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Nr. 163.

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Vorwärts

10. Jahrg.

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Fernsprecher: Amt I, 4186. Telegramm- Adresse: " Sozialdemokrat Berlin !

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Freitag, den 14. Juli 1893.

mäßigen Methode vorgenommen werden. Es bleibt uns

Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.

Aus den vorhin gewonnenen Zahlen ergiebt sich nun

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Die finanzielle Leistungsfähigkeit deshalb nichts übrig, um brauchbare Vergleichsziffern für aber doch schon so viel, daß zunächſt die Differenz der über­Deutschlands und Frankreichs . Frankreich und Deutschland zu erhalten, als nach dem rein haupt für die Messung der Voltskraft in Betracht kommenden äußerlichen Merkmal des Lebensalters eine Scheidung der Personen beider Länder von den 11 Millionen, die Herr Unter den fadenscheinigen Argumenten, mit denen die Menschen im Lebensalter der der Erwerbsfähigkeit von von Bennigsen zu gunsten Deutschlands vorgeführt hat, auf erneute Heeresverstärkung und Erhöhung der Heereskosten denen im Lebensalter der Erwerbsunfähigkeit vor 5 Millionen zusammenschrumpft, daß aber die finanzielle vertheidigt wurde, glänzte auch das Schlagwort von der zunehmen. Der wesentliche Vortheil eines solchen Ver- Leistungsfähigkeit der Deutschen für Staatszwecke noch hohen Bevölkerungsziffer Deutschlands . Herr v. Bennigsen fahrens ist, daß troß der unvermeidlichen Unzuverlässigkeit ganz erheblich niedriger zu bemessen ist, da sie für eine be­berief sich darauf, daß Frankreich 11 Millionen Einwohner einer jeden Zahl an sich sie doch gegen einander bemessen deutend höhere Anzahl von Nichtproduzenten zu sorgen haben als weniger habe, als Deutschland ( 38% gegen 49 Millionen), einen nahezu vollkommen zuverlässigen Vergleichswerth die Franzosen. Aus den vorhin berechneten Prozentsäßen um zu beweisen, daß das Deutsche Reich mit Leichtigkeit abgeben, da die vielen Erwerbslosen, welche sich innerhalb geht hervor, daß von je hundert lebenden Personen in mindestens den nämlichen Aufwand an Mannschaften und der angenommenen Altersgrenze befinden, und deren Zahl Frankreich je 65 im erwerbsfähigen Alter stehen, also für Geld für sein Heer machen könne als das numerisch für uns gar nicht oder doch nur mit der größten Schwierig sich selbst und die übrigen 35 zu sorgen haben, während schwächere Franzosenvolk. feit und immer nur näherungsweise zu ermitteln wäre, die von je hundert Deutschen je 60 für sich selbst und 40 Er­Das flingt recht plausibel. Der Kaltül ist so außer für beide Länder gewonnenen Ziffern etwa gleichmäßig an- werbsunfähige zu sorgen haben. Daraus erklärt es sich, ordentlich einfach: 381/2 von 491/2 abgezogen bleibt 11- schwellen machen. Es ist auch aus den gleichen Gründen weshalb eine etwa gleiche Leistungsfähigkeit der daß er auf zahlreiche Mandatsinhaber des Reichstages, die nicht nothwendig, eine Trennung nach den Geschlechtern Franzosen und Deutschen vorausgesetzt die Lebens­in Sachen der Bevölkerungsstatistik ebenso unschuldig und vorzunehmen, obschon von den Frauen im erwerbsfähigen Alter haltung in Frankreich höher ist als in Deutsch­unerfahren sind, wie der Oberpräsident von Hannover , weit weniger im Erwerbsleben thatsächlich thätig sind als von land und weshalb die Deutschen für Staatszwecke, sicher einen überwältigenden Eindruck gemacht und ihren den Männern, wenn man auch die häusliche Thätigkeit der oder gar Militärzwecke weit schwieriger sich etwas abknapsen Bewilligungseifer gestärkt hat. Indeß so glatt nach den Frauen ihnen als Erwerbsthätigkeit anrechnet. tönnen, als die Franzosen. Man kann das auch so aus­simplen Beispielen der nationalliberalen Rechenfibel läßt sich Verlegt man nun