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Strcifc'CxzcIfc?- De? Streik Lee Fleischergesellen bei der Firma Ernst Morgenstern gibt der bürgerlichen Presse wieder einmal Ge- legenheit, überStreikausschreitungen" undKrawalle" zu schreiben. Die Streikleitung stellte fest, daß es zu Ausschreitungen weder seitens der Streikenden noch von feiten des Publikums ge- kommen ist. Allabendlich rückt allerdings in der Schererstraße, wo sich das bestreikte Geiwtul befindet, eine sebr starke Polizeiniaidt an. Die Streikleitung hat durch Plakate und Handzettel das Publi- kum von dem Streik in Kenntnis gesetzt. Die Folge davon ist, daß die Käufer den Morgensternschen Fleischwarenladen fast ganz meiden. Während sich gestern abend in allen benachbarten Ge- schäften das kaufende Publikum drängte, blieb der Laden von Morgenstern leer. Nur selten ging eine Käuferin hinein. Die Polizei war auch gestern abend wieder in sehr großer Zahl angerückt. Das lockte natürlich eine große Menge von Neugierigen an. In der Schererstraße herrschte starkes Grdränge. Durch meistens höfliche Aufforderungen zum Weitergehen hielten die Schutzleute das Publikum in Bewegung. Wenn die Polizei nach Schluß der Läden abgerückt wäre, würde sich auch das Publikum bald verlaufen haben. Zweckmäßig war es gerade nicht, daß die Polizei gegen 9 Uhr die Schcrerstratze einerseits an der Adolf-, andererseits an der Neinickendorfer Straße absperrte. Denn nun sammelten sich vor beiden Absperrungsketten große Menschen- massen, die in der Reinickendorfer Straße nach Tausenden zählte. Doch die Schutzleute verhielten sich, soweit wir es beobachten konnten, ruhig. Das Publikum wurde nicht nach Moabiter System provoziert, und so verhielt sich auch die Menge ganz ruhig. Später drängten die Schutzleute ohne Anwendung von Waffen das Mublikum mehr und mehr zurück. Das ging im großen ganzen ohne Zwischenfälle vonstatten. Mit der Zeit wurden die Schutz- leute mehr und mehr zurückgezogen, und in dem Maße, wie die Polizei von der Straße verschwand, verlief sich auch die neugierige Menge. Um Uhr war die Reinickendorfer Straße noch nicht ganz frei von Polizei und Menschenansammlungen. Die Situation machte aber den Eindruck, als wenn irgendwelche Störungen nicht zu befürchten wären. Würde sich die Polizei um den Streik gar nicht kümmern, dann würde es höchstwahrscheinlich auch keine Menschenansammlungen auf den Straßen geben. Immerhin ist es für preußische Verhält- nisse schon als ein Fortschritt anzusehen, daß hier nicht das Moa- biter System angewandt wird, durch welches sich die Polizei lächer- lich gemacht hat. Getverkrcbaftttckeq. MleStmkexzeffc" gemacht werden konnte der StettinerVolksbote" an einen: bemerkenswerten Beispiel aufdecken. Der Redaltion unseres pommerschen Par- teiblattes wurde gemeldet, daß am Dienstag, den 19. Ok- tober, die Stettiner Polizei mit blanker Waffe und ohne jede äußere Veranlassung auf eine Anzahl streikende Seeleute eingehauen hatte, die abends gegen 19 Uhr die Wallstraße(Parnitz- bollwcrk) entlang gingen. Ein Matrose wurde dabei ver- schiedxntlich verletzt und auf der Revierwache bis zum nächsten Morgen inhaftiert. Die Redaktion desVolksbotei:" stellte zunächst genatiere Ermittelungen an und wandte sich unter anderem auch an die Kriminalabteilung der Polizei. Dort wurde ihrem Vertreter erklärt, daß die Sache sich wesentlich anders verhalte, als man ihm gemeldet habe. Der verletzte Matrose sei auf den: am Parnitzbollwerk liegenden Dampfer Vineta" widerrechtlich eingedrungen, weil er als Obdachloser dort nächtigen wollte. Als er aufgefunden