Aecht und Brot, und wer diesen Schrei zu vegreifen und zuwürdigen weiß, konn über Gegner und Kampfziel nicht im Unllarensein. Ebensowenig darüber, daß der Feind rechts st eht,und jede ihm gewährte Unterstützung die eigene Niederlage be-förderi. Die Stichwahl ist die Entscheidung, undwer dabei versagt, schlägt sich selb st und dieeigene Sache. Der gegenwärtige Reichstag würde wahrschein-lich anders aussehen ohne den ausgiebigen Stichwahlbeistand, dendie Liberalen der Rechten gewährt, und daß auch manches ganzanders gekommen wäre, läßt sich ziffernmäßig nachweisen. Freilichglaubten damals viele Helfer, daß der Ansturm dem Zentrumgelte, so hatten sie die Parole des Fürsten Biilow aufgefaßt, die,wie ein klassischer Zeuge vor kurzem uns belehrt, nicht ganz freivon Spiegelfechterei war. Diesmal ist Täuschung undIrrtum unmöglich, so klar war die Position noch niemals.bis in alle Winkel und Ecken leuchten die Scheinwerfer mitgrellem Licht. Nur die Stichwahlfrage bleibt noch im Dunkel.Vielfach werden taktische Gründe dafür geltend gemacht.Die Taktik in der Parteipolitik hat eine gewisse Aehnlichkeitmit der Statistik, es läßt sich alles durch sie beweisen. Nicht aberkann und darf sie Zweck sein, nur als Mittel zum Zweck soll siegelten, und in keinem Fall ist die Verleugnung eines Grundsatzesein geeignetes und zulässiges Mittel, die Grundsätze einer Parteiziehen die Grenzen ihrer Taktik. Und in den Tagen HeraklitS desDunkeln ist vollste Klarheit ein Gebot der Selbstachtung.*Der große Block von Bassermann bis Bebel ist eineDummheit; über ein Stichwahlabkommen, wie es Traegerempfiehlt, läßt sich dagegen sehr wohl sprechen.Deutschlands„Ehrengast".Der Besuch Nikolaus des Blutigen in Fricdberg führt zu fort-gesetzten unerträglichen Belästigungen der in die Nähe diese« OrteSkommenden Reisenden. Ueber einen neuen Fall solcher Belästigungwird der„Franks. Ztg.* aus Friedberg gemeldet: Der Reisendeeiner Frankfurter Finna, der sich aus einer Geschäftstour per Radbefand, wurde auf der Landstraße, als er hinter drei Herren herfuhr, von Kriminalbeamten angehalten und geftagt, ob er nichrwisse, daß es der Zar nicht liebe, andere Personen in seiner Um-gebung weilen zu sehen, und warum er hinter den Fürstlichkeitenherfahre. Trotzdem der Reisende seine Papiere bei sich hatte unddiese der Polizei vorzeigte, mußte er mit den Kriminalbeamtenzurück nach Friedberg, wo er im Arrestlokal nochmals vernommenwurde. Erst als der Reisende in Begleitung eines Kriminalbeamtennach Frankfurt zu einem ihm bekannten Herrn gebracht wurde, derüber seine Persönlichkeit Aufllärung geben konnte, wurde er frei-gelassen._Weise Fürsorge!Wie der Dresdener Korrespondent der„Franks. Ztg." von be-sondern Seite erfährt, sind schon seit geraumer Zeit in denBundesstaaten Maßregeln getroffen, um Verkehrsschwierigkeitenfür den Fall abzuwenden, daß einmal auf deutschen Bahnen einEisenbahnerstreik ausbricht. Auch bestimmte Abmachungen mitdem Reich sollen für diesen Fall bestehen.Ein Dementi.Die vom Preß-Telegraph verbreitete Nachricht, daß dieStellung des Kriegsministers von Hecringen erschüttert sei, ent-dehrt, wie der„Verl. Lckkalanz." an maßgebender Stelle erfährt,jeder Begründung. Ebenso wird die von anderer Seite ge-brachte Meldung, zwischen dem Reichskanzler und dem Staats-fekretär Delbrück beständen Differenzen, als völlig aus der Luft«egriffen bezeichnet._Landtagsnachwahlen