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Kr. 246. 27. Iahrganz. 2. Kkiltßt Ks Joriüärts" ßttliiitt WsblÄ Aottnerstag. 20. Oktober!M Sechster österreichischer gemrkichsftt- kongreß. Wien , 19, Oktober. (Telegraphischer Bericht.) Dritter VcrhandlungStag. Den Vorsitz führt Beer- Wien . Der Kampf um die Einheit der GewerkschaftSorganifation. Die Debatte nimmt noch den ganzen Vormittag in Anspruch. Sie wird völlig beherrscht von der leidenschaftlichen Erbitterung, die besonders die tschechischen Delegierten der Zentralorganisationen gegen die gewerkschaftlichen Zersplittcrer erfüllt. Nach einander besteigen die tschechischen Delegierten die Rednertribüne, erklären die Hoffnung ausFrieden für ganz aussichtlos und bezeichnen die vorliegende Resolution der Gewerkschaftskommission als unzureichend. In der Reso- lution ist nur die Rede von der Einheitlichkeit in der Führung der Kämpfe und von der einheitlichen Verwaltung der zum Kampf bestimmten Gewerkschaftsgelder. Dagegen fehlt in ihr die Forderung auf gruud- sätzliche Einheitlichkeit der Gewerkschaftsorganisation. Das erscheint den tschechischen Zentralisten und vielleicht auch der Mehrheit des Kongresses als ein Rückzug hinter Kopenhagen und wie eine ver- steckte Anerkennung des Separatismus. Darum die Anträge auf eine Verschärfung der Resolution. Nur ab und zu machen sich andere Stimmen' bemerkbar. Wir greifen einige Reden der Gegner der Resolution und einige Antworten heraus. S u h r o w s k y« Olmütz , einer der Ausgeschloffenen, nennt die Parteijustiz der tschechischen Partei schlimmer als die der Regierung. Er sei von einem Advokaten, einem Agenten und einem Greisler aus der Arbeiterpartei ausgeschlossen worden. Die Separatisten haben bereits Streikbrecher gezüchtet. Gegen die Eisenbahner verfahre man noch milde, weil sie soviel Geld nach Prag ab- liefern. Aber eine separatistische Eisenbahnerorganisation sei bereits im Werden. Jura- Brünn : Die Erbitterung der zentralistischen Tschechen wird kaum verschwinden. Das macht die Taktik der tschechischen Partei in Prag unmöglich. In Brünn sind 16 Organisationen auS der Partei ausgeschlossen worden, weil sie mit den deutschen ge- meinsam die Maifeier gefeiert haben.(Große Erregung und Be- weguug.) T e z e n k a- Wien (Bauarbeiter): Die Resolution ist ein Verrat an den Beschlüssen von Kopenhagen und an der Einheit der gewerl- schaftlichen Organisation. Arbeitel- Bielitz : Die Verfasser der Resolution betonen, daß zunächst ein Uebergnngsstadium für die Separatisten geschaffen werden muß. Aber ein Uebergangsstadium schaffen ohne das Prinzip zu betonen, heißt, das Prinzip fallen lassen. Mögen die leitenden Personen in der Partei keine Vogel-Strauß-Politik treiben. Man hat, statt das Feuer zu löschen, den drohenden Zwiespalt zu leugnen gesucht. Inzwischen wurden die Gelverkschaften durch die Scpara- tisten gesprengt. Wir können nur einet Resolution zustimmen, in der das Prinzip der zentralen Organisation uiictsckiütterlich aufgestellt wird. Sonst opfern wir die tschechischen Zentrallsten in schnödester Weise. Und das wird erreicht werden, wenn wir die Resolution unverändert annehmen. Den tschechischen Separatisten wird sie doch unannehm­bar erscheinen, weil sie eine zentrale Verwaltung der Gelder fordert. Aber die Konzessionen, die wir ihnen darin machen, werden sie in der Agitation gegen uns benützen. Was die Tschechen verlangen, ist nicht mehr Separatismus, das ist tschechischer Imperialismus. der sich auf das ganze Reich, ja sogar über die Grenzen hinaus ersteckt. Wir sind gekonimen, um