vehörden derartig ins Delirante zu steigern, daß die Ijeißersehnten Metzeleien unausbleiblich scheinen. Oder kann eS etwas Tolleres, Aberwitzigeres, Verbrecherischeres geben, als wenn die„Kreuz-Ztg." die Behörden, in erster Linie natürlich die Justiz« und Polizei- behörden sdie ja eine so außerordentliche EmpfSng- lichkeit dafür bewiesen haben!) über das Wesen der Sozialdemo« kratie nach der Phantafie eines Frankfurter Sudelblättchens folgender- maßen zu„informieren" sucht: „Ein Mitarbeiter dieses Blattes begab sich kürzlich, als schlichter Arbeiter verkleidet, gelegentlich der Offenbacher Stadt- berordnetenwahlen, die den Sieg der Sozialdemokratie herbei- geführt halten, nach Offenbach a. M. und setzte sich unter die Sozialdemokraten. In gehobener Siegesfreude saßen dort zahl- reiche Männer und Frauen beisammen und jubelten über den sozialdemokratischen Erfolg. Eine der Frauen sagte, in dem Glauben, daß nur Gesinnungsgenossen in der Nähe saßen:„No, jetzt sein mer bald so weit, daß mer kaa Steuern mehr zu zahle hawe. Mer hawe jetzt bald genug von unsere zu- sammegewählt."— Eine andere sagte mit zynischem Lächeln: ..Kinner, wenn mer erst emol so weit sein, daß mer demreiche Volk's Messer in de Wams steche könne, dun hun mer gewönne."— Eine dritte sagte:„Get ham, deß will ich gor nett. Mir genügts, wenn ich dem Kommcrzienrat K. seine uff- geblasene Döchter die seidene Fetze vom Leib runner reiße, unn en uffs Maul Hage derf, dene hochnäsige Frauenzimuier."— So in diesem Ton ging die Unterhaltung weiter. Es war ekelhaft zu hören, wie diese roten Genossinnen sich gegenseitig an Wildheit überboten. Ein langer, stämmiger Arbeiter erklärte zur Beruhi- giliig der Umsitzenden:„Kinner, deß sag ich euch, noch zwaa Wahle, unn mer kenne losschlage. Awer dann sag ich euch, nix wie druff. Es derf kan Staa(kein Stein) uff dem annern bleiwe." Wenn sich die Leser de? vornehmsten konservativen Blattes solch hirnverbranntes Zeug auftischen lassen, kann man sich freilich nicht darüber wundern, daß dadurch erweckte Wahnverstellungen sich auch in Köpfen von Staatsanwälten festzusetzen vermögen I Und während die„Kveuzzeitung" dergestalt die Sozial- demokratie als eine Horde stupider und gewalt- tätiger Individuen schildert, damit nur ja die Polizei in jedem Exzeß verwahrloster Burschen gleich die„rote Revolution" wittert und demgemäß durch unsinnige Machtentfaltung und pro- vozievende Karabinerparaden für Volksansammlungen sorgt, brüllt die„Deutsche Tageszeitung" tagtäglich nach rück- sichtslosem Draufgehen der Polizei. So auch wieder in ir; Donnerstagnummer. Das edle Organ der Januschauer prophe- zeit erst mit zynischer Gelassenheit den Großstädten auch für die Zukunft..Streikunruhen. Aufruhr und Land- friedensbruch, Vorübungen zur Revolution", um dann um so brünstiger nach„kraftvoller Entschiedenheit", nach„un- beugsamer Strenge" zu schreien. Und nicht nur gegenüber den „Zusammenrottungen".in den Städten, sondern auch gegen dir Proletarier auf dem platten Lande! Denn wie leicht könne auch auf dem Lande„der revolutionäre Funke zünden!" Schon beginne auch hier die Rechtssicherheit abzunehmen, schon verwirre auch hier der Geist der Auflehnung die Köpfe. Da aber die revolutionäre Gefahr auf dem Lande noch viel schlimmer sei als in den Städten, sei es nötig,„jede Ungesetzlichkeit, jeden Widerstand gegen die Staatsgewalt, jede» Spielen mit der Revolution mit unbeugsamer Strenge zu unterdrücken!" Nun, wi* werden dafür sorgen, daß die rührende Liebe der Junker zu ihAr Landarbeiterschaft überall gebührend bekannt wird! Die„kleinen Unregelmäßigkeiten". L Aus dem Ruhrbecken wird uns von bergmännischer Seite zum Bochumer Radbodprozeß geschrieben: Am Morgen des IL. November 190S ging die erschütternde Kunde in die Lande von dem größten Unglück. daS sich im deutschen Bergbau je ereignet hat. 340 Menschen waren in den Gängen von Radbod auf einen Schlag getötet, über dreißig verwundet, vielfach so schwer, daß der Tod sie nach wenigen Tagen von schweren Leiden erlöste. Eine ungeheure Erregung verbreitete sich unter den Bergleuten des rheinisch-west- fälischen Jndustriebezirks. Wie groß sie war. davon hat ja der Hohenzollernprinz Eitel Friedrich seinem Vater Mitteilung machen können. Bekannt ist. wie Monate hindurch das Massen- unglück Gegenstand eifriger und aufregender Diskussionen unter den Bergleuten, in der Presse und den Parlamenten war. In erster Linie wiederholte sich immer und immer wieder die Frage: Wie war es möglich, daß mit einem Schlage aus dem Radbodschacht ein einziges Leichen- und Trümmerfeld wurde? Der Schreiber dieses Artikels sollte noch am Unglückstage über die Ursachen der Katastrophe von den überlebenden Bergleuten der Zeche Radbod Aufklärung erhalten. Mehr als 60 alte, erfahrene Bergarbeiter setzten sich mit ihm am Nachmittag zu einer Besprechung zusammen. In wenigen Stun- den war man sich klar geworden, daß auf Radbod alle Grundbedingungen vorhanden waren, die zu dieser entsetzlichen und umfangreichen Kata- strophe führen mußten. Wo der Schlagwetterherd war und von wo aus die Explosion in der Grube ihren Anfang nahm, darüber herrscht bis heute noch Unklarheit. Das mag daher kommen, weil die Radbodzeche ein Wetter loch ist. Der Zeuge und Sachverständige des Klägers, der Bergmeister Hallender, hat das bestätigt:„Auf Rad- bod war eSüberall gefährlich!" Kein Wunder also, daß gewaltige Brüche(niedergegangene Strecken) und große Brandstellen sich nach der Katastrophe an vielen Stellen der Grube vorfanden. Da ist eS fast unmöglich, den Herd festzustellen. Doch um diesen Herd allein handelt es sich nicht bei Beur- teilung deS RadbodunglückS. Wer diesen Gedanken nach außen trägt, täuscht die Oeffentlichkeit. Wir haben alle Augenblicke Schlagwetterexplosionen im deutschen Bergbau zu verzeichnen. Und doch beschränken sich diese Explosionen meist auf ihren Herd. Nur verhältnismäßig wenige Bergarbeiter fallen ihnen daher zum Opfer. Wenn eine Explosion von folgenschwerer Wirkung ist, dann hat die Explosion neue Nahrung und Träger gesunden, die auf Radbod so stark gewesen sein mußten, daß die Explosion, die Wetter ströme und Wetterabteilungen durchbrechend, firb auf alle Reviere der Grube verteilte. Auf Radbod war eS eben üverall gefährlich! In jener Besprechung am Tage der Katastrophe stellten wir fest, daß große Schlagwetteransammlungen an den verschieden st en Stellen der Zeche vorhanden waren. Das Feuer griff von einer dieser Ansammlung zur anderen über, blitzschnell! Als Träger der Feuersäulen diente dann noch der Kohlenstaub, der auf Radbod sich in großen explosiv« fähigen Mengen mehr als genug vorfand. Um den Kohlenstaub explosionsunfähig zu machen, ist seit mehr als einem Jahrzehnt die Berieselung vorgeschrieben. Der Staub wird durch Wasser unschädlich gemacht. Diese Berieselung funktionierte auf Radbod nicht immer. Stundenlang und kurz vor dem Unglück, wenige Tage vorher, kam eine ganze Schicht und Enger noch überhaupt kein Wasser. Alles das wurde an» Unglücks- läge ick her Besprechung festgesiellk, unb bamik ivareN Lke Vorbedingungen für die Katastraphe erkannt. Das Gericht sprach in seiner Begründung von„kleinen Unregelmäßigkeiten", die«auf jeder Grube vor- kommen". Eine für die gesamte Bergarbeiter- schaft hoch st bedenkliche Feststellung des Gerichts? Denn diese„kleinen Unregelmäßigkeiten" führen zu Katastrophen und haben bisher Tausenden von Bergleuten das Leben gekostet. Und das wird so weitergehen, bis man diesen„kleinen Unregel- Mäßigkeiten" energisch zu Leibe rückt. Weiter wurde in der Besprechung festgestellt und jetzt an Ge- richtSstclle bestätigt, daß die Zeche Radbod als neues Werk eine er. staunlich schnelle und hohe Kohlenförderung ent- wickelte, daß auf diesem„Pütt" die Belegschaftsziffer rapide zunahm, ein Teil dieser Belegschaft aus Leuten be- stand, die bergfremd waren, mindestens nicht mit den Gefahren des Bergbaues vertraut waren. Wie fast auf allen neuen Werken, so war auch auf Radbod der BelegschaftSwechsel ein sehr großer, weit über den Durchschnitt des Wechsels auf den Gesamt- gruben deS Ruhrbeckens hinausgehend. Auch daS trug zur Er- höhung der Gefahren bei. Mit anderen Gruben gemein hatte Radbod die fürchter- liche Antreiberei und die schlimme Behandlung der Bergarbeiter. Die Bergarbeiter wurden mit Lohnreduktio- neu gequält: oft betrugen sie bis zu einem Viertel und mehr noch der Wagengedinge. Die Folge ist, daß die Bergarbeiter jedes menschliche Arbeiten aufgeben müssen. Sie fangen an zu wühlen, lassen dann vielfach die Sicherheitsmaßnahmen außer Auge, pfuschen sogenannte„Pferdeställe", d. h. Hohl- räume im Bergeversatz, zusammen. Das ist eines der wichtigsten Momente, das zur Erhöhung der Gefahren beiträgt. Wenn man die Frage stellt, was die Ursachen einer Katastrophe sind, ist die Angabe durchaus ungenügend, hier oder dort sind die Schlagwetter oder der Kohlenstaub entzündet worden. Damit ist die Frage näm- lich nur halb beantwortet. Man muß nach allen den„kleinen Unregelmäßigkeiten" fragen. Schlagwetteransamm- lung, Kohlen st aub, Berieselung, Wetterfüh- rung. BelegschaftSentwickelung. Arbeiterbe- Handlung und vor allen Dingen die Lohnfrage müssen zur Beurteilung der Ursachen einer Ka- tastrophe geprüft werden. Mit der bloßen Feststellung, hier und da haben sich die Wetter entzündet, ist nichts gesagt. Das Bochumer Landgericht hat einzelne der genannten Unfall- Ursachen berücksichtigt, andere nicht. In seinem Urteil hat eS die Lohnfrage mit Absicht völlig außer Betracht gelassen. Damit aber hat das Gericht gezeigt, daß es nicht weiß, wie die Bergarbeiter gerade über die Lohnfrage in ihrem Zusammenhang mit der Un- fallfrage denken. Wir machen dem Gericht keinen Vorwurf, wenn eS nebensächliche Momente für wichtiger hielt zur Beurteilung der Unfallsursachen. Wir konstatieren nur, daß die Bergarbeiter anderer Meinung sind. Seit Menschengedenken hat sich hier die Ueberzeugung fcstgenistet, daß die meisten Unfälle im Bergkau ver- hütet werden, wenn eine-vernünftige Regelung der Lohnfrage statt- findet. Die heutigen Lohnverhältnisse treiben die Bergarbeiter massenhaft in den Tod! Unfall- fragen und Lohnfragen lassen sich darum nicht trennen. Zu den Mißständen gehört dann schließlich auch die Gruben- a u f s i ch t, wie sie von der Grubenverwaltung und den Beamten ausgeübt wird. Und nicht zu vergessen, die Grubenaufsicht durch die Bergbehörde! Mit Erstaunen vernahmen wir vor Gericht, daß z. B. Steiger auf Radbod nicht einmal daS Wetterbuch kannten! Und selbst Direktor Andrer, der Nebenkläger und Leiter der Grube Radbod, kannte die gesetz- lichen Bestimmungen über die Eintragungen von Schlagwettern in die Wetterbücher nicht! Herr Berginspektor Hallender vom Bergrevieramt Hamm hatte die gefährlichen und vielfach konstanten Wetteransammlungen nicht bemerkt. Daß Radbod ein Wetterloch und gefährlich war, hat er ja zugegeben, aber wo die gefährlichen Stellen waren, dahin ist er nicht gekommen. Bis auf ganz ge- ringe Kleinigkeiten hat er„alles in bester Ordnung" ge- funden, was er bekanntlich auch dem Geheimen Oberbergrat Meißner aus dem Ministerium noch am Tage der Katastrophe gesagt hat. Wunderbarl Wenn„alles m bester Ordnung" ist, passieren die schrecklichsten Unglücksfälle! Es war höchste Zeit, daß die Sicherheitsmänner kamen. Während sich vor Gericht die Beamten bemühten, die gefährlichen Wetteransammlungen abzu- streiten, fand ein organisierter SicherheitS» mann erneut einen großen Hohlraum mit einer großen Menge angesammelter Schlagwetteriii Also noch heute dieselben schlimmen Gefahrenquellen, wie vor der Katastrophe! Der Prozeß hat gezeigt, daß die„Bergarbeiter-Zeitung", die die Ergebnisse der Besprechung am Unglückstage sofort veröfsent» lichte, über die vorhandenen Mißstände und Gefahrenquellen vor dem Unglück gut orientiert war. Aus den Verhandlungen deS Prozesses hat sich ergeben, daß das Organ des Bergarbeiterverbandes eher zu wenig als zu viel über die Mißstände und Gefahren- quellen geschrieben hat. Vielleicht war das der Grubenverwaltung der Zeche Radbod bekannt. Wegen Aufdeckung dieser Mißstände wurde nicht Klage erhoben, man versuchte auf Umwegen mit einem Prozeß an die„Bergarbeiter-Zeitung" heranzukommen. Darüber im zweiten Artikel. m Gegen das Urteil im Radbodprozeß ist tstevifiog an� gemeldet worden._ politische OcbcrHcht. Berlin , den 3. November ILIO. Der Reichshaushaltsetat für Ivtt. Der Regierung liegt allem Anschein nach außerordentlich viel daran, den Eindruck zu erwecken, als sei der neue Reichs- haushaltsetat für das Finanzjahr 1911/12 mit dem Bestreben aufgestellt, möglichst bei allen Posten zu sparen. Wie die „Köln . Ztg." zu melden weiß, sollen von den Forderungen der einzelnen Ressorts durch das Reichsschatzamt nicht weniger als 100 Millionen Mark gestrichen worden sein, ungefähr 50 Millionen bei den ordentlichen und 60 Millionen bei den außerordentlichen Ausgaben.. In diese Abzüge teilen sich, so erfährt das Kölner Blatt, sämtliche Ressorts, und auch Heer und Marine sind mit ihnen bedacht worden. Auf die Gestal- tung der Anleihe hat die durch das Finanzgesetz von 1909 vcrgesehene Schuldentilgung günstig eingewirkt. Für sie sollen nach dem Etatsgesetz 60 Millionen mchr als im Vorjahr auf- gelvandt»verden. Bei den Etats war als leitender Grundsatz für daö Ordinarium aufgestellt worden, daß man aus Ersparnisrücksichten keine neuen Beamtenstellen schaffen, keine Neubauten vornehmen und keine kostspieligen neuen organi- satorischen Maßnahmen genehmigen dürfe. Ausnahmen sollten nur. in wirkliche,»„Notfällen" statthaft lein« Dement- sßre�en? ftn!) z. A Ect 5en Ren?sessen?a?nM irsae Tkek» len für mittlere und Unterbeamte geschaffen und eine Aufbesserung der Arbeiterlöhne vor. gesehen worden. Ebenso konnten sehr erhebliche Auflvendun- gen für einen ausreichenden Gütemagenpark nicht vermieden werden, da den Anforderungen des Verkehrs unter allen Um- ständen nachgekommen werden mußte. Ferner sind im Bereich des Auswärtigen Amts dadurch Mehrforderungen entstanden. daß wie alljährlich die Zahl der Berufskonsulate vermehrt wurde. Dagegen soll der Reichszuschuß zu den Ausgaben der Kolonien weit geringer angesetzt sein, während für das Heer und die Flotte natürlich, wie gewöhnlich, Mehrforderungen verlangt werden. Die«Köln . Ztg." begründet diese höheren Etatsansätze folgendermaßen: Bei der Heeresverwaltung »varen für Verstärkungen und sonstige militärische Einrich- tungen auf fünf Jahre feste Ausgaben bewilligt worden, Naturgemäß waren diese im ersten Jahre minder erheblich, und es stiegen dann die Raten mit jedem Jahre in dem Maße, wie die betreffenden Organisationen zur Vollendung gebracht waren. Wenn nach Beendigung des fünfjährigen Abschnittes ein Beharrungszustcmd eingetreten sein wird, werden sie sich abermals als höher herausstellen als bei der jetzt fälligen Rate. Auch bei dem Ordinarnim der Marine ist,»vobei die allgemeine Teuerung aller Verhältnisse in erster Linie maßgebend ge- Wesen sein dürfte, eine Verminderung der Aus- gaben nicht zu erreichen gewesen, vielmehr dürftensiesichumeinigeMillionenerhöhen. NationaMberal-frcisinnige Wahlkoalitione»». Obwohl in nationalliberalen Kreisen wenig Neigung vorhanden ist, sich im nächsten Reichstagswahlkampfe mit den Fortschrittlern zusammen zu spannen, dürste eS doch in einzelnen Landesteilen zwischen Rationalliberalen und Fonschrittlern zu einem gemein- samen Borgehen bei den nächsten ReichstagSwahlen kommen. Nach« dem in W ü r t t e m b e r g die Verhandlungen bis zum fonuellen Abschluß gediehen sind, ist jetzt auch über die ReichStagSwahlkreise in Kurhessen, soweit fie zurzeit von den Antisemiten vertreten werden, eine Verständiguag erzielt worden. Auch zwischen der vollspartei und den Nationalliberalen des Nheinlandes werden demnächst Verhandlungen zwecks Einigung über die rheinischen Wahlkreise stattfinden. In Hannover und Thüringen sind bekanntlich die Einignngsversuche gescheitert, ebenso in Westfalen . Dort haben die Narionalliberalen bei der Suche nach Bundesgenossen die Konservativen den Fortschrittlern vorgezogen. Sie wollen im ReichStagSwahlkreise Bielefeld-Wiedenbrück den Kon- servativen helfen, während in Halle-Herford die Konservativen den nationalliberalen Kandidaten unterstützen sollen. Berdallhornungsarbeit der Justizkommisfioa. In erster Lesung der Strafprozeßordnung wurde in einem neuen§ ISö» bestimmt, ein sogenanntes Zwischenverfahren einzuführen, das heißt, eine vor der Hauptverl>andlung erfolgende Beweiserhebung oder Fortsetzung der Voruntersuchung auf An- trag des Angeklagten stattfinden zu lassen. T« das der Regierung zu weit ging, beantragten die Nationalliberalen die Streichung des 8 19Sa. Die Regierungsvorlage sah das Zwischen- verfahren nur für Strafkammersachen vor, während sie die Kom- Mission auch aus das Amtsgerichts verfahren ausdehnte. DaS war um so nötiger, als durch den§ 23,2 des Gerichts- Verfassungsgesetzes eine Reihe Sachen, die zur Zuständigkeit der Strafkammer gehörten, nach dem Ermessen das Staatsanwalts dem Amtsgericht zugewiesen werden können, wenn voraussichtlich die Strafe nicht höher als sechs Monate Gefängnis sein würde. In der Donnerstag- Sitzung st r i ch auch hier wieder die Kommission mit 15 gegen 13 Stimmen das, was sie in erster Lesung beschlossen hatte. Selbst ein Vermittelungsantrag Gröber, zumindest in den durch das Ermessen der Staatsanwaltschaft dem Amtsgericht zugewiesenen Strafkammerdelikten ein Zwischen- verfahren Platz greifen zu lassen, wurde abgelehnt! Für diese Verschlechterung stimmten geschlossen mit den National- liberalen und Konservativen auch wieder die Freisinnigen! Ebenso half beim 8 201 der süddeutsche Abg. Storz die Vorrechte der Staatsanwaltschaft stärken, indem er mit den Nationalibcralen und Konservativen dafür stimmte, daß nur der Staatsanwalt gegen den Beschluß des Gerichts, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen, Beschwerde erheben kann. Da- gegen stimmten die Freisinnigen mit den übrigen bürgerlichen Ab- geordneten einen Antrag unserer Genossen zum 8 208 nieder, der in den Fällen, in denen bei Heber« tretungen der Arbeiterschutzbestimmungen das Hauptverfahren nicht eröffnet wird, auch den Gewerbe» aufsichtsbeamten und den Mitgliedern der Ar- beiterorganisationen das Recht der Beschwerde geben sollte! Nur einmal schwangen sich die Freisinnigen zu dem riesigen Antrag auf(§ 222), der Staatsanwalt sollte nebst dem Ver» teidiger abseits vom Richtertisch sitzen. Mit Heiter- keit nahm die Kommission den Antrag entgegen und lehnte ihn ab. Die Beratung über Aufhebung einer der schlimmsten im Entwurf enthaltenen Verschlechterungen. Beseitigung des Anspruchs auf Abhörung aller gestellten Zeuge« und SachvcrstLndigea, wurde nach längerer Diskussion abgebrochen. Die Einberufung des preußischen Landtages. Der preußische Landtag soll am 10. Januar 1911 seine Tätigkeit wieder aufnehmen. Neben dem Etat wird er sich vornehmlich mit der ostpreußjschen Wegeordnung, mit der rheinischen Landgemeindeordnung, später mit dem Wasser- gesetz lind mit dem Gesetz zur Neuregelung der Steuer- Verhältnisse zu beschäftigen haben. Die angebliche Kandidatur des GeheimratS Riefser. Liberale Blätter wußten kürzlich zu melden, daß der Präsident deS Hansabundes, Geheimrat Riesser, im 12. hannoverschen Wahlkreise(Göttingen -Duderstadt ) als nationalliberaler Reichstags» kandidat ausgestellt worden sei. Die Meldung ist unrichtig; die Nationalliberalen Güttingens haben sich überhaupt noch nicht näher mit der Aufstellung eines ReichStagslandidaten für die nächste ReichStagswahl beschäftigt. Zudem würde den Hansabund-Präfidenten mit einer Auf- stellung in diesem Kreise kaum gedient sein; denn der 12. hannoversch« ReichstagStagSivahlkreiS ist bislang erst ein einziges Mal im Besitze der nationalliberalen Partei gewesen— bei den SeptennatS- wählen im Jahre 1887. Bei den folgenden allgemeinen Wahlen eroberte der alte Abgeordnete, der deutsch -hannoversche Zentrums- Hospitant Götz v. Olenhusen, daS Mandat zurück und behauptete eS bis heute, auch bei den ReichStagSauflösungen im Jahre 18S3 und 1007. Bei den Blockwahlen standen die Nationalliberalen zwar mit &L07 Stimmen an der Spitze, da die Deutfchchannoveran« nur
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