Einzelbild herunterladen
 

Da rief der Angeklagte:Haut ihnl ", weil es auch anders riefen. Wie er dazu gelommen ist, kann er sich nicht erklären, er schreibt es einer momentanen Aufregung zu. Jedenfalls sei er nicht zu Gewalt- tätigkeiten geneigt, denn das verbiete ihm seine Religion. Der An­geklagte bemerkt noch, daß er von seinein Arbeitsverdienst seine leidende Mutter unterstütze, woran er jetzt, da er in Untersuchungshaft sitzt, verhindert ist. Der Angeklagte Glasbläser Senf ist der Beamten- beleidigung beschuldigt. Er soll, als Eisenreich festgenommen und abgeführt wurde, den Schutzleuten zugerufen haben:Gemeinheit". Der Angeklagte sagt, eS habe ihn empört, dah ein Mann, der nichts weiter getan habe, alsHaut ihn 1" gerufen, von mehreren Schutzleuten gepackt und mißhandelt wurde. Er habe das von der Straßenbahn aus gesehe» und es als eine Gemeinheit bezeichnet. Da sei er selbst von zwei Schutzleuten aus dem Straßen- bahnwagen herausgezerrt und»ach der Wache gebracht worden. Der Beamte, der ihn dahin brachte, habe nur angeben können, daß der Angeklagte auf Befehl des Hauptmanns festgenommen sei. Zwei Stunden habe man ihn auf der Wache eingesperrt. Daß aus der Menge geschossen sei. sei ein Märchen. Der Vorsitzende hält dem Angeklagten vor, daß bei seiner Fest- nähme ein Revolver und 24 scharfe Patronen gefunden wurden. Der Angeklagte erklärt das so: Er habe de» Revolver, wie er durch Zeugen nachweisen könne, erst am 29. September von einem Freunde gekauft. Dieser habe ihm den Gebrauch der Waffe erklärt und dabei sei eine Patrone in, Lauf geblieben. Er habe nicht die Absicht gehabt, von dem Revolver etwa gegen die Polizei Gebrauch zu machen, sondern ihn nur mehr zun, Spaß an- geschafft und weil er von seinem Ausenthalt in der Schweiz her wisse, daß dort das Waffentragen nichts Außergewöhnliches sei. Aus eine Frage des Vorfitzenden, warum er be» seiner polizeilichen Vernehmung gesagt habe, er habe den Revolver gefunden, antwortet der Angeklagte: Wenn die Polizei so viele Märchen erzählt, kann ich ja auch ein Märchen erzählen. Der folgende Angeklagte ist der K u n st m a l e r W e i d e m a n n. Er soll sich der Beleidigung und des groben Unfugs schuldig gemacht haben. Wie er angibt, ist er am 2. Oktober von seiner Arbeitsstelle nach seiner Wohnung in der Huttenstraße gegangen. In der Freude darüber, daß die Unruhen vorüber waren, hat er mit Bekannten mehrere Bürgerlokale besucht und sich eine» starken Rausch angetrunken. Was nachher geschehen ist. weiß er nicht, es ist ihm ans dem Bewußtsein gekommen, daß er nach der Polizeiwache gebracht wurde. Am folgenden Tage schlief er zu Hauie seinen Rausch aus und ging am zweiten Tage nach der Polizeiwache, um sich zu erkundigen, weshalb er eigentlich si stiert worden ist. Hier erfuhr ich sagt der Angeklagte ich solle mich der Beamtenbeleidigung schuldig gemacht habe». Wkan gab mir den Rat, ich solle auf dem Präsidium versuchen, ob sich die Sache nicht beilegen ließe, schlimm könne es nicht werden, wurde mir gesagt. Ich befolgte diesen Rat. auch deshalb, weil mein Bater Kriminalbeamter ist. Als ich auf de», Polizei- Präsidium mein Anliegen vortrug, wurde ich wie der erste beste Pennbruder unter die Brause genommen, abgeseift und eingesteckt. Der Vorsitzende fragt den Angeklagten, ob