eines BodenarbetterS an der Leipzig -Magdeburger Bahn, der schon gestorben war, als ich sie kennen lernte. Meine Braut war Arbeiterin in einem Leipziger Putzwarengeschäft. Wir verlobten uns im Herbst 1864, kurz vor dem Tode ihrer braven Mutter, und heirateten im Frühjahr 1866. Ick, habe meine Ehe nie zu bereuen gehabt. Eine liebe- vollere, hingehendere, allezeit opferbereitere Frau hätte ich nicht finden können. Leistete ich, was ich geleistet habe, so war dieses in erster Linie nur durch ihre unermüdliche Pflege und Hilfsbereitschaft möglich. Und sie hat viele schwere Tage, Monate und Jahre zu durchkosten gehabt. bis ihr endlich die Sonne ruhigerer Zeiten schien." Man kann nicht einfacher, aber auch nicht liebevoller und inniger urteilen. Nun hat der Tod getrennt, was unzertreun- lich war. Und ein schweres und trauriges Sterben ist es ge- Wesen, das eine tückische Krankheit dieser lieben und guten Frau auf monatelangem Schmerzenslager bereitet hat. Alle, die sie gekannt, werden den großen Schmerz in innigster Teilnahme begreifen, den der unersetzliche Verlust August Bebel bereitet. Das deutsche, das internationale Proletariat entbietet in diesem schmerzlichen Augenblick seinem greisen, schwergeprüften Vorkämpfer seinen ehrfurchtsvollen, teilnahmsvollen Gruß. Aber August Bebel ist nicht nur Privatmann und gehört nicht nur seiner Familie, nicht nur seinem persönlichen Erlebnis. Er gehört uns, gehört dem Befreiungskampf der Menschheit. Und wenn es in diesen schweren Stunden einen Trost gibt, so ist es der, den die Pflicht der großen Aufgabe ihm zuruft, Menschenlcid zn vergessen und zu überwinden in dem ge- Waltigen Kampfe, in dem er Führer und Vorkämpfer ist. Reich ist das Leben August Bebels, denn sein Inhalt ist die Geschichte der deutschen Arbeiterklasse, und reich ist das Leben Julie Bebels gewesen, dessen Inhalt das Leben ihres Mannes war. Die Beerdigung Julie Bebels findet Freitag nachmittag zu Zürich in aller Stille statt._ Die Schlacht gegen die englischen „llufrichrer". Die Mittwoch-Sitzung des Moabiter Prozesses war fast ganz einem der bekanntesten Stücklein der.ruhigen" Schutzleute des Herrn Polizeipräsidenten und des Herrn Majors Klein gewidmet. Die Geschichte der vier englischen Journalisten, die die Säbel der preußischen Polizei zu kosten bekamen, als sie den„Kriegsschauplatz" zu Moabit im Automobil bereisten, ist durch die Zeitungen der ganzen Kultnrwelt gegangen. Sie hat's verdient, nