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19 sehr and Kerz geiva'chsen ist, vefitfe'S. Sag sie selSer-s arSeits- willig ist. Um 2 Uhr nachmittags Die Rolläden rasieln eben herunter, denn eS war gerade 2 Uhr und damit Sonntagsgeschäftsschluß, da rückten vom Alexanderplatz   her in vier Trupps ungefähr 60 Schutzleute an: mit Karabiner» ausgerüstet! Ihr Lager schlugen sie in der Utrechterstraße auf. Der aber, dem zu Ehren all die Kriegsrüstung inszeniert wird, her Fleischermeister Morgenstern, schloß seinen Laden. DerLolal-Anzeiger". der für seine Sonntagnummer wieder einmal das letzte Restchen Heu und Stroh aus der Polizeikrippe gefressen hat, wußte zu erzählen, in der ganzen Umgebung von Morgenstern seiensämtliche Laternen zertrümmert", Eisenteile von den Ballonen gebrochen und als Wurfgeschosse auf die Schutzmannschaft geschleudert worden usw. Diese gruseligen Erzählungen sind allermindestens maßlos übertrieben, oder aber im Handumdrehen müssen die Heinzelmännchen alle Ballone und sämtliche Gaslaternen repariert haben(trotz der Sonn- tagsruhe); jedenfalls war selbst mitbewaffnetem" Auge von den fürchterlichen Zerstörungen, die Scherls Schmocks apportiert hatten, nichts zu entdeckenl Während die<50 Karabinieri in der Utrechter Straße schuß- bereit lagen, nahmen die Reinickendorfer  , Scherer- und Adolfstraße immer mehr und mehr, je tiefer sich der Abend herniedersenkte, daS Aussehen einesblauen" Heerlagers an, bis das Bild gegen 10 Uhr abend? an Buntscheckigkeit kaum noch zu übertreffen war. Da sah man sie, in Uniform und in Zivil: Schutzmänner, Wachtmeister, Polizei- offiziere; und neben den Kriminalbeamten mit ihren bekannten Stöcken und den noch bekannteren Gesichtern fehlte es s e l b st- verständlich nicht an Achtgroschenspitzeln mit allem Drum und Dran. Zu Fuß, zu Roß, zu Rad es waralles da", wie der Berliner   sagt. Sogar(die Polizei schien's gut vorzuhaben) an Samaritern vom Roten Kreuz fehlte es nicht, die in Stärke von etwa 20 Mann über das heimgesuchte Viertel zerstreut waren. Wer Kostümstudien liebt, kam auf seine Kosten, denn auch da war alles vertreten: Schutzmannshelm und-Mütze,-Mantel und -Pelerine, die l a n g e Hose, das Beinkleid in den Stulpenstiefel, die Gamasche des sprungbereiten Polizeiradfahrers. Und ein Aus- rüstungsgegenstand, war vor allem da er, ohne den man sich den Berliner   Schutzmann bald überhaupt nicht mehr vorstellen kann: der schußfertige Revolver I Unter den Revolvertaschen und -Gurten aber bemerkte man funkelnagelneue, doch auch solche, denen man schon ein gewisses ehrwürdiges Alter ansah und durch deren Lauf neulich in Moabit   so mancher Schuß hindurchgerast sein mag.... Wenn eS trotz dieser polizeilichen Kampfbereitschaft nicht zu Mißhelligkeiten kam, so liegt das ganz einfach daran, daß man vernünftigerweise die Menschen in a l l e y Straßen frei passieren ließ. Die Knllppelgarde. Um?L11 Uhr kamen ein paar junge Männer die Adolfstraße herunter auf die Schererstraße zu. Sie hatten den Sonntag offen- bar in der üblichen Weise beim GlaS Bier gefeiert und waren guter Dinge. Sie sprachen lebhaft, sangen, kurz: sie benahmen sich so, wie sich innormalen" Zeiten, zumal in der Nacht von Sonntag auf Montag, Tausende von jungen Leuten auf der Straße be- nehmen, ohne daß ihnen mehr geschieht, als daß äußerstenfalls ein Schutzmann sie zur Ruhe vermahnt und sie, wenn eS ganz arg kommt, zur