wurde, habe er nicht gutwillig das Schiff verlassen wollen und sei deshalb die Polizei gerufen worden, die den Obdachlosen festnahm. Seine Perletzungen habe er bei einer Schlägerei an Bord des Schiffes vor Eintreffen der Polizei erlitten. Diese Auskunft mußte falsch sein, da der Verletzte seit Jähren verheiratet und in Stettin ansässig ist. Es wurden deshalb weitere Ermitte- lungen angestellt und die Redaktion unseres Stettiner Partei- blattes ersuchte auch den Vertreter des Stettiner Polizet- Präsidenten um eine Auskunft über diesen Fall. Sie wurde ihr auch in einer recht interessanten Unterredung zuteil. Der auskunstgebende Regierungsassessor erklärte nämlich: Auf dem Polizeirevier war die t e l e p h o n i s ch e(I) Mitteilung eingegangen, daß in einer Wirtschaft des Hafenbezirks die streikenden Seeleute beraten und beschlossen hätten, den DampferVineta" bei Einbruch der Nacht zu überfallen, und wenn dies Vorhaben mißglücken sollte, den Ueberfall nachts um 3 Uhr zu wiederholen. Die Polizei sei dem gerade zuvorgekommen und habe, als ihre Auf- forderung zum Auseinandergehen nicht sofort befolgt wurde, zur Waffe greifen müssen. Der verletzte Matrose habe Widerstand geleistet und sei deshalb abgeschlagen worden. Als der Redaktionsvertreter desVolksbote" dem Herrn Assessor die Frage vorlegte, ob er denn auf Grund einer höchst zweifelhaften und unkontrollierbaren Telephonmeldung ein solches Vorgehen der Beamten als einwandfrei erachte, entgegnete der Herr höchst aufgeregt: Ich lehne es Ihnen gegenüber in jedem Falle ab, das Vor» gehen der Beamten zu rechtfertigen. Ich persönlich bedauere es sogar sehr, daß diesmal die Beamten zu schnell eingegriffen haben; die Leute hätten erst das Schiff betreten müssen, damit man sehen konnte, wessen man sich von den Streikenden versehen muß." Es zeigt dieser Fall klar die Methode, nach der Streik- exzesse gemacht werden! Wenn irgendein Achtgroschenjunge die Gespinste seiner Spitzelphantasie der Polizei telephonisch mitteilt, dann genügt ihr dies, um, ohne vorherige� Unter- suchung, mit ihrer ganzen Macht herbeizueilen. Ein er- giebiges Tätigkeitsgebiet für schuftige Agents Provokateurs I Kerlin und Umgegend. Achtung, SchlSchtergesellen! Der Firma Morgenstern ist es bis jetzt trotz aller Bemühungen der Stellenvermittler noch nicht gelungen, Streikbrecher zu bekommen. Da die Firma die Absicht hat, Wurstwaren in anderen Wurstfabriken einzukaufen, richten wir an die Kollegen der Wurstfabriken das Ersuchen, falls sie etwas merken, der Organisation sofort Mitteilung zu machen. Zuzug ist streng sernzuhalten. Zentralverband der Fleischer. Zur Lohnbewegung der Dachdeckerhilssarbeiter. Die Forde- rungen der Hilfsarbeiter hat wiederum unterschriftlich anerkannt die Firma Karl V e n tz, Friedenau , Schmargendorfer Straße 16. Zur Lohnbewegung der Kellner und Mineralwasserarbeiter und Kutscher ist noch zu vermerken, daß auch die Firma K. Bakszat- Moabit und A. Böhm Nachflg., Lindenstraße, die tariflichen Forde- rungen der Arbeiter anerkannt haben. Achtung, Schuhmacher! Anläßlich der Differenzen in den mechanischen Besohlanstalten von Prokscha u. Danneberg im Osten Berlins , welche in der Versammlung im Ost-Kasino einer Verantw.Redakt.: EarlWermuth, Berlin -Rixdorf. Inserate verantwü Ein neues Moabit ? In Moabit war der Streik noch nicht so allgemein bekannt geworden wie auf dem Wedding , und die Polizei war gestern abend eifrig bemüht, die weitere Aufklärung des Publikums zu verhindern. Es waren in der Oldenburger Straße und den Neben- straßen wohl mindestens ein Dutzend Kriminalbeamte unterwegs, um Obacht zu geben, ob nicht etwa Flugblätter verteilt wurden. Es gelang ihnen denn auch, einige Flugblattverteiler zu erwischen, die zur Wache gebracht wurden, um ihre Personalien festzustellen. Der außerordentliche Eifer, mit dem die Polizei sich der Interessen des Herrn Morgenstern annimmt, hat allgemein Aufsehen erregt. Offenbar versteht man im Publikum nicht recht, wie die Polizei, die doch aus allgemeinen Steuergroschen erhalten wird, zum Schutze eines einzigen Unternehmers und lediglich in seinem Geschäftsinteresse so viele Beamte mobil machen kann. Von uniformierten Beamten war vor dem Geschäft in der Oldenburger Straße gestern abend meist nur einer anwesend; die Hauptarbeit besorgten die geheimen. In dem Laden war wohl fortwährend zu tun, aber wohl kaum halb so viel als sonst an Sonnabendabenden. Der größte Teil der früheren Kundschaft zog es offenbar vor, sich den Laden von außen anzusehen, und wird sich wohl auch dadurch nicht anlocken lassen, daß die Firma ihre Preise noch um einige Pfennige herabsetzt. Ruhestörungen irgendwelcher Art sind gestern in Moabit nicht vor- gekommen; die Schutzleute beschränkten sich darauf, das kau- sende und nichtkaufende Publikum anzusehen, und zwingen konnten sie ja auch keinen, in den Laden hineinzugehen. Vor dem Hauptgeschäft von Morgenstern, Kaiser- Wilhelm-Straße 20, standen drei Schutzleute Posten, andere waren in nächster Nähe verteilt. Ansammlungen fanden nicht statt. Die Schutzleute trugen sogar Sorge, daß niemand zu lange vor den Schaufenstern verweilte, und forderten bald einmal zum Weiter- gehen auf. Das Geschäft hat hier gewöhnlich außerordentlich starken Zuspruch, besonders an Sonnabenden. Auch diesmal fehlte es nicht an Kundschaft, und darunter waren sehr viele Arbeiter und Arbeiterfranen; dennoch soll der Zudrang an früheren Sonn- abenden viel stärker gewesen sein. Der Ausbruch des Streiks schien ziemlich unbekannt zu sein, wie man aus vielen Aeußerun- gen der Verwunderung über die Polizeiposten entnehmen konnte. Die polizeilichen Streikposten wirkten also aufklärend auf das Publikum. Herr Morgenstern kann sich auf dem Alexanderplatz dafür bedanken! Kritik unterzogen wurden, ist von uns recherchiert und folgendes festgestellt worden. Am 19. Oktober legten die in der Werkstatt Andreasstraße 38 beschäftigten Kollegen die Arbeit nieder, da die Einführung einer regelmäßigen Arbeitszeit und die Abstellung anderer Mißstände, wie die schlechte Ventilation, kurz abgelehnt wurde. Durch das Eingreifen der Ortsverwaltung kam dann ein Vertrag zustande, durch welchen die Löhne geregelt und die Arbeitszeit auf 9Z� Stun­den festgesetzt wurden. Auch die übrigen Mißstände sollten beseitigt werden. Anstatt aber auf diese ihr Augenmerk zu richten, zog es Herr Prokscha vor, die organisierten Arbeiter unter den nichtigsten Vorwänden zu entlassen, so daß von den bei Abschluß des Vertrages vorhandenen 5 organisierten Kollegen nur noch einer, dem aber auch gekündigt ist, in Beschäftigung steht. Da in dem Vertrag der Passus enthalten ist, daß entstandene Differenzen eventuell durch Hinzuziehung eines Vcrbandsvertreters zu regeln seien, kann der Firma mit Recht der Vorwurf gemacht werden, daß sie gegen den Vertrag verstoßen habe. Ein Kollege wurde sogar, ohne die mit ihm vereinbarte Kündigungsfrist einzuhalten, auf die Straße gesetzt, der nun erst auf dem Jnnungsschiedsgericht sein Recht erwirken muß. Daß diese Manipulationen gegen den Vertrag verstoßen, mußte schließlich auch Herr Prokscha anerkennen, versvrach aber, in Zu- kunft dem Vertrage gemäß bei