zu veranlassen, daß endlich das Schlußwort gesprochen wird. Wenn wir die Argumente, die wir gegen die Separatisten haben, fallen lassen, so gefährden wir selbst den uns aufgezwungenen Kampf und darum dürfen wir das Prinzip des Zentralismus der Organisation nicht fallen lassen. W e n z e l- Wien(Bauarbeiter): Meine Organisation war die erste, die von den Tschechen gesprengt wurde. Damals kümmerte sich kein Mensch darum, heute brennt es an alle» Ecken. Als der Kongreß in Kopenhagen tagte, habe ich mir jeden Morgen, bevor ich»lir daS Frühstück gekauft habe, die Zeitung gekauft, um zu sehen, was in Kopenhagen gesagt worden ist und ob endlich nicht das Ende dieses traurigen Konfliktes käme. Die tschechischen Separatisten sind keine Sozialdemokraten mehr, sonst würden sie nicht das tschechische Pro- letariat, von denen als Bauarbeiter viele Tausende nach Deutich- land gehen müssen, treffen. Was haben sie denn erreicht? Vor der Krise halten wir 8666 Mitglieder, heute haben wir nur noch 3666 Mitglieder. Und wieviel haben die Separatisten? Sie haben auch keine. Die Jndustricgruppe der Bauarbeiter beantragt:Der Kongreß beschließt, daß die geplanten Einigungsverhandlungen längstens bis zum 15. November zu beginnen haben. Sollten sie von den Sepa- ratisten bis dahin vereitelt werden oder sollten sie bis dahin zu keinem günstigen Resultat führen, dann ist der Kampf um die Ein- heit der Gcwerkschaftsorganisation mit aller Energie zu führen." Für die Resolution' traten besonders lebhaft Patermann- Wien (Metallarbeiter) und Beer-Wien ein. Beer führte aus: Die Debatte leidet unter dem schweren Fehler, daß wir alle zu sehr den Blick in die Vergangenheit werfen und nicht sehen, was uns die Zukunft bringt. Ich begreife die starke Erbitterung wegen des Verhaltens der tschechischen Sozialdemokratie und der Prager Gewerkichaftskominiffion. Aber wir müssen fragen, wie sich in Zukunft die Organisation zu uns gestalten soll. Ich bin über den Borwurf erhaben, ein schwäch- licher Vertreter des Zentralismus zu sein. Ich habe von vornherein für den Zentralismus gekämpft. Aber ich darf nicht ver- kennen, eine Zentralisation ist nicht möglich in dem Maße, wie wir sie uns früher vorgestellt haben. Wen» ein großer Teil des Lster- reichischen Proletariats sie nicht mehr will, weil er unter einem starken Druck der tschechisch-slowischen Sozialdemokratie steht. Das nicht sehen wollen wäre dieses Kongresses unwürdig. So bitter die Tatsachen sind, wir würden ein Verbrechen begehen, wenn wir aus diesem schweren Konflikt nicht herauszukommen suchten. Schiverleidet die Partei und die gesamte Internationale unter diesem Konflikt. Aber wir sollen hier nur unsere eigene Sache bestellen. Wir dürfen lins nickt von der Erbitterung leiten lassen, soviel Grund auch die Zen- tralisten dazu haben. Das darf kein Wegweiser für uns sein. Vielleicht drückt die ganze Erbitterung zu sehr auf unsere Debatte. Sollen wir einen Kampf noch länger fortführen, von dem wir wissen, daß jeder seiner Foxtdauer mehr vergiftet? Wir können die zentrale Or- ganisation in Böhmen nicht durchführen, da mit Ausnahme einiger weniger jetzt niemand dafür wirkt. Tatsächlich haben wir in Böhmen eine zentrale Organisation dieser Art, wenigstens bei uns Metallarbeitern, nicht. Es war die reinste Republik, die Böhmen konnten tun, was sie wollten, der Vorstand hat einen Einfluß auf ihre Entschlüsse auch früher nicht gehabt. Leugnen wir eS nicht, bei Ihnen allen war es ebenso schlimm wie bei uns. Vergessen wir eines nicht: Auch unsere Leute leiden unter diesem Konflikt. Ist unsere Aktionsfähigkeit nicht vollständig gelähmt, können wir unsere Aufgaben als Gewerkschaftler noch erfüllen? Der Konflikt lähmt uns, er geht nicht nur aus Kosten der Separatisten, nein, er geht auf Kosten der gesamten Arbeiterschaft. Wir haben ein eigenes Interesse am Aufstreben des tschechischen Proletariats. Bleibt das tschechische Proletariat tief unten, dann komincn wir selber nicht vorwärts. Ich hoffe, daß der Kongreß eine Politik mache» wird, die die Arbeiter der Großindustrie mitniacken können. Heute schon leidet ein großer Teil der großindustriellen Arbeiterschaft'schwer unter dem Gegensatz. Es ist höchste Zeit, zu einer Verständigung zu gelangen. Die Resolution ist gewiß keine starke Brücke. Wir müssen trotzdem den Versuch machen, sie aufzubauen, weil sie auch zu uns führt und nicht bloß zu den anderen. Darum keine Verschärfung der Reso- lution I In Kopenhagen sind wir beauftragt worden, eine Ver- ständigung zu suchen. Sie mutz erfolgen; allerdings nicht um jeden Preis und nicht auf Kosten der Ehre der Organisation. Die weiteren Verhandlungen werden auf morgen(Donnerstag) vertagt. Am Nachmittag findet eine vertrauliche Sitzung statt. Sie Mwoil. Der Kampf der Frau um Mutter- und Säuglingsschutz im Spiegel der Kaiserrede. Nicht weniger als acht öffentliche Frauenversamm- l u n g e n mit diesem Thema fanden am Dienstag im sechsten Wahlkreise statt. Es ivaren dazu nur größere Säle gewählt worden und alle waren sie außerordentlich gut von insgesamt zirka 16 666 Frauen und Mädchen besucht. Referentinnen waren Luise Zietz , Mathilde Wur>n, Klara Weil, Anna Matsch ke, Gertrud Hainia, Marie Greifenberg, Regina Friedländer lind Ottilie Baader . Aus den Ausführungen der Rednerinnen entnehmen wir folgendes: Man habe Mütter heilig gesprochen, denn in der katholischen Kirche beten Millionen zur Mutter Maria. Dichter haben den Mutterberuf als den schönsten und herrlichsten geschildert, aber auch als den verantwortlichsten für die Gesellschaft. Diese selbe Gesell- schaft zerstört aber durch ihre Produktionsweise Jahr für Jabr die Gesundheit von Tausenden und Abertausenden junger Mädchen und Frauen, so daß deren Schoß unfruchtbar bleibe oder sie nur verkrüppelten und siechen Kindern das Leben geben. Es sei die schwerste Anklage gegen den Kapitalismus, daß er weder die Frau noch die Kinder geschont habe, weder die Säuglinge noch die werdenden Kinder im Mutterschoße, nur um seinen Profit zu steigern. Doppelt lastet die Berussarbeit und die Hausarbeit auf den Schultern der Frau, seitdem wir die Frauencrwerbsarbeit als Massenerscheinung haben. Am deutlichsten tritt das in die Erscheinung, wenn die Frau Mutter wird. Dazu kommt, daß dem Säugling die natürliche Nahrung, die Muttermilch, genommen wird. Ungeheuer ist der Umfang der Vernichtung der Gesundheit der Frauen und Mädchen, der Vernichtung der Gesund- bcit der neugeborenen Kinder. Zahlen und Beispiele brachten die Nednerinnen dafür in Masse bei. In Deutschland zeigt sich eine ganz besonders hohe Säuglingssterblichkeit. 