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Nr. 250. 27. Jahrgang.

Aus

Kommiffion.

1. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt. Dienstag, 25. Oktober 1910.

Sigung bom Montag, den 24. Dttober.

Aerztliche Gutachten.

Die Sozialdemokraten hatten beantragt, daß vor der Feststellung der Unfallrente zuerst der behandelnde Arzt ein Gutachten über den Zustand des Verlegten abgeben soll. Nach dem geltenden Gesetz und ebenio nach dem Entwurf fönnen die Berufs­genossenschaften den Versicherten erst von ihrem Vertrauens­arzt und dann von dem behandelnden Arzt unterfuchen laffen. Der sozialdemokratische Antrag wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der Polen   abgelehnt.

Anders ist das Verfahren schon nach dem geltenden Gefeß. denn, wenn der behandelnde Arzt zu dem Versicherungsträger in einem Vertragsverhältnis steht, wenn er also der Vertrauensarzt der Berufsgenossenschaft ist, dann muß auf Antrag ein anderer Arzt gehört werden.

der allgemeinen Leitsätze, den Bericht der Fraktion, die Teilnahme an der Regierung, die Beziehungen zwischen Fraktion und Barter und die Berichte des Parteivorstandes und des Avanti" im Ple­num zu behandeln, alle anderen Fragen aber der Vorberatung der Settionen zu unterwerfen, wobei aber jede Beschlußfassung dem Gesamtparteitag überlassen bleibt. Gegen diesen Vorschlag stimmen nur etwa 10 Genossen.

Der Saal, der glücklicherweise eine vorzügliche Akustik hat, ist der Geschäftsordnung hat sich nämlich dahin geeinigt, die Frage der Kongreß zu Ehren mit einer großen Büste von Karl Marx  , die sich von einem Hintergrund von roten Fahnen abhebt, geschmückt worden. Um 10% Uhr eröffnet Genosse Bertini im Namen der Mailänder   Sektion und des Organisationskomitees den Kongreß und heißt die Delegierten herzlich willkommen. Er gedenkt dann in bewegten Worten des Dahingegangenen Andrea Costa  , des ge­liebten und verehrten Vorsitzenden aller unserer bisherigen Ston­gresse, des Pioniers des italienischen Sozialismus. Weiter erinnert Bon viel größerer Bedeutung ist die Frage der Umstellung er daran, daß gerade in Mailand   im Jahre 1891 die Grundlagen der Tagesordnung. Genosse Turati hat ein Referat bor­der sozialistischen   Partei gelegt wurden. Bertini schließt mit dem gelegt, das unter dem Titel Allgemeine Leitsätze der politischen Wunsche, daß es dem Kongreß gelingen möge, dem Proletariat Aktion" eine Reihe von Sonderfragen behandelt. Die Intransigen­praktische Leitsätze zu geben, die ihm förderlich seien zur Erreichung ten wollten nun die Frage der allgemeinen Leitfäße erst dann be feiner Ziele. handeln, wenn man mit der Vergangenheit und namentlich mit dem Als Vertreter des Parteivorstandes gibt Genosse Dr. Bussi Verhalten der Parlamentsfraktion abgerechnet haben würde. In der Ueberzeugung Ausdruck, daß auch der diesmalige Parteitag diesem Sinne hatte Genosse Lazzari eine Tagesordnung vor­noch einmal die ewig wiederkehrenden Voraussagen der Gegner gelegt, die Genosse Francesco Ciccotti vertrat. bie Spaltung unserer Partei voraussagen. Dann hat auch Bussi wollten gerade nach allgemeinen Grundsäßen die Ereignisse bewer widerlegen werde, die periodisch das bald bevorstehende Ende oder Turati wendet sich heftig gegen sie. Er und die Seinen warme Worte der Erinnerung und der Dankbarkeit für das An- ten. Die anderen dagegen wollten sich die Freiheit sichern, aus per­denken Costas, wobei sich der gesamte Kongreß zur Ehrung des Ver- fönlichen Gründen hier für und da gegen denselben Grundsatz Hier bringt aber der Entwurf die Aenderung, daß ein florbenen von den Siben erhebt. zu stimmen.( Lebhafter Widerspruch.) Alle fühlen eine gewisse anderer Arzt nur dann gehört werden muß, wenn der G3 sprechen weiter Genosse Monici als Vertreter der Ju Depression in unserer Bewegung. Die Einen suchen Abhilfe, indem behandelnde Arzt zu dem Versicherungsträger in einem nicht nur gendorganisation, der besonders beständigere Beziehungen fie alte Formeln wieder ausgraben, die Anderen wollen neue Wege voübergehenden Vertragsverhältnis steht. Dadurch wird es zwischen Jugendorganisation und Partei befürwortet, dann Genosse bahnen. Dazu brauchen wir eine allgemeine Diskussion. Weiter den Berufsgenossenschaften immer mehr erleichtert, ihre Vertrauens- Worten legt er den Kongressisten ans Herz, sich immer als Vertreter daß wir hier einer allgemeinen Diskussion aus dem Wege gegangen Della Valle für die Mailänder   Arbeiterkammer  . Mit warmen meint er, daß die Gegner alles Interesse hätten, sagen zu fönnen, ärzte so anzunehmen, daß nach dem Wortlaut fein Vertrags- einer proletarischen Partei zu fühlen. Es wäre beffer, wenn unsere sind, um kleinliche, persönliche Fragen anzuschneiden.( Widerspruch.) verhältnis" besteht, und demgemäß, wenn sie den Verlegten be­handelt haben, ein weiteres Gutachten nicht eingeholt wird. Aus Akademiker in ihren Reden weniger Glanz und weniger Scharfsinn Man tue den Gegnern nicht den Gefallen, an Stelle einer prinzi­diesem Grunde beantragten die Sozialdemokraten, daß der entfalten, weniger elegante Streitfragen ausfechten, aber dafür piellen Diskussion fleine persönliche Fragen zu sehen. Zusaz des Entwurfs gestrichen wird. Der Antrag wurde von den mehr proletarisches Empfinden an den Tag legten. Für die Umstellung spricht dann Lo Sardo, der meint, was Konservativen, Nationalliberalen und Liberalen abgelehnt. die Gegner sagen, dürfe uns nicht bekümmern, und darlegt, daß bitterung. Er hebt dann den Widerspruch hervor, zwischen dem, der revolutionären Fraktion nichts ferner läge, als persönliche Er­was Turati jetzt vertritt und dem was er in Florenz   vertreten bat. Die Tagesordnung Turati umfasse alles, Vergangenheit und Zukunft, allgemeines Stinumrecht, Militärausgaben, Volksschulbil­dung. Alles, alles wird durch sie erledigt. Wenn wir dann an­fangen, die anderen Fragen zu diskutieren, so ist über alles schon ein Beschluß gefallen. Die Intransigenten wollten aber an den Tatsachen den Wert der Theorie prüfen.