derartigen Anlässen die Mitwirkung der Ortsverwaltung herbeizuführen, so daß wir gegenwärtig von einem weiteren Vorgehen in dieser Sache Abstand nehmen. Zentralverband der Schuhmacher Deutschlands . Ortsverwaltung Berlin . veurkdie» Reich. Unternchmcr-TerrorismuS. In wie geradezu gemeingefährlicher Weise die Unternehmer gegen die streikenden Feilenhauer in Remscheid , die nun schon seit 18 Wochen im Kampfe stehen, vorgehen, um brave Arbeiter in Verruf zu bringen, geht aus nachstehendem Zirkular hervor: Arbeigeberverband von Remscheid u. Nmg.(E. V.j Elberfelder Str. 77. Fernsprecher Nr. 736. Rundschreiben Nr. 27. Remscheid, den 22. Oktober 1910. An sämtliche Verbandsmitgliederl 1. Anliegend übersenden wir Abschrift eine» Schreibens der Firma Karl Friedr. von Kürten zur Kenntnisnahme und mit dem Ersuchen, den Maschinenhauerlehrling(folgt Name und Geburtsdatum) von der Einstellung auszuschließen. 2. Van einem unserer Mitglieder wird un» folgendes mit» geteilt:Einer unserer streikenden Arbeiter verfuhr nach fol- gendem Plan, um in einem anderem Betriebe unterzukommen. Er hat sich unter dem Vorwand, daß die bisherige Quittungs. karte verloren gegangen sei, auf dem Versicherungsbureau eine neue Karte ausstellen lassen. Das Versicherungsbureau ist an- geblich hierzu verpflichtet, doch erhält die Karte, da sie eine Ersatzkarte sein soll, keine Nummer. Der betreffende Arbeiter fragte nun bei einer Verbandsfirma um Arbeit an; er gab dabei fälschlich an, daß er bis jetzt selbständig gewesen sei. zeigte, um das glaubhaft zu machen, die neue QutttungSkarte vor und wurde daraufhin eingestellt. Auf unsere Beschwerde bczw. Mitteilung hat die Firma den Mann wieder entlassen müssen. Da es nicht ausgeschlossen ist, daß durch gleiche oder ähnliche Täuschungen noch andere streikende Feilenarbeiter Einstellung gefunden haben, bitten wir die Verbandsmitglieder, die seit Aus- bruch der Bewegung eingestellten Arbeiter nochmals daraufhin kontrollieren zu lassen, ob nicht streikende Arbeiter darunter sind. Bejahendenfalls müßte deren Entlassung sofort erfolgen. Hochachtungsvoll Der Vorstand deS ArbeitgeberverbandeS von Remscheid u. Umg. DaS ist Terrorismus schlimmster Art. Trotzdem rechnen wir nicht darauf, daß sich ein Staatsanwalt finden wird, der gegen diefe Unternehmer vorgeht, die in geradegu gemeingefährlicher Weise Arbeiter in Verruf bringen und ihnen jede Existenz- Möglichkeit abzuschneiden versuchen. Man führe sich die Fälle vor Augen, wo in Remscheid ehrliche Arbeiter zu harten Gefängnisstrafen verurteilt worden sind, einzig und allein aus dem Grunde, weil sie in gerechter Empörung diesen oder jenen Verräter mit dem durchaus verdienten NamenStreik- brecher" oderBär" bezeichnet haben. Fast jode Schöffen- gerichtssitzung der letzten Zeit weist einige solcher Urteile auf. Wochenlange Gefängnisstrafen dem Arbeiter für ein in der Em- pörung und Erregung angewandtes Wort, kein Ton der Mitzbilli. gung dem Unternehmer, der aus sicherem Port, in überlegener Ruhe den arbeitsuchenden Arbeiter in Verruf setzt und ihn nebst seiner Familie dem Hunger überantwortet. Das ist der Rechtszu- ftand in Preußen-Deutschlandl Der Streik der Isolierer bei der Firma Reinhold u. Co. ist am Sonnabend aufgehoben worden, nachdem die Arbeiter aus Ttz. Glocke. Berlin . Druck u. Verlag: vorwärts Buchdr. u. verlagSanftall' Hannover den Bescheid erhielten, daß der Streik in dem dortigen Hauptgeschäft der Firma durch Verhandlungen zur Er» l e d i g u n g gekommen ist._ Musterstaatliches im Lohnkampfe. Die Pforzheim er Metallarbeiter, welche wegen der Schaffung