Nr. 249. 27. Jahrgang.
Sechster österreichischer Gewerkschaftskongreẞ.
Am sechstes: Tißungstage nahm der Kongreß zunächst eine Reihe von ausgezeichneten sozialpolitischen Referaten entgegen. Zunächst sprach Reichsratsabgeordneter Schrammel über Sozialpolitik im österreichischen Parlament" und begründete folgende Resolution:
„ Der Gewerkschaftskongreß erblickt in der ablehnenden Haltung der Regierung und der bürgerlichen Abgeordneten im Barlament gegenüber den sozialpolitischen Forderungen der Arbeiterschaft Cesterreichs eine schwere Schädigung des arbeitenden Voltes. Er protestiert insbesondere gegen die Ver= schleppung des Sozialversicherungsgesetzes und aller übrigen vom sozialdemokratischen Verband eingebrachten sozialpolitischen Gefetentwürfe. Er sieht in den bisher angenommenen Gesezen und Gesezesänderungen zwar eine fleine Verbesserung, aber nicht die dringend nötige gründliche Reform der Arbeiterschutzgesetze und wiederholt und erneuert die sozialpolitischen Forderungen der Arbeiterschaft. Er verurteilt auf das entschiedenste die verbrecherischen Pläne auf Verschlechterung des Koalitionsrechts der Arbeiter und erklärt, daß die Arbeiterschaft Defterreichs jeden derartigen Angriff auf ihre bisherigen Rechte mit allen Mitteln abzuwehren gesonnen ist. Der Kongreß fordert die sozialdemokratischen Abgeordneten auf, ebenfalls alle Mittel anzuwenden, um jedes Attentat auf das Koalitionsrecht der Arbeiter zu verhindern. Der Kongreß verlangt von Parlament und Regierung die vollste Wahrung der Rechte der Arbeiter und die Erfüllung nachstehender Forderungen: 1. Rasche Be= ratung und Durchführung des Sozialversicherungsgesetzes, Ein-führung der Alters- und Invaliditätsversicherung für alle Arbeiter und Witwen- und Waisenunterstützung. 2. Reform des Koalitionsgesetzes im Sinne der vollsten Sicherung der Koalitionsfreiheit, Abschaffung der Arbeitsbücher. 3. Den Achtstundentag in allen gewerblichen Betrieben ohne Rücksicht auf ihre Größe. 4. 36stündige Sonntagsruhe. 5. Ausnahmsloses Verbot der Nachtarbeit für Frauen, jugendliche Arbeiter und Kinder, sowie Berbot der regelmäßigen Nachtarbeit der Männer. 6. Erlaß besonderer Schußbestimmungen für gesundheitsschädliche Industrien und Betriebe und gesetzlich festgesetzte Schadloshaltung der Arbeiter im Falle von Berufskrankheiten durch die Besizer des Betriebes. 7. Verbot der Beschäftigung schwangerer Frauen in der Dauer von vier Wochen vor und sechs Wochen nach der Entbindung, für welche Erholungszeit Kranfengeld in der vollen Höhe des Verdienstes zu bezahlen ist. Zu diesem Zwecke haben die Krankenkassen aus der Staatstaffe entsprechend hohe Subvention zu erhalten. 8. Vermehrung der Gewerbeinspektoren, Verkleinerung der Aufsichtsbezirke, Bestellung von Arbeitern und Frauen als Inspektoren und Inspizienten, Bestellung von Inspektoren für land- und forstwirtschaftliche Betriebe. 9. Res form des Gewerbegerichtsgesetzes, Ausdehnung des passiven Wahlrechts auf die Arbeiterinnen, Vermehrung der Gerichtshöfe, Ausdehnung des Gewerbgerichts auf den Bergbau. 9a. Schaffung eines Gesezes über die Vertragsverhältnisse der Eisenbahner. 10. Ausdehnung der Unfallversicherung auf alle Arbeiter, Embeziehung des Kleingewerbes sowie der Land- und Forstwirtschaft. 11. Aufhebung der Bruderladen und Einbeziehung der Bergarbeiter in die Arbeiterkrankenkasse und territoriale Unfallversicherung. 12. Bestellung von Berginspektoren, welche von den Bergarbeitern frei gewählt werden. 13. Einführung der achtstündigen Arbeitszeit, Siebenuhrsperre, 36stündige Sonntags= ruhe im Handelsgewerbe. 14. Interstellung der in der Heimarbeit beschäftigten Personen unter die Arbeiterschutzgesetze. 15. Reichsgefeßliche Regelung der Gesindeordnung. 16. Kodifikation des gesamten Arbeiterrechts. 17. Einbeziehung der Seeleute, Hafenarbeiter und Binnenschiffahrer in die Kranken- und Unfallbersicherung. 18. Annahme und Durchführung des von der Sozialdemokratie beantragten Gesezes betreffend die Linderung der Arbeitslosigkeit."