Hierauf begann die Kommission mit der Beratung darüber, wie das Verfahren bis zur endgültigen Feststellung der Unfall­entschädigung durch die Berufsgenossenschaft verbessert werden kann. Die Debatte nahm fast die ganze Sigung in Anspruch. Ein Beschluß aber fand noch nicht statt.

Nächste Sigung morgen.

Der italienische Parteitag.

Erster Verhandlungstag.

Mailand  , 21. Oftober.

D

Als nächſter Redner wird der blinde Genosse Rigola, der Er gibt dem Wunsche Ausdruck, daß die Beschlüsse des Parteitages Sekretär der Konföderation der Arbeit auf die Tribüne geführt. die Bande zwischen der Partei und den Gewerkschaften immer mehr festigen und inniger gestalten mögen.

Genosse Carpigiani entbietet darauf dem Proletariat der neuen Republik Portugal den Gruß des Kongresses und spricht den Wunsch aus, daß die politische Revolution auch einen Schritt vor­wärts auf dem Wege der sozialen Revolution bedeuten möge.

Darauf wird zur Bureauwahl geschritten, bei der die zwischen den beiden Richtungen vereinbarten Namen vom Kongreß durch Attlamation angenommen werden. Zu Präsidenten, die ab­wechselno an je einem Tage den Verhandlungen borsiben werden, werden die Genossen Frau Alto belli, Modigliani  , Lerda, Salvemini und Brunelli erannt. Zu einem etwas leb­haften Zwischenfall fommt es hier insofern, als Genosse Berga In dem neuen, erst vor wenigen Tagen eingeweihten Bolts- mas co den Vorschlag macht, daß sich unter den Präsidenten kein hause in Mailand  , ist heute früh der elfte Parteitag der sozialisti- Freimaurer befinden dürfte. Gegen diesen Vorschlag sprechen schen Partei Italiens   eröffnet worden. Der Riesensaal, dessen Lerda und Podrecca, worauf der Kongreß beschließt, in die Be­Form in mancher Hinsicht an eine Kirche erinnert, während das ratung über die Stellung zum Freimaurerorden im Laufe der Ver­sichtbare Eisengerüft und die Seitengalerien mit Glaswänden ihm handlungen einzugehen und sie nicht jetzt nebenbei zu erledigen. etwas von dem vulgären Charakter moderner Vergnügungslokale Nachdem noch eine Kommission aus Vertretern der verschiede­berleihen, kann über 10 000 Menschen fassen. Er ist aus dem Ma- nen Richtungen ernannt worden ist, die die Geschäftsordnung des schinenraum einer mechanischen abrit entstanden und ist Parteitages ausarbeiten soll, übernimmt Genoffin Altobelli die Prä­noch in vielen Teilen unvollendet. Das Volkshaus ist von dem In- sidentschaft und teilt mit, daß soeben in Ravenna   ein Kontorbat stitut der Umanitaria" erbaut worden und wird von dieser der zwischen republikanischen und sozialistischen Arbeitern geschlossen Mailänder   Arbeiterkammer   vermietet, die auch ihre sämtlichen Set- wurde, das dem verderblichen Bruderfrieg in der Romagna   ein tionen, über 100 an der Bahl, hier untergebracht hat. Der Kon. Ende machen soll und die Arbeiter den Grundbesitzern geeinigt greß befindet sich in einem Stadtviertel, das man nicht ohne Ueber gegenüberstellt: wenn die Agrarier fortfahren, die sozialistischen  treibung eine fleine Stadt der Arbeiterorganisationen nennen Arbeiter zu boyfottieren, so werden die republikanischen Arbeiter tann. In verschiedenen Gebäuden