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Nr. 256. 27. Jahrgang. 3. WM des Joraiitls" Aienstag. 1. November 1910. Prozeß Rnißn und Genoffen. Zu Beginn des gestrigen VerhandlungstcigeS regnete es eine Reihe Erklärungen. Der Jnseratcnchef derVossischen Zeitung erklärte unter Eid, von der Redaktion verstehe er nichts, es habe ihm ferngelegen, den Redaktenren zu unterstellen, daß sie sich in ihren Entscheidungen von nicht sachlichen Erwägungen leiten ließen- Dann folgte ein Angriff des konservativen Rechtsanwalts Bredereck gegen den Redakteur Leuß von derWelt am Montag". Zur Stimmungsmache für seinen Klienten hielt dieser Verteidiger es für erforderlich, aus der bekannten Tatsache, daß der frühere antisemitische Abgeordnete Leuß zu Zuchthaus   verurteilt ist, weil er seine intimen Beziehungen zu einer Ehefrau unter Eid abgeleugnet und erst nach dem Meineid seine politische Gesinnung geändert halte, Kapital zu schlagen. Welchen Zusammenhang mit der im Leußschen Artikel unervrtert gelassenen Frage, ob B r u h n eine strafbare Erpressung begangen hat, dieser geschmacklose Ausfall des Verteidigers haben soll, verriet der Verteidiger nicht. Interessanter war die F e st st e l l u n g des Staatsanwalts, daß Liman nicht von ihm, sondern von der Verteidigung geladen ist. Der Versuch der Verteidigung, das für unerheblich zu erklären, ist ein gar zu durch- sichtiger Advokatenkniff. Er schaltet die Kernfrage ans: Kann ein Liman ein geeigneter Sachverständiger über die prickelnden Ab- lagerungen in derWahrheit" und über die Gepflogenheiten einer anständigen Presse sein, ein Liman, der bewiesen hat, daß er rechts und links schreiben kann und daß die sensationelle Ausstreuung und Erfindung unwahrer persönlicher Verdächtigungen politischer Gegner ihm eigen ist? Die Verhandlung des Falls Israel   ergab, daß Bruhn und der als antisemitischer Wanderredner bekannte Herr Sommer von der Firma Reklameannoncen aufnahmen. Weder in der Aufnahme solcher Notizen, die das Publikum zu täuschen geeignet sind, noch in der enormen Bezahlung(5 M. für die Zeile) finden diese Herren etwas Unanständiges. Würden Verleger und Redakteure, die Reklomenotizen, also Inserate, in der Weise bringen. daß dergeistig schwerfällige" Leser sie als Empfehlung seitens der Redaktion auffassen, wegen Betruges verurteilt, so wäre dem Recht besser genügt, als wenn wie neulich ein paar Straßenhändler wegen Betruges verurteilt werden, weil sie ihrer Anpreisung eine falsche Marke gaben. Die Erörterung des Falles Jandorf preßte dem An geklagten Bruhn daS für die verkommene bürgerliche und in erster Reihe für dienationale" Presse intereffante Geständnis ab: Ich s»!»c es ganz offen, daß man sclbstversländlich gewisse Rücksichten auf Inserate niunnt nnd nehmen muß." Damit hat der antisemitische Abgeordnete das Urteil über seine und die ihm nahestehende Presse gerechtfertigt, daß sie mit Worten den Kapitalismus bekämpft, durch die Tat ihn aber insbesondere in seinem Kampf gegen den Mittelstand unterstützt. ** Sechster Tag. Zu der Prozeßverhandlung vom Freitag tragen wir folgende Ergänzung nach. Der Zeuge Dr. Moser(von der Vereinigung der Rechtsfreunde) hatte allerdings zuerst bekundet, daß Angriffs- artikel gegen die Bereinigung der Rechtsfreunde in derWahrheit" erschienen wären und daß später Paul Bruhn zu ihm gekommen sei wegen eines Jnseratenauftrages. Rechtsanw. Dr. Jul. Meyer stellte jedoch sofort an der Hand der Bücher fest, daß die Inserate der Vereinigung der Rechtsfreunde bereits seit dem S. Dezember 19 0 5 lausen, daß Paul Bruhn im Mai 1900 wegen der Ver- längerung der Inserate bei Moser gewesen ist und daß ein