Wache sistiert, worauf dann das bekannte Straf- Mandat über 3 M. ins Haus derSünder" fliegt. Nicht so Sonntag nacht gegen Uhr in der Adolfstraße. Sondern: als die jungen Leute sich der Schererstraße näherten, stürzten urplötzlich ein halbes DutzendGeheime" über sie her. Da gabs keine Vermahnung zur Ruhe, keine Legiti- mierung durch Blechmarke, keine Einladung zur Wache oder dergleichen. Da wurde überhaupt keinWortgesprochen, sondern nur gehauen, gehauen, gehauen! Bei der Hetzjagd, die nunmehr hinter den jungen Männern die Adolfstraße entlang veranstaltet wurde, verloren mehrere von ihnen den Hut. Und da konnte man beobachten, daß die Kriminal- schutzleute in sinnloser Wutarbeiteten". Konnten sie den Fliehenden nicht mehr zu Leibe, so bekamen wenigstens die Hüte, die auf dem Straßendamm lagen, den Zorn der Beamten zu kosten, bis die unschuldigen Kopfbedeckungen total durchlöchert, zer- fetzt und völlig unbrauchbar waren. Nach dieser Heldentat zogen sich die Herren zu ihren uniformierten Kollegen in der Scherer- straße zurück. Eine halbe Stunde nach den zuletzt geschilderten Vorgängen, dag heißt um �12 Uhr nachts, lagen Reinickendorfer  , Scherer- und Adolfstraße wieder ganz friedlich und ruhig da. Nur die Polizei- radfahrer hatten noch nicht Schicht. Langsam fuhren sie die Straßen ab, und besonders diejenigen, welche alsArbeite r" eingekluftet waren, machten die Gegend unsicher, besonders einer, der damit die Sache recht natürlich ausschaue sich statt der Laterne eines Lampions bediente, mit dem er die Reinicken- dorferstraße durchirrlichterierte..., *** Wir haben in der Sonntagsnummer gefragt, ob es etwa auf dem Wedding   ein neues Moabit   göben soll? Die Nacht zum Sonntag und die zum Montag haben wieder einmal bewiesen, daß die PolizeiKrieg" undFrieden" in ihrer Toga hat. Sie sollte nun endlich mal einsehen lernen, daß all das Streikbrecherkorps zusammengenommen wahrhaftig nicht die gesunden Knochen eines anständigen Berliner   Arbeiters und Bürgers wert ist! DerHufruhr" in amtlicher Schilderung. Wie es bei dem Aufruhr der Revolutionsnacht vom 29. auf den 30. Oktober auf dem Wedding   zuging, darüber gibt schon der amtliche Bericht für denkende Leser recht inter  - essanten Aufschluß. In dieser amtlichen Darstellung, die durch das Wolffsche Bureau verbreitet worden ist und von den Polizeibehörden selb st geliefert wurde, spielten sich die Vorgänge folgendermaßen ab: Berlin  , 30. Oktober.  (Amtlicher Bericht.) Die Menschen- ansaminlungen aus Anlaß des AusstandeS der Schlächtergesellen der Firma Morgenstern, Schererstraße 8, haben am gestrigen Abend nachLadcnschluß einen großen Umfang angenommen und sind schließlich in Landsriedensbruch und Aufruhr ausgeartet. Während in der Geschäftszeit nur der großen Menschenmenge wegen die Scherer- straße durch die Sperrketten an der Ecke der Reinickendorfer   und' Adolfstraße gesperrt werden mußte und beim Räumen der Straße wohl körperlicher Zwang, aber noch kein Waffengebrauch an- gewendet werden brauchte, wurden kurz nach 11 Uhr, als die größte Anzahl der Beamten auf der Wache des 107. Polizeireviers versammelt war, die beiden Beamten vor dem Morgensternschen Geschäftslokal mit Steinen angegriffen und mußten in der Notwehr von der Waffe Gebrauch machen. Mit den von Revier 107 sofort wieder herbeigerufenen Beamten, etwa 70 Mann und noch acht Berittenen, wurde jetzt die