der
Der Kongreß stimmte der Resolution einstimmig zu. Eine Sympathieresolution für den Kampf faufmännischen Angestellten um vollständige Sonntagsruhe und frühzeitigen Ladenschluß wurde ein
stimmig angenommen.
Auf Grund eines Referates des Reichsratsabg. Smitta über die Abschaffung des Arbeitsbuches" wird die Fraktion beauftragt, alle ihr geeignet erscheinenden Maßnahmen zu treffen, um die Beseitigung des Arbeitsbuches durchzusehen.
Es folgte ein fachkundiges Referat des Reichsratsabgeordneten Reumann über Wohnungsfürsorge und Arbeitsvertrag". Folgende Resolution wurde einstimmig angenommen:
Miffa Solemnis...
D
" In Erkenntnis, daß die durch die Not an Kleinwohnungen kommission werden wiedergewählt. Es wird dabei be enorm gesteigerten Mietzinse häufig genug die Arbeiter, ins- tont, daß für die Wahl nicht nationale, sondern berufliche Ge besondere in Orten, in denen eine start entwickelte Industrie sichtspunkte maßgebend seien. Gleichfalls wiedergewählt werden vorhanden ist, zwingen, Wohnungen in den von Unternehmern die Ersaßmänner und die Mitglieder der Kontrollkommission. erbauten und verwalteten Arbeiterhäusern zu beziehen, wodurch Die Fraktion wird aufgefordert, den von den Gastwirtsgehilfen fie ihre Bewegungsfreiheit gänglich einbüßen; in Erkenntnis, angeregten Gejebentwurf über die Regelung der Arbeitsverhältnisse daß die Arbeiter, die in den von der Privatspekulation er im Gastwirtsgewerbe möglichst bald zur Verhandlung zu bringen. bauten Wohnhäusern Wohnung nehmen müssen, ihren Bedürf- Eine Resolution über die rechtliche Lage der Seeleute wird nissen nach gesunden, geräumigen Wohnungen nicht Rechnung angenommen und der Gewerkschaftskommission aufgegeben, dem tragen fönnen, vielmehr gezwungen find, in gesundheitsschäde nächsten Kongreß einen Bericht über die Echaffung eines Arbeiterlichen, zum Teil licht- oder luftlosen, auch in überfüllten Woh- sekretariats zu erstatten und Vorschläge zu machen. nungen wohnen zu müssen, in endlicher Erkenntnis, daß die Wohnungsnot mit all ihren Begleiterscheinungen, insbesondere
der drohenden Obdachlosigkeit, lähmend auf die Tatkraft der Die Radboder Katastrophe vor Gericht.
Bierter Tag.