Artikel gegen die Vereinigung der Rechtsfreunde erst im März 1903, also zirka zwei Jahre später erschienen ist. Erklärung des JnseratenredakteurS Kluge. Nach Eröffnung der gestrigen Sitzung durch Landgerichtsrat Lampe   erbittet sich das Wort der Sachverständige Kluge zu folgender Erklärung:Ich habe mit meiner Aeußerung vom Freitag keine absolute Bekundung vorgebracht, sondern nur eine subjektive Ansicht meinerseits. Ich habe ja auch mit dem Redaktionsbetriebe nichts zu tun. Ich bin Sachverständiger für Inserate und nicht für redaktionelle Angelegenheiten. Es war also nur eine subjektive Ansicht meinerseits und kein Gutachten. E s h a t mir fern gelegen, den Redaktionen zu unter- stellen, daß sie sich in ihren Entscheidungen von anderen als sachlichen Erwägungen leiten ließen. Anwurf gegen dieWelt am Montag". Rechtsanwalt Bredereck bemerkt im Anschluß hieran: ES war vorauszusehen, daß der Prozeß hier, der sich ja überwiegend mit Presscangelegenheiten befaßt, in hohem Maße die Presse beschäftigen wird. Aber inan konnte doch vermuten, daß dem Angeklagten gegen- über die Reserve beobachtet wird, die man schließlich jedem Mörder gewährt, nicht über ihn herzufallen, ehe daS Gericht gesprochen hgt. Hier aber ist in einer Reihe von Preßorganen gegen Sachverständige. Verteidiger und auch gegen das Gericht eine Flur von Angriffen veröffentlicht worden. Diese Preßäußerungen können natürlich keinerlei Einfluß auf die Verhandlung ausüben. In der der heutigenWelt an, Montag" steht ein Artikel, in welchem Bruhn schon als Verurteilter und dem Schandfahl Stehender behandelt wird. Der Artikel ist von Herrn Leuß verfaßt, einem früheren GesinnungSgenoffen des Herrn Bruhn. der erst über den Weg durch das Zuchthaus zur demokratischen Gesinnung sich entwickelt hat. Dieser Artikel findet sich in derWelt am Montag", die sich als Verteidigerin deranständigen" Presse ausspielt, obwohl in dersclbeu Nummer 53 Annoncen schlüpfrigen Inhalts zu finden sind. Der Kamps der Presse gegen politische Gegner darf doch nicht so weit gehen, daß er Einfluß auf das, waS vor Gericht verhandelt wird, gctvinnen kann! Liman kein Sachverständiger der Staatsanwaltschaft. Etaatsanw. L e i s e r i n g: Da nun einmal ans Preßäußerungen hingewiesen worden, betone ich einer solchen Aeußerung gegenüber, daß Herr Dr. Liman nicht von der StaatSanivaltschaft als Sach- verständiger geladen ist. sondern von der Verteidigung. Die Staats- anwaltschast hatte Herrn Schweitzer geladen, der leider nicht er- schienen ist. Rechisanw. Dr. S ch w i n d t: ES gibt doch keinen Sach- verständiaen der Staatsanwaltschaft oder der Verteidigung, sondern nur«sachverständige. Vors.: Das ist sehr richtig. Ich denke, wir lasten hier alle Preherörtcrungen beiseite. BrnhnS Entlastungszeugen. Frau Meyer geb. M i l e w S t a ist nicht erschienen. Sie ist ans Reisen und die Ladung Hot ihr nicht zugestellt werden können. Angekl. W. Bruhn bittet, statt ihrer deren Zwillingsschwester Frau Glowe   zu laden. Staatsanw. L e i s e r i» g weist darauf hin, daß er schon einmal betont habe, daß man das, was die Zeugin bekunden solle, als wahr unterstelle» könne. Frau Glawe sagt u. a. aus: Ihre Schwester, die ehemalige Kammerfrau der Prinzessin Henriette von Schleswig-Holstein  , habe in ihrer bekannten Angelegenheit die Hilfe des Herrn Bruhn in Anspruch genommen, dieser habe mehrere Artikel veröffentlicht und nur die Schwester sei der Meinung gewesen, daß diese ihr eine wesenb liche Hilfe geleistet habe. Die Schwester habe Bruhn dafür auch eine Entlohnung angeboten, Bruhn habe sich aber jegliches verbeten und betont, daß er nur seine Pflicht und Schuldigkeit getan habe. Vorsitzender: Ist Ihnen irgeudlvie bekannt, daß Ihre Schwester Herrn Bruhn von anderer Seite etwas in Aussicht gestellt hat? Zeugin: Nein, uns ist nichts dergleichen bekannt. Angekl. Bruhn: Ein Jahr später, als man sich von der anderen Seite be- mühte, eine Einigung herbeizuführen, hat die Schwester der Zeugin von einer Einigung nichts wissen wollen und da hat man sich an mich gewendet, und meiner Zuspräche ist es gelungen, Frl. Milewska einer Einigung geneigt zu machen. Die auf Antrag des Angeklagten Bruhn geladenen Brüder Max und LeopolBall, Inhaber der bekannten Möbelfabrik in der Potsdamer Straße  , bekunden übereinstimmend folgendes: Im Jahre 1908 sei gegen die Firma Ball ein Artikel in derWahrheit erschienen, der von Unrichtigkeiten und direkten Un- Ivahrheiten gestrotzt habe. Beide hätten sich durch den offenbar von einer ihnen feindlich gesinnten Seite herrührenden Artikel aus das höchste getroffen gefühlt und sich erst an ihren Rechts- beistand Justizrat Dr. von Gordon gewandt, der ihnen den Rat ge- geben habe, sich erst einmal mit Bruhn persönlich in Verbindung zu setzen. Dieser sei ihnen sehr zuvorkommend entgegengetreten und habe sofort erklärt, daß er erst nach Drucklegung von dem Artikel Kenntnis erhalten habe und die Aufnahme sehr bedauere, nachdem er sich aus dem von ihnen(Ball) vorgelegten Material überzeugt habe, daß der Inhalt des Artikels zu in Teil völlig erfunden bezw. entstellt sei. Bruhn habe daraufhin eine Ehrenerklärung in derWahrheit" erlassen, die ihnen vollkommen genügt hatte. Bei diesen Verhandlungen sei weder von einer äugen- blicklichen noch von einer späteren Zuwendung von Inseraten ge­sprochen worden. Bruhn habe sich bei der ganzen Sache durchaus korrekt benommen. Beide Zeugen bekunden u. a. auch, daß sie jede Verhandlungen sofort abgebrochen hätten, wenn irgend eine offene oder versteckte Forderung an sie gerichtet worden wäre. Einen sehr breiten Raum in der Beweisaufnahme nimmt der sogenannte Fall Israel" in Anspruch. ES bandelt sich hierbei kurz um folgendes: Nach der Anklage soll zur Zeit, als gewisse Gerüchte über den verstorbenen Kommerzienrat Israel   kursierten, erwogen worden sein, ob man nicht durch Hingabe von Annoncen an dieStaätsbürger-Zeitung" es vermeiden könnte, daß die Affäre Israel   in dieser Zeitung breitgctreten wurde. Der damalige Propagandachef und Leiter der Katalogabteilnng Novarra soll daraus gesagt haben: das gehe doch mit Rücksicht auf die Kundschaft der Firma Israel   nicht an, denn diese würde sich doch sehr wundern, wenn plötzlich große Inserate der Firma Israel   in derStaatsb.-Ztg." erscheinen würden. Dann habe Novarra dem Annonccnakquisiteur derStaatSb.-Ztg." Sommer die Offerte gemacht, daß in derStaatsb.-Ztg." an hervorragender Stelle eine Besprechung des Israels   chen Weih nachtskatalogs erscheinen und dafür nicht bloß 1,50 M. für die Zeile, sondern 5 M. pro Zeile gezahlt werden solle. Sommer habe dies akzeptiert und Bruhn Mitteilung da- von gemacht. Dieser soll, wie behauptet wird, sich über die Höhe des Preises gewundert haben, schließlich aber habe Bruhn, da er gesehen, daß es sich um eine Reklamenotiz im Anschluß an den redaktionellen Teil handelte, gegen die Preisnormierung nichts einzuwenden gehabt. Aber, so behauptet die Anklage weiter, soll das Erscheinen dieser Reklame unter der Jsraelschen Kundschaft eine große Aufregung hervor- gerufen haben und es soll das Bestreben gewesen sein, die Sache so schnell wie möglich aus der Welt zu schaffen: die Rechnung wurde eingefordert und von einem Bureauangestellten der Firma Israel  an Paul Bruhn bezahlt. Die Anklage steht aus dem Standpunkt, daß die Hingabe des Reklameartikels nur dem Zweck gegolten habe, derartige Artikel ein- für allemal zu unterdrücken. Die Anklage folgert dies aus den Bekundungen, die Novarra vor dem Untersuchungsrichter ge- macht hat, aus denen hervorgehen soll, daß Sommer bei seinen Unterhandlungen mit Novarra auch angedeutet habe, daßschon wieder einiges Material gegen Israel   bei derStaatsb.-Ztg." eingegangen sei", er aber seinen Einfluß bei derStaatsb.-Ztg." zugunsten Israels  geltend machen wolle. Sommer soll dann, als er zu seinem Be- dauern vernahm, daß ihm weiter keine Jnseratenausträge für die Staatsb.-Ztg." gegeben werden können, dem Novarra geklagt haben, daß ihm damit eine schöne Proviston verloren gehe und da soll Novarra ihn aufgefordert haben, einige Artikel für die Jsraelsche Agenda zu schreiben. Novarra habe demSommer für diese kleinen Artikel, die überhaupt nicht verwendet worden. 200 M. gezahlt. Angekl. W. Bruhn stellt die tatsächlichen Behauptungen der Anklage und die Schlußfolgerungen, die sie daran knüpfe. als durchaus falsch und gänzlich unzutreffend dar. Er be- tont, daß zu der Zeit, als das Neklameinserat auf- genommen wurde, von Verfehlungen des Kommerzienratcs Israel überhaupt noch nicht die Rede ivar. Es sei ganz ausgeichlossen, daß er damals von solchen Verfehlungen gewußt habe. Hier handele es sich um einen einfachen geschäftlichen Auftrag, den Herr Sommer ganz selbständig in seiner Eigenschaft als Annoncenakquisitcur über- bracht habe. Damals habe die Oeffentlichkeit überhaupt noch nichts über die Affäre Israel   gewußt. Als nachher Gehlsen fortgesetzt Artikel über den Fall Israel   schrieb, habe er, Bruhn, wiederholt zu Herrn Kammer, dem damaligen Lokalredakteur gesagt, daß Gehlsen mit Vorsicht zu beurteilen sei. Rechtsanwalt Dr. S ch w i n d t weist darauf hin, daß, wie sich aus vorzulegenden Artikeln klar er- gebe, Bruhn von Herrn Gehlsen absolut weit abgerückt sei. Der Zeuge Novarra hat in der Voruntersuchung über diese ganze Affäre, über die Entstehung und den Zweck der Reklame- notiz usw. Bekundungen gemacht, die ziemlich klar durchblicken ließen, daß es sich um eine verkappte Erpressung handelt. Er bekundet jetzt, daß im Jahre 1904 der Leutnant a. D. Ohm den Kommerzienrat Israel   mit Erpresser- briefen bedroht habe. Im Austrage des KommerzicnrateS sei er, Zeuge, darauf zu verschiedenen Zeitungen gegangen und habe sie darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn ihnen etwa von Obm Notizen zugchen sollten, die Ausirahme zu unterlassen, da eS alles Lügen seien. Er sei auch in derStaatsbürger-Zeitung" geivescn und habe dort mit Herrn Sommer verhandelt. Er habe ihm gesagt, er komme im Auftrage des Kommerzienrats Israel  . Der Leutnant a. D. Ohm habe in Erpresserbriefen mit Vcröffent- lichungen gedroht, und es läge doch nicht im öffentlichen Interesse, solchen erpresserischen Unternehmungen Vorschub zu leisten. ommer habe gesagt, er werde mit Bruhn sprechen. Er, Zeuge, habe dann Sommer folgende Proposition gemacht: Herr Israel   sei keineswegs geneigt, irgendwelche Erpreffungs- gelder auszugeben, aber wenn Bruhn Interesse an irgendeiner wohltätigen Sache habe, dann »vürde er sich daran beteiligen. Der Zeuge stellt die Sache so dar, daß er das Inserat und die 200 M. an Sommer nur gegeben habe, um dieStaatsbürger-Ztg." freundlich zu stimmen. Der Vorsitzende macht den Zeugen auf zahlreiche Wider- jprüche zwischen seiner Aussage vor dem Untersuchungsrichter und seinen jetzigen Bekundungen ausinerksam, ebenso auf verschiedene von ihm behauptete Tatsachen, die schon zeitlich nicht stimmen könnten. Der Zeuge weist darauf hin, daß die Dinge, über die