Freund. Gpahhast öBr!genS auch ist, daß derselbe Bruhn, der über daS jüdische„Mauscheln mit den Händen" so gern spottet, wiederholt vom Vorsitzenden ermahnt werden muß, mit seinen Händen wenigstens nicht allzu laut zu reden I Aber diese unwillkürlichen Selbstoffenvarungen des Innern des Angeklagten Wilhelm Bruhn waren unbeabsichtigt. Seine Absicht war, sich als Kämpfer für das„Nationale" aufzuspielen. Derselbe Antisemit, der die Kapitalsmacht der Juden dadurch bekämpft, daß «r sie durch kräftige Schröpfnng für Inserate oder für Nummern der„Wahrheit"— Israel kaufte 30 000 Stück einer Nummer— aushöhlt, ist„national",„regiernngSfromm" bis in die Knochen! Anspielungen auf Beziehungen zur Polizei, zu M i n i st e r n wie v. M i q u e l oder zu Persönlichkeiten, die sich für eine Begnadigung mit Erfolg einlegen könnten, durchziehen seine Darlegungen I Durch seine ganzen Ausführungen klingt die Erwartung durch, daß ihm Freisprechung und eine gute Note werde, weil er ja doch„nationaler" Kämpfer gegen den„lim» stürz" seil Wir gönnen ihm eine solche Freisprechung und den bürgerlichen Parteien ihren„nationalen Kämpfer" l politileke(UberNcKt. Berlin , den 29. Oktober 1910. BethmannS Wahlkampfparole. Bisher war nur bekannt, daß der Reichskanzler die so- genannten„staatserhaltenden" Elemente bei der nächsten Reichstagswahl samineln und zum gemeinschaftlichen Kampf gegen die Sozialdemokratie führen will: aber über die Vater- ländische Parole, unter der dieser Kampf geführt werden soll, verlautete nichts. Nach dem letzten Rückblick des Kanzler- organs, der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung", scheint be° absichtigt zu sein, der Parole die Fassung zu geben:„Gegen die rote Revolutio n". Dieses tranige Blatt der- kündet nämlich in seinem Wochenrückblick: Im übrigen ist auch in dieser Woche mancherlei über das Programm des Reichskanzlers geredet und geschrieben worden. So hat der Abg. Herr v. Oldenburg bei Vorträgen in seinem Wahlkreise sich darüber geäußert, wie ein solches Programm aus- sehen müßte, und mit besonderem Nachdruck die Notwendigkeit einer scharfen Bekämpfung der Sozialdemo- kratie betont. Der Reichskanzler hat eö nie im Zweifel gelassen, daß er hierin eine der Hauptauf- gaben der Regierung und der Parteien sieht. Die ernsten Symptome, die in Moabit und anderwärts zutage getreten sind, sprechen deutlich genug von den Fortschritten der revolutionären Massenver- hetzung, deren Uebermut durch die Paralysierung der sich in Zwietracht verzehrenden staatserhaltenden Kräfte nur erhöht werden kann. Mögen die bürgerlichen Parteien die Lehren dieser Vorgänge beherzigen! Wenn diese Worte einen Sinn haben, dann können sie nur bedeuten: die Regierung wird die bürgerlichen Parteien zum gemeinsamen Kampf gegen die Sozialdemokratie auf- rufen, indem sie die Moabiter Unruhen als die ersten Vor- boten der von der Sozialdemokratie angeblich geplanten blutigen Massenerhebung hinstellt. Diese schöne Absicht des Philosophen von Hohenfinow überrascht uns keineswegs. Wenn Bülow bei der letzten Reichstagswahl einen Erfolg mrt der Parole der Vater- l ä n d i s ch e n Sammlung gegen Sozialismus und Ultra- montanismus hatte, warum sollte sich denn nicht Herr v. Beth- mann Hollweg einbilden, daß er dasselbe zu erreichen vermag. wenn er nur genügend den roten Lappen schwenkt und vor den Augen furchtsamer Spießbürger den 10. August oder die so- genannten Septembermorde des Jahres 1792 heraufbeschwört. Nicht umsonst werden in der reaktionären Presse die Vorgänge in Moabit maßlos übertrieben und mit blutigroten Farben ausgemalt. Man spekuliert auf die Angst des ehrsamen, für seine Sparpfennige und sein Leben zitternden Pfahlbürgers. Aber trotz aller Raffiniertheit, mit der die ganze kleine wohlgesinnte Provinzpresse noch immer nach Reichsverbands- rezept gegen die sogenannte„s o z i a l d e m o k r a t'i s ch e Revolution in Moabit " wettert, dürfte sich Herr v. Bethmann Hollweg irren. Der Kleinbürger ist. in den letzten Jahren so oft in seinem Vertrauen auf Regierungs- Verheißungen getäuscht worden, daß er allen Worten, die von jener Stelle kommen, nicht mehr glaubt. Zudem pauken die Steuerlasten und steigenden Lebensmittelpreise selbst dem ein- sältigsten Schädel allgemach Verständnis für die Schönheiten unseres heutigen vaterländischen Regiments ein. Zuverlässige Richter für Moabit . Der Justizminister hat auf die Eingabe der Verteidiger in den Aufruhrprozessen ablehnend geantwortet. Der Justizminister hebt hervor, über die Verteilung habe nur das Gericht zu entscheiden. Daß die erste Anklage bei der Strafkammer 4 zur Eröffnung des Hauptverfahrens vor der Strafkammer 3 erhoben worden ist, habe lediglich darin seinen Grund, daß in der betreffenden Sache die Voruntersuchung zuerst geschlossen worden wäre. Bei dieser Sach- läge vermöge er zu Maßnahmen im Justizverwaltungswege einen Anlaß nicht zu erkennen. Die Verteidiger haben darauf dem Justiz- minister erwidert, daß ihre Eingabe keinen Anlaß zur Annahme gäbe, sie hätten den Minister zu einem Eingriff in die Beschluß- fassuiig der Gerichte veranlassen wollen. Wohl aber hätten sie gebeten, die dem Ministerium untergeordnete Staatsanwalt- schuft anzuweisen, nach Gesetz und Geschäftsplan zu verfahren. Selbst wenn in der Sache gegen Hagen und Genoffen die Vor Untersuchung zuerst geschlossen wäre, läge kein Grund vor, ge- rade aus diesem Fall eine getrennte Anklage zu machen un- mittelbar vor Einreichung der Anklagen in den übrigen, eben- falls genügend geklärten Fällen. Wenn diese mit der Sache Hagen in solchem Zusammenhange ständen, daß ihre nach- trä gliche Verbindung beantragt werden könnte, s» hätte auch die Anklage genieinsam erhoben werden müssen. Di« Staatsanwaltschaft habe anfänglich durch die Bezeichnung als.Nachtragsanklagen" und später durch die Anträge auf Verbindung der Sachen vor einer Kammer versucht, das zu erreichen, zu dessen Verhinderung der Geschäftsplan geschaffen sei, nämlich die Auswahl eines beliebigen Kollegiums und die Durch- brechung der Geschäftsverteilung des Landgerichts. Durch dieses Vorgehen der Staatsanwaltschaft würden aber die Angeklagten ihrem gesetzlichen Richter entzogen. Der Justtzminister ist nach dem Gesetz unzweifelhaft berechtigt. die Staatsanwaltschaft zur Zurücknahme ihres Verlangens anzu» weisen, die Sachen zu verbinden und vor die Liebersche Kammer zu bringen. Durch solche Anweisung wäre der Schein vermieden, daß die Staatsanwaltschaft nach„zuverlässigen" Richtern suchte. Daß wir vom Justizminister solche dem Gesetz und dem Rechtsgefühl entsprechende Anordnung nicht erwarteten, haben wir bereits vor der Antwort des Ministers betont. Gleichviel wie das Gericht über da« staatsanwaltschaftliche Vorgehen befinden wird, ist durch daS erörtert« Verfahren der Staatsanwaltschaft eine arge Ber- schleppung der Strafverfolgung herbeigeführt. UebrigenS ist auch in einigen SchlvurgerichtSfaHen Anklage erhoben. Diese können in der am 17. November be- ginnenden Schwurgerichtsperiode zur Verhandlung gelangen und müssen zur Verhandlung in dieser Periode gelangen, wenn der Staatsanwaltschaft ebenso wie den verhafteten Angeklagten auf endliche Klarstellung der Sachlage in öffentlicher Schwurgerichts- Verhandlung gelegen wäre. Da steckt aber der Hase im Pfeffer! DaS geschilderte Verhalten der Anklagcbrhörde läßt darauf schließen, daß zunächst die Aburteilung einiger Angeklagter durch eine„zuver- lässige" Strafkammer erzielt werden soll, um dann das Urteil im Schwurgerichtsverfahren Geschworenen gegenüber ausspielen zu können, von denen man hofft, daß sie sowieso zuungunsten der An- geklagten bereits durch die auZ trüber Polizeiquelle geflossenen un- wahren Berichte der bürgerlichen Presse, von der„Kreuz-Zeitung " bis zur„Vosfischen Ztg." und dem„Berliner Tageblatt", beein- flußt sind._ Kamarillawirtschaft im Musterländle. Die„Braunschweigische Landesztg." berichtet über die preußischen Einflüsse, die sich in Baden geltend machen, das folgende: „Herr v. Bodman hat sich gewendet unter dem Drucke, der von oben her auf ihn ausgeübt wurde. Weniger vom Großherzog von Baden, aks von seiner Mutter, der Großherzoginwitwe Luise, die sich trotz ihres hohen Alters nicht ausschließlich um ihre Humanitären Einrichtungen, sondern auch sehr lebhast um die Politik kümmert. Dem Zentrum insbesondere hat diese preußische Prinzessin immer die Hand gereicht. In Berlin weiß man auch ganz genau, daß der Weg zur badischen Regierung nicht über Großherzog Friedrich, sondern über seiner Mutter Schreibtisch führt, und Eingeweihte merken in Baden bald, woher der Wind weht, wenn die badischen RegierungSkreise sich bemühen, der preußisch-deutschen Reichsregierung gegenüber sich gefällig zu erweisen. Auch Kaiser Wilhelm kennt diesen Weg und ist ihn schon wiederholt gegangen. Um nur einige Beispiele zu nennen, er- innen, wir an den Widerstand, den die badlsche Regierung dem Fallenlassen deS ErbschaftS st euergesetzeS in der Reichsfinanzreform entgegensetzte. W i l h e l m II. weilte damals zur entscheidenden Stunde in Karlsruhe und eS ist nicht unbekannt geblieben, daß er anläßlich einer Spazierfahrt im Schloßpark mit der Großherzoginwitwe Luise unter vier Augen mit ihr dieses Thema er- örterte. Bald darauf war auch der W i d e r st a n d des verstorbenen tinanzministerS Dr. Honsel! in dieser Frage gebrochen. uch in der Frage der S ch i f f a h r t S a b g a b e n hat die badiiche Regierung von dem Tage an ihre Oppositionsstellung der- lassen müssen, wo Preußen der Großherzogin Luise zu verstehen gab, daß ihm an dem Zustandekommen dieses Gesetzes unendlich viel gelegen sei, weil eS zu seinem Vorteil die süddeutsche Industrie mit unerschwinglichen Abgaben belaste... Dieser preußische Einfluß auf Baden macht sich auf allen Gebieten bemerkbar und tritt jetzt in der Politik wieder ganz klar zutage." Diese Enthüllungen sind sicher sehr interessant und der Einfluß der Großherzogin - Mutter beweist jedenfalls, daß es im demokratischen Musterländle noch sehr an wirklicher Demokratie mangelt. Diese höfischen Einflüsse zeigen zugleich, wie richtig es ist, statt an monarchischen Loyalitätsbezeugungen teilzunehmen, im Volke die Erkenntnis über die von monarchischen Institutionen untrennbarenSchädenun- verantwortlicher Einflüsse wach zu halten. Das kann natürlich nur durch prinzipielle republikanische Erörterungen geschehen, für die das Interesse um so lebhafter sein wird, je weniger der Gegensatz zwischen Monarchie und DemokraNe durch liftig sein sollende taktische Schachzüge verdunkelt wird. Besonders interessant ist übrigens auch, daß W i l h e l m II. selbst sich für das Fallenlassen der ErbschaftS- st euer eingesetzt hat. Bekanntlich hat dies den Sturz B ü l o w s und den Herrschaftsantritt des schwarzblauen Blocks zur unmittelbaren Folge gehabt. Wilhelms II. Stellung gegen Bülow und für die Schwarzblauen ist ja ein offenes Geheimnis, es ist aber bisher noch nicht aus- gesprochen worden, daß er an der Herbeiführung dieser neuen Aera so aktiven Anteil gehabt hat. Auch ein Symptom. Aus Baden wird uns berichtet: In dieser Woche tagte der Landständische Ausschuß, die einzige parlamentarische Institution, die während der Landtags- Vertagung besteht. Meistens tritt der Ausschuß nur einmal zur Prüfung der Rechnungsberichte zusammen. Den Abschluß bildet gewöhnlich ein gemeinsames Gastmahl, zu dem der Vorsitzende einlädt. Bisher wurden dazu sämtliche Ab- geordnete geladen, diesmal aber wurde die sozialdemokratische Vertretung, die Genossen Geis, der erste Vizepräsident der Kammer, und Ad. Geck von der Einladung aus- geschlossen. Der Vorsitzende des Kollegiums ist der Prinz Max von Baden , der künstige Großherzog. Zentrum und Wahlrecht. Die Ultramontanen deS Regierungsbezirks Düsseldorf hielten dieser Tage in Cleve ihren Parteitag ab. LandtagSabge- ordneter Freiherr v. Loe erstattete den Bericht über die Tätigkeit deS Zentrums im preußischen Abgeordnetenhause. Wie die„Köln . Volkszeitung" mitteilt, befaßte sich der Redner eingehend mit der Wahlrechtsfrage, zeichnete in großen Zügen daS bisherige Wahl- recht, die Regierungsvorlage und die Behandlung der Frage im Abgeordnetenhause und Herrenhause. In ihrer letzten Gestalt wäre die Vorlage keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung des bestehenden Rechtes, und zwar wesentlich im liberalen Sinne ge- wesen. Statt dem M i t t e l st a n d e, der doch der Träger der staats- erhaltenden Fortentwickelung sei, einen erweiternden Einfluß auf die Gesetzgebung zu bewilligen, festige sie noch mehr die Herrschaft der Plutokratie. Dazu habe das Zentrum seine Hand nicht bieten können. Ob die Regierung in kürzerer Frist eine neue Vorlage machen werde, stehe dahin. Das stände fest, daß eine solch« Vorlage auf dem Boden des geheimen Wahlrechts stehen werde. Die Sorge des Zentrums geht auf den„M i t t e l st a n d", der die Stärke der Partei in Stadt und Land ausmacht. Wie die Ar- beiter, die auch in katholischen Gebieten mehr und mehr sich der Sozialdemokratie zuwenden, dabei fahren, kommt für das Zentrum weniger in Betracht. Luch der zweite Redner, der„Arbeiterabge- ordnete" Schiffer, der über die politische Lage im Reiche redete, ließ sich über die preußische Wahlrechtsvorlage aus. Er sagte: „.Unser Hauptfeind siebt auf der äußersten Linken. Die Sdzialdemokratie wird im bevorstehenden Wahl- kämpf wie nie zuvor gegen den Zentrumsturm anstürmen. Das Zentrum muß schnell und entschieden einen energischen Kampf gegen die Sozialdemokratie eröffnen. Nicht nur Ab- wehr, sondern offener Angriff ist vonnoten. Wir können be- weisen, daß die Sozialdemokratie aus reiner Oppositionslust bei der Reichsfinanzreform total versagt, die Arbeiterint er- essen im Stiche gelassen und den Scharfmachern in die Hände geiirbcitet hat. Wir können Belege dafür bringen, wie unser Zentrum bei der verunglückten preußischen Wahlrechts- reform voll und ganz seine Pflicht getan hat, daß dagegen die Sozialdemokratie durch ihren maßlosen Radi- kalismus verdorben hat, was sie