er denn von den Straßenunruhen an den vorhergegangenen Tagen nichts gesehen habe, ob er nicht gesehen habe, daß Steine und Blumentöpfe auf die Schutzleute geworfen wurden, ob er nicht das eingeschlagene Warenhaus von Preuß gesehen habe. Die letzte Frage bejaht der Angeklagte, die anderen verneint er und sagt, er habe im Gegenteil gesehen, daß Schutzleute ohne Grund gegen das Publikum vorgingen, und er habe die Ruhe der Arbeiter bewundert, die sich durch das Vorgehen der Beamten nicht aus der Fassung bringen ließen. Rechtsanwalt R o s e n f e l d stellt dnrch Befragung des An- geklagten fest, daß daszerschlagene Warenhaus" völlig unversehrt und nur eine eingeschlagene Scheibe zu sehen war. Der letzte Angklagefall betrifft de» Schankwirt Pilz und den Kernmacher Kratzat. Beide sind beschuldigt, einen Arbeitswilligen namens Wellschmied mißhandelt zu haben. Außer- dem soll Pilz einen zweiten Arbeitswilligen, Gottschal!, durch Drohungen zur Teilnahme am Streik zu jbewege» versucht haben. Nach der Darstellung der Anklage soll Wellschmied von Streikenden in ein Hinterzinimer des Pilzschen Lokals, wo sich das Streikburean befand, geführt worden sein. Man habe ihm Butter- brot und Bier gegeben und ihn zum Streiken zu überreden versucht. Als das nicht geholfen habe, hätten sich die Streikenden auf Well- schmied gestürzt und ihn mit Fäusten und Gummischläuchen ge- schlagen. Wellschmied wollte fliehen, aber Pilz soll ihn daran ge- hindert haben, und Wellschmied soll dann noch mehr Prügel be- kommen haben. Pilzstellt dieSache so dar: Ich kam aus meinem Bierkeller. Da saß Wellschmied, den ich gar nicht kannte, an einem Tisch im Lokal. Meine Frau sagte mir, er habe zwei Stullen und Bier bestellt. Ich brachte ihm da? Bestellte. Als er gegessen hatte, kam er an den Schenksisch pnd bestellte noch ein Glas Bier. Jetzt kainen noch einige Personen an de» Tisch, die wohl mit Wellschmied etwas vorhatten, aber ich habe nicht gesehen, ob sie ihn geschlagen haben. Wellschmied beugte sich über den Tisch. Mir schien, daß er sich mit der Stiefel- spitze an einem Tritt neben dem Tisch festgeklemmt hatte. I ch führte Wellschmied hinter den Ladentisch und durch eine Hintertür zum Lokal hinaus. Weiter hatte ich n,,t Wellschmied nichts zu tun. Die Bedrohung des anderen Arbeitswilligen wird gleichfalls bestritten. Kratzat gibt an, Wellschmied sei von einigen Leuten, die aus dem Hinterzimnler kamen, geschlagen worden. Er. der Aiiaeklagte. ge- hörteg aber nicht zu diesen, er habe auch nicht geschlagen. Zu den Streikenden habe er keine Beziehungen, er habe bei Ludwig Löwe gearbeitet. Der gauze Auftritt mit Wellschmied habe höchstens zwet Minuten gedauert. Beweisanträge. Rechtsanwalt Rosenfeld bittet, festzustellen, daß der Angeklagte Litwicki lediglich ans Grund seiner eigenen Aussage an- geklagt worden ist, die er als Zeuge vor dem Untersuchungsrichter in einer jetzt vor dem Schwurgericht anhängigen Sache machte. Der Untersuchungsrichter habe Litwicki nicht darauf hingewiesen, daß er eine Aussage, die ihn selbst belastet, nicht abgeben brauche Vorsitzender und Staatsanwalt ver- weisen auf die Akten, welche diesen Hinweis enthalten. Wie Rechtsanwalt Rosenfeld bemerkt, ist dieser Hinweis, wie sich aus den Akten ergibt, erst nach der Vernehmung erfolgt. Der