Neinickendorfer, Wiesen-, Kösliner, Max- und Adolfstraße wiederholt mit der blanken Waffe geräumt. Während des Tumultes sind von den Exzedentcn die Laternen in der Kösliner Straße sämtlich und in der Wiescnstraßo zum Teil ausgedreht worden. Nachdem die Laternen wieder an- gezündet worden waren, wurden sie teilweise mit Steinen zertrümmert. Die Polizeioffiziere, die an dieser Stelle Dienst hatten, sind sämtlich von Steinen ge- troffen worden, ohne daß sie indes ernst- lich verletzt wurden. Ein Beamter hat sich wegen einer unbedeutenden Verletzung an der Hand einen Verband anlegen lassen. Die Schutzmäiinschaft wurde sogar mit Steinen beworfen. als sie ruhig an der Ecke der Reinickendorfer- und Schererstraße stand. Mehrere Schaufensterscheiben wurden zertrümmert.Blut- Hunde",Räuber" und dergleichen wurde außer von den Tumultuanten auf der Straße auch aus den Häusern gerufen. In der KöSlinerstraße wurden die Bewohner durch Androhung des Schießens gezwungen, die Fenster zu schließen. Ein Schutzmann, der in Begleitung eines Kollegen eine Verkäuferin des Morgensternschen Ladens nach der nächsten Apotheke begleitete, ans welcher das Mädchen Verbandsstoff für einen ver- unglückten Schlächtergesellen holen sollte, und von den Rowdys mit Steinen beworfen wurde, gab zwei Schreckschüsse ab, ohne jedoch jemanden zu treffen. Es sind insgesamt 11 Per- sonen sistiert, darunter zwei Frauen, dieBluthunde", Verbrecher" usw. gerufen hatten. Einer von ihnen hat mit einem Stein geworfen, ein anderer hat die Gas- laternen ausgedreht. Auf eine Anzeige, daß in einem Lokal in der Kösliner Straße sich die Leute befänden, die in der genanten Straße die Laternen ausgedreht hätten, wurden mehrere Polizei- Mannschaften dorthin entsandt. Die sämtlichen Gäste, 36 Per- sonen, darunter vier Frauen, wurden unter starker Bedeckung nach dem 91. Polizeirevier geführt. Zwei Personen von den Sistierten wurden als Steinwerfer wiedererkannt und festgehalten; die übrigen wurden entlassen. Als die Schutzleute, die die Sistierten zur Wache gebracht hatten, nach der Reinickendorfer Straße zurückkehrten, mußte auf dem Nettelbeckplatz wieder von der Waffe Gebrauch gemacht werden, da dort die Bc- amten von einem Steinhagel empfangen wurden. In der Reinickendorfer Straße wnrde auf eine Abteilung, die im Vormarsch begriffen war, ein Schuß aus dem dahinter- liegenden Gelände abgegeben. Die Exzedenten konnten zum größten Teil nicht dingfest gemacht werden, weil sie bei den mehrfachen Attacken der Schutzmannschaft mit größter Eile flohen. Alle Aufforderungen an die Menge, sich zu zer« streuen, wurden mit Johlen, Pfeifen und Schimpfreden be- antwortet. Der Befehl zum Waffengebrauch wurde erst auf die gegen die Schutzmannschaft gerichteten Steinwürfe hin gegeben. Gegen 10 Uhr abends wurde die Feuerwehr durch den Melder vor dem Hause Wiesenstraße 36 böswillig alarmiert. Die Wehr setzte de» Melder außer Betrieb. Der Täter konnte nicht ermittelt werden. Die Beamten konnten erst zum grpßten Teil morgens gegen 3'/« Uhr entlassen werden. Daß man es bei diesen Aus- schreitungen auch wieder vielfach mit organisierten Arbeitern zu tun gehabt haben dürfte, geht wohl daraus hervor, daß mehrfach die Arbeitermarseillaise und andere Arbeiterlieder gesungen worden sind. In diesem amtlichen Berichte, der. wie wir wiederholen. wch daS offiziöfeDepefchenbureau verbreitet wurde und auch auf diesem Wege denallerhöchsten