählt, während der Gegenkandidat Hüttendirektor M i e t h e(vom liberalen oder protestantischen Blockflügel) mit 2068 Stimmen unter- lag. Der erstere hat in den acht Tagen zwischen dem ersten und zweiten Mahlgang 959 Stimmen gewonnen, der zweite 814. Der sozialdemokratische Kandidat Reinhardt, der am 2. Oktober dieses Jahres 471 Stimmen erhalten hatte, gegen 739 im Jabre zuvor,»dar auf. Grund eines noch am Abend des 2. Oktober, unter dem Eindruck dieses Stimmenrilckganges, in Metz gefaßten Parteibeschlusses einfach zurückgetreten, obgleich das Wahl- gesetz für die BezirlStagSwahlen eine Stichwahlbestiinmung nach Art der ReichStagöwahlen, welche die Aufrcchterhaltung nur der beiden meistbegünstigten Kandidaturen zulässt, nicht kennt. Ob die von der Partei für den 9. Oktober ausgegebene Wahl- enthaltungsparole befolgt worden ist, läßt sich auch auf Grund der Einzelresultate nicht feststellen, da bei der schwachen Wahlbeteiligung am ersten Sonntag die beiden bürgerlichen Parteirichtnngen noch grössere Reserven in Bereitschaft gehabt haben könne»; wichtiger ist die Feststellung, dass der Wahlkampf schliesslich einen rein nationalistischen Charakter aligenommen hat, so dass der .Lorrain" in Metz , da» Organ des Abbs Colltn. in einem Triumph- artikel vom Tage nach der Wahl frohlockend schreiben kann. Herr Miethe, der Kandidat dereingewanderten Protestanten", der Hüttenwerke, der Regierung usw. sei voineingeborenen Kandidaten der Lothringer Gruppe und des Lothringer Landes", Herrn Ber- trand, vollständig geschlagen worden. Und hochinteressant ist sodann, zu hören, dass das Organ des zentrum« feindlichen Flügels des damit auseinandergetriebenenBlocks der Lothringer ", der Lolhringer" in Metz , aufs schwerste verschnupft seinen Lesern davon Kenntnis gibt: am Sonnabend, dem Borabend des 2. Wahl- tage?, habe ein bekannter Zentrumsagitator, der geistliche Oberlehrer Renmont, in einer ZentrumSversammlung erklärt, der einheimische Blockführer P i e rs o n. der ehemalige ReichStagsavgeordnete, der jetzt noch dem LandeSausschnss angehört, habeim Auftrage de» Blocks mit dem Zentrum eine Einigung getroffen im Hinblick auf die kommenden ReichstogSwahIeu". Bewahrheitet sich diese Meldung, für deren Richtigkeit die verärgerte Haltung des.Lothringer " und»och inehr das offene Eintreten deS deutschsprachigen Zentrums- organs.Lothringer Bolksstimme" für den nationalistischen Kandidaten Bsrtrand spricht, so dürfte diese Abmachung zwischen dem ein- beimischen snationalistischen) Lothringer Blockflügel und dem Zentrum für die nächsten ReichStagSwahlen sich nicht auf den Wahl- kreis Metz beschränken. Dafür spricht auch der Umstand, dass schon für die am 2. Oktober d. I. im Kanton Saaralbcn stattgefundene BezirkStagSwahl eine Verständigung zwischen Zentrum und Lothringer Block auf einen gemeinschaftlichen Kandidaten, der sich auf die konfessionelle Schule verpflichtete, möglich war. Dafür spricht endlich die im LandeSausschnss in die Erscheinung getretene Annäherung des demokratischen Renegaten und nationalionalistischen ObermacheerS B lumentbal an den Lothringer Block. eine Annäherung, deren Preis nach zuverlässigen Mitteilungen die Unterstützung der nationali st ischeir Reich StagSkandidatur Blumen- thals in Metz durch die Colli«, Pierson usw. ist. Jedenfalls ergibt sich damit auf bürgerlicher Seite eine vollständig neue Partei- politische Orientierung in Lothringen . Für die Sozialdemokratie enthält diese Wendung die Mahnung, im ganze Lande mit erhöhter Schärfe und Rührigkeit den nationalistischen Bestrebungen entgegenzutreten. Zur Verwischung der Klassengegensätze sind sie ein altes Mittel, dem das unglaubliche Ungeschick der Regierung gegenüber dem Kultus der französischen Erinnerungen immer neuen AgitationSstoff zuführt. Wir begegnen diesen Be- jtrebungen am wirlsainstei» durch die schärf st e Betonung de S Klassenkampfes und der Klassengegensätze auf keinen Fall durch irgendwelche faule Rechnungsträgerei. Dass es dabei nicht beschaulich zusehen, sondern energisch handeln heisst, zeigt der bedenlliche Stimmenrückgang unserer Partei bei dieser BezirkstagSnachwahl um rund 49 Prozent innerhalb eines Jahres ein Rückgang, der bei der allgemeinen Gunst der politischen Lage im Reiche und in Elsass-Lothringen für unS durch die Fluktuation der Arbeiterbevölkernng nicht zu erklären ist- Die wirtliche Erkläruug ist: wir sind durch das nationalistische Moment in den Hintergrund gedrängt worden. Und da» gilt's für die Zulunst zu verhindern. politilcde(lebersiebt. Berliti, den 14. Oktober 1910. Der Kampf um die christlichen Gewerkschafte«. Unser Münchencr Parteiblatt, die ,.M ü n che n e r P o st", bringt an der Spitze ihrer letzten Nummer die Zu- schrift eines namhaften, nicht zu den sogenannten«Mo- dernisten" gehörenden katholischen Gelehrten, in der über allerlei von der römischen Kurie geplante Streiche yegen jene Zentrumsrichtung, die durch dieKölnische Volkszeitung" re- präsentiert wird, und gegen die christlichen Gewerkschaften be- richtet wird. Der Briefschreiber weiss zu melden: In Rom plant man einen geradezu vernichtenden Schlag gegen den deutschen Katholizismus und das Zentrum, wie sie sich herausgebildet haben. Oder vielmehr:plant" ist falsch aus- gedrückt, da die Sache schon entschieden ist und es sich um wenige Monate noch handelt, die Geschichte ans Tageslicht treten zu lassen. Treiber sind 1. Kardinal Kopp, 2. die Gruppe Rocren-Fleischer» 3. mehrere hyperorthodox-katholische Pro- fessorcn.....; deren Klagen haben in Rom ein nur zu bereit- williges Ohr gefunden. Es hat auch vor einigen Wochen in Ems eine Zusammenkunst mehrerer dieser Leute stattgefunden, in der die Taktik des Borgehens besprochen ward. Es sollen folgende Schritte getan werden: Die Bestimmungen der Bulle Pascendi werden auf da» rigoroseste für Deutschland zur Pflicht von Rom aus gemacht werden. 1. Es wird infolgedessen an den Katholischen Volksverein die Aufforderung gerichtet werden, sich bedingungslos zu unter- werfen. Er hat sich lokal und diözesan zu ton st i» t u i e r c n. statt durch ganz Deutschland wie bisher durchzugehen. den Weisungen des Pfarrers resp. des Diöze» sanbischofs unbedingt zu folgen. Kopp hat in der Beziehung nicht nur brieflich schon einige drastische Aeusse-? rungen getan. 2. Die Windthorstbünde werden aufgefordert, sich zu er- klären, dass sie nicht auf interkonfessionellem, sondern auf konfessionellem Boden stehen. 3. DaS gleiche wird von den christlichen Ge, werkschaften verlangt werden. 4. Die katholischen Redakteure sollen den gleichen Eid wie die katholischen Professoren leisten müssen. 5. Jeder katholischen Zeitung wird ein Geistlicher als Ouasi» zensor beigegeben werde». Ich habe diese Mitteilungen von einem Gewährsmann, der über jeden Verdacht erhaben ist, und der in Ausdrücken der Ver- zweiflung mir die Mitteilung machte. Die Konsequenzen sind. dass die Intelligenz aus der Partei herausgedrängt werden wird. resp. daß eine Spaltung in eine national-christliche und eine latho- lische Partei stattfinden kann. Dass die Katholiken ferner her- mctisch vom geistigen Leben der Nation abgetrennt werden sollen; daß das bißchen Sozialpolitik.ertötet wird. Mein Gewährsmann sagte mir mit vollem Recht, daß dieses Vorgehen noch schlimmere Konsequenzen als das Vatikanum seinerzeit Häven müßte, da es eben in die praktische Politik Deutschlands so tief eingriffe." Daß von Kardinal Kopp und seiner orthodoxen An­hängerschaft in Rom gegen den Kölner Erzbi'ck'of und einen Teil �der Zentrumsführerschaft intrigiert wird, ist zweifel- los, hat doch die Reise des Kardinals Fischer nach Rom keinen anderen Zweck, als sich dort zu rechtfertigen und persönlich den hinter den Kulissen betriebenen Machinationen seiner Gegner entgegenzutreten-, aber dass die römische Kurie die Forderung stellen wird, die deutschen christlichen Gewcrk- sch ästen sollten sich kurzweg auf konfessio » n e I l e li Boden stellen, glauben wir nicht, denn man braucht in Rom ein starkes Zentrum und weiss, dass die Schwächung der christlichen Gewerkschaftsbewegung zugleich eine Schwächung des Zentrums bedeutet. Wohl ist wahr- scheinlich, dass der deutsche Klerus Anweisung erhalten wird, im stillen jede Stärkung der christlichen Gewerkschaften zu hintertreiben und möglichst ihren Einfluß für die Ausbreitung der streng katholischen Fachvereinsorganisationen einzusetzen, möglich auch, dass man in manchen Gegenden, wo der Ein- schlag von evangelischen Mitgliedern nur gering ist, versuchen wird, die christlichen Gewerkschaften nach und nach auf so- genannten konfessionelle�, d. h. katholischen Boden zu stellen: doch die direkte Forderung, alle christlichen Gewerkschaften sollten sich sofort als konfessionell bekennen, wird man schon aus Klugheitsrücksichten nicht erheben. Verlangen doch auch selbst die Leiter der Richtung Roeren- Bitter- Kaufmann- Fleischer nicht, dass die christlichen Gewerkschaften aufgelöst oder alsa n t i k a t h o l i s ch" behandelt werden. Zunächst soll vielmehr nur der Jntcrkonfessionalisieruiig Einhalt ge- boten und unter der Hand versucht werden, die christlichen Gewerkschaften konfessionell a u s z u g e st a l t e n. So schreibt z. B. Dr. theol. Kaufmann in Köln , einer der streitbarsten Kämpen der Richtung Kopp,