it.264. N.?chMg. i.§t\k§t öfB„pprinirtö" Pplliölilßtt. Die Moabiter Vorgänge vor Bericht. Gestem nahm der umfangreiche Prozeß aus Anlaß der Moabiter Vorgänge semen Anfang vor der dritten Strafkammer des Landgericht« L Schon ungewöhnliche äußere Maßregeln deuten auf ein besonderes Ereignis hin. Der Hanpteingang des Ge- bäudeS ist durch einen Schutzmannsposten besetzt. Im Verhandlungssaale— es ist der Schwurgerichtssnal des Landgerichts III— sind vier mit Säbel und Pistole bewaffnete Schutzleute aufgestellt, und zwar zwei neben der Eingangstlir und zwei neben den Plätzen der Angeklagten. An der Eingangslür des Zuhörerraumes ist ebenfalls ein Schutz- mann postiert, dem sich von Zeit zu Zeit ein Polizei- l e u t n a n t zugesellt. Der Zuhörerraum ist dicht gefüllt. Die Presie ist ungewöhnlich zahlreich vertreten. Einen besonderen Platz hat ein vom Polizeipräsidium entsandter Stenograph. Auch von dem kriminalistischen Seminar des Professors Liszt sind zwei Vertreter anwesend, um den Verhandlungen zu folgen. Die Prozeßbeteiligten. Die Anklagebank bietet nicht Raum genug für alle An- geklagten, deren Namen wir bereits gestern mitteilten. Ein Teil der Angeklagten mutz auf den Geschworenenbänken Platz nehmen. Eine Anzahl der Angeklagten werden aus der Untersuchungshaft vor- geführt. Die meisten der 35 Angeklagten werden verteidigt durch die Rechtsanwälte Wolfgang Heine , Dr. Heinemann, Dr. Oskar Cohn, Dr. Kurt Rosen- feld, Theodor Liebknecht und Kurt Rosenberg. Rechtsanwalt Bahn verteidigt einen der Angeklagten und zwar den einzigen, der wirklich schwer belastet ist. Er steht unter der Anklage, einen Messerangriff auf einen Schutzmann unternommen zu haben. Die Rechtsanwälte Coßmann, Ulrich und Blau haben je einen der Angeklagten zu verteidigen. Den Vorsitz im Gerichtshofe führt Landgerichtsdirektor Lieber. Die Anklage vertreten Er st er Staatsanwalt Steinbrxcht und Staatsanwalt Stelzner. Einstweilen ist erst ein Teil der Zeugen geladen. Unter diesen befinden fich Polizeimajor Klein, die Polizeileutnants Folte, Götze, Titzmar und Kriminalkommissar Kuhn, ferner Geschäftsführer Busch- meier von der Firma Kupfer u. Co., die Angestellten des Deutschen Transportarbeiterverbandes Werner und Nitsche, sowie unsere Ge- nassen Ebert(vom Parteivorstand), Körsten und Ströbel. Sämtliche für heute geladene Zeugen werden wieder entlassen mit dem Bemerken, daß sie sich für Donnerstag beziehungsweise Freitag bereit zu halten haben. Anträge, vor dem zuständigen Richter zu verhandeln. Nachdem der Vorsitzende die Personalien sämt- licher Angeklagten festgestellt hatte, nahm Rechtsanwalt Dr. Heinemann das Wort zu einem Antrage. Er beantragte, alle Anklagen, welche nach dem Geschäftsplan nicht vor die dritte Strafkammer gehören, abzutrennen von denen, für welche die dritte Strafkammer zuständig ist und nur über diese Fälle zu verhandeln. Zur Begründung des Antrages sagte der Verteidiger unter anderem: Das Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt. Da« Gesetz stehe auf dem Standpunkt, daß in der Regel jede Sache für sich behandelt werden müsse und daß eine Zusammen- legung mehrerer Sachen die Verteidigung und damit die Interessen der Angeklagten beeinträchtige. Bon dem Grundsatz, gegen jeden Angeklagten gesondert zu verhandeln, kenne das Gesetz nur zwei Ausnahmen und zwar: Wenn ein Angeklagter mehrere Straftaten begangen habe oder wenn an einer Straftat mehrere Angeklagten beteiligt find. Das ist hier nicht der Fall. Darauf habe sich auch der ZusammenlegungSbefchluß nicht berufen, sondern er stütze sich darauf, daß ein Zusammenhang der Straftaten bestehe. Die Verteidigung stehe auf dem Standpunkt, daß ein Zusammenhang hier nicht gegeben sei. Doch bei diesem Punkt sei dem Ermessen de» Gerichts ein weiter Spielraum gegeben. Einen Punkt aber gebe es, über den das Gericht nicht nach freiem Ermessen zu entscheiden habe. Nach Z 236 der Strafprozeßordnung könne das Gericht die Zusammenlegung beschließen, wenn ein Zu- sammenhang einzelner Sachen besteht. Es frage fich nun, was ver- stehe K 236 unter„Gericht". Alle Kommentatoren feien darüber kleines feuilleton. Eskimoberichte über die Nordpolentdeckung. Von dem Grön- landforscher Knud R a s m u s s e n ist in Kopenhagen ein Bericht eingetroffen, den der eingeborene� grönländische Pfarrer Gustav Olsen von den Eskimos Utukusuk und Apilak, den Begleitern Cooks auf seiner angeblichen Nordpolfahrt, erhalten hat. In diesem heißt es: Im Februar verließen wir mit acht Schlitten Anoritok und erreichten Ellesmereland nach vier Tagen. Nach achtzehntägiger Reise verließen uns unsere Begleiter bei etwa 2% Meilen Abstand vom Lande. Als uns die Hilfsmittel aus- gingen, machten wir nur sehr kurze Tagesrcisen auf ausgezeich- netem Eise. Eines Tages nahm Cook Sonneirobservationen mit einem Instrument vor, das er nur in der Hand hielt. Darauf kehrten wir zum Lairde zurück. Vorher ließen wir massenhaft getrocknetes Fleisch zurück, wovon wir fast nichts gebraucht hatten. Eines Tages nahe dem Lande zeichnete Cook eine Karte. Apilak fragte, wessen Route zeichnest Du? Cook antwortete: Rheine eigene. Das war eine Lüge. Die Route war weit über das Meer gelegt, wo wir nie gewesen sind. Wir folgten dem Lande am Kap Sparbo vorbei, wo wir Vorbereitungen zum Ueberwintern trafen. Beim Wiedererscheinen der Sonne begann die Heimreise. Cook, der während der Reise gute Belohnung versprochen hatte, betrog uns bei der Heimkehr. Rasmussen fügt hinzu: Die Eskimo - aussagen find durchaus glaubhaft. Cook hat während des ganzen Zusammenseins mit den Eskimos nicht erwähnt, daß er am Nord- pol gewesen ist. Erst nach Verlaffen seiner beiden Begleiter begann der Schwindel. Von P e a r y s Begleitern, den Eskimos Jgganguak und Uku- jak, erhielt Rasmussen auf gleichem Wege einen Bericht, in dem es heißt: Vom Schiff reisten wir nordwärts im Februar und März. Ehe wir Kapitän Bartlett verließen, hatte Peary verschiedene Observationen gemacht. Als wir allein geblieb«: waren, wiederholte er seine Observationen sehr oft. Wir waren so weit nord- wärts gedrungen, daß die Sonne auch nachts hoch am Himmel stand und sich in einem Bogen bewegte, ohne auf- oder unter- zugehen. Nachdem Peary Order zum Halten gegeben hatte, setzte er die Reife vom Haltepunkt mit zwei Mann fort und kam am gleichen Tage noch zurück. Peary sagte bei seiner Rückkehr zu uns: Endlich habe ich erreicht, was ich wollte. Hier an dieser Stelle schliefen wir zwei Nächte. Peary war eifrig mit Observationen beschäftigt und schlief die letzte Nacht überhaupt nicht. Wie lange Tagesreisen wir gemacht haben, wissen wir nicht. Da das Eis glatt war. konnten wir lange Strecken zurücklegen. Am Nordpol selbst bemerkten wir nichts von Pearhs großer Freude, erst bei seiner Ankunft an Bord des Schiffes gab er den Amerikanern und unS Grönländern ein großes Fest. Theater. Charlottenburger Schiller-Theater:.Prinz Friedrich von Homburg " von Heinrich v. Kleist. Die einig, daß hier nicht das Landgericht, sondern