in Sachsen.Am Mittwoch fanden in Sachsen zwei Landtagswahlenstatt, im 5. Leipziger und im 44. ländlichen WahlkreisPlauen» Land. In Leipzig erhielten GenosseBammeS 7712, der nationalliberale Dr. Zöphel Ist 763.der konservative Dr. Brückner 1934 und der deutsch-soziale S ch n a u ß 1S20 Stimmen. Bei der Hauptwahl imHerbst 1909 vereinigten der sozialdemokratische Kandidat8826, der nationalliberale 9802 und der Antisemit 5778Stimmen auf sich. Scheinbar wäre also ein erheblicher Rück-gang der sozialdemokratischen Stimmen zu verzeichnen, aberauch nur scheinbar. Der nominelle Rückgang erklärt sichverhältnismäßig einfach: Die Wahlbeteiligungi st wesentlich geringer als bei der Hauptwahl undaußerdem haben sich gerade in den Kreisen derArbeiterwähler starke Verschiebungen voll-zogen. 1909 zählte der Kreis 12453 Wahlberechtigte, davonwählten 10 459. Bei dieser Wahl waren 11 735 Wahl-berechtigte, wovon 9373 wählten.(Die Zahl der Wählerist beim Pluralwahlrecht geringer als die der Stimmen I)1644 Wähler sind verzogen, zirka 140 in der Wählerliste sonstgestrichen. Dieses Minus von mehr als 1800Wählern gehtfa st ausschließlich derSozial-demokratre verloren, da es sich in der Haupt-fache um Arbeitcrwähler handelt. Nun habenaber auch die bürgerlichen Parteaen zusammen noch beiweitem nicht die Stimmenzahl der Hauptwahl erreicht. Aufdie Bürgerlichen entfielen 1909 15 580, bei der letzten Wahl14217 Stimmen, also ein Verlust von 1363 Stimmen. DieSozialdemokraten verloren 1114 Stimmen. Der WohnungS-Wechsel traf naturgemäß die Sozialdemokratie am härtesten.Selbst das„Leipziger Tageblatt" schreibt:„Ein gut erTeil des(sozialdemokratischen) Verlustes wird aufdie starke Bevölkerungsverschiebung indiesem Wahlkreise zurückzuführen sein."Die Mehrheit der W ä h l e r ist auf der Seite derSozialdemokratie. Für die bürgerlichen Parteien stimmtenrund 4500 Wähler, für die Sozialdemokratie aber rund 4700!Also bei gleichem Wahlrecht würde die Sozialdemokratiedas Mandat mit rund 200 Stimmen Mehrheiterobert haben. Das Pluralwahlrecht fälscht das Ergebnis.2837 Vierstimmenwähler, die für die bürgerlichen Parteienstimmten, gaben allein 9448 Stimmen ab. also beinahe dieHälfte der abgegebenen Stimmen.— Der Ausgang derWahl ist also keineswegs ein Mißerfolg der Sozialdemo-iratie.Charakteristisch an der Wahl ist besonders der Zusammen-bruch der rechtsstehenden Parteien. Diesmal marschirrtenKonservative und Antisemiten getrennt, sie verloren trotzdemeine große Zahl Wähler an die Nationalliberalen und sindzu völliger Bedeutungslosigkeit herabgesunken.***Im 44. ländlichen Wahlkreis Plauen wurden abge-gehen für den konservativen Landwirt Sammler 5414Stimmen, für den Postsekretär Rausch(nat.-lib.) 2149 undden Parteisekretär Genossen Meier 2153 Stimmen. Sammlerist somit gavählt. Bei der Hauptwahl im Jahre 1909 siegteder verstorbene Abg. Siebcrt(kons, und Bund der Landw.)mit 5360 Stimmen. Ferner erhielten damals PostsekretärRausch 2585 und Geichäftssiihrer Genosse Jnnscher 2597Stimmen. Der konservative Kandidat hat also gegen die letzteWahl einige Stimmen gewonnen, während die nattonallibe-ralen Stimmen um fast 250, die sozialdemokratischen Stimmenum fast 450 zurückgegangen sind.Der Rückgang erklärt sich auch hier aus der Tatsache, daßdie Wählerliste von 1309 galt, wodurch die Sozialdemokratiestark benachteiligt wurde, da die Arbeiter am häufigsten