finden wir hier vereinigt: die mit den Sozialisten solidarisch sein und die Arbeit verweigern. ganz in sozialistischen Händen befindliche Umanitaria" mit ihrer Möge diese nach so schweren Kämpfen erzielte Einigung von guter Direktion, ihrem Auswanderungsamt, Arbeitsamt, Arbeitsnach Vorbedeutung für die Arbeiten des Parteitages sein. weis usw., dann die Gewerbeschulen, die teils ausschließlich der Umanitaria" gehören, teils halb dieser, halb den Gewerkschaften. Weiter befinden sich hier sämtliche Arbeits- und Produktions­genossenschaften Mailands   mit ihren Laboratorien. Auch die Landeszentrale der Genossenschaften Mailands   mit ihren Labo­ratorien. Auch die Landeszentrale der Genossenschaften und die der Hilftassen haben hier ihren Siß, weiter das Arbeitshaus der Umanitaria", deren Beamtenschaft auch in diesem Stadtviertel ihre Wohnungen in eigenen Häusern des Institutes hat.

Kleines feuilleton.

Theater.

Der Kongreß tritt dann in seine Mittagspause ein. Nachmittagssitzung.

Die ganze Nachmittagssitzung ist den Fragen der Geschäftsord­nung gewidmet worden, auf deren taktische Bedeutung wir bereits in früheren Berichten aufmerksam gennacht haben.

Die Frage der Beratung in Sektionen, die zuerst vom Genossen Pittagula angeschnitten wurde, hat durch eine Ver­einbarung ihre Lösung gefunden. Die Kommission zur Festsetzung

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P

dt.

In gleichem Sinne sprechen Jacobi, Serrati und Lazzari, gegen die Umstellung Salvemini und für sie im Schluß­wort Genosse Ratti. Man tritt darauf um 5 Uhr nachmittags in die namentliche Abstimmung für die Umstellung ein. Die Abstimmung findet ohne Zwischenfälle statt, und das an fänglich lebhafte Interesse nimmt schnell ab, sobald sich herausstellt, daß die Mehrheit auf alle Fälle auf seiten der Reformisten ist. Die ganze Emilia und fast die ganze Romagna   stimmen gegen die Umstellung, ebenso Mailand  , Florenz   und Genua  ; dafür stimmen die ganze Provinz Nom, Apulien  , vereinzelte Sektionen des Pie­monis, der Lombardei   und Liguriens  . Das Endresultat ist, daß fich 6510 Stimmen für, und 11 838 gegen die Umstellung aus­sprechen. Dem sonstigen Brauche entgegen wird die Zahl der Delegierten, die für und gegen gestimmt haben, nicht mitgeteilt. Zu dem Ergebnis ist zu bemerken, daß die Intransigenten nicht ganz geschlossen für die Umstellung gestimmt haben, und daß andererseits die sogenannten unzufriedenen Reformisten" nicht ihre Stimmen mit denen der Intransigenten, sondern vielmehr mit denen der übrigen Reformisten vereinigt haben. So berechtigt und wichtig vom Standpunkte der Logit aus die Forderung der Um­Sieser Frage erlittenen Niederlage nicht hoch anschlagen. Und zwar stellung war, so darf man doch die praktische Bedeutung der in deshalb nicht, weil das Referat Tuvatis wirklich Gelegenheit gibt, über alles und jedes zu diskutieren, von der Cholerabekämpfung bis zu den Schulfantinen, von fernster Vergangenheit bis fernster Zua funft. Alles findet seinen Plat in dieser Diskussion, so daß nichts die Genossen hindert, so viel Tagesordnungen über Einzelfragen einzubringen, als fie irgend Luft haben.