die Altersgrenzen der Erwerbsthätig- drücken, daß die Franzosen bei der hohen Verhältnißzahl die Leistungsfähigkeit der beiden Länder nicht an einander feit möglichst weit nach unten und nach oben, so kann man ihrer Produzenten von der Bevölkerung eher zwei Prozent abmessen. In der Gesammtziffer der Bevölkerung als Erwerbsalter die Zeit zwischen dem vollendeten 14. Jahre unter den Wassen halten könnten, als die Deutschen ein eines Landes find auch Säuglinge und unmün bis zu dem vollendeten 64. Jahre annehmen. Nach den Prozent. dige Kinder mit inbegriffen und die erhöhen vorliegenden statistischen Tabellen betrug in Frankreich Trotzdem soll beileibe nicht behauptet werden, daß die nicht, fie verringern nur die Kriegsfähigkeit eines Boltes; im Jahre 1886 von 37 930 739 Einwohnern die Zahl niedrige Geburtsziffer für das französische Bolt vortheilhafter sie konsumiren nur und produziren nicht. Herr v. Bennigsen der Personen im erwerbsfähigen Alter ist, als die höhere für das deutsche. Im Gegentheil, sie vers hätte sich also füglich wohl selbst sagen können, daß, wenn 24 646 227 oder 65 pCt. der Gesammtbevölkerung, in ursacht den Franzosen mit Recht schwere Sorge für die Zukunft er Frankreichs und Deutschlands finanzielle Leistungs- Deutschland im Jahre 1890 von 49 428 470 Gin- ihres Volkes. Wir haben es hier indeß mit den gegenwärtigen Zu­fähigkeit gegen einander abmessen will, es mit der plumpen wohnern die Zahl der Personen im erwerbsständen und der für die Gegenwart geplanten Heeresverstärkung Gegenüberstellung der Zahlen der Gesammtbevölkerungen fähigen Alter 29 701 842 oder 60 pCt. der Gesammt- und Erhöhung der Militärkosten in Deutschland zu thun und beider Länder nicht gethan ist, gethan ist, da bekanntermaßen bevölkerung. da kann nicht scharf genug betont werden, daß es ein un die Geburtsziffer in Deutschland eine weit höhere Hierbei ist zu bemerken, daß es wenig ausmacht, da ß geheuerlicher Trugschluß ist, aus der größeren Bevölkerungs­ist als in Frankreich , und demnach auch die für Frankreich die Bevölkerung von 1886 zu Grunde gelegt zahl Deutschlands auf eine höhere finanzielle Leistungs­Zahl der Erwerbsunfähigen in unferem Lande ist, da sie sich bis 1891, die Zeit der neuesten französischen fähigkeit für militärische Zwecke zu schließen. Deutsche gegenüber den Produzenten eine weit größere ist als in Volkszählung, nur um etwa 400 000 vermehrt hat und Staatsmänner sollten vielmehr, anstatt Frankreichs hohe Frankreich . Die Geburtsziffer( d. h. die Zahl der Geburten außerdem für die prozentualen Vergleichsziffern es un Präsenzziffer nachzuahmen, auf ein Heeressystem sinnen, das auf je 10 000 Einwohner) betrug im Jahre 1886 in Frant- wesentlich ist, ob aus dem einen Lande die Zahlen von 1886, bei Ermäßigung der Kosten die Ausuuzung der höheren reich 219, im Jahre 1890 in Deutschland 357. Die Zahl aus dem andern die von 1890 zu Grunde gelegt werden. Um Boltskraft ermöglicht. Und ein solches System ist die der Kinder im Alter von 1-2 Jahren betrug in Fraut- Mißverständnisse zu vermeiden, erwähnen wir nochmals faus- Miliz, auf deren Einführung uns also auch bevölkerungs­reich 659 066, in Deutschland 1 294 467, also fast doppelt drücklich, daß die Zahl der im Alter der Erwerbsthätigkeit statistische Erwägungen hindrängen. so viel. Diese Beispiele genügen wohl, um zu zeigen, welche stehenden Personen keineswegs identisch ist mit der Zahl Unterschiede zwischen der Bevölkerungs- Zusammensetzung der der Erwerbs fähigen oder gar der Erwerbs thätigen. beiden Nachbarländer bestehen. Die ist bedeutend geringer. Für unsere Vergleichszwecke Will man daher einigermaßen brauchbare Ziffern für genügen indeß die oben ermittelten Zahlen. Könnte man die Abmessung der Volkskraft zweier Länder gewinnen, so übrigens aus ihnen alle Erwerbsunthätigen ausscheiden, fo Politische Leberlicht.