dieWohnung wechseln._Lehrer und Neichsverband.Die Schulbohörde in Worms, der Domäne des FreiherrnHehl zu Herrnsheim, hat drei Lehrern einen achttägigenUrlaub erteilt, damit sie in B e r l i n an einem vom Reichsver-band gegen die Sozialdemokratie veranstalteten Kursus teilnehmenkönnen.Wenn Lehrer Urlaub haben wollen zum Besuch der General«Versammlung des Lehrerverbandes, dann wird—<n Preußenwenigstens— der Urlaub nicht erteilt.Reichstag skandidatur des Obersten Gädke.Die Demokraten haben ihre Absicht wahr gemacht, den Frei-sinnigen im ersten Berliner ReichstagSwahlkreiS einen eigenenKandidaten gegenüberzustellen. Als solchen haben sie den Oberst a. D.Gädke erkoren, der durch seinen Kamps gegen die oberen Militär-behörden bekannt geworden ist. Für die Freisinnigen kandidiertwieder der derzeitige Vertreter, Herr Kämpf, der als Vizepräsidentdes Reichstages de» Sozialdemokraten gegenüber sich in der Rolledes überwachenden Polizeibeamten gefiel.Das Verficherungsgesetz für PribatangestellteDer Entwurf eines VersichcrmigsgesetzeS für Privatangestellte istnunmehr im Reichsamt des Innern fertiggestellt. Es wird beab-sichligl, ihn noch im Laufe dieses Jahres' mit Vertretern der be-teiligten Reichs- und preußischen Ressorts zu beraten. Sobald daspreußische Staatsministerium sich schlüssig gemacht hat. soll derEntwurf veröffentlicht werden._Eiu militärisches Schreckensurteil.Das Kriegsgericht des Infanterieregiments Nr. 159 in Mülheim(Ruhr) verurteilte am Sonnabend einen Musketier, der sichin angetrunkenem Zustande zu verhältnismäßig geringen Aus-schreitungcn hatte verleiten lassen, zu der ungeheueren Strafe von5 Jahren und einen Tag Gefängnis!Während der Manövertage hatte der Musketier JosephB e i e r von der 4. Kompagnie genannten Regiments in der Nähevon Dülmen sein Seitengewehr verloren. Es wurde ihm nun derAuftrag erteilt, das Ding zu suchen und dann seiner Abteilungnachzukommen. Beier fand sein Seitengewehr nicht. Er besuchteaus Aerger eine Anzahl Wirtschaften und wurde schließlich be-trunken. Als er seinem Truppenteile dann folgen wollte, muß erwohl seine Unfähigkeit hierzu eingesehen haben, so daß er sich ineinen Chausseegraben legte und einschlief. Hier wurde er voneiner anderen Abteilung gefunden und zu seiner Kompagnie, dieinzwischen Biwak bezogen hatte, geschafft. Der Feldwebel Sieber-mann führte den Betrunkenen dann den Offizieren der Kompagnievor und erhielt von diesen den Auftrag, den Beier auf einen etwasvom Zelt entfernten Haufen Stroh zu legen. Bis dahin war allesgut abgegangen. Als nun aber der Feldwebel den Mann nachseiner Lagerstätte führen wollte, geriet dieser plötzlich in Aufregung,drehte sein Gewehr um und schlug damit nach dem Feldwebel, derjedoch flink genug war, dem Angeklagten in den Arm zu fallen undihn an der Kehle zu fassen, so daß er nur einen leichten Schlaggegen den Arm erhielt. Sofort sprangen zwei andere Soldatenhinzu und entwaffneten den Betrunkenen, der sofort in Unter-suchungshaft abgeführt wurde.Dies der Tatbestand, worüber das Kriegsgericht zu befindenhatte. Weshalb der bis dahin folgsame Musketier bei der Ab-führung sich plötzlich gegen den Feldwebel auflehnte, ist nicht klar-gestellt. Der arme Teufel selbst meinte zu seiner Entschuldigung,er müsse wohl einen..Wutanfall" bekommen haben, er habe an demTage wenig gegessen gehabt und viel getrunken und wisse nicht, wieer