nur Verderhen IS.nntc."' Daß Herr Schiffer zum Kampf gegen Re Sozlakbemokrafle scharf macht, verargen wir ihm nicht; er weiß, was er in seinem Wahlkreise Recklinghausen-Borken von ihr zu fürchten hat. Im übrigen ist Herr Schiffer als Politiker wie als Gewerkschaftsführer eine derart fragwürdige Gestalt, daß man Nachsicht mit ihm haben mutz, weshalb wir über sein Gerede hinwegsehen wollen. Es ist die alte Geschichte: je ärger die Sünden des Zentrums, desto toller schimpfen seine Agitatoren über die Sozialdemokratie! Hofgeschichten. Der König von Sachsen hat neulich dem Großherzog von Meck- lenburg-Strelitz einen Besuch abgestattet. Bei einer Hoftafel hat nun Friedrich August von Sachsen in einen Trinkspruch die Be- merkung einfließen lassen, daß„in der gegenwärtigen Zeit die deutschen Bundesfürsten treu zusammenstehen müßten". Dieser Trinkspruch ist im„Reichsanzeigcr" ebensowenig abgedruckt worden, wie die übrigen Neustrelitzer Tafelreden. Nun kommt ein ultramontancs Blatt, die von Dr. A. Hausen in München herausgegel-ene„Allgemeine Rundschau" (Nr. 44 vom 29. Oktober 1910) und enthüllt mit sichtlichem Behagen die Gründe der Unterdrückung jener fürstlichen Tafelreden. Danach ist man in Berlin verstimmt wegen der mißlichen ehelichen Verhältnisse am grotzherzoglichen Hofe. Der jetzt im 33. Lebensjahre stehende Grotzherzog Adolf Friedrich übe bei seinem alljährlichen Riviera-Aufenthalt nicht die Vorsicht und Zurückhal- tung, die schon durch die äußeren Umstände geboten sei. Unter dem durchsichtigen Inkognito eines Grafen Altwenden(der Großherzog führt den Nebentitel eines Fürsten der Wenden) werde der Groß- Herzog mit einer„Madame Urbas"(aus Frankfurt a. M.) und mit seinemKammerherrnBaronv.Blücher in der offiziellen Fremdenliste aufgeführt. Den Gästen und Passanten des Hotels, in dem er seit Jahren mit Madame UrbaS und seinem Kammerherrn wohne. würde er öfters als Sehenswürdigkeit gezeigt. Man müsse die Verhältnisse an der Rwiera kennen und wissen, wieviele illegitime Paar« aus zahlungsfähigen Kreisen dort ein vorübergehendes Asyl suchten, um die Wirkungen des geschilderten Zusammenseins er- messen zu können. Die Großherzogin Elisabeth habe an der„Ehe- irrung" ihres Gatten in den ersten Jahren schwer gelitten, so daß sie zeitweilig sogar in einer Nervenheilanstalt habe Heilung suchen müssen. Der Kaiser und die Kaiserin, deren strenge Anschauun- gen hinlänglich bekannt seien, ständen dieser„Eheirrung" im grotzherzoglichen Hause Mecklenburg-Strelitz mit besonderem Un- behagen gegenüber. Der König von Sachsen sei jedoch selbstver» ständlich nicht darüber unterrichte! gewesen. „Geistliche Zeitungszensoren". Zu der Notiz in Nr. 243 wird uns geschrieben: Nicht nur die„Köln . Volkszeitung' hat unter geistlicher Zensur gestanden, auch von anderen katholischen Blättern ist schon verlangt worden, daß sie ihren politischen Teil unter die Oberaufsicht der Geistlichkeit stellen. Als im Jahre 1907 der verstorbene Zentrums- mann Fusangel in Konflikt mit seiner Partei geriet, machte er in einer Versammlung Ausführungen, die darauf schließen ließen, daß bei der Zentrumspresse ziemlich allgemein eine solche Zensur ausgeübt wird. FuSangel erklärte nämlich: Niemand könne ihm vorwerfen, daß er gegen das Partei- Programm verstoßen habe, aber dagegen habe er sich gewehrt, daß ihm, dem alten Journalisten, der seit 34 Jahren für die Partei gekänipft und Gefängnisstrafen erlitten habe, zugemutet worden sei, alle politischen Artikel, die er schreibe, erst