eines Lohntarifes mit den Kettenfabrikanten auf dem Kriegsfuße stehen, verteidigen sich gegen die ungerechtfertigten Angriffe der Kapitalistenpresse durch Versammlungen und Flug- schriften. Nunmehr stellt sich die staatliche Polizeimacht so auf- fällig in den Dienst des Kapitals, daß sie die Arbeiter an der ge- wohnheitsmäßigen Art ihrer Drucksachenverbreitung hindert. Bezirksamt und Stadtbehörd« treffen gemeinsame Matz- nahmen zur Erschwerung der Verbreitung der Flugblätter und Versammlungs-Einladungen. Ein Verbandsbeamter ist.✓sogar po­lizeilich s i st i e r t worden wegen angeblicher Verletzung des Pr e ß- g e se tz e s, weil die verteilte Druckschrift(Einladezettel zur Be- triebsversammlung) unterzeichnet war als herausgegeben von der Ortsverwaltung des Deutschen Metallarbeitervereins, Verw.-Stelle Pforzheim". Das genüge nicht! Das System Bodman wird noch arbeiterfreuuilicher, wenn erst die Arbeitseinstellung loSge- gangen ist. Husland. Ein neue? llebereinkommcn für die dänische Eisenindustrie. Zwischen dem Dänischen Schmiede- und Maschinenarbeiterverband und dem Verband der dänischen Eisenindustriellen ist durch friedliche Verhandlungen ein neuer Tarifvertrag zustande gekommen, durch den die Minimallöhne um 2 Oere und nach Verlauf von drei Jahren um 1 Oere erhöht werden und die Arbeitszeit für acht Monate des Jahres von 19 auf 9Vz Stunden verkürzt wird, während sie für die vier Wintermonate wie bisher 9 Stunden beträgt. Der neue Tarif» vertrag tritt mit dem Ablauf des alten, am 1. Februar nächsten Jahres in Kraft. Wenn auch nur sehr geringe Verbcsserungen erreicht worden sind, so ist doch dieser Tarifabschluß insofern merk- würdig, als es in Dänemark während der letzten Jahre kanni noch möglich war, überhaupt etivas zu erreichen, olme daß die Unter- nehmer eine allgemeine Massenaussperrung beschlossen, und namentlich pflegte man aucv in der Eisenindustrie jeder Verbesserung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse den stärksten Widerstand entgegen zu setzen. Lohnbewegung in der schwedischen Schuhindustrie. Die Schuh- Warenfabrikanten Schwedens haben den jetzt geltenden Tarifvertrag auf den 1. Januar 1911 gekündigt und Vorswläge zu einem neuen gemacht, der für die Arbeiter unannehmbar ist. Die Fabrikanten wollen ein absolutistisches Regiment einführen. Der Einfluß der Organisation bei Festsetzung der Akkordlöhne, bei Aufstellung der Arbeitsordnungen, bei Entlassung von Arbeitern soll gänzlich aus» geschaltet werden; jede Agitation in den Fabriken, die Verteilung von Druckschriften und dergleichen soll verboten sein. Im übrigen sollen auch die Löhne herabgesetzt werden. Die ganzen Vorschläge sind derart, daß eine friedliche Einigung schwerlich zustande kommen wird. Was hier den Arbeitern zugemutet wird, muß um so mehr Empörung hervorrufen, als es von einem Unternehmertum ausgeht, das seine Profite aus Kosten der Allgemeinheit einheimst. In Schweden besteht nämlich neben einem Lederzoll von im Durchschnitt b9 Oere pro Kilo ein außerordentlicher Schutzzoll auf fertige Schuh - waren, der für die ledernen Schuhe und Stiefel pro Kilo und soviel wiegt ungefähr ein Paar Herrenschnürsticfel b Kronen beträgt. Die Schuhwaren sind denn denn auch in Schweden bedeutend teurer als in anderen Ländern, ja sogar um mindestens 26 Proz. teurer als in Deutschland . Es sind fast 19 Millionen Kronen, die das schwedische Volk alljährlich für seine Schuhwaren mehr ausgeben muß, als sie noch dem Weltmarktpreis kosten würden. Der Schutzzoll hat auch dahin geführt, daß eine allzu große Zah� kleiner Fabriken