Am heutigen Verhandlungstage wurde die Beweisaufnahme
-
-
-
-
-
Sachver Staatsanwalt:
Arbeiterschaft einzuwirken vermag und daher der Erringung bon Arbeitsverträgen, die den Arbeiterforderungen entsprechen, hindernd im Wege steht, fordert der Kongreß die werftätige Hilfe des Staates, der Länder und der Gemeinden für den Bau fortgesetzt. Staatsanwaltschaftsrat Hartmann hat eine Benzin bon Arbeiter, beziehungsweise Kleinwohnungen. Diese Hilfe Sicherheitslampe zur Stelle geschafft und bringt zur Sprache, daß soll bestehen: a) in der Erlassung eines Reichsbaugesezes als der Zeuge Thomas bei einem Brand im Stapel bersucht hat, mit Die SachverstänRahmengesetz für die in den verschiedenen Ländern zu erlassen- Steinwürfen eine solche Lampe auszulöschen. den Bauordnungen, das insbesondere Vorschriften enthält über digen Hollender und Werner bekundeten, daß nach Lage der Sache Staatsanwalt: Kommt es aber die Wohnungshygiene und verhindert, daß die Bauflächen Thomas richtig gehandelt hat. spekulativ zum Schaden der Wohnungsmieter ausgenüßt werden; nicht häufig vor, daß Bergleute die Lampen mutvillig zerstören b) in der Schaffung eines staatlichen Wohnungsfürsorgeamtes, und daß dadurch eine Explosion herbeigeführt wird? dem ein aus staatlichen Mitteln dotierter Wohnungsfürsorge- ständiger Hollender: Das kommt natürlich vor. fonds zur Verfügung steht; c) in der Kreditgewährung aus den Sann auch die Radbod- Explosion dadurch herbeigeführt sein, daß Mitteln des Wohnungsfürsorgefonds, bezw. in der Bürgschaft am Unglüdstag ein Mann in der Grube eine solche Lampe ge für Baukredite zur Erbauung von Arbeiter bezw. Kleinwoh- öffnet hat? Sachverständer Hollender: Jawohl. Aber es gibt nungen an Arbeiterbaugenossenschaften oder Gewerkschaften; auch andere Möglichkeiten. Es kann auch einem Mann entgangen d) in der Schaffung von Beiräten für das staatliche Wohnungs- sein, daß seine Lampe beschädigt war. Die Explosion aber muß amt, die den fachlichen Arbeiterorganisationen zu entnehmen durch eine offene Lampe entstanden sein, womit ich absolut nicht find; e) in der Schaffung einer staatlichen Wohnungsinspettion behauptet haben will, daß ein schuldhaftes Verhalten irgend eines unter Mitwirkung von Vertretern der fachlichen Organisationen; Bergmannes vorliegt. Sachverständiger Hansmann: Mutwillige f) in der 30jährigen Befreiung von der Hausklassensteuer fowie Beschädigungen von Sicherheitslampen verstehe ich einfach nicht. von der Hauszinssteuer und allen sonstigen Steuerzuschlägen Das mag früher einmal durch unbeaufsichtigte Pferdejungen gefür Arbeiter bezw. Kleinwohnungen; g) in der Bestimmung, schehen sein, aber jetzt nicht mehr, wo eine scharfe Kontrolle daß für Arbeiterwohnungen die am Orte übliche Kündigung herrscht. Sachverständiger Mantel: Es kommt vor, daß die bon Mietverträgen Gültigkeit hat und daß eine kürzere Kündi- Arbeiter die alten Drahtzäune der Lampen entzwei machen, um Direktor Andree: Es wurde gestern auf das gungsfrist nicht vereinbart werden darf; h) in der Schaffung neue zu bekommen. einer gesetzlichen Bestimmung, wodurch verhütet wird, daß bestimmteste bekundet, daß das Gedinge von 20 auf 12 M. pro Werkswohnungen während eines Streits oder einer Aussperrung Meter herabgesetzt worden ist. Ich habe hier die Lohnlisten, aus Sachverständiger gefündigt werden können und somit die