Herr- schaften" zugeht, wird zum Schlüsse hervorgehoben, daß sich an den Ausschreitungen wieder vielfach organisierte Arbeiter beteiligt hätten. Das gehe wenigstens daraus hervor, daß mehrfach die Arbeitermarseillaise und andere Ar- beiterlieder gesungen worden feien. Dieser Hinweis erklärt sich aus der Tendenz, die Sozialdemokratie und die Gewerkschafts- o r g a n i s a t i o n e n für die Exzesse Einzelner verantwortlich zu machen. Man will dem Kaiser, dem Kronprinzen und all jenen, denen die Wolffschen Nachrichten zugehen, den Glauben beibringen, daß es sich nicht um die Radaulust von Rowdys. sondern um einenAufruhr" der Arbeiterschaft gehandelt habe. In Wirklichkeit bewiese das Singen der Arbeiter- Marseillaise und anderer Arbeiterlieder nicht das Geringste. n Großstädten und Arbeitervierteln kennt eben jedes i n d diese Arbeiterlieder, genau so wie auf dem platten Lande jedermannHeil Dir im Siegerkranz  " oderDeutsch- land, Deutschland   über alleS" kennt. So wenig aber jemand, der solch einpatriotisches" Lied singt, darum Angehöriger einer konservativen Organisation zu sein braucht, so wenig ist jedermann, der die Arbeitermarseillaise singt, Mitglied einer sozialdemokratischen Organisation l Freilich, irgend etwas mußte man doch zur Anfchwärzung der Sozialdemokratie vorbringen. Denn mit dem, was man sonst zu erzählen vermochte, war ja kein Staat zu machen. Denn daß das Publikum in seiner Masse vernünftig und friedfertig war, bestätigt ja selbst die Polizei. Erst nach 11 Uhr kam eS zu Zusammenstößen. Es wurden Laternen ausgedreht, etliche Laternenscheiben zertrümmert, es wurde mit Steinen nach den Schutzleuten geworfen, ohne daß indes auch nur einer ernstlich verletzt worden wäre, ja es wurde sogar in der Reinickendorfer Straßeaus dem dahinter liegenden Gelände" ein Schuß abgefeuert. Wer den Schuß abgefeuert hat, das weiß man nicht, ebensowenig, wie man Steinwerfer auf frischer Tat erwischt zu haben scheint. Denn die famose Geschichte, daß man sämtliche Gäste eines Restaurants verhaftete, unter denen sich Steinwerfer befunden haben sollten, und daß man dann wirklich in zweien dieser VerhaftetenSteinwerfer wieder erkannt und fest- gehalten" habe, klingt doch gar zu wunderlichl Das wäre doch wirklich ein K u n st st ü ck. Leute wieder zu erkennen, die in der Dunkelheit und sicherlich doch aus einiger Entfernung mit Steinen geworfen haben I Wie uns mitgeteilt wird, handelt es sich übrigens 'bei den Sistierten um Mitglieder eines polnischen Sokolvereins, die nicht wenig erstaunt waren, als sie plötzlich zur Polizeiwache geschleppt wurden. Aber vielleicht folgert unsere scharfsinnige Polizei nunmehr aus diesem Umstand, daß es sich tatsächlich um einen organisierten Auf- rühr der Sozialdemokratie handelte, bei dem die Polen   Helfers- dienste leisteten! Der Schwindel zieht nicht mehr! Die schönen Polizeimärchen, als die sich in Moabit  die schaudererregenden Aufruhrschilderungen herausgestellt haben, finden auch mehr und mehr bei der bürgerlichen Presse keinen Glauben mehr. So schreibt dasBerliner Tageblatt": .Bonschweren Straßentmnulten", vonGewaltakten", von schweren Ausschreitungen", die in ihrem ganzenArrangement"(!) an die Moabiter   Vorfälle erinnerten, und gareinen weit ernsteren Charakter" getragen haben sollen, kann nach den Aus- sagen von glaubwürdigen Augenzeugen keine Rede sein. Bewohner dieser Straßen und mehrere