die nach dem Geschäftsplan zuständige Strafkammer gemeint sei. Diese allein könne beschließen, daß bei ihr an- hängige Sachen zusammengezogen werden, wenn ein Zu- sammenhang zwischen ihnen bestehe. Natürlich könne sich das nur beziehen auf die Sachen, welche mit Recht bei der betreffenden Kammer anhängig seien. In bezug auf sotckie Sachen, die nicht mit Recht bei der Kmniner anhängig sind, dürfe sich ein solcher Beschluß nicht erstrecken. Demnach könne also. die dritte Straf- kam in er diejenigen Sachen, die nach dem Geschäfts- plane nicht vor sie gehören, auch nicht mit ein- ander verbinden. Sonst könnte ja jede Strafkammer jede Sache vor ihr Forum ziehen, wiewohl sie nach dem Geschäftsplane nicht zuständig ist. Auch die EröffnuuaSkammer habe kein Recht, der erkennenden Kammer zu überlassen, ob sie die Zusammenlegung be- schließen wolle. Die dritte Strafkammer fei unzuständig für alle Sachen, die nach dem Geschäftsplan nicht vor sie gehören. Sollte dennoch gemeinsam verhandelt werden, so würde das Reichsgericht das gesamte Verfahren zweifellos als unrechtmäßig erklären. Rechtsanw. Dr. Kurt Rosenfeld : Die Anklagen gegen Friese, Kliche und Weidemann müssen schon deshalb ab- getrennt werden, weil sie mit den Vorgängen in Moabit in gar keinem Zusammenhang stehen. Frau Friese �soll morgens um S Uhr, also zu einer Zeit, wo in Moabit alles ruh Ig war, eine Beleidigung begangen haben. Der Angeklagte Kliche soll in einem Lokal in der K ö n i g st r a ß e eine Beleidigung begangen haben. Daß die Königstraße zu Moabit ge- höre, werde selbst die Staatsanwaltschaft nicht behaupten können. Weidemann solle sich am 2. Oktober einer Beleidigung schuldig gemacht haben. Die Staatsanwaltschaft selbst gibt in der Anklage- sibrift an. daß schon am 30. September die Unruhen in Moabit ihr Ende erreicht hatten. Also auch in diesem Falle liege kein Zusammen- hang vor. RechtSanw. Theodor Liebknecht : Die Anklage gegen Pilz hat gar keinen Zusammenhang mit den übrigen Sawcn. ES handelt sich lediglich darum, daß in seinem Schanklokal ein Arbeits- williger beleidigt und ein anderer mißhandelt worden sein soll. DaS hat mit den Vorgängen anf der Straße, womit der Zusammen- hang begründet wird, nichts zu tun. Der Zusammenziehungsbcschluß ist ein tendenziöser Beschluß.— Vors.: Ich bitte, den Ausdruck tendenziös zu unterlassen. Frau Reinhard wird ohnmächtig. Während der Ausführungen des Rechtsanwalts Liebknecht wird eine Angeklagte von Weinkrämpfen befallen. Es ist die Frau Reinhard, welche, wie seinerzeit in der bürgerlichen Presse mit großem Geschrei verkündet wurde, ein Petroleumlampen attentat gegen Polizeibeamte verübt haben soll. Frau Reinhard macht den Eindruck einer in hohem Grade leidenden Person. Sie wird aus dem Anklageraum geführt und durch Gerichtsbeamte mit Medikamenten aus einer Hausapotheke zu beruhigen versucht. Diese leidende Frau sitzt seit dem 30. September in Unter- suchungshast. Liegt die Mittelstraße in Moabit ? RechtSanw. Dr. OskarCohn: Bezüglich deS Angeklagten M i e r s ch. der in der M i t t e l st r a tz e einen Schutzmann beleidigt haben soll, schließe ich mich den topographischen Gründen des Kollegen Rosenfeld an. Was die Angeklagte Reinhard betrifft, so sollte schon der Zwischenfall, den wir eben erlebt haben, die Abtrennung ihrer Sache begründen. Man kann dieser kranken Frau nicht zumuten, die Aufregungen einer wochenlangen Verhandlung über sich ergehen zu lassen. Rechtsanw. B a h n beantragt insbesondere