Heute abend tagen die Reformisten und Revolutionäre in Gin­zelberatungen. Die Hauptschlacht des Kongresses wird morgen und übermorgen geliefert werden.

vollbringen, wird beraten. Der Befreite soll im väterlichen Haufe fie schrieb und daß niemand das Recht hat, Anzengruber umzu­verborgen werden. Der Anschlag gelingt. So ist die Erwartung dichten. Glaubte aber Direktor Langfammer so heißt der neue auf das Erscheinen des Helden bis zum höchsten Grad gesteigert. Anzengruber dem alten Anzengruber auf die Beine helfen zu Die Tür geht auf, statt des aufrecht fühnen Kameraden schiebt sich müssen, so hätte er sich wenigstens offen als Bearbeiter nennen eine gebeugte Gestalt mit vergrämtem Antlig und Gläsern starrenden sollen. Die Feuill.- Red. Augen hinein. Die furchtbare Einsamkeit der Belle hat jede Kraft Musik. Modernes Theater: Der Moloch, Trauerspiel von Leo der Hoffnung ausgelöscht. Nicht nur den Kampf der Terroristen, Birinsti. Birinsti ist ein junger Desterreicher. Sein Drama, jeder Kampf dünki Sascha jezt ein törichtes Unterfangen, sinnlose Bemühungen nicht, wie sie der italienische Komponist G. A. Rossini Uebers Theater" Hinaus führen auch so eifrige und sorgfältige das in dem verstorbenen Kainz einen enthusiastischen Bewunderer Quälerei um Hirngespinste. Er weigert sich, den Auftrag aus mit seiner romantischen Oper( nach Fr. Schiller  ), Wilhelm Tell  " fand und bei der Wiener   Erstauführung einen gewissen Erfolg davon zuführen, höhnt die Genossen und höhnt den armen Vater, der in und am Sonnabend Direttor M. Alfieri in feiner, Berliner  trug, spielt in einer russischen Gouvernementsstadt zur Zeit der überströmender Liebe den Sohn umarmen will. Die falschen Töne, die volksoper" mit der Neueinstudierung des Werkes dargeboten russischen Revolution. Nach den einleitenden höchst anschaulich hier, noch immerhin gedämpft, erklingen, überfluten im letzten Aft alles haben. Der Komponist wollte, lang nach dem Erfolg feines leichtfüßigen schildernden Szenen zu schließen, muß der Verfasser Repräsentanten andere. Man sieht in einen Keller, dem Schlupfwinkel der Revolutionäre, Barbier von Sevilla  ", eine gewichtig- hochdramatische Oper schreiben; der faltblütig heldenhaften revolutionären Jugend Rußlands   auf während draußen durch die Straße der Progrom   rast. Wimmern, und unsere Voltsoper verwendete viel Mühe auf eine noch wirkungs­seinem Lebenswege selbst begegnet sein und sich offenen Sinnes dem Wehklagen, Glockenläuten, Trampeln und Gefchrei von der Gaffe her vollere Aufführung, als ihre bisherigen Gaben waren. Nun tönnen wir Eindruck hingegeben haben. Hier am Anfange zeigt sich Farbe und sind das Relief für Saichas immer verdrehtere und prätentiösere nur wirklich raten, sich in dem gemütlich schlichten und akustisch Charakteristik und obendrein, was den düsteren Gesellschaftsdramen Ergüsse. Endlich streckt ihn eine Kugel der eindringenden Polizisten günstigen Haufe vor dem Halleschen Tor eine solche Aufführung an­russischer Dichter fast immer abgeht, ein starkes dramatisches bühnen- nieder. mäßiges Temperament, das Spannung zu erzeugen weiß. Aber zuhören und sich selbst, auch ohne Kenntnis dessen, was seit Anno dazu­Herr Weigert wußte mit der verzeichneten Hauptfigur be- mal vorwärts gegangen ist, ein Bild von der Mischung des Echten leider wurden nach dem verheißungsvollen Auftakt die Er- greiflicherweise nichts Rechtes anzufangen. Jin ganzen war die Auf- und des Unechten, des Künstlerischen mit