Polizeiwacht- m e i st e r und Schutzleute, die bei dem angeblichenAuf- rühr" in der Nackt vom Sonnabend zum Sonntaa zuaeacn waren haben übereinstimmend versichert, daß Ausschreitangen halbwüchsiger Rolvdies, die besonders in den Nächten zum Sonnabend ihr Wesen zu treiben pflegen, zu einer staats- gefährlichen Revolte aufgebaulcht worden sind. Nach Versicherung vonbeteiligten" Polizeibeamten ist keine ernste Ver- letzung vorgekommen. Auch sah man nichtüberall blutige Personen zu Boden stürzen." Ein einziges Schaufenster ist von den rauflustigen RowdieS zertrümmert worden; auch wurden in der Kösliner Straße einige Laternenscheiben ein- geworfen, Vorfälle, die sich an Sonnabendabenden in dieser Gegend nicht allzu selten ereignen und die immer durch die Row- dies geschehen, ohne daß sich die Polizei je veranlaßt sah, besondere Matzregeln zu treffen." Und in derWelt am Montag" wird diePolizei- belagerung auf dem Wedding  " folgendermaßen geschildert: Schon seit Mittwoch spielt die Geschichte. Zu Unruhen kam es jedoch erst Sonnabendabend. Allgemein wird wieder über das Vorgehen der Polizei geklagt. Die flinken RowdieS, die sich auch hier eingefunden hatten wie überall, wo viel Polizei auf den Beinen ist, konnte sie nicht erwischen. Dagegen wurden ruhige Arbeiter, die nach Hause wollten, mit Faust schlügen und Säbel- hieben von hinten bearbeitet. Ein Mann, der eine Frage an einen Schutzmann stellte, bekam von ihm sofort eine schallende Ohrfeige. Allerdings soll auch eine resolute Frau einem brutalen Schutzmann eine ordentliche Ohrfeige appliziert haben. Ein Mann, der bei einer Attacke der Schutzmannschaft im Fliehen hinfiel, wurde im Liegen so blutig geschlagen, daß es der Polizeileutnant selbst für nötig hielt, eine Droschke zu requiWeren, um ihn in ärztliche Behandlung zu bringen. Ein junger Mann, der in ein HauS hinein wollte, dem aber die Türe vor der Nase zugeschlagen wurde, bekam in der Türnische Säbelhiebe zu kosten. Entschieden bestreiten die Bewohner der Gegend, daß aus dem Publikum heraus geschossen worden sei. Dagegen haben sie aller- dings wiederholt die Polizei schießen sehen. Am gestrigen Sonntage begann die Polizei am Spät- Nachmittage die Patrouillen, die tagsüber sich auf der Straße zeigten, durch Herbeiziehung größerer Mannschaften zu verstärken. Und gegen Abend glich die Reinickendorfer Straße in der Nachbar- schast des Morgensternschen Geschäfts einem Polizeilager. Ueberall blitzten die Helmspitzen und Uniformknöpfe im Schein der wenigen Laternen auf, die diese? Stadtviertel besitzt. Diese Straßen sind miserabel beleuchtet. Und wenn nicht aus Kneipen und anderen Läden einiges Licht über das Trottoir fällt, ist es hier erbärmlich dunkel. Natürlich hatte die Massenversammlung der Schutzleute ein paar Hun- dert Neugierige angezogen, die langsam auf den TrottoirS   promenierten. Unter ihnen bemerkte man eine größere Menge Geheimpolizisten, die jedoch nichts zu tun fanden. Vor den Haustüren standen in Gruppen die Bewohner, die Vorgänge besprechend und neugierig jeder Schutzmanns- Patrouille nachblickend. Auch die Vertreter der auswärtigen Presse hatten, trotz der blutigen Moabiter Erfahrungen, es sich nicht nehmen lassen, wiederum persönlich die Situation zu erforschen. Neugierig betrachteten sie das kleine, durch einen Stein Wurf erzeugte Loch in der Schallfensterscheibe eines neben dem Morgen- sternschen Laden belegenen