er befragt werde, schon weit zurückliegen und er in der Zwischenzeit viel durch- gemacht, seine Existenz verloren habe, längere Zeit in Amerika   ge- wesen sei usw. usw. Auf direkte Frage des Vor- sitzenden erklärt er. daß er bei seinen Verhand- lungen mit Sommer nie daS Gefühl gehabt habe, daß etwas von ihm erpreßt oder ob er bedroht werden sollte. Vors.: Da sagen Sie doch aber in vielen Punkten gerade das Gegenteil von Ihren Bekundungen vor dem Untersuchungsrichter. Die Verteidiger weisen auch ihrerseits auf verschiedene Widersprüche in den Aussagen dieses Zeugen hin. Journalist Rolf Sommer von derStaatsbürger-Zeitung" tritt der Sachdarstellung des Zeugen Novarra entgegen und weist die Unterstellung, daß es sich darum gehandelt habe, durch Zu- Weisung der Reklamenotiz dieStaatSbürger-Zeitung" zum Schweigen zu bringen, entschieden zurück, ebenso die Andeutung, daß er irgend- wie in bedrohlicher Weise den Novarra bewogen habe, die Reklame- notiz zu geben. Er habe seinerzeit noch nichts von irgendwelchen Versehlungen des Kommerzienrats Israel gewußt und es sei nicht richtig, daß Novarra zuerst in dieStaatsbürger-Zeitung" gekommen sei und mit ihm Rücksprache unter Hinweis auf die Ohmschen Er- presjerbriefe genommen habe. Im Gegenteil sei er, Zeuge, eines TageS in das Jsraelsche Geschäft gegangen und habe mit Novarra über etwaige In- seraten- Aufträge in seiner Eigenschaft als Akquisiteur gesprochen. Novarra habe ihm durch ständige Jnseratenauflräge in feste Aussicht gestellt und dann den Wunsch ausgesprochen, daß über die Agenda, in welcher eine Kronprinzenreise beschrieben wurde, eine empfehlende Reklamenotiz veröffentlicht wurde. Dies sei denn auch ge- schehen, nachdem er Bruhn die feste Versicherung ge- geben, daß ständige Inserate folgen würden. Bruhn habe diese Mitteilung skeptisch aufgefaßt und die Tatsachen haben ihm recht gegeben. Novarra habe ihm dann eines Tages ge- sagt, daß er Inserate nicht geben könne, er sei darüber sehr indigniert geivesen und da habe Novarra ihm gesagt, er wolle ihn in anderer Weise schadlos halten. Auf Novarras Anerbieten, einige Artikel für die Agenda zu schreiben, sei er eingegangen und habe solche geliefert: das verabredete Honorar in Höhe von 200 M. sei ihm ge- zahlt worden. Der Zeuge verwahrt sich nochmals entschieden da- gegen, daß er irgendeine unfaire Handlung in dieser ganzen An- gelegenheit begangen habe; es sei durchaus unwahr, daß bei all den Unterhandlungen mit Siovarra die Bedingung gestellt worden sei, daß nichts über die Affäre Israel   geschrieben werden solle. Nach diesem Ergebnis der Beweisaufnahme verzichtet die Ver- teidigung und der Staatsanwalt auf sämtliche zu diesem Fall vor- geladene Zeugen. ES wird sodann zur Erörterung des FallcS Jandorf geschritten. Der Angeklagte Wilh. Bruhn erklärt bei seiner Ver- nehmung hierüber folgendes: Eines Tages sei der Kaufmann Jacob« söhn, der sichJackson" nenne, zu ihm gekommen und habe ihn ge- fragt, ob er nicht ein Inserat desKaufhauses des Westens" an- nehmen würde. Er, Bruhn, habe dem I. sofort gesagt, daß ihm die Sache etwas sehr überraschend komme und er sich hierüber noch gar nicht entscheiden könne. Er habe jedoch gleich gesagt, daß er trotz eventueller Abnahme des Inserats seine Stellung zu den Waren- Häusern nach keiner Richtung hin ändern würde. Nach einiger Zeit habe er dann auch ein Inserat desKaufhauses deS Westens" gebracht. Bruhn fährt dann fort:Ich sage es hier ganz offen, daß man selbstverständlich eine gewisse Rücksicht aus Inserenten nimmt. Verschiedene große Zeitungen bestreiten dies aber heute. Das ist weiter nicht? als Humbug I Der Sach- verständige Kluge