Angeklagte Litwicki sagt, der Untersuchungsrichter habe ihn nicht darauf hingewiesen, daß er sein Zeugnis verweigern könne. Rechtsanwalt Rosenfeld beantragt, über diesen Punkt das Zeugnis des U n t e r s u ch u n g s r i ch t e r S zu hören und ferner einen Arzt der Unfallstation zu laden, der über die Art der Wunden Auskunft geben soll, die dem Angeklagten ZoUchom auf dem Kupferschen Kohleiiplnlie von Arbeitswilligen in Gegenwart der Polizei zugefügt worden find. Auch von anderen Verteidigern und Angeklagten werden noch neue BeweiSanwäge gestellt. Hafteiitlassuugsanttäge. Nun folgte eine längere Erörterung über die Entlassung der Angeklagten aus der Untersuchungshaft. Staatsanwalt Stelzner führt aus, mit der Haft- enilasiung des Angeklagten Eisenreich sei die Staatsanwaltschaft einverstanden. Eisenreich gehöre einer Sekte an. welche Gewalttätigkeiten verwirft. Der Angeklagte habe nur in der Erregung in den RufHaut ihn I" eingessimmt. ohne sich der Tragweite seiner Handlung bewußt zu sein. Auch Schulz könne au« der Haft entlassen werden unter der Voraussetzung, daß er bei feinen Eltern Aufnahme finde. Schulz mache einen guten Eindruck. er stamme auS anständiger Familie und habe wohl nicht die Absicht gehabt, sich gegen die Ordnung aufzulehnen, wenn er sich auch, an- scheinend durch Wand verleitet, schwer vergangen habe. Wand könne nicht entlassen werden. Rechtsanwalt Dr. Heinemann beantragt, die Hast» «vtlassungen noch veiter auszudehnen. Die bis- herigen Verhandlungen hatten ergeben, daß ein Grund, die Haft fortbestehen zu lassen, nicht vorliege. Wen» der Staatsanwalt meine, eS seien deshalb hohe Strafen zu erwarten, weil die Schimpfworte in einer erregten Situation gefallen seien, so könne man auch umgekehrt sagen, die allgemeine Erregung müsse als Milderungsgrund gelten. Denn unter solchen Umständen lassen sich auch ruhige und besonnene Leute zu unbedachten Aeußerunge» fort» reißen. Ein klassisches Beispiel dafür sei ja der Angeklagte Eisen- reich. Der Verteidiger begründet die Haftentlassung insbesondere für die Angeklagten Zollchow , Miersch und Wand. Die Rechtsanwälte Cohn. Liebknecht. Rosen- f e l d und Rosenberg beantragen und begründen die Haft- entlassung der Angeklagten Heide, Pilz. Kratzat, Litwicki und Senf. Staatsanwalt Stelzner widerspricht den Entlassungsgründen der Verteidiger. Nur gibt er anheim, auch Litwicki zu entlassen, weil er, wie der Verteidiger angeführt hatte, demnächst einen Familienzuwachs zu erwarten hat. Rechtsanwalt Liebknecht fordert nochmals die Haft- entlassung von Pilz und Kratzat. Er weist daraus hin. daß es eine grundlose Verdächtigung sei, wenn die Staatsanwaltschaft an- nehme, weil Pilz Partei- und Streikwirt sei, werde er Zeugen zum Meineid verleiten. Das ganze Versahren gegen Pilz gehe von der- selben falsche» Voraussetzung aus, welche die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift zum Ausdruck bringt, indem sie sagt, die Firma Kupfer konnte die Forderungen der Streikenden nicht be- willigen, sie mußte die Einigungsverhandlungen ablehnen usw. Erster Staatsanwalt Steinbrecht : Die Staatsanwalt- schaft hat zu dem Streik selbst keine Stellung genommen. Was darüber in den Akten steht, das sind die Aussührungen deS Geschäftsführers der Firma Kupfer Rechtsanwatt Liebknecht: Davon steht nichts in den Akten. Die Anklageschnst gibt die subjektive Meinung der Staatsanwaltschaft wieder und diese geht dahin: die Firma m u tz t e ablehnen, sie konnte nicht bewilligen usw. Ferner bemerkte RechtSanivalt Liebknecht, daß der Angeklagte Georg Meyer, dessen Verteidiger sCoßmannj nicht anwesend ist, um Entlaffuug aus der Haft bittet. Rechtsanwalt Ulrich, der den aus konservativer Bürger- familie stammenden Angeklagten Schulz verteidigt, war während des ganzen Tages nicht anwesend. Rechtsanwalt Heine, dessen Mandanten übrigens durch andere Verteidiger mitvertreten werden, konnte nicht anwesend sein, weil er in Lüdenscheid einen wichtige» Prozeß wahrzunehmen hatte, desien Verhandlung, trotz eines Antrages von Heine, nicht ver- legt worden ist. Nach einer kurzen Beratung des Gerichts verkündete der Vor- sitzende, daß die Haftentlassuug der Angeklagten Litwicki, Miersch und Eisenreich beschlossen ist. Bei den übrigen in Haft befindlichen Angeklagten soll die Haft aus den bisherigen Gründen bestehen bleiben. Wie aus der Begründung des Gerichtsbeschlusses hervorgeht, verdankt Litwicki dem bevorstehenden F a m i l i e n e r e i g n i s. Miersch der Trunkenheit bei der Tat und Eisenreich seiner Frömmig» keit die Entlassung aus der Untersuchungshaft. Die Sitzung wurde um 3'/, Uhr auf heute um 0 Uhr vertagt. £Iiis Induftm und DandeU Nette Aussicht. Die Reichsfinanzreform hat neben der Volksfeindlichkeit der Ritter und Heiligen auch deren Unfähigkeit als Steuertechniker er- wiesen. In der Sucht, die Besitzenden von der Gefahr einer Erb- schaftssteuer zu befreien, packte man den Besitzlosen eine Reihe Steuern auf, deren Erträgnis nicht richtig eingeschätzt wurde. Gründlich blamiert hat sich der Schnapsblock z. B. auch mit der Zündholzsteuer. Sie löste nicht nur eine große Erregung aus. er- wies sich als selbstwirkende Agitation von unvergleichlich auf- rüttelndem Erfolge; ihr finanzielles Ergebnis blieb auch weit hinter dem errechneten Ansatz zurück. Zündhölzer und Zündkerzen sollten jährlich 25 Millionen Mark in die ReichSlasse springen lassen. Für das Etatjahr 1911 hat man vorsichtigerweise nur 15% Mil­lionen Mark als Ertrag dieser Steuer eingesetzt. Das ist zweifel- los ein blamables Fiasko. Nun bietet sich der Negierung ein Retter an. der viel mehr aus der Zündholzsteuer für den Fiskus heraus- schlagen will; es ist die Vereinigung der Zündholzfabrikanten. Diese wollen im ersten Jahre 15 Millionen Mark dem Neichssäckel zu- führen und die Leistung allmählich bis auf 34 Millionen Mark pro Jahr anwachsen lassen. Natürlich verlangen sie dafür eine Gegen- gefälligkeit, nämlich ein Privatmonopol für die Produktion und den Vertrieb von Zündhölzern und die Besteuerung aller anderen Zündmittel. DaS könnte den Fabrikanten passen, sie würden das Vielfache der Steuer, aus den wehrlosen Konsumenten heraus- schinden. Man merkt: der Gedanke der LiebeSgabenpolitik macht Schule! Die Flcischnot. In Mannheim arbeiten anscheinend die Viehhändler der Steuerung der Fleischnot entgegen. Heber den ersten Auftrieb französischen Viehes dortselbst am vergangenen Montag berichtet die Schlachthofdirektion: Der Import von französischem Schlachtvieh für den Platz- bedarf war heute noch sehr gering; obwohl die Erlaubnis zur Einfuhr des ganzen