dazu gekommen sei. Auch seine Vorgesetzten gaben dem Mannedas Zeugnis, daß er sonst ein guter Soldat sei. nur etwas jähzornig.Ein als Sachverständiger vernommener Stabsarzt gab sein Gut-achten dahin ab. daß der Angeklagte trotz der Angetrunkenheit fürdie Tat verantwortlich zu machen sei! Der Vertreter der Anklage-behörde beantragte darauf 2 Jahre und 7 Monate Gefängnis, indem er sich auf den Standpunkt stellte, daß der Fall als„minderschwer" zu beurteilen sei. Doch das Kriegsgericht war mit dieserdoch gewiß nicht gelinden Bestrafung nicht zufrieden, es erkannteauf das Doppelte dcö beantragten Strafmaßes!Also wegen eines in der Trunkenheit verübten Streiches, derniemand geschadet hat: 5 Jahre GefäuoniS! Alles zur Ehreder heiligen Disziplin! �..»Portugal.Erledigt.Plymouth, 19. Oktober. Die Jacht„Victoria and Albert"mit König Manuel und Königin Amelia an Bord istheute früh hier eingetroffen.Spanten.Eiu neuer Marokkofeldzug?Paris, 19. Oktober.„Petit Parisien" ermähnt die spanischeRegierung zur Mäßigung in der Marokkopolitik undmeint, man wisse aus sicherer Quelle, daß eine spanischeMil,tärpartei von einem neuen Rif-Fcldzuge träume,dessen Ziel die Besitzergreifung Tetuans sei. Es bestätige sich, daßin Ceuta 18 0<X> und in Melilla 22 000 Mann unter dem Befehl derGenerale Aldane und Alfrau vereinigt seien. Sollte der Feldzugin der Tat unternommen werden, so würde der Machsen nach un-zweideutigen Erklärungen Muley HafidS den heiligon Kriegerklaren» Dies würde jedoch eine große Gefahr für die europäischenInteressen in Marokko bedeuten»Bngland.Eine Flottcnhetzrede Balfours.London, 19. Oktober. Baisour wies in einer heute in Glasgowgehaltenen Rede auf die Aenderung in der Seemacht-st e l l u n g Großbritanniens hin, die er als verhängnisvollbezeichnete. Im Bau von Kriegsschiffen sei während der beidenunheilvollen Jahre des letzten Parlaments eine beklagcns-werte Pause eingetreten. Er könne die gegenwärtige Lauheitnicht begreifen. Der englischen Jnferioität(I) im Bau vonKriegsschissen müsse unier allen Umständen gründlich undunverzüglich abgeholfen werden. Wenn England nicht im-stände sei, aus den laufenden Finanzmitteln Abhilfe zu schaffen-,so müsse es sich die erforderlichen Mittel durch eine Anleiheverschaffen. Andere Länder müßten die Ueberzeugung gewinnen,daß trotz aller Parteikämpfe di« Nation fest entschlossen sei, für dieAufrechterhalwng ihrer Macht und die Erfüllung ihrer nationalenPflichten den letzten Schilling und den letzten Atann zu opfern.Perllen.Die englische Note.London, 19, Oktober. Wie das Reutersche Bureau erfährt,besteht England in seiner Note an Persien darauf, daß. falls dieOrdnung auf der Straße A buscher— JSpahan indrei Monaten nicht wiederhergestellt ist, eine persischeTruppenmacht am Platze organisiert wird, die von acht biszehn englischen Offizieren der indische» Armeebefehligt wird, und zum Schutze dieses Weges dienen soll.Es sei keine Rede davon, daß die indische Regierungirgend welche Verantwortung in dieser Angelegenheit übernehmenlober irgenb Kelche Uebergriffe gegen die Inte-grität PersienS versuchen werde.Das Vorgehen Englands.London, 19. Oktober.„Daily News" und„Daily Graphic"fahren fort, die Politik Englands in Persien zu bekämpfen.„DailyNews" meint, es sei unverantwortlich, daß die britischeOkkupation permanent werde und auch die russischeOkkupation permanent mache. Das bedeute eineTeilung, die das schlimmste Unglück der auswärtigen Politikwäre. England und Rußland würden unmittelbare Grenz-nachbarn werden und die Vernichtung der persischenUnabhängigkeit werde das englische Prestige in dermuhammedanischen Welt vernichten. Die Aufgabe Englands seinicht. Südpersien zu okkupieren, sondern der russischen Okkupationin Nordpersicn ein Ende zu machen.„Daily Graphic" bezweifelt, daß der Zeitpunkt geeignet fürein persisches Abenteuer sei, welches England eine schwere Ver-antwortung aufbürden würde, während es in Indiengäre, die Schwierigkeiten an der indischen Nordwestgrenze wüchsenund die europäische Lage die größte Wachsamkeit und sorgsamesHaushalten mit Englands Mitteln fordere. Die Lage in Südpersienkönne verbessert werden, ohne das Risiko eines Eroberungskrieges.London, 19. Oktober. Nach einer Zeitungsmeldung ausTeheran hat die englische Regierung die persische davon in Kenntnisgesetzt, daß England für den Fall, daß P e r s i e n die Bedingungender Note über den Zustand der Handelswege nicht erfülle, die Ver-antwortung für die Aufrechterhaltung der Ordnungauf der Straße Buschir— SchiraS bis Jspahan(in der russischenZone) selbst übernehmen werde.Räubcrunwesen.Jspahan, 19. Oktober.(Meldung der Petersburger Tele«graphcn-Agentur.) Bier große 100 Werst von hier entfernteOrtschaften wurden durch Banden bewaffneter Nomadenausgeplündert. Die halbnackten und hungrigen Bewohnerflüchteten hierher. Da Jspahan gar keine Besatzung hat, so drohtihm daS gleiche Schicksal.CürkclDie französische Anleihe.Paris» 19. Oktober. Nach sichtlich vom Quai VOrsah stammenden ZcitungSmeldungen sind die zwischen der Regierung unddem hiesigen türkischen Botschafter geführten Verhandlungen über das A n l e i h e p r o j e k t nunmehr-a b g e s ch l o s se n.Das betreffende Uebereinkommen bedarf noch der Zustimmung derPforte. In dem Vertrage wird unter anderem bestimmt, daß alsBürgschaft für entsprechende Verwendung des Anleihebctrageszwei von der französischen Regierung bestimmtefranzösischeBeamte wichtige Posten in der türki.scheu Finanzverwaltung einnehmen sollen, der eineals Direiktor der Finanzge-barung,-der andere als Mitglied desKonstantinopcler Rechnungshofes. Frankreich erhielt eine Meist-begünstigungSklausel, nach welcher bei B e st e l l u n g e nvon Kriegsmaterial, Schiffen usw. im Auslände kein Land mit einergrößeren Bestellung bedacht werden kann als Frankreich. DerAnlcihebetrag ist auf 150 Millionen Frank festgesetzt.Soziales»Die Berliner Paketfahrtgcscllschafthat gestern bor dem Gewerbcgericht ein Urteil erstritten, da? einwarnendes Menetekel gegen den Leichtsinn und die Unachtsamkeitihrer Angestellten sein soll. In Wirklichkeit hätte aber die Gesellschaft keine Ursache, mit dem Urteil so besonders zufrieden zu sein.Die Gesellschaft trat nicht selbst als Klägerin auf, sondernhatte den bei ihr als Kutscher beschäftigt gewesenen Hausdiener G.durch einen Abzug von 10 M. von der Kaution veranlaßt, gegensie klagbar zu werden. Aus dem Wagen, den der Kläger zu fahrenhatte, waren zwei der Firma Mannheimer gehörende Kartons imWerte von 100 M. gestohlen worden. Die Diebstahlversicherunghatte der Beklagten 25 M. dafür ersetzt und je 10 M. hatte dieletztere dem Kläger und dem mit ihm fahrenden Schaffner— diesie beide für den Schaden verantwortlich macht— von den gestellten Kautionen in Abzug gebracht, währenddem sie den Rest desSchadens trug. Der Kläger bestritt sein Verschulden an demSchaden. Es ist zwar richtig, daß er und sein Mitfahrer gegendie erhaltene Instruktion verstoßen hätten, indem sie den Wagenallein ließen. Aber die Gesellschaft wisse, daß das allgemein üblichwar. Denn eS werden den Wagen immer so viel Bestellungen mit-gegeben, daß sie die Schaffner allein nichr erledige» können undihnen die Kutscher helfen müssen. So sei eS auch ihm ergangen.Während einer Bestellung, die er in Abwesenheit seines Schaffnersausgeführt, stich die beiden Kartons gestohlen worden. Der Wagenist zuvor von ihm verschlossen worden. ES befand sich aber einSchloß an ihm, das jeder leicht wieder öffnen konnte. Als Zeugewurde noch der Mitfahrer des Kläger» gehört. Dieser be»kündete, daß sie die strikte Anweisung hatten, nicht gemeinsam denWagen zu verlassen. ES sei aber unmöglich, mit der Arbeit fertigzu werden, wenn sie nicht beide Bestellungen machten. DaS wissedie Gesellschaft ebenso gut wie die Angestellten. Auch die übrigenBehauptungen des Klägers wurden vom Zeugen bestätigt.Der GerichtSvorsihende Magistratsassessor Drcycr versucht«vergeblich, den Kläger zur Rücknahme der Klage zu bewegen.Er meinte, über die moralischen Pflichten der Gesellschaft licßasich streiten, aber rechtlich sei hier nichts zu machen. Die Klagewurde, nachdem die Beklagte die Verpflichtung zur Herausgabe deSjetzt noch auf 90 M. lautenden Sparkassenbuches anerkannt hatte,abgewiesen.Einem Schaffner waren aus gleichem Grunde 27 M. in Abzuggebracht worden. Auch dieser war damit nicht einverstanden undklagte. Die Sache wurde aber gestern noch nicht zur Entscheidungreif und fiel der Vertagung anheim.Das Gericht hätte unseres ErachtenS unter Berücksichtigungdes§ 254 B. G.°B. anerkennen sollen, daß das Verschulden derFirma ein überwiegendes war, da sie Instruktionen erlassen, derenNichtbefolgbarkeit sie kannte und dennoch den Wagen überlud. Sowäre eine Verurteilung der Beklagten möglich gewesen.Wahrung berechtigter Interessen des Angeklagten.Ein Bergmann in Buer war vom dortigen Schöffengerichtwegen Beleidigung eines Gendarmen zu 100 M.Geldstrafe verurteiltworden, weil er als Angellagter in einer Gerichtsverhandlungin bezug auf die Aussage des Gendarmen erklärt hatte, der Gen»darm saufe mit der Gegenpartei herum und lasse sich Hühner undEier schenken. Obschon der Wahrheitsbeweis auch vor der Straf»kammer in Essen mißlang, erkannte das Gericht auf Freisprechung,indem eS anführte, daß eine Bestrafung nicht eintreten könne, weildie Aeußerung in Wahrung berechtigter Interessen gemacht sei.Es habe im Interesse des Angeklagten gelegen, daß er nicht eben-tuell durch das Zeugnis eines Mannes belastet werde, dessen eigenesTun nach seiner und Ansicht anderer Leute nicht einwandfrei sei.Es bedürfe keiner Ausführung, daß der Angeklagte das Rechthabe, zu seiner Verteidigung alle Tatsachen anzuführen, die zurBeurteilung des Charakter» des Zeugen von Wert seien. DasGericht könne sich der Meinung des Vorderrichters nicht an-schließen» daß die Aeußerung über das Matz des Erlaubten hinaus»ginge und daß Form und Umstände der Aeußerung das Vorhanden-sein einer Beleidigung unzweifelhaft dartäten. Der Ausdruck„herumsaufen" sei allerdings bedenklich, entspreche aber den»Bildungsgrade und der in den Kreise» des Angeklagten übliche»Ausdrucksweise._ Ein seltenes, verständiges Urteil