Wohnungskündigung als denen hervorgeht, daß das nicht richtig ist. Mittel der Einschüchterung mißbraucht werden kann." Werner: Die Lohnlisten geben fein richtiges Bild. Sie stimmen Direttor Ueber Die gefegliche Verfürzung der Arbeitszeit" referierte nur in den Endziffern und nur darauf wird gesehen. Sachverstän Reichsratsabgeordneter Hanusch, der folgende Resolution be- Andree: Das würde eine falsche Buchung sein. diger Werner: Aber es wird so gehandhabt. Zeuge Bergmann gründete, die einstimmige Annahme fand: Luic bekundete, daß auch mit Zustimmung der Steiger Hohlräume nicht versetzt worden sind.- Bors.: Welcher Steiger war denn Beuge: Steiger Steinbach. Beuge Steiger Steinbach: Das ist gelogen. Ich bin nie damit einverstanden gewesen. Beuge Steiger Carrier war Reviersteiger auf Radbod. Er hat die Wafferleitung stets in Ordnung gefunden, abgesehen von einigen unbedeutenden Störungen, die beseitigt werden konnten. Beuge Steiger Hilgenstock schloß sich im wesentlichen den Befundungen des Zeugen Carrier an. Berteidiger Rechtsanwalt Seine: Die Bekundungen auch dieses Zeugen stehen in striftem Gegensatz zu den Bekundungen der vernommenen Bergleute, vor allem zu der Aussage des Zeugen Thomas. Ich möchte daher den Beugen Thomas fragen, ob die Schilderung, die er uns hier von den Wettern auf Radbod gegeben hat, zusammengelogen ist oder nicht? Zeuge Thomas: Was ich gesagt habe, ist wahr. teidiger Rechtsanwalt Heine: Warum haben Sie es aber nicht den Steigern gemeldet? Beuge Thomas: Sobald ich meine Meldung erstattet hatte, mußte ich darauf gefaßt sein, auf die Straße zu fliegen
das?
-
-
-
-
-
-
Ver=
„ Der Gewerkschaftstongreß beschließt: Die gegenwärtig in Desterreich gefeßliche Arbeitszeit war vor 25 Jahren ein Forte schritt, heute aber entspricht sie der technischen Entwickelung der Industrie und des Gewerbes nicht mehr. Die Kraft der gewerkt. schaftlichen Organisation hat einem großen Teil der öfter reichischen Arbeiterschaft bereits eine Arbeitszeit errungen, die weit fürzer ist als der gefeßliche Marimalarbeitstag. Da aber die Kämpfe der Gewerkschaften durch die Schikanen der politischen Behörden, durch die Schmälerung des Koalitionsrechts erschwert werden, besteht in vielen Betrieben immer noch der elfstündige, in manchen nicht fabrikmäßigen Betrieben sogar ein noch längerer Arbeitstag. Soll die Verkürzung der Arbeitszeit nicht erst in vielen opfervollen Kämpfen erftritten werden, dann muß die Gesetzgebung eingreifen. Der Kongreß steht nach wie bor auf dem Standpunkt, daß die technische Entwickelung auch in Oesterreich bereits so weit fortgeschritten ist, daß der Achtstundentag in Industrie und Gewerbe ohne Bedenten eine geführt werden kann. Wenn troß dieser Tatsache der Sozialdemokratische Verband des Abgeordnetenhauses einen Antrag auf staffelweise Abkürzung der Arbeitszeit einbrachte, so ließ oder am 15. gekündigt zu werden. Direktor Andree: Nennen Zeuge er sich ohne das Prinzip des Achtstundentages aufzugeben Sie mir auch nur einen Fall, wo das passiert ist. nur von der Erwägung leiten, der Industrie und dem Gewerbe Thomas: Warum ist der Wilhelm Lange entlassen oder doch so ges Direktor Andree: Ich ein Uebergangsstadium für die Einführung des Achtstunden- drüdt worden, daß er gehen mußte? tages zu ermöglichen. Die Vertreter der Regierung sowie die fenne den Fall Wilhelm Lange