dem Unfünstlerischen zu wartungen dann um so ärger enttäuscht. Das Streben, aus der führung des figurenreichen Stückes, namentlich im ersten Atte, eine machen. im ersten Aft umrissenen revolutionären Situation ein individuelles fehr refpeftable Ensembleleistung. Der Applaus hatte am Schlusse Seelendrama von allgemeinerer symbolischer Bedeutung zu ent- mit erheblicher Opposition zu tämpfen. Der Tegt der Oper, wie er mit seiner unsterblichen Vorlage wideln, erleidet elend Schiffbruch. Unfähig, die tragische Joee, die umfpringt, nahezu ein Unfug; die Musik von einem meisterhaften bald Gastspiel des Wiener Kunst Theaters( im Schwung der Linie, der ihm wohl vorichwebte den Umichlag gläubig opferwilligster Thalia- Theater): Hand und Sera" von Ludwig Anzen- Gipfelpunkten anfteigt- dramatischen gu wirklich Freiheitsbegeisterung in ausweglose, starre Weltverzweiflung 3. B. am Schlusse des zweiten Aftes psychologisch nüancierend und in dem Rehmen   einer überzeugend gruber. Nach dem G'wissenswurm" in glänzender Dar- und bald wieder in die alte Leier" zurückfällt; die Ouvertüre ein motivierten Handlung zu gestalten, sucht er das Manto hinter dem stellung diese Gabe, von der man sagte, daß sie zu den schwächsten Liebling sowohl der Kenner wie auch der Besucher von Bromenaden­Lärm melodramatischer Effekte und wüst verstiegener Reden zu ver- des Dichters gehöre. In der Tat: Hand und Herz" hat sich nie- fonzerten, diesmal vom Orchester unter S. Schüller überraschend Foraen. Noch schlimmer aber ist die Aumaßung, daß dieser Phrafen- mals auf der Bühne behaupten können megen feiner Mängel. gut gespielt; die Regieleistung B. Glefingers träftig in den caurch des Verzweifelnden, durch Einzelhaft verrückt gewordenen Sie bestanden vor allem in der wenig glaubhaften Motivierung Steigerungen und Stimmungsbildern, doch noch nicht scharf genug Revolutionärs zugleich so etwas wie der Ausflang eines vom Trug des Charakters der Hauptpersonen sowie in der etwas robusten gegen Konventionelles; die Darstellung des Tell durch J. Rünger erlösten Gefühls, eine Art von Offenbarung sein soll. Das Interesse Detonomie des Ganzen. Wie erklärt sich dann nur aber die tief- machtvoll; der Gesang der Frauenstimmen im ganzen recht gut, ein­an dem Allgemeinen, an der Gattung und den Menschheitsidealen, in gehende Wirkung anläßlich seiner hiesigen Aufführung? Höchst schließlich der sympathischen jungen Darstellerin der Gemmy, Stäte deren Dienst auch die revolutionäre Bewegung steht, dies feelen- einfach dadurch, daß hier ein völlig neuer Anzengruber geboten Fund; die Tenore nur eben Tenore  , zum Teil nicht einmal gut; weitende Interesse, das dem Einzelleben in der kleinlichen Misere des Al- wird. Die uns aus Anzengrubers Werken bekannte Fassung läßt die fleineren Partien mit nicht wenig können und Gewissen durch­tags allein Sinn und Gehalt verleiht, wird von dem tranten Helden, an dieser überhaupt zum allerersten Mal gegebenen Aufmachung geführt! deffen Wahnsinn aber nach des Dichters Meinung mit Tiefsinn gemessen, so recht ihre Schwächen erkennen. Die Bäuerin dort schwanger geht, als schlimmster Fluch des Judividuums denunziert. to eiß, daß ihr erster Mann nicht tot ist; trotzdem heiratet fie. Notizen. Die Menschheit und die unabweisbare Empfindung, daß wir als Eine so wahrhaftige Liebe, wie die ihrige, würde es aber nicht Teile des Ganzen auch für das Ganze wirken sollen, ist der über sich bringen fönnen, mit einer Lüge in die neue Ehe zu