Geschäfts. Sie mochten nachdenken über den tendenziösen Bericht, in dem behauptet wurde. daß die Menge Anstalten gemacht habe, durch dieses Loch das Schaufenster zu plündern; das Loch ist faustgroß und 2 Meter über dem Erdbobenil (Schluß siehe auf der vierten Seite), polirtlcbe(leberlicbr. Berlin  , den 31. Oktober 1910. vom Wahlkampf in Labian-Wehlau  . Aus dem Wahlkreise Labiau-Wehlau wird uns geschrieben: Die Konservativen und Freifinnigen halten fast jeden Tag zwei Wählerversammlungen in verschiedenen ländlichen Ortschaften ab. Den Sozialdemokraten steht dagegen nicht ein einziges VersammlungS- lokal zur Verfügung; doch stellen unS einzelne kleinere Besitzer be- reitwilligst ihre Grundstücks zur Verfügung. Bis jetzt haben aber Amtsvorsteher und Landrat jede von sozialdemokratischer Seite ein­berufene Versammlung zu verhindern gewußt. Trotzdem daS Ober- verwaltungSgericht am 26. April d. I. auf eine Klage des Genossen Linde entschieden hat, daß die Lersagung der Genehmigung einer Versammlung unter freiem Himmel im Dorfe Sch. des Kreises Labiau   aus den vom AmtSvorsteher, Landrat und Regierungspräsidenten angeführten Gründen zu Unrecht erfolgt fei, ist jetzt wieder die Genehmigung zu einer Wählerversammlung aus demselben Grundstück unter Angabe derselben Gründe versagt worden. Die Beschwerde liegt jetzt beim Minister. Ein anderer Fall. Am 20. Oktober erklärte ein Besitzer auS dem Dorfe Kelladen schriftlich, dem Wahlkomitee jederzett sein Grundstück zur Abhaltung von sozialdemokratischen Wählerversammlungen zur Verfügung stellen zu wollen. Genosse Linde suchte darauf bei dem zuständigen Amts- Vorsteher die Genehmigung nach, die er auch durch Schreiben des SmtSvorsteherS erhielt. Aber schon am Tage darauf, am 26. Ok- tober, zog derselbe AmtSvorsteher in einem eingeschriebenen Briefe diese Genehmigung ohne Angabe von Gründen zurück. Von Linde persönlich nach den Gründen beftagt, erklärte er, der Besitzer in Kelladen hätte seine Zusage zurückgezogen. Außerdem hätte auch die Aufsichtsbehörde allerlei Bedenken. Linde begab sich nun sofort zu dem betreffenden Besitzer und erfuhr dort über den Sachverhalt tolgendeS; Am 27. Oktober vormittags, also am Tage nach dem Absenden des Briefes des Amtsvorst eher S, in dem die Genehmigung zurückgezogen wurde, erschien der AmtSvorsteher und sein Gendarm auf dem Hofe deS Besitzers in Kelladen und revidierte zunächst den Brunnen, der als reparatur­bedürftig befunden wurde. Dann wurden genau die Grenzen deS Grundstück« besichtigt und die Grenznachbarn festgestellt. Darauf erklärte der AmtSvorsteher, der große geräumige Hof eigne sich wegen der in der Nähe befindlichen stroh  - gedeckten Häuser nicht zur Abhaltung einer Versammlung. Als darauf erwidert wurde, dann könne ja die Versammlung auf dem freien Acker abgehalten werden, erkundigten die Herren sich genau. wo der sich im Walde befindende Besitzer anzutreffen sei. DaS Resultat deS Zusammentreffens zwischen Besitzer, AmtSvorsteher. Amtsdiener und Gendarm im Walde erfuhr Genosse Linde am anderen Morgen durch folgende eingeschriebene Karte: K e l l a d e n. den 27. 10. 10. Einschreiben. An Parteisekretär Herrn Hermann Linde, Königsberg  . Ich teile Ihnen hierdurch ergebcnst mit, daß ich zu der von Ihnen am 30. d. MtS. auf meinem Grundstück beabsichtigten Abhaltung einer öffentlichen Versammlung nicht meine Erlaubnis erteile. Eraebenft Hildebrandt.