entstanden sind, errichtet und geleitet von Leuten, die zu einem großen Teil weder die nötige Sachkenntnis noch Geschäftstüchtigkeit besitzen, um einem solchen Unternehmen vorzustehen. Dadurch und durch die große Zahl unproduktiver Angestellter wird die Produktion verteuert. Natürlich sind die Fabrikanten in einem Trust vereinigt, um die Preise ihrer Waren hochzuhalten, wie sie andererseits durch ihren Arbcitgeb erVerband die Arbeitslöhne herabzudrücken und die Arbeiter zu Heloten zu machen suchen. J�ctzU Nachrichten« Die Jnterpellationsdebatte. Paris , 29. Oktober. (Deputiertenkammer. Fortsetzung� Füg weiteren Verlaufe seiner Rede klagte JauräS über die Auskunft»« mittel einer Regierung, deren Chef seit 1899 als ein Berbreitev der Idee des Generalstreiks bekannt sei.(Briand zuckt mit den Achseln.) Innres fuhr fort: Briand besitzt nicht die nötige mo» ralische Autorität, um die Ausstandsbewegung zu unterdrücken. UebrigenS verlangt Briand das Vertrauen für Vergangene« und macht Vorbehalte für die Zukunft. Dadurch beweist er. daß die Regierung weder in ihrem Programm noch in ihrer Zusammen, setzung einheitlich ist. Es werden sich Meinungsverschiedenheiten im Kabinett zeigen, und Rücktritte sind sicher zu erwarten. Tumult in der französischen Kammer. Zum Schluß der Sitzung kam es zu furchtbaren Tumultfzenra. Briand sagte in seiner Rede, in welcher er die Angriffe gegen die Regierung zurückwies: Wenn die Regierung in dem Gefetz nicht die Mittel gefunden hätte, um Herr der Landesgrenzen und der Eisenbahnen zu bleiben, so hätte sie selbst zu Ungesetzlichkeiten ihre Zuflucht genommen. Bei diesen Worten erhob sich ein Beifall auf der Rechten und im Zentrum, dagegen aus der äußersten Linken, insbesondere bei denSozialisten, ein ohrenbetäubender Lärm. Die Sozialisten riefen: Diktator! Demission! Verräter! Schuft! und schlugen dabei mit den Pultdeckeln den Takt. Der sozialistische Deputierte Colly wollte aus die Tribüne stürzen, offenbar um gegen Briand tätlich zu werden; er wurde nur mit Hilfe von Saal» dienern und Kollegen zurückgehalten. Die Sturmszenen dauerten über 49 Minute», während deren Briand auf der Rednertribüne blieb und für die Stenographen und seine dicht um ihn gescharrten Anhänger die Rede fortsetzte, in der er sagte: Es ist nicht zweifelhaft, daß die Kammer einer Komödie beiwohnt, die niemanden täuschen kann. Ich wiederhole, daß die Regierung in der Legalität geblieben ist, aber daß es Fälle gibt, wo es im höheren Interesse notwendig sein kann, zur Illegalität zu greifen. Das Land, welches in der Gefahr der Anarchie schwebte, wird morgen sagen, wer unrecht gehabt hat.(Lärm auf der äußer- sten Linken.) Die Sitzung wurde unter großer Unruhe und Auf- regung aufgehoben. Morgen nachmittag findet die nächste Sitzung statt, behufs Beendigung der Jnterpellationsdebatte. Briand ver- ließ, umringt von mehreren Ministern und Deputierten, den Saal. Man befürchtete sichtlich, daß einige Sozialisten, welche den Mi- nisterpräsidenten unaufhörlich weiter beschimpften, sich an ihm ver- greifen könnten.-- 1 Ein Todesurteil. Prag , 29. Oktober. (W. T. B.) Das Schwurgericht in König- grätz hat den Häuslerssohn Wenzel Hruby, der seinen Bater er- schössen und im Garten verscharrt hatte, um in den Besitz der Erb- schaft zu gelangen, einstimmig zum Tode durch den Strang ver- urteilt. Feuer in einem Cas6 der Weltausstellung. Brüssel, 29. Oktober. (W. T. B.) Das Caf6 Kosmos auf dem Gelände der Weltausstellung steht in Flammen. Jede Gefahr einer Ausbreitung d es Feuers»st beseitigt. [Jaul Singer L-To.,BerlinSW. Hiergu» Beilagen.