dem Pfarrer Mertensmeyer vorzulegen. DaS sei ihm vorgekommen, als wenn ein Pfarrer erst dem Küster die Predigt vorlegen solle._ Die Willkür der Staatsanwaltschaft. Nachdem die Justizkommission eingangs der Sonnabend» sitzung einer Anregung unserer Genossen folgend, beschlossen hatte, im Z 147 zu bestimmen, daß dem Verteidiger nach beantragter Er- öffnung des Hauptverfahrens die Einsicht in alle dem Gericht vor» gelegte Akten nicht verweigert werden darf, trat sie in die Diskussion über den K ISSn ein, der die Durchbrechung des LegalitätS Prinzips für die Staatsanwaltschaft fordert. Die Diskussion über den Paragraphen und mehrere dazu vorliegenden Anträge wurde zwar beendet, die Abstimmung aberblS zur Mittwochsitzung vertagt. Aus der militärischen Ferienkolonie. lieber die Behandlung von Landwehrmännern, die zu einer Uebung nach dem Lager Hammelburg (Bayern ) ein- berufen waren, werden in einer Zuschrift an die!.Oberfränk. Volks- zeitung' allerhand befremdliche Einzelheiten gemeldet. Am 1. Okiober vormittags 8 Uhr mußten die Landwehrinänner auf dem Bezirkskommando in Hof iein, nachmittags um Uhr ging der Transport nach Hammelburg los. Nachts 12 Uhr kamen fit in Hamnielburg an und mußten noch eine ganze Stunde auf dem Bahnhof stehen, obwohl sie den ganzen Tag nichts mehr zn essen erhalten hatten. Nachts 2 Uhr kamen sie auf dem Truppenübungsplatz an und um 3 Uhr erst bekamen sie etwas zu essen: Kaffee und für S Pf. Brot. Oesterreick. Die Fleischteuerung. Die LandeSparteivertretung der Sozialdemokratie Deutsch - Böhmens hat eine Aktion eingeleitet, damit auch nach dem ersten Industrieland des Reiches argentinisches Fleisch, und zwar in nicht bloß andeutungsweisen Mengen eingeführt werde. Die Genossen sollen überall die Gemeindevertretungen zum Anschluß an die Aktion bestimmen bezw. die Städteverwal- tungen zur Bereitstellung der erforderlichen Kühlanlagen und zum Verkauf des Fleisches in eigener Regie und zum Selbstkostenpreise. frankreick.' Die Stellung der Parteien. Paris , 29. Oktober. Die sozialistifch-radikale Gruppe der Deputiertenkammer faßte in einer gestern abend abgehaltenen Versammlung mit 25 gegen 14 Stimmen den Beschluß, nach Beendigung der Jnterpellationsdebatte eine Tagesordnung einzubringen, in welcher über den Eisen- bahnerstreik Bedauern ausgesprochen und die Regie- rung ersucht wird, die Forderungen der Eisenbahner einer Lösung entgegen zuführen, die an der Sabotage unbeteiligten Eisenbahner wieder einzustellen und die Frei» heit des Syndikats zu schützen. Der größte Teil der Radikalen und der Linksrepublikaner dürfte jedoch eine bereits unter den Deputierten zirkulierende Tagesordnung annehmen, in welcher der Regierung Ver» trauen ausgesprochen und ihr Vorgehen sowie ihre Er- klärungen gebilligt werden. Die regierungsfreundlichen Blätter erklären, das Ministerium werde eine nur ganz offene Vertrauenstagesordnung annehmen. Es sei Sache der repu» blikanischen Parteien, sich über einen durchaus unzweideutigen Wortlaut zu einigen._ Die Jnterpellationsdebatte. Paris , 29. Oktober. Die Deputiertenkammer setzte heute nachmittag die Besprechung der Interpellationen über den Eisenbahnerausstand fort. Willm(gecinigter Sozia- list) sprach sich tadelnd darüber aus, daß die verhafteten Mitglieder des Streikkomitees noch nicht verhört worden seien. Dadurch fei das Gesetz verletzt worden. Nachdem dann noch mehrere Bednar von per Äußersten Zinken Angriffe gegen die Regierung
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