1963 starben von 166 Kindern im ersten Lebensjahr mehr als 18(18,5) und im Jahre 1967 gar mehr als 19(19,5). Im Jahre 1967 waren es rund gerechnet 466 666 Kinder, die in Deutschland im Säugliugsalter starben, und 1968 waren eS 351 664. Wie sehr die Ursache der hohen Säuglings- slerblichkeit in den Wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen begründet ist, sieht man, wenn man gewisse örtliche Zahlen mit den obigen für das ganze Reich geltenden Prozentzahlcn vergleicht. In den Weberdistrikten Schlesiens starben 46 von 166 Säuglingen, in den Weberdistrikten Sachsens und in dem Bezirk der Heimarbeit Thüringens 36 von 166, in Weißensee bei Berlin 31 von 166, in Britz 36 von 166, in Lichtenberg 25 von 166. Dagegen starben in Dahlem , einem Berliner Vorort mit überwiegend bonrgeoiser Bevölkerung, noch nicht 7(6,67) von 166 Säuglingen. Also in den Gegenden mit Arbciterbcvölkernng ist die Säuglingssterblichkeit vier- bis fünfmal so hoch, als in Kreisen des BürgenumS. Außerordentlich groß ist sodann die Zahl der proletarischen Frauen, die Unterleibs- leiden, Beinschäden haben, schlimme Krampfadern oder sonstige Krankheiten, die in einem ursächlichen Zusammen- hang init dem Wochenbett stehen. Die Zahlen sehen wir, den Umfang sehen wir? aber wir sehen damit noch nicht in ihrer ganzen Tiefe das Elend und die seelischen Ovalen, die dannt verbunden sind. Wie die Frauen darunter leiden müssen, wie sie verzweifeln am Leben und manche zum Selbstmord getrieben wird, das kann nur ermessen, der selbst so etwas durchgemacht oder mit angesehen hat. Anschauliche Schilderungen, unter Verwertung gutachtlicher Aeußerungen von medizinischen und sozialpolitischen Autoritäten, gaben die Rednerinnen von der Einwirkung der g e- werblichen Gifte aus den FrauenorganiSinus und die dadurch bedingten Leiden der Frauen, und von dem Siechtum der Kinder als der weiteren Folge. Da muß die Arbciterschutzgesetzgebung mehr eingreifen. Kinder sind von der Erwcrbsarbeit ganz auszuschließen und für die heranwachsende Jugend und die Erwachsenen muß eine weiter- gehende gesetzliche Beschränkung der Arbeitszeit herbeigeführt werden. Namentlich bedürfen die Frauen des Schutzes durch gesetzliche Maß- nahmen, wie sie die Sozialdemokratie fordert. Unter anderem ist ein ausreichender Wöchnerinnen- und Schwangerenschutz z» fordern. Die Schutzfrist muß mindestens acht Wochen vor der Niederkunft und acht Wochen nach der Niederkunft betragen. Eine solche Bestim- mung in der Gewerbeordnung würde aber bei der in proletarischen Kreisen herrschenden Not allein nichts ausrichten. Eine einiger- maßen genügende Unterstützung muß hinzukommen. Und da ist jetzt, wo die Reichsvcrsicherungsordnung in der Kommission ist und bald vor den Reichstag kommen wird, die beste Gelegenheit, Forderungen an die Gesetzgebung zu stellen. Die Nednerinnen ver- traten in der Hinsicht die Forderungen, die in der unten ab- gedruckten Resolution wiedergegeben sind. Ferner wurde ausgeführt: Obwohl daS nur das Mindestmaß ist, waS gefordert werden muß, wird man nickt anders als durch Kampf dazu kommen. Des- halb ist es außerordentlich zu begrüßen, daß die Frauen in solchen großen Scharen in die Versammlungen gekommen sind. Die Frauen dürsen sich aber nicht begnügen mit dieser einen Demonstration für die Forderungen der Rciolution. Sie müssen weiter zusammenhalten in all den Kämpfen um eine bessere Zukunft. Wie seien nun diese Ratschläge in Einklang zu bringen mit den Ratschlägen, die der deutsche Kaiser de» Frauen gegeben habe. Nun; Gegen das persönliche Regiment protestieren wir und wir ver- langen, daß die Verfassung beobachtet werde. Weiter wollen wir sorgen dafür, daß die Demokratie und hoffentlich bald die Sozial- deniokratie maßgebend sei. Und was er von den Frauen sage, sei doch seine Privatmeinung, die wir nicht zu hören brauchten. Wir sagen: Deutscher Kaiser, wir lehnen es ab, uns von Dir Ratschläge geben zu lassen. Wir sind selber reif geworden. Wir brauchen uns nicht belehren zu lassen, daß es nicht darauf ankomme, sich auf Kosten anderer auszuleben. Wir wissen, daß