so muß man die nur verzehrenden, nicht schaffenden Elemente würde sich das Verhältniß noch mehr zu Ungunsten Deutsch­durch irgend eine Methode von den Gesammtzahlen aus- lauds verschieben, da wegen der hohen Geburtsziffer dic zusondern suchen. Zahl der Unerwachsenen in Deutschland im Ber

Berlin , den 13. Juli. Aus dem Reichstage. Man mag dem neugewählten Die statistischen Aufnahmen über die Beschäftigungen hältniß zur Gesammtzahl immer größer ist als in Reichstage freundlich oder feindlich gesinnt sein, das eine der Einwohner sind zu diesem Zweck nicht brauchbar, da Frankreich und da auch die Frauen in Frankreiches Beugniß wird man ihm nicht versagen können, ein großer sie nicht die Gesammtheit der irgendwie der irgendwie erwerbs- hängt das mit der geringeren Fruchtbarkeit zusammen Arbeits- und Pflichteifer beseelt augenblicklich die Reichs­thätigen Elemente umfassen und Dor allen Dingen im Erwerbsleben immer intensiver thätig sind, als in boten noch. in den verschiedenen Ländern nicht nach einer gleich Deutschland .

Feuilleton.

Na brud verboten.)

( 15

Die Bekehrung André Savenay's.

Sozialistischer Roman von Georges Renard.

Autorisirte Uebersehung von Marie Kunert . Mit diesen Worten streckte sie ihre nackten Füßchen aus dem Bett und zog sich matronenhaft mit der ernstesten Miene von der Welt die Strümpfe an. Johanna verließ schnell das Zimmer, um ein Lächeln zu verbergen, as viel leicht ihre ganze, bisher so mühsam behauptete 2utorität über den Haufen geworfen hätte.

"

Wenn Du fertig bist, tomm in das Arbeitszimmer," sagte sie im Fortgehen. Du mußt Staub wischen, während ich auf das Frühstück Acht gebe. Es steht schon auf dem Feuer."

Ein so besetztes Haus wie jetzt haben wir während der

Zeit hob die Kleine die Augen, schaute auf die geschickten wenn der brave Alte aus seinem Bureau heimkehrte, ließ er Finger der Pflegemutter und wartete einen Augenblick ab, sich mit stets neuem Wonnegefühl in die weichen Polster in dem sie pausirten, um Johanna um irgend eine Aus- sinken. Mit zufriedenem Auge betrachtete er von seinem Plaz funft zu bitten. Diese unterbrach sich dann ohne Murren, suchte die Kleine das, was sie nicht begriff, an irgend einem Beispiel aus dem täglichen Leben klar zu machen und fand schließlich immer die geeignete, einfache und graziöse Form für den Gegenstand, um den es sich handelte. Wenn Magdalene sagte, fie habe jetzt alles begriffen, dann begab sie sich schnell wieder, an ihre Arbeit, denn sie mußte ja ihre Arbeiten pünktlich zur festgesetzten Stunde abliefern.