nicht. Verteidiger Rechtsanwalt bürgerlichen Parteien fanden wohl nicht den Mut, diese über- Heine: Ich möchte Direktor Andree fragen, ob es richtig ist, daß eilte Vorlage rundweg abzulehnen, fie suchten sie aber dadurch der Personalwechsel auf Grube Radbod einer der größten des Direktor Andree: Das bestreite ich zu verschleppen, daß sie dieselbe den verschiedensten Beiräten zur ganzen Ruhrreviers war. Begutachtung überwiesen. Der Kongreß verlangt: 1. Die schleu- ganz entschieden. Verteidiger Rechtsanwalt Heine: Ich habe die nigste Beratung und Beschließung der vom Sozialdemokratischen Bahlen hier. Im ganzen Ruhrrevier fommt für 1906 auf 100 Verbande eingebrachten Vorlage betreffend die Arbeitsdauer in Bergleute durchschnittlich ein Zugang von 57 Proz. und ein Abe gewerblichen Betrieben; 2. die rascheste Erledigung der Vorlagen gang bon 49 Proz. Für Radbod betragen die gleichen Zahlen betreffs der Schichtdauer beim Bergbau, der Arbeitszeit im 129 Proz. und 94 Proz. Den Zugang lasse ich außer Betracht, Bädergewerbe, sowie der Arbeitszeit in ununterbrochenen Be- weil die Grube Radbod fich in der Entwickelung befand und intrieben. Durch die Gesetzwerdung dieser Vorlagen sollen die folgedessen fortwährend Arbeiter aufnahm. Aber der Abgang von Errungenschaften der Gewerkschaften für alle Zukunft gesetzlich 94 Proz. ist immerhin ein außerordentlich hoher. Es geht so auch gesichert und die schrittweise Herabfegung der Magimalarbeits durch die folgenden Jahre fort. Für das Jahr 1907 8. B. betrug zeit bis zum Achtstundentag herbeigeführt werden. der Abgang auf Radbod 115, während der Durchschnitt im Ruhrrebier 94 roz. betrug. Direktor Andree: Das ist ganz un
-
Die bisherigen Mitglieder der Gewerkschafts
-
-
-
fein
genau da hat die Verbindung vor sich zu gehen, wo in der Wort- Wahlrechts- Beitmotive, feine Marseillaise- Reminiszenzen, sprache selbst bereits ein unabweisliches Verlangen nach wirts Radau von Kanonen und Straßentrawallen, o, Ihr Philister, die lichem, sinnlichen Gefühlsausdrücken sich kundgibt. Dieses be- Ihr alles verkehrt auslegt! Aber die proletarische Musik mit stimmt sich aber einzig nach dem Inhalt des Auszudrüdenden, ihren Zukunftshoffnungen, ihren Siegen, ihrer Erlösung, ihrem inwiefern dieser aus einem Verstandes zu einem Ge- Weltfrieden, ihrer göttlichen Menschengleichheit, ihrer Anbetung fühlsinhalte wird. Ein Inhalt, der einzig dem Verstande der Natur, ihrer Ruhe.. faßlich ist, bleibt einzig auch nur der Wortsprache mitteilbar; je mehr er aber zu einem Gefühlsmomente sich ausdehnt, desto bestimmter bedarf er auch eines Ausdrucke 3, den ihm in entsprechender Fülle endlich nur die Tonsprache ermöglichen kann. Hiernach bestimmt sich ganz von selbst der Inhalt dessen, was der Wort- Condichter auszusprechen hat: es ist das von aller Konvention losgelöste Reinmenschliche
-
Diese Woche habe ich mir Beethobena Missa Solemnis " bom Philharmonischen Chor" in der" Philharmonie" angehört und im Die Missa Solemnis Beethovens ist heute feine Missa Anschluß an diese Aufführung erlaube ich mir, einige Bemerkungen niederzuschreiben, die nicht in direkter Verbindung mit Solemnis mehr im Geist und der Beseelung des Riesen Beet dem musikalischen Teil stehen, die aber doch möglicherweise das hoven. Aus den heiligen Hallen der Kirche, die heute mehr für Interesse unserer Genossen weden dürften, weil die Musik so ganz ihre überall bedrohten Rechte" als für ihre Stunst" fämpft, ist frei" von aller Tendenz zu existieren scheint und stärker als jede sie in die Konzertsale ausgewandert. Und dadurch ist sie zu drei andere Kunst die reinmenschliche" zu sein vorgibt. In früheren Vierteln verloren.