die harte Not des Lebens über 9 Millionen Frauen in Deutsch - land in die Erwerbsarbeit getrieben hat, daß die harte Not an die Türen pocht, und daß die Finanzgesetzgebung des Staates sie noch mehr verschärft hat. Für die proletarischen Frauen kommt eS wirk­lich nicht darauf an, sich auf Kosten anderer auszuleben. Und auch nicht für die Frau des Kleinbürgers. Ein Mann in den Ver- hältnisscn des Kaisers braucht uns das nicht zu sagen. Und wenn irgendetwas geeignet ist, den Frauen zu zeigen, daß sie sich um Politik zu kümmern haben, so daS Thema, was sie eben be- schäfligte. Aber auch darüber hinaus hätten die Frauen eS bitter notwendig, sich um Politik zu kümmern, Mitglied des sozial- demokratischen Vereins zu werden, Versammlungen zu besuchen und alles daran zu setzen, um zu politischen Rechten zu kommen. Reaktion und mangelnder Arbeiterschutz, Ausbeutung und mangelnde Staatsbiirgerrechte: das alles greife in einander über. Und da sollten sich die Frauen nicht um Politik kümmern? Eine schleckte Hausfrau, eine schlechte Mutter, eine schlechte Gattin müsse sein die Frau, die sich nicht um Politik ki'unmere und nicht eine gute Staats- bürgerin sei. Hinein in die sozialdemokratische Partei I Dieser Mahnruf wurde in allen Versammlungen mit Begeiste- rung von den Frauen aufgenontmen. Viele neue Mitglieder wurden gewonnen.- So gaben die Frauen auf die Kaisertvort� die beste Antwort, die sie geben konnten. Einstimmig angenommen wurde die folgende Resolution: Die steigende Teilnahme der Frau am Berufsleben, die durch das Ergebnis der letzten Berufs- und Gewerbezählung wiederum klärlich beleuchtet wird, bringt schwere Gefahren mit sich für Leben und Gesundheit der Frauen und Kinder der Arbeiterklasse und des Kleinbürgertums. Die Vereinigung von Berufs- und Hausarbeit für die Frauen zur Zeit der Mutterichast führt häufig zu Unterleibserkrankungen, Erschwerung der Schwangerschaft und Entbindung, Fehl« und Frühgeburten, früher Sterblichkeit und Siechtum der Kinder. Die soziale Not zeitigt die gleichen Erscheinungen in weiten Kreisen der unbemittelten Volksschichten, auch wenn die Frau nicht erwerbstätig, aber aus Mangel an Mitteln der Ruhe und Pflege entbehrt zur Zeit der Mutterschaft. Im Interesse der Erhaltung von Leben und Gesundheit der Mütter und Kinder fordern deshalb die Versammelten, daß die Krankenversicherung wie folgt ausgestaltet wird: 1. Ausdehnung der Kranke nversicherungS- Pflicht auf alle lobnarbeitende» Frauen, auch auf die land- wirtschaftlichen Arbeiterinnen, Dienstboten, Heimarbeiterinnen sowie überhaupt auf alle Frauen, deren Familieneinkommen 5666 M. nicht übersteigt. 2. Obligatorische Gewährung einer Schwangeren- Unterstützung im Fall der durch die Schwangerschaft verursachten Erwerbslosigkeit aus die Dauer von acht Wochen. 3. Freie obligatorische Gewährung der Heb- ammendienste und freie ärztliche Behandlung der Schwangerschafts« beschwerden. 4. AuSdehn nng der Wöchnerinnen- Unterstützung von 6 auf 8 Wochen. Falls das Kind lebt und die Mutter fähig und willens ist, eS selbst zu stillen, ist ein Stillgeld auf die Dauer von 26 Wochen zu gewähren in der Höhe des gesetzlichen Kranken- gelbes. Ausdehnung der Krankenkontrolle auf die Zeit von der ersten Woche ab. 5. Erhöhung des Pflegegeldes an Schwangere und Wöchnerinnen für die Dauer der Schutzfrist auf die volle Höhe des durchschnittlichen Tagesverdieust-s. 6. Obligatorische Ausdehnung der unter 35 an- geführten Bestimmungen auf die weiblichen Angehörigen der K a s s e n nt i t g l i e d e r. 7. Vereinheitlichung der Krankenkassen