aus die im Zimmer passend vertheilten Stühle, seinen Bücher­schrank voll sozialistischer Schriften, die Portraits von Louis Blanc , Delescluze und Karl Mary, welche die Wände schmückten, Johanna und die Kleine, die in einer anmuthigen Gruppe bei einander saßen. So hatte er alles um sich, was ihm auf der Welt theuer war, und oft sagte er mit einem aus Befriedigung und etwas Bedauern gemischten Gefühl:

" Wahrhaftig, ich könnte beinahe ganz wie andere den In der Mitte des Zimmers stand ein Tisch aus Bourgeois spielen, wenn nicht die Genossen wären, an die Nußbaumholz mit einer dunkelfarbigen Decke behangen, ich doch, wie es recht und billig ist, auch denken muß." über dem eine broncene Hängelampe an der Decke des An diesem Morgen war niemand im Arbeitszimmer, Bimmers. befestigt war. Auf diese Luxusgegenstände war als Magdalene hereintrat, ganz erfüllt von der hohen Johanna sehr stolz. Sie hatte piel arbeiten müssen, um sie Wichtigkeit ihrer Funktionen im Haushalt. Sie verwandte faufen zu können. Sie hatte schon lange von dieser Tisch- die größte Sorgfalt auf das Ordnen der verschiedenen Gegen­decke und dieser Hängelampe geträumt, bis sie dann eines stände und auf das Verscheuchen des Staubes. Während schönen Tages das große Kaufhaus au Bon Marché auf dieser Zeit bereitete Johanna, die noch im leichten Morgen­suchen und sie dort von ihren Ersparnissen erstehen konnte. kleid aus Flanell, das ein großer Spizenkragen das Auf dieselbe Weise hatte sie die granatrothen Rips- Werk ihrer Hände schmückte, das Frühstück in der Küche. Das Arbeitszimmer, so genannt, weil Johanna dort vorhänge an den Fenstern beschafft. Und seit dieser Ein Wunder von Sauberkeit, diese Küche! Es war nicht an ihren Malereien arbeitete, war ein kleines, helles und Zeit erfüllte sie sich mehrere ähnliche Wünsche für einer dieser engen Winkel, wie man sie so oft in Paris freundliches Gemach, das größte der bescheidenen Wohnung. Die Ausstattung ihres Zimmers. Sie hatte jetzt aus hat. Nein, sie war groß und geräumig. Vier oder fünf In der Fensternische eine Staffelei, ein Arbeitstisch für einem zu den Fenstervorhängen passenden Stoff eine Bersonen konnten sich leicht in ihr bewegen. Sie gewährte Palette und Pinsel, ein niedriger Stuhl, das war das Portiere hergestellt, die den durch die Thür hereinströmenden, eine Aussicht über die unzähligen Dächer ringsum und in ganze Arbeitsgeräth Johanna's. Dicht dabei stand ein heimtückischen Luftzug abhalten sollte. der Ferne bis auf die kleinen Hügel am Seine- Ufer. Licht fleiner Sessel, ein Rohrsessel, wie sie von Haufirern Auch Vater Deschamps hatte in diesem Gemach seinen und Luft flutheten ungehemmt in diesen Raum. von Haus zu Haus getragen werden, das war Lieblingsplatz. Dieser bestand aus einem großen Voltaire - Eine Küche, wie sie reiche Leute nicht schöner haben der gewöhnliche Sitzplatz Magdalene's. Hier konnte fauteuil, mit rothem Plüsch bezogen, der freilich nicht mehr können!" sagte Vater Deschamps oft stolz. sie stundenlang still, ohne sich sich zu rühren, sitzen tadellos, dafür aber unendlich behaglich und bequem war. und ihre Aufgaben für die Schule einüben, während Dicht neben dem Kamin war er aufgestellt, in dem jetzt Johanna's Pinsel eifrig über den Stoff glitt. Von Zeit zu auf dem Rofte ein gutes Feuer brannte. An jedem Abend,

Alles glänzte und funkelte hier, die blanken Flächen der zinnernen Schüsseln und Teller, das dunkle Blau der emaillirten Töpfe und Kasserolen, die blau und weißen