„ Die Musik drückt den von unserer zum reinen Artikeln wies ich bereits darauf hin, daß jede Kunstperiode, ganz Verstandesorgan gewordenen Wortsprache abgelösten Gefühlsinhalt gleich von welcher Bedeutung, in reiner Tendenz wurzelt, daß fein Wenn wir uns min auch noch über Wagners lebten Worte: der reinmenschlichen Sprache überhaupt in vollendeter Fülle aus" Dichter frei von Tendenz sein kann oder ist und daß nur die das von aller Konvention losgelöste Reinmenschliche" einig sagt Wagner auch. Aber für die vollendete Fülle ist bei einer Missa Solemnis der innige, aufrichtige, unzerstör Zendenz nicht mehr beachtet wird, der sich die Gemein werden und sofort erklären, daß das„ losgelöste Reinmenschliche schaft angepaßt hat, die mit der Gemeinschaft eins ge- fast aller Dichter es nicht weiter als bis an die Grenzen der bare Glaube, der Glaube und nochmal der Glaube Vorbedingung worden ist. Allein die wieder neue, fremde Tendenz, und heute eigenen Klasse bringt und daß auch Wagner als Dichter bei allen Mitsingenden und beim Publikum. Eine Missa besonders die sozialistische, zieht die Aufmerksamkeit auf sich, stößt innerhalb dieser Grenzen stecken blieb, dann können wir mit all Solemnis ist teine für den Konzertsaal geschriebene monvor den Kopf, wird verurteilt. In Berlin ist jeder daran ge- dem Uebrigen einverstanden sein. Die notwendige Erweiterung daine Symphonie, kein Musikbröckchen, fie bergegenwärtigt ein wöhnt, sich in den Straßen mit Pferden und Wagen rechts zu und Ausdehnung des musikalischen Sprachausdruckes, das Ver- Stück Weltanschauung, die nicht die unserige ist, die aber jedenhalten. Man redet nicht darüber, findet es natürlich, tut es. In mögen auch das Individuelle, Besondere zu bezeichnen, gewinnt sie falls nicht nur Musif ist und als solche nicht von Beethoven geLondon weicht man mit Pferd und Wagen links aus. Auch dort nur in ihrer Vermählung mit der Wortsprache. schaffen wurde. Weil die Weltanschauung in den Worten der redet man nicht darüber, findet man es natürlich, tut es. Die Und sei es nun, daß sich der Komponist an eine bestimmte Wort- Missa Solemnis ausgedrüdt, weil sowohl das Kyrie, wie " Tendenz" fällt nur ins Auge, wenn ein Berliner in London oder sprache bindet, wie Wagner bei den von ihm selbst geschriebenen das Gloria, das Credo, das Sanktus, das Agnus Dei sowohl von ein Londoner in Berlin Pferd und Wagen lenkt.... Musikdramen, wie auch Beethoven in der Missa Solemnis , den Mitsingenden wie von dem Publikum die gleiche Ueber. Die Musik, die mächtige, ergreifende, scheint kein rechts, fein jei es auch, daß die Wortsprache in den Hintergrund gerät und zeugung berlangen, und diese Ueberzeugung nicht da ist, wird links zu kennen. Doch weil sie eine durchaus menschliche Schöp die sogenannte absolute Mufit"( wie in Beethovens Eroica) ent- die Berherrlichung des christlichen Glaubens über Bord ges fung ist, muß fie unweigerlich dem allgemeinen Gesez der steht: die Musik und ihr Schöpfer. der Komponist, werden durch worfen, wird die lateinische