die Abtrennung der Anklage gegen Bock, weil auch hier jeder Zusammenhang mit den anderen fehle. Bock sei beschuldigt, in angetrunkenem Zustande auf der Straße gelännt und den Schutzmann, der ihn sistierte, mit dem Messer angegriffen zu haben, und zwar zu einer Zeit, wo nach den Angaben der Anklage keine Straßenunnihen herrschten. Warum ist der Gelbe wegen groben Unfugs angeklagt? Rechtsanw. Blau: Der Angeklagte Albrccht ist des groben Unfugs beschuldigt. Der Verhandlung gegen ihn Verherrlichung blinder Kriegsdisziplin tritt in diesem meist ge- priesenen Werke des Dichters so stark hervor, die Erfindung ist derart vom Geiste preußisch-hohenzollernfcher Legendenbildung im- prägniert, daß alle poetischen Feinheiten in der Charakteristik des jungen Helden den Verdruß, für mein Empfinden wenigstens, nicht aufwiegen. Die Glorifizierung des militärischen Gehorsams als unbedingte Geltung heischendes Gesetz ist in dem graufamen Spiel des Fürsten mit dem Prinzen bis zu Konsegiienzen getrieben, die auch vom monarchistisch-patriotischen Loyalitälsstandpunkte aus ans Lächerliche und Absurde streifen. Wie sollte wohl der„große" Kür- fürst, dessen„Größe" sich doch eben in feiner hart gesottenen skrupellosen„Realpolitik" dokumentierte, wohl darauf verfallen, seine Popularität bei der Armee dem bloßen Prinzip zu- liebe aufs Spiel zu setzen, um an einem siegreichen Offizier, nur weil er früher losschlug, als er sollte, das Todesurteil nach Kriegsrecht zu vollstrecken? In der Kleistschen Darstellung jedoch besteht kein Zweifel, daß Friedrich Wilhelm in vollem Ernst die Hinrichtung beschlossen hat und nur durch eine un- vorhergesehene, an die Fürbitte von HomburgS Braut anknüpfende Wendung zurückgehalten wird. Der Dichter braucht das, um seinen Jüngling in der wilden Verzweiflung plötzlicher Todesangst und dann als Uebcrwinder, der seinen Tod um des Prinzips willen als verdiente Strafe anerkennt, dem Zuschauer zu zeigen. Der blutig. harte Eigensinn des Fürsten , der aus Staatsräson allen Er- wägungen der Staatsräson schnurstracks entgegenhandeln will, muß dann natürlich, um den Einklang der Tendenz zu wahren, in ein Anzeichen überlegener Weisheit und Charakterstärke umgefabelt werden. Die Aufführung des Schiller-Theaters war sorgsam vorbereitet. Für den schwärmenden Jüngling setzte sich Herr P a e s ch k e mit Kraft und Feuer ein. Den Kmfürsten spielte Herr P a t e g g, unter den Nebenrollen markierte sich der Oberst Kottwitz Willi Eberhardtö. dt. Musik. Frau Sophie Hehmann-Enssel.ist ein guter Opern- Engel; schwimmt gegen den Gegenwansltrom: führt alte Perlen der Opernliteratur auf. Am Dienstag gab es wieder einen solchen Opernabend. Ein halbes Dutzend Komponisten kam zum Wort fast alle aus dem 18. Jahrhundert, zumal seiner zweiten Hälfte. Die Rokvkowelt, durch gemütlichen deutschen Zopf ergänzt, taucht mit all ihrem Rankenspicl und Kunstgeiändel vor un« auf. Sie zeigt auch wieder, was das heißt: langer Aem. Ihn entfalten die Komponisten mit ihren langen und ländlichen Themen, ohne modernes Zerschneiden und Verwickelu, und mit ihren noch längeren„Gängen" und.Läuten" und„Koloraturen". Ihn brauchen die Sänger, um mit der Stimme Iveit, weit zu laufen.... Feinschmeckern für Kenner! WaS die über ihren Büchern und Partituren träume», wird lebendig. Da ist vor allem A. E. M. Grötry, der seinerzeit überaus populäre, vielfach fruchtbare Alt- meisler einer nach echter Dramatik strebenden komischen Oper, mit seinen»Beiden Geizigen". Ein harmlos heiteres Sujet mit würde in einer halben Stunde erledigt sein. Er würde Wirtschaft» lich schwer geschädigt, wenn er hier drei Wochen der Verhandlung beiwohnen soll. Uebrigens hat Albrecht mit den sozialdemokratischen Unruhen nichts zu tun. Er gehört zu den Gelben. Darlegiingcn der Staatsanwaltschaft, weshalb die Königstraße und Mittclstraße jetzt im juristischen Sinne in Moabit liegen und Handlungen, die nach einem vermeintlichen Anfruhr stattgefunden haben, mit dem Anfrnhrprozrß im Zusammenhang stehen sollen. Erster Staatsanwalt Steinbrecht : Es ist nicht richtig, daß nur solche Sachen miteinander verbunden werden können. die vor ein und derfelben Kammer anhängig sind. Alle Sachen, die bei demselben Land gericht anhängig find, können miteinander ver- bunden werden. Die Sache Kliche stehe dadurch in Verbindung mit den anderen Sachen, daß dieser Angesagte in der Königstraße sagte: Ich werde nach Moabit gehen und alles entzwei schlagen. Daß der Aufruhr und Landfriedens- bruch zuriickzusnhren sei auf Haß gegen die Arbeitswilligen, das beweise der Fall Pilz , in dessen � Lokal man Arbeitswillige zu überreden versucht und schließlich, als das nicht half, mißhandelt habe. S o sei auch in diesem Fall der Zusammenhang gegeben. Der Angeklagte Bock sei in das Aufruhrgebiet gegangen, um dort Unfug zu treiben. Als er festgenommen wurde, habe er das Messer gezogen und einen Schutzmann so schwer verletzt, daß der» selbe wochenlang krank gelegen habe. Vor dieser Kammer solle festgestellt werden, ob leichter oder schwerer Aufruhr und Land- friede»sbruch vorliege. Rechtsanw. Heine: Die Anklage gegen Pilz und Kratzat hat keinen Zusammenhang mit den anderen Anklagcfällen. Was diesen beiden Angeklagten zur Last gelegt wird, soll am 5. Oktober geschehen sein. Wie die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift sagt, ist alles, was als Unruhen bezeichnet wird, schon am 30. Sep- teniber zu Ende gewesen. Wenn die Staatsanwaltschaft hier einen Zusammenhang behauptet, so will sie durch den Fall Pilz der ganzen Sache ein besonderes Odium geben. Warum nicht vor daS Schwurgericht gebracht? Rechtsanw. Liebknecht: Der Erste Staatsanwalt will hier feststellen lassen, ob leichter oder schwerer Aufruhr vorliegt. Wenn er das feststellen will, dann wäre es seine Pflicht gewesen, erst das Schwurgericht entscheiden zu lassen und diesen Prozeß so lange zurückzustellen, bis das Schwurgericht gesprochen hat. Der Stlmtsanwalt schweigt— auch eine Autwort. RechtSanw. Rosenfeld: Daß der Angeklagte Kliche ge« sagt haben soll, er gehe nach Moabit , um alles entzwei zu schlagen, ist eine Behauptung der Staatsanwaltschaft. Des» halb ist ja Kliche nicht angeklagt, sondern wegen Beleidigung. Wollte man alle Leute, die in jenen Tagen von Moabit gesprochen haben, anklagen, dann würde die Zahl der Angeklagten um daS vielfache größer werden, als sie jetzt schon ist. In bezug auf Weidemann sagte der Erste Staatsanwalt, derselbe habe sich der Beleidigung schuldig gemacht in einem Gebiete, wo die Unruhen stattfanden. Aber die dem Angeklagten Weideinann zur Last gelegte Beleidigung ist doch erst erfolgt, nachdem die Un» ruhen bereits beendet waren. Kollege Blau sprach von sozialdemokratischen Unruhen. Ich nehme an, er wollte sagen, Unruhen, welche als sozialdemokratische bezeichnet worden sind. ES wird sich herausstellen, daß von sozialdemokratischen Unruhe« keine Rede sein kann. Soweit eS fich um Exzesse handelt, sind nur durch Schutzleute Exzesse verübt worden.— Vors.: Ich kann nicht zulassen, daß Sie von Exzessen der Schutzmannschaft sprechen. Rechtsanw. Bahn: Der Angeklagte Bock war ein harm- loser Straßenpassant, der sich angetrunken und dann geschimpft hat. DaS ist die Darstellung der Anklage. Er steht also den Unruhen völlig fern. Daß er nach Moabit gegangen ist, um dort Unfug zu treiben, dafür fehlt jeder Beweis. Das ist eine ganz neue Be» hauptung der Staatsanwaltschaft. Rechtsanw. Dr Heinemann weist ebenfalls die Be- merkung des Rechtsanwalts Blau, daß es sich Um sozialdemokratische dem Motive der verliebten Jungen und der geizigen Alten, mit dem berühmten Chor, der aus der Ferne pianifsimo kommt, fortissimo auftritt, pianifsimo in der Ferne verhallt. Einen„Humor aus verschollenen Opern" brachte eine Konzertauffllhrung einzelner Nummern. Wir könnten lange von dem alten Dittersdorf plaudern, dessen„Doktor und Apotheker" noch nicht ganz verschollen ist, dann von Fr. R. S n ß m a y r, dem Schüler Mozarts, weiterhin von dein Meister selbst und seinem „Schanspieldirektor", endlich von I. O f f e n b a ch und von I. S. Bach mit seiner„K a f f e e- K a n t a t e", die so drollig den inslrmnen- talen Ernst des vielleicht allcrmusikalischsten aller Musiker auf eine Philisterszene anwendet. Heute stehen wir in einer ganz anderen Mode alS in der deS primitiven Reigen« einfachster Akkorde und Tonschritte. Aber wie lange? In die bildenden Künste ist das Primitive eingezogen. Wenn vielleicht in wenig Jahren auch die Musik au« ihren heutigen Ver- zerrungen in gleiche« umschlägt, wie sie's schon vor 300 Jahren getan hatte: dann mag man sich der heutigen Vorläufer dazu er« inner». Wir haben die Balladen von M. Plüddemann, haben das Zurückgreifen aufs Volkslied(selbst bei G. Mahler ), haben die lieblichen Opern von Wolf-Ferrari und endlich unsere gute, von dem gut sachlichen Interesse erfüllte Opern-Sophie. Bescheiden idealistische Versuche sdiesmal im Theatersaale der Hochschule); eine wirklich künstlerische Direltiou und eine Regie, vertreten von Richard Schmidt, die anzuerkennen jedenfalls wichtiger ist, als dies oder das Eckige in dem sonst erfreulichen Sang und Spiel aufzuspüren. s». Notizen. — Deutsches Theater und Neue Freie Volks» b ü h n e. Die Direktion der beiden Berliner Reiuhardt-Bnhuen hat von ihren sänullichen Bühnenmitgliedern das nachfolgende Rund- schreiben durch Uitterscbrist bestätigen lassen:„Durch verschiedene unliebsame Vorkommnisse sieht sich die Leitung genötigt, folgendes miizuteilen: Die Direktion muß verlangen, daß die Nach- mittagsvorstellungen mit dem gleichen künstlerischen Ernste wie alle anderen behandelt werden. Die Mitglieder der Neuen Freien Volksbühne, die mit ihrem Bildungstrieb und Theaterentbusiasmus das empfänglichste und dankbarste Publikum darstellen, haben ein Anrecht auf künstlerisch würdige Dar- bietimgen. Die Leitung des Deutschen Theater« müßte unnachsickitlich von allen ihr zustehenden Disziplinarmitteln Gebrauch machen, falls fich die unliebsamen Vorfälle der vorigen Spielzeit wiederholen sollten. Die Direktion erwartet auf das bestimmteste, daß dieser Hinweis genügen wird, um willkürliche Textänderungen irgendwelcher Art wie überhaupt jegliche Störungen dieser Nachmittagsvorstellungen zu verhindern." Die wohltätigen Folgen dieses sehr notwendigen BühnenerlasseS sind bereits zu erkennen. Hoffentlich reißt der alte Schlendrian<m den Reinhardt-Bühnen nicht wieder ein.'
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