treten. Theaterchronit. Im Residenz- Theater findet " Moloch", gegen den der Verrückte donnert. Literarische Reminis- Jeht jedoch erscheint die Bäuerin nur als ein irrendes Weib. die Erstaufführung des Schwantes Der Herr von Nr. 19" statt am zenzen an den geistreichelnden Judividualitätsfultus Stirners und Sie hat einem Gerücht, daß ihr erster Mann als Zuchthäusler 29. Oftober erst Freitag, den 4. November, statt. an Schopenhauers metaphysisch- pessimistische Lehre vom Genius der gestorben sei, geglaubt. Ihre aufrichtige Liebe zu dem zweiten Der Protektionsdramatiker. Mit Erstaunen las Gattung" frenzen sich in diefer potenzierten, logisch und psychologisch Mann, an dessen Seite ihr ein glückliches Leben beschieden, gab ihr man, daß Kainz, der ganz große Kainz", das unfägliche Kolportage­gleichermaßen unsinnigen Gedankenmißgeburt. Die Tragit, die im recht bis der Friedenstörer auf den Plan tritt. Aber auch ihr stück des Herrn Birinski sehr geschätzt habe. Aber man begriff so Erlöschen eines einst glühenden Enthusiasmus liegen mag, ver- nunmehriger Gatte fann nicht glauben, daß sein Weib ihn wiffent- fchließlich, wie dieses Machwerk auf die Bühne kam. Denn wandelt sich durch dieses Drum und Dran in higig bohle Theatralit. lich aus Schlechtigkeit betrogen hätte es wäre denn, er liebte p. p.   Birinski, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, mit der russischen Birinstis Technik arbeitet, bis auf den legten nur noch nerven- fie weniger wahr. Und so kommt diesmal auch sein Charakter echt Revolution nachträglich noch Geschäfte zu machen, indem er sie in folternden Aufzug, mit unleugbarem Bühnengeschic, auf möglichst in die Erscheinung. Ein weiterer Fehler des ursprünglichen Stüds und mit den Augen der Spießbürger diskreditierte, war Stammgast scharf geprägte Stontrastwirkungen hin. Die Versammlung der von lag auch darin, daß es in hochdeutscher Sprache geschrieben war. am Sterbelager Kainzens gewesen, und die Wiener   Reportage hatte Sascha und seinen Brüdern gegründeten Terroristengruppe im Haus Jest wandelt die Heimatliche Sprache um; jezt hat das Drama nicht verfehlt, die Welt mit diesem talentvollen jungen Mann aus der ahnungslosen Eltern ist in Ton und Stimmung vorzüglich ge- Naturfarbe. So wie sich Hand und Herz" jetzt repräsentiert, ist Tarnopol  ( oder fo) gehörig bekannt zu machen. Auf dem Umweg lungen. Man gewinnt den Glauben, daß diese anscheinend allem es eine der tiefsten und stimmungsreichsten Menschentragödien über den sterbenden Kaina eroberte er die Bühne. Und wer weiß: Pathos fremden Menschen in Wahrheit bereit sind, jeden Augenblick Anzengrubers, eine würdige Fassung des Juwels. Die Aufführung nächstens wird uns Herr Birinski auch noch als eigenhändiger Held ihr Leben für die Sache hinzugeben. Ein abenteuerlicher Plan( der war von stimmungsmächtiger Geschlossenheit. der russischen Revolution vorgeführt. aus Dumas Roman: Der Graf von Monte- Christo stammt) zur Im Gegensaße zu unserem e. k.- Mitarbeiter sind wir der Rettung des von der Polizei gefangenen Führers Sascha, der aus- Ansicht, daß derartige Verbesserungen" sehr diskutabel sind. Wir ersehen ist, das lang erwogene Attentat gegen den Gouverneur zu halten dafür, daß Anzengrubers Dramen zu spielen sind, wie er

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- Die Berliner Medizinische Gesellschaft feiert ihr 50jähriges Jubiläum Mittwoch, den 26. Oft., mittags 12 Uhr, durch eine Feftfizung im Langenbeckhause.