Wortsprache als Nebensache behandelt Tendenz, sogar in ihrer reinsten Form der absoluten Musik" die tendenziöse Wortsprache genau so tendenziös wie das gedachte und herrscht eine Musik vor, die nur begleiten sollte. Das Publi unterstellt sein. Ich glaube, daß wir der strengsten Linie logischer Wort selbst. Jede Art Musik ist, um es gröber zu sagen, durch kum, das aus Angehörigen verschiedener Religionen besteht und Entwickelung folgen, wenn wir Wagners Worte zu den unserigen den Tegt voll von beinahe tiefer empfundener und zum Aus- die Mitsingenden, die den verschiedensten Konfessionen angehören, machen, und zwar in dem Sinne, wie der vortreffliche Wagner- brud gebrachter Tendenz. Es gibt kirchliche Musit, die nicht auf Katholiken, Protestanten, Juden, Freidenker, lauschen oder fingen forscher Houston Stewart Chamberlain das tat, der in Wagner den Schlachtfeldern zur Begeisterung" aufziehender Regimenter, das:" Denn Du allein bist heilig, Du allein bist der Höchste, in erster Stelle den dramatischen Dichter und erst in zweiter und es gibt anfeuernde Striegsmufit, die nicht nach einer Predigt Jesus Christus . Mit dem heiligen Geiste in der Herrlichkeit Stelle den Musiker sah. Was sagt Wagner? Was somit über:" Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" in einer Kirche Gottes des Waters. Amen!" Sie fingen es in der lateinischen
der absoluten musikalischen Sprache für sich unausdrückbar bleibt", verwendet werden kann. Es ist eine absolute Musik" denkbar, Sprache, nicht in hingebungsvollem Glauben, sondern schöne erklärt er: ist die genaue Bestimmung des Gegenstandes des Ge- vorin auf dieselbe Weise wie Beethoven in seiner Groica( ur. Stimmen hören zu lassen, einen schönen Chor, gute Solisten, gute fühles und der Empfindung, an welchem diese selbst zu sicherer sprünglich) Napoleon verherrlicht, die Gefühle des Proletariats Instrumente. Was gesungen wird, ist Nebensache. Ob sie es auch Bestimmtheit gelangen: die ihm notwendige Erweiterung und wiedergegeben werden. Es ist noch sicherer anzunehmen, daß zu Hunderten rufen( alle mit den Augen am Taktstock des Diri. Ausdehnung des musikalischen Sprachausbruds besteht demnach heute oder morgen ein sozialistisch empfindender Komponist( hohn. genten hängend!): Und ich glaube an eine heilige, allgemeine und im Gewinne des Vermögens, auch das Individuelle, Besondere, lacht darüber, bürgerliche Denker!) die Ausdehnung des musita- apostolische Kirche!" ober: Bamm Gottes, das Du hintvegnimmst der die Sünde der Welt, erbarme Dich unser!" es hat keinen Wert. mit fenntlicher Schärfe zu bezeichnen, und dieses gewinnt lischen Sprachausbrudes durch ihre Vermählung mit fee nur in ihrer Vermählung mit der Wort- sozialistischen Wortsprache sucht. Warum wohl die Die Weltanschauung der Missa Solemnis ist für die Kazz: Sprache. Nur aber dann kann diese Bermählung eine erfolg- religiofen Motive in einer Missa Solemnis ( die zur Feier es wird gesungen, es wird mufiziert, es sind Solisien von Ruf, es reiche sein, wenn die musikalische Sprache zu allernächst an das der Installation eines Erzherzogs als Bischof bestimmt) und feine ist Presse im Saal. Kurzum es ist Musik. Es kann nichts ihr Befreundete und Verwandte der Wortsprache anknüpft; revolutionären Motive in einer modernen Symphonie? Keine anderes als Musik" sein, weil die Wortsprache, die die