und Sicherung des Selbstverwaltungsrechts." Im zweiten Wahlkreise tagten zwei Versammlungen, in der Fichtestraße und in der Dennewitzstraße, im dritten Wahlkreise fand in den Arminhallen eine Versammlung statt, die sich mit dem Thema Der Kampf der Frauen gegen Lebeusmittelwucher im Spiegel der Kaiserreden" beschäftigten. Zahlreich waren die Frauen erschienen. Als Referenten sprachen die Genossinnen Frau Klara Schuch, Frau Fahren tvald und Frau Mittag. In den Anninhallen hatte sich ein Kriminalbeamter eingeschlichen. Man hatte ihn aber gleich erkannt und vor Eintritt in die Tagesordnung mußte er unter dem Spott und Hohn der Versammlung von bannen ziehen. Dann schilderte die Referentin in einfachen, klaren und eindringlichen Worten, wie die Frauen und Mütter so außerordentlich schwer unter der künstlich herbeigeführten Teuerung der Lebensmittel zu leiden haben, wie die ganze Familie doppelt bluten muß, weil das geringe Einkommen verbraucht wird, um nur deS LeibeS nächste Notdurft zu befriedigen und kaum etwas übrig bleibt zur An- schaffung der eigentlich für einen Kulturmenschen unentbehrlichen Jndustrieprodukte. Dazu hat er damit zu rechnen, daß die immer mehr anwachsende Masse der unverkauften Waren für ihn Arbeits- losigkeit und damit doppelte Entbehrung zur Folge hat. Da ist eS für die Proletarierin kein schöner Beruf, Hausfrau und Mutter zu sein, die sich den letzten Bisten vom Munde abspart, damit nur der Mann einigermaßen die bei schwerer Arbeit verbrauchte Kraft ersetzen kann, und die Kinder nicht allzusehr Not leiden. Da paßt so ganz und gar nicht das vielgerühmte Vorbild der Königin Luise , die, als Preußen im tiefsten Elend steckte, selbst mit einer nach bürgerlichen Begriffen überreichlich bedeckten Tafel nicht auskommen zu können meinte. In solcher und ähnlicher Weise führten die Nednerinnen den Anwesenden das Spiegelbild vor Augen, das sich ergibt, wenn man die Aeußerungen Wilhelm? II. mit der Not des Proletariats und der proletarischen Frau vergleicht. Ueberall wurde klar und scharf ausgesprochen, daß nicht die schönsten Kaiserreden, und daß nicht irgendwelche Phantasien, sondern nur die lebendige Teilnahme an dem Kamps des Proletariats, an dem Kamps der proletarischen Frau gegen die empörende Ungerechtigkeit aus politischem und Wirtschaft« lichem Gebiet hinwegführen kann über diese elenden Zustände zu besseren Lebensbedingungen und zu einer gerechten GesellschastS- ordnung. Die Aufforderung, durch Eintritt in die Organisation Mitkämpferinnen zu werden, hatte reichen Erfolg. »mtltcher Marttbertcht der KSdttschen Marktballen-DtreMon ader den Großhandel in den Zentral-Marktballen. Marktlage: Fleisch, Zufuhr schwach, Gelchäft füll, Preise unverändert. Wild : Zufuhr nicht ausreichend, Gcichäst lebhaft, Preise anziehend. Wetlilgil: Zufuhr in Gänsen reichlich, sonst knapp, Geschäsl nicht lebhast genug, Preise schwankend. Fisch«: Zusuhr mäßig, Meichäst schleppend, Preise wenig verändert. Butter und Käse: Geschäst ruhig, Preise unverändert. Gemüse, Obst und Süds r achte: Zusuhr genügend, Geschäst iKenig befriedigend, Preise unwesentlich verändert. «Mttcrungsiidersicht vom 19. Ollober 1910. moraens 8 Nki». 5wmemde Hamburg fiecliti Frankf.a Vi München Wien «Srtterprognose für Donnerstag, den 30. Oktober 1910. Mild, jedoch vorwiegend wolkig oder nebelig bei mäßigen südwesUichen Winden; keine erheblichen Niederschläge. Berliner Wetterbureau. WaflerstandS-Rachrtchte» der Landesanstalt sür Gewässerkunde, mitgetellt vom Berstner Wciterbureau. >)+ bedeutet vuch». Falk.) Unierpegel.