hat das hier in seiner offenen und ehrlichen Weise gesagt und so ist eS auch) man will es bloß nicht wahr haben. Wenn ich dem Jacobsohn versprochen hätte, nichts mehr gegen Jandors zu bringen, so müßte ich doch auch zu meinen Angestellten gesagt haben: Uebcr Jandorf wird nichts mehr gebracht. Tatsäch- lich ist dies aber nicht geschehen. Dem Herrn Jacobsohn kam es in erster Linie darauf an, eine Provision zu verdienen. Ein Schein von ihm ist bei den Akten, in dem er schreibt, ich solle ihm seine Provision gutschreiben. Jacobsohn handelt mit allem, mit Seife, Schokolade, Parfüms, Zigaretten Rechtöanw. Dr. Schwindt: Champagnerund Stiefelwichje.lHeiterkeit.) Wenn Jacobsohn gesagt hatte, das Inserat werde nur unter der Bedingung gegeben, daß nichts gegen die Warenhäuser geschrieben werde, so hätte er ihm die Tür gewiesen. Er weise auch daraus hin, daß Jacobsohn, wie sich aus einem Gerichtsbericht er- gebe, in dem bekannten Prozeß Echtermeher eine eigenartige Rolle gespielt habe, so daß von einer Seite tn dem Prozeß Echtermeyer die Bemerkung fiel: Herr Jacobsohn habe erst Sozius von Echter- meyer werden wollen. Angekl. Bruhn betont, daß Jacobsohn ihm ausdrücklich gesagt habe, er übernehme durch die Inserate keinerlei Verpflichtung seine Stellung gegenüber den Warenhäusern zu ändern. Das habe er auch nicht getan, wie ein Artikel mit der Ucberschrift König Schwindel" beweise. Staatsanwalt L e i s e r i n g: Wes- halb hielten Sie denn Jandorf für weniger gefährlich, als andere Warenhäuser, beispielsweise Wertheim  ? Angekl. Bruhn: Jandorf ist doch nicht zu vergleichen mit Wertheim  , der in der frequentesten Geschäftsstraße sein Warenhaus immer ausgebreiteter gestaltet hat. Werrheim hat es verstanden, die Animosität gegen die Warenhäuser, die seinerzeit all- gemein war, abzuschwächen. Früher wurden doch Wertheim  und Lubasch in einen Topf geworfen, Wertheim   hat sich nach und nach in das sogenannte bessere Publikum hineingebracht. Vermöge dieser Aktion, die er nach oben gemacht hat, ist eS ihm gelungen, daß sogar der Kaiser das Wertheimsche Warenhaus besucht hat. DaS hätte man seinerzeit nicht für möglich ge- halten und daS tut denen weh, die es nicht für begehrenswert halten, daß Tausende kleiner Geschäftsleute in ihrer Selbständigleit untergraben und sie zu unselbständigen Angestellten der großen Warenhäuser gemacht werden. Wertheim   hat eS verstanden, sich Anerkennung zu schaffen, er bat es also geschafft. Der Angekl. Paul Bruhn erklärt aus Befragen deS Rechts­anwalts Jul. Meyer, daß er lediglich die Inserate abgeholt und sonst nichts mit der Sache zu tun gehabt habe. Der Angekl. Weber stimmt den Angaben deS Angekl. Bruhn zu. Dieser habe auch ihn vor Annahme der Inserate des Jacob- söhn um seine Meinung befragt, er selbst habe ursprünglich einige Bedenken geltend gemacht, da aber immer wieder betont wurde, daß die Inserate auf den prinzipiellen Kampf gegen die Warenhäuser keinerlei Einfluß ausüben sollen, habe er ebenfalls zugestimmt. Angell. Wilh. Bruhn: Auch dieDeutsche Tageszeitimg" hat ftüher die Warenhäuser ebenso heftig angegriffen und bringt heute ebenfaus die Inserate der Warenhäuser. Das ist eben die Macht des Kapitals, die sich Bahn bricht und vor der sich auch die Presse beugt. Die Verhandlung wird hierauf auf heute OVa Uhr vertagt. WasserftaiidS-Nachrtchten der LandcSaustalt für Kewässertunde, mitgeteilt vom Berliner  Welterbureau. ZSajserltand M e m° l. Tilsit Bregel, Jnlterburg Weichsel, Thoru Oder, Natibor , Kronen , Franksurt Warthe, Zchrimm , LandSberg  Netze, Vorvainm Elbe, Leitineritz , Dresden  , Barbv . Magdeburg  ')+ bedeutet Wuchs, gall.) Unierpegel.