Kontingents gegeben war, brachte nur eine Firma 11 Ochsen und 11 Farren zum Verkaufe, welche von ganz hervorragender Qualität waren. Die übrigen Händler, welche Einfuhrerlaubnis erhalten hatten, fanden die Einkaufspreise und die Spesen zu hoch. Die Preise für die französische Ware stellten sich deshalb mit den inländischen Waren gleich hoch. Die Händler mit inländischer Ware befürchteten einen zu großen Import französischer Schlachttiere und so hatten wir zirka 200 Stück Wenigerzufuhr von deutscher Ware als sonst. Die Ten- denz des Marktes war deshalb sehr lebhaft und ist vom Sinken der Fleischpreise noch nichts zu bemerken." Unser Mannheimer Parteiblatt schriebt hierzu: Es muß angesichts der gestrigen Erfahrungen der dringende Wunsch ausgesprochen werden, daß nicht die Viehhändler durch ab- sichtliche Zurückhaltung des einheimischen Schlachtviehs die Preise künstlich in die Höhe halten und so den Maßregeln zur Linderung der Fleischnot direkt entgegenarbeiten. Sollten die Herren wirklich eine derartigePreispolitik" treiben wollen, so müßten seitens der städtischen Verwaltungen energische Maßregeln ergriffen werden, um diese Pläne zu durchkreuzen." » e > Die Stadtverwaltung in Gotha hatte den Bezug von d ä n i- schem Ochsenfleisch organisiert, um es zum Selbstkostenpreis an das Publikum abzugeben. Das Fleisch wurde für 68 bis 72Pf. dasPfund abgegeben. Darob waren die Fleischermeister erbost. Sie warfen dem Stadtratbedenkliche Kurzsichtig- keit" vor und wetterten gegen dieSchädigung des G e- werbe s". Sogar einen Kandidaten zu der heute stattfindenden Stadtverordnetenwahl haben die Herren aufgestellt, und zwar den Obermeister der Fleischerinnnung", der für die gesicherte Existenz der Berufskollegen kämpfen soll! Und schon haben sie den Erfolg zu verzeichnen, daß die Stadt den Fleischbezug einstellte. Nach Waltershausen kamen pro Woche überhaupt nur 6 bis 16 Zentner des dänischen Fleisches. Der Fleischverkauf war noch nicht recht bekannt gegeben, da war auch schonausverkauft". Dem Stadtrat in Ohrdruf bewilligten die Stadtverordneten in der letzten Sitzung 1060 M., damit er dänisches und holländisches Rind- Wsch beziehen könne, zwecks billiger Abgabe an die Bevölkerung. Deutschlands Außenhandek. Nach den soeben erschsemnen-mit- lichen Ausweisen betrug der Wert der deutschen Einfuhr im Oktober dieses Jahres ohne Edelmetalle 754,5 Millionen Mark und in den zehn Monaten Januar bis Oktober 7646,6 Millionen Mark gegen 6976,6 Millionen Mark im Vorjahre, die Einfuhr ist also um 76 Millionen gestiegen. Der Wert der deutschen Ausfuhr stellte sich im Oktober auf 648.5 und in den zehn Monaten Januar bis Oktober auf 6694,7 gegen 5361,4 Millionen Mark. Die Ausfuhr stieg dem- nach in den verflossenen 16 Monaten dieses Jahres um rund 793 Millionen. Die wirtschaftliche EntWickelung des südlichen Amerika macht reißende Fortschritte. Die 26 RepublikenLatein-Amerikas"<das sind die spanischen: Mexiko in Nord-, 6 Staaten in Mittel-, 9 in Südamerika , 2 in Weslindien; das portugiesische Brasilien und die westindische Negerrepublik Haiti ) hatten im Jahre 1969 einen Ge- samt auhe»Handel von über 9 Milliarden Mark: genauer 2143 Millionen Dollar(zu 4,26 M.) gegen 1996 Millionen im Jahre 1903 und 942 Millionen im Durchschnitt der Jahre 1896/98. Gegen