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Ur. 164.

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t, wöchentlich 28 Pfg. fret in's paus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Poft- Abonnement: 3,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Defterreich Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingers. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1893 unter Nr. 6708.

Vorwärts

10. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Betitzeile oder deren Raum 10 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in be: Grpedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 1hr Abends, an Sonn­und Fefttagen bis 9 Uhr Vors mittags geöffnet. Fernsprecher: Amt I, 4186. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin Berliner  

Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Sonnabend, den 15. Juli 1893.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Bürgerliche Takaien.hrliche Ueberzeugung hat Bismarch bekanntlich niemals sämmtlich ins Mauſeloch und willfahrten dem brutalen

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oder auch nur geduldet. Andere zu überzeugen Anfinnen Bismarcks. Die Gesinnungslosigkeit wurde seit­

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Politische Meberlicht.

Berlin  , den 14. Juli.

Ein famoses Stück Zeitgeschichte hat sich letzter Tage war ihm auch nicht gegeben. Und so antwortete er denn dem von ihnen zum Prinzip erhoben sie wären ja einmal wieder dort abgespielt, wo die alte Raketenkiste, der auf die loyalen Vorstellungen der Handelskammern in sonst keine bürgerlichen Vertretungen. So lange Bismarck  zur Ruhe gesetzte alte Reichskanzler in ohnmächtigem Grimme seiner Weise. Er versuchte einfach eine Brutalisirung am Ruder war, machten sie in der Mehrzahl die Schutz­rumort. Eine Anzahl Sekretäre deutscher Handelskammern, der Handesvertretungen durch die kleinlichsten Chikanen. zollpolitik mindestens stillschweigend mit, als unter Caprivi alte und junge, waren nach Friedrichsruhe gewallt, und das Die Handelskammern sollten fünftig am Schlusse der Wind etwas umschlug, machten sie wieder in gemäßigter Bismarckorgan in Hamburg   bringt von dem Empfang der jedes Bierteljahres ihre Protokolle abschriftlich beim Handelsvertrags- Politit. Es geht ihnen wie Schmock in Herren gerade so viel an hervorragender Stelle, als für Minister, also bei ihm einreichen; fie sollten den Journalisten": sie schreiben rechts, sie sch reiben links, die Zwecke Bismarcks nöthig ist: nämlich die Rede des ihre Verhandlungen überall öffentlich führen, natürlich wie's verlangt wird. Und ihre Sekretäre sind natürlich die schwabhaften Greises, in der ein blühender Unsinn über nicht nur des demokratischen Charakters dieser Deffentlich vollkommensten Abbilder dieses streberhaften Lakaienthums. das Verhältniß von Handel und Gewerbe verzapft teit willen, sondern damit agrarisch schutzöllnerische Agi- Aus mittellosen Studenten der Volkswirthschaft verwandeln wird und in der neben der Großmutterweisheit von der tationen sofort gegen jeden freihändlerischen Beschluß einer sie sich gar schnell im sicheren Aemtchen zu gewerbsmäßigen Nothwendigkeit der Millionäre wegen des Geldes, das sie Handelskammer einsehen konnten; ihre Jahresberichte end- Klopffechtern des Kapitalismus, die ihrem Präsidenten" unter die Leute bringen", die blöde Feindschaft des lich sollten vier Wochen vor der Veröffentlichung zur Zensur nicht selten seine nationalliberalen Wahlreden verfassen. pensionirten Reichskanzlers zur rührenden Geltung kommt, mit beim Handelsminister eingereicht und nur mit dessen Zu- Kein Wunder, daß sie sich zu Demjenigen hingezogen fühlten, welcher er die Fürsorge der Regierung für die Arbeiter" ver- fäßen oder Berichtigungen gedruckt werden. Für den Fall der es immer verstanden hat, diejenige Politik zu treiben, folgt, soweit sie ihn( den Arbeiter) daran hindert, sich und der Nichtbefolgung dieser Vorschriften aber ließ Bismarck   die seinem persönlichen Vortheile am meisten zusagte. Wenn seine Kinder zu beschäftigen". Das Verbot der Beschäf- in der Sigung des preußischen Abgeordnetenhauses vom unsere Genossen künftig einem Herrn Handelskammer­tigung dreizehnjähriger Kinder in der Gewerbenovelle hätten 7. März 1882 durch den Mund eines seiner ergebenen Sekretär in der Bewegung gegenübertreten, so mögen sie wir freilich unter Bismarck   niemals bekommen; daß es Unterstaatssekretäre einfach Auflösung der Handels- ihm diesen Spiegel vorhalten. Es ist übrigens der Spiegel, aber nach ihm gekommen ist, fuchst den wetterfesten Schirm- kammern", also Krieg bis aufs Messer in Aussicht der für gesammte die bürgerliche Welt paßt. herrn des Kapitalismus noch heute. Doch alles dies nur ſtellen. Da regnete es von Schmähungen gegen die nebenbei. Das Interessanteste an diesem neuesten Besuch Handelskammern, die sich von der ihnen obliegenden im Sachsenwalde ist nämlich für uns die Thatsache, daß Pflicht lossagten", die ihrem Berufe ungetreu" wurden, hier wieder einmal eine Sorte bürgerlicher und die guten Bürger hatten doch weiter nichts gethan, Sateressenvertreter gerade. Dor dem als Dasjenige, wozu sie ja eingesetzt waren: ihre Ansichten jenigen Manne im Staube kriecht, der sie und Gutachten über handelspolitische Dinge abgegeben. einst amrücksichtslosesten brutalisirt hat; daß Wenn die Handelskammern immer nur das Echo von Dent­die rückgratlosen Delegirten öffentlicher Körperschaften, welche jenigen fein sollen, was von oben verkündet wird, dann Aus dem Neichstage. Die namentliche Abstimmung sich stets als die stolzesten Vertretungen der brauchen sie überhaupt nicht zu existiren. So führte auch über den Antrag Carolath   ergab dessen Ablehnung mit Unabhängigkeit und Selbständigkeit bür- damals die Handelskammer Bromberg   ganz richtig aus: 274 gegen 105 Stimmen. gerlicher Erwerbsthätigkeit aufspielen, na ches ist erforderlich, daß wir in unseren Berichten, Anträgen Der weitere Verlauf der Verhandlung brachte zunächst träglich noch die Hand küssen, die sie einst und Gutachten unserer freien Ueberzeugung folgen, daß eine kleine Plänkelei zwischen dem Zentrums- Abgeordneten so empfindlich gezüchtigt hat. neben derselben keine andere Anschauung und Üleber Gröber und dem Militärbevollmächtigten Major Wachs. Noch niemand hat nämlich die Handeskammern, deren zeugung darin Platz finde, daß namentlich nicht die etwa Allgemeines Interesse wurde rege, als der Präsident Vertreter soeben in Friedrichsruhe vor dem Nationalgößen abweichenden Anschauungen und Ueberzeugungen der das Wort zu§ 1 des Artikel II der Vorlage dem Grafen im Staube lagen, seit ihrem Bestehen so verächtlich und Staatsbehörden Aufnahme finden... unser Gutachten Herbert Bismarck   ertheilte. Graf Bismarck   hat früher dem gewaltthätig behandelt, als gerade Bismarck  . Wir möchten kann keiner Zensur der Behörde unterliegen." Hause schon angehört, weder damals aber noch als gewesener Samit die Erinnerung an jenen Erlaß von Ende 1881 Jn Görlig protestirte eine Versammlung von Kaufleuten Staatssekretär hat er sich so hervor gethan, daß damit die wieder auffrischen, den der damalige Reichskanzler den und Industriellen für die Freiheit der Entschließungen" Aufregung erklärt werden könnte, die heute das Auftreten preußischen Handelskammern ins Gesicht schleuderte. Noch der Handelskammer gegen die Bismarck  'sche Brutalität, aus des Herrn Grafen im Hause thatsächlich hervorrief. Man niemals seit ihrem Bestehen hatten die zahmen und loyalen Köln   fam eine Protestschrift von betheiligter Seite, in der hoffte aus dem Sohne den Vater zu hören und das erklärt Handelskammern, in denen ja bekanntlich hauptsächlich nur es hieß: Der Minister ist kein Lehrmeister und die alles. fürsichtige Kommerzienräthe ſizen, irgend einen Konflikt mit Handelskammer gehört nicht zur Schuljugend." Die ges Zu hören bekam man freilich nur eine schlechte Wieder­der Regierung gehabt. Bismarck   blieb es vorbehalten, fammte bürgerliche Bresse, mit Ausnahme der offiziösen gabe von Artikeln die seit Monaten bereits in den Ham­einen solchen in den rohesten Formen zu provoziren. Ein natürlich, stellte sich auf die Seite der Vergewaltigten. burger Nachrichten" gestanden haben. Zwar hat der Herr Theil der Handelskammern hatte die zollpolitische Und jetzt haben die alten und jungen Vertreter der Graf als Redner sich gegen früher gebessert, wenigstens Schwenkung vom Freihandel zur Schutzzollpolitik Ende selben Handelskammer eine Extrahuldigungsfahrt zu dem sagte er sein Sprüchlein, das er vom Vater mit der 70er Jahre nicht mitgemacht. Die Berichte und selben Manne unternommen, der sie einst mit Ruthen bekommen hat, ganz glatt her. Selbst die zahlreichen Zus  Verhandlungen dieser Kammern redeten stellenweise, aber züchtigte! Das ist ein herrliches Zeichen rufe Zur Sache" aus dem Hause brachten den Herrn immer in höchst devoter Form, noch dem Freihandel das bürgerlicher Charakterlosigkeit, über das Grafen nicht aus dem Konzept, sehr zum Unterschied von Wort, als Bismarck   den Schutz der nationalen Arbeit" wir uns nur freuen können. Es ist freilich nur ein Glied Herrn Bürklin, der gerade das Präsidium führte, sich der längst als die Parole ausgegeben hatte, an der man in einer langen Reihe gleich blamabler Erscheinungen. Die Situation aber nicht im geringsten gewachsen zeigte. Reichsfreunde" von Reichsfeinden Reichsfeinden" unterschied. Eine Handelskammern krochen schon im Laufe der achtziger Jahre Daß die Jungfernrede Breitfeiten gegen Caprivi brachte,

Feuilleton.

Macbrua verboten.)

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...

bitte Sie um Verzeihung, Fräulein. Man kann sich ja die dem Wortgefechte der beiden Mädchen unruhig gefolgt gar nicht vorstellen, wie manche Leute leben. Wenn ich war, lebhaft, ich weiß nicht, was Sie heute haben. Sie zum Beispiel die Stuben fegen, Schuhe puzen, Ge- sagen nichts als ungehörige Dinge!" schirr abwaschen müßte, wie Sie es sicher thun, dann, Ich?" erwiderte sie erstaunt. Ist denn Fräulein nicht muß ich Ihnen zu meiner Schande gestehen, wäre ich sehr Sozialistin? Sind in ihren Augen nicht alle Arten, sich

Die Bekehrung André Savenay's. unglücklich. Ich würde immer fürchten, mir die Hände zu durch's Leben zu schlagen, gleich? Ist eine Kammerzofe

Sozialistischer Roman

von Georges Renard.

Autorisirte Uebersetzung von Marie Kunert  . Johanna runzelte die Stirn; aber sie blieb ruhig und lächelte nur spöttisch über die Nadelstiche, die Miß May ihr beizubringen suchte. Frau Savenay   war durch das Benehmen der Engländerin unangenehm berührt und ver­suchte ihr durch einen strengen Blick Einhalt zu gebieten. Diese hatte jedoch keine Lust, den Blick zu verstehen und fuhr in demselben geheuchelt mitleidigen Ton fort, welcher der Gipfel weiblicher Grausamkeit ist:

Jch, die ich das Meer so sehr liebe und die Berge und die Musik, die uns in süße Träume einlullt, und das Pferd, das uns im Galopp davonträgt, das berauschende Gefühl, wenn uns der Wind dann das Gesicht peitscht! Ich bewundere es, wie man dies alles entbehren kann. Ich be­dauere Sie von ganzem Herzen, Fräulein!"

Und ich bewundere Ihre Großmuth, mein Fräulein," erwiderte Johanna ironisch. Aber ich bitte Sie, zügeln Sie Ihr edles Herz etwas. Wenden Sie Ihr Mitleid andern Ich weiß wahrhaftig nichts damit anzufangen. Ich bin durchaus nicht unglücklich."

zu.

verderben."

Aber, liebes Kind, ich habe mehr als einmal meine Wirthschaft selbst besorgt," sagte Frau Savenay  , die hier eine kleine Lüge für nöthig hielt, und meine Hände sind noch ebenso weiß wie die Ihrigen, fast ebenso wie die des Fräuleins, das doch Malerin ist, nicht wahr?" Ein wenig!" antwortete Johanna. Ich male nur Teller und Fächer."

"

" In welchem Atelier haben Sie Ihre Studien macht?" fragte Miß May.

ge­

In einem Atelier? Q! das wäre zu theuer gewesen. Ich habe einige Abendkurse besucht, das ist alles."

" Und Sie verkaufen Ihre Fächer? Ich würde Ihnen gern einen abkaufen. Ich bezahle Ihnen, was Sie verlangen. Hundert Franks, wäre das genug?"

" Das ist zu viel. Ich habe noch nie Almosen an­genommen," erwiderte Johanna trocken.

O, ich wollte Sie nicht verletzen. Aber was sollen die Reichen thun, wenn Sie ihnen das Vergnügen nehmen wollen, den Armen zu geben?"

" Sie sollen ihnen ihr Recht geben. Wir verlangen nichts weiter, als von unserer Arbeit zu leben."

André lächelte, und Miß May biß sich auf die Lippen. Sie antwortete mit falscher Sanftmuth:

3ofe

Mein Gott, ich meinte es nur gut mit Ihnen. Ich

Aber Sie müssen doch sehr wenig verdienen?" " Ungefähr sechzig Frants im Monat." " Welch' ein Elend! Da würden Sie als meine Kammer­mehr verdienen

" In der That, Miß May," sagte hier Frau Savenay  ,

nicht ihrer Herrin völlig gleich?" Wieso nicht?" fagte André kalt. Renne ich doch feine Damen, die ihren Kammerfrauen nicht einmal das Wasser reichen!"

Johanna erröthete, während Miß May blaß wurde. Für einige Augenblicke entstand Schweigen unter der kleinen Gruppe. Erst die fröhliche Stimme Magdalene's unter­brach es:

Sieh doch, fieh doch nur, Mütterchen!" rief sie und erschien strahlend, triumphirend in der Thür des Salons, eine prächtige Puppe respektvoll auf dem Arme tragend. Sie eilte auf André zu:

Es ist schön bei Dir, Freund André!" sagte sie, und man hörte es dem Ton ihrer Stimme an, daß sie fast ebenso viel Respekt vor ihm hatte, wie vor ihrer Puppe. Miß May hatte sich schmollend an das Klavier zurück­gezogen, wo sie sehr eifrig in einer neuen Partitur zu blättern schien. Johanna dankte Germaine und erhob sich zum Gehen. Frau Savenay   hatte ihren Wagen anspannen laffen. Sie wollte absolut, daß das junge Mädchen mit Magdalene einsteigen sollte. André, der sie bis zum Wagen geleitete, sagte noch zu Johanna:

" Ich bitte Sie um Verzeihung, Fräulein, wegen der Ungezogenheit von Miß May. Sie ist ein verzogenes Kind. und Ausländerin obendrein. Sie weiß wirklich nicht immer, was sie spricht. Glücklicherweise wissen Sie sich gut zu vers theidigen."