das Borjahr ist daS«ine Zunahme um 7l/2, gegen den früheren Durch- schnitt gar um 128 Proz. Auf den Kopf macht das rund 36 Dollar bei über 71 Millionen Einwohnern. Auf die E i n s u h r entfielen 895,7, auf die Ausfuhr 1249 Millionen, also ein Ausfuhrüberschuß von 353 Millionen gegen 198 Millionen im Vorjahr, wo die Einfuhr 899, die Ausfuhr nur 1697 Millone» Dollar betrug. Seit 1896/08 nahm die Einfuhr um rund 116, die Ausfuhr um 143 Proz. zu. 1969 entfielen aus die Länder Südamerikas 689,9 Millionen Einfuhr, 965 Millionen Ausfuhr, auf die übrigen 265,8 Millionen Einfuhr, 285,6 Ausfuhr. Weitaus an der Spitze steht Argentinien mit 362,8(Millionen) Einfuhr, 897,4 Ausfuhr. Es folgen Brasilien (179,7 Ausfuhr, 368,3 Eiiifubr), Kuba (86,8 Einfuhr, 117,6 Ausfuhrt, Mexiko (78,3 Einfuhr, 115,6 Ausfuhr), Chile <94,3 Millionen Dollar Einfuhr, 116,3 Millionen Ausfuhr). Von der Einfuhr kamen aus Groß- briiannien 289,1, den Vereinigten Staaten 266,8 , dem Deutschen Reiche 134,5 Millionen Dollar. Von der Ausfuhr gingen nach den Vereinigten Staaten 466,4 , Großbritannien 221,7, dem Deutschen Reich 146,6 Millionen Dollar. DaS Deutsche Reich war also an der Gesamteinfuhr dieser Länder mit 15, an ihrer Ausfuhr mit 11,7 Prozent beteiligt. Ander Einfuhr aus Deutschland waren vornehmlich beteiligt: Argentinien (33 Proz. der deutschen Ausfuhr), Brasilien (21), Chile (17), Mexiko (über 6), Uruguay (je 4ftg 5 Proz.) an der Ausfuhr dorthin: Brasilien (33 Proz.), Argentinien (23 Proz.), Chile (16), Mexiko <4'/z Proz.), Besonders groß ist natürlich der Geschäftsverkehr mit du. Ber­einigten Staaten. Das internationale Bureau der ,meri!«-> niichen Republiken in Washington , dessen Mitteilungen auch diese Statistik entnommen ist, berechnet den Gesamtbetrag des Kapitals, daS aus den Vereinigten Staaten in den lateinischen Republiken an» gelegt ist, auf rund 1 Milliarde Dollars. Der größte Teil davon entfällt auf Eisenbahnen. In Mexiko sind rund 766 Millionen angelegt, bekanntlich der Grund, weshalb die Regierung des Präsi- demen Taft die gesetzlose Gewaltherrschaft des Präsidenten Diaz von Mexiko stützt; 135 Millionen in Kuba , das bekanntlich im Geschäftsinteresse der nordamerikanischen Zuckerspekulanten von der spanischen Herrschastbefreit" wurde; 50 Millionen in Brasilien , 36 in Argentinien , 26 in Guatemala , je 16 in Bolivia und Chile , 7 in Costa Rica usw._ Hud der Frauenbewegung. Erfolgreiche Agitation. In den Kreisen Nieder-Barnim und Teltow -Beesfow wurde si» den letzten Wochen eine Reihe von Frauenversammlungen abge- halten, die durchweg sehr gut besucht waren und der Organisation viele neue Mitglieder zuführten. Die verschiedensten Themata standen auf der Tagesordnung. In Reinickendorf sprach Genossin Fricdländer vor ungefähr 366 VersammlungS- besiichern über:Lcbensmittelwucher und Kaiserreden." Eine größere Anzahl neuer Mitglieder für den Wahlverein wurde hier gewonnen. In Lichtenberg referierte Genossin Wulff vor zirka 466 Frauen über:Die Frau im wirtschaftlichen Leben und die Auffassung deS Kaisers ül>er die Aufgaben der Frau." Auch diese Versammlung hatte einen erfreulichen agitatorischen Erfolg. Dieselbe Referentin sprach in Friedrichsfelde über da» Dhema:Die Reichs tagslvahlen", wobei sie besonders hervorhob, daß sich die Frau um die politischen Verhältnisse kümmern müsse, Genosse P i n s« I e r gab bekannt, daß in Friedrichsselde ein« Ein- richtung zur Unterstützung für Wöchnerinnen und der Fürsorge für Lungenkranke bestehe,' die leider zu wenig in Anspruch genommen werde. Eine gute Versammlung hat auch in Tegel stattgefunden, wo Genossin Wulff über:..Junkerpolitik und Kaiserreden" sprach. Eine größere Anzahl Frauen erklärte ihren Beitritt zum Wahlver- ein. Dasselbe Thema behandelte Genossin Wulff in einer gut besuchten Versammlung in Stralau, wo 14 Frauen für den Wahlverein gewonnen wurden. Eine Versammlung in Grünau, in der Genossin Schulte das Referat übernommen hatte, brachte dem Wahwerein 11 neue Mitglieder. Ueber:Wilhelm II. , die Königin Luise , die deutschen Frauen und Mädchey" sprach Genossin Matschke in Marienfelde . Der Wahlverein gewann hier sieben neue Mitglieder. In Steglitz wurden in einer Verfamm. lung, in der Genossin Zietz über:Lebensmittelteuerung refe- rierte, 25 Neuausnahmen erzielt. Auch in Zehlendorf gelang es, eine Reihe neuer Mitglieder für den Wahlverein zu gewinnen in einer Versammlung, in der Genossin Zieh über:Der Kampf der Frau um Schutz für Mütter und Säuglinge im Spiegel der Kaiserrede" referierte. Die durchweg sachlichen Ausführungen lösten überall großen Beifall aus. Neben den Stcuausnahmen kann als Erfolg gebucht werden, daß eine größere Anzahl neuer Wonnen- tinnen für dieGleichheit" gewonnen wurde. In jeder Verfamm- lung machte die Leiterin auf die Wichtigkeit der Leseabende auf- mcrksam und es ist zu wünschen, daß diesen Anregungen Folge ge- leistet werde. Bemerkt mag noch werden, daß in einzelnen Orten die Polizei anscheinend Gefahr für den Staat witterte, denn sie hatte bewaffnete Hüter der Ordnung entsandt, die jedenfalls eine Revolution verhindern sollten. Aber die Revolutionierung der Köpfe kann man nicht verhindern. Mutterschutz. Eine Anzahl Mitglieder deS Deutschen Bunde? für Mutterschutz bat im Verein mit anderen gleichgefinnten Männern und Frauen ein neues Mütter- und Kinderheim ins Leben gerufen, zu dem ihnen als Grundlage von hilfsbereiter Seite 15 666 M. ge- spendet wurden. Das geräumige, in Pankow gelegene Mutterschutz- HauS, unter der Verwaltung von Frau Franziska Schultz, ist zwar wirtschaftlich völlig unabhängig vom Bunde, doch dessen Ideen, der uncbelichen Mutter und derein Kinde in den Zeiten, da beider Existenz am schwersten bedroht ist, unter hygienischen Bedingungen eine sichere Stätte zu bieten, werden hier herrschend sein. Leseabende. Steglitz . Freitag, den 18. November, fällt der Frauenleseabend auS. Hue aller Melt. Ein vermißter Ballon. Seit Sonntag wird der BallonSaar ", der sich an einer Wett- fahrt des niederrheinischen Vereins für Luftschiffahrt beteiligte, der- mißt. Da man vermutet, daß der Ballon in die Nordsee abgetrieben worden ist, sind 26 Torpedoboote auf die Suche nach dem Ballon gesandt worden. Visher ist die Streife ergebnislos geblieben, doch berichtet der Kapitän eines schwedischen Dampfers, der in Hamburg eingetroffen ist, daß er Sonntag nacht in der Nordsee bei hellem Mondschein einen großen Ballon in nordwestlicher Richtung auf dem Meere habe treiben sehen. Nach Ansicht des Kapitäns haben fich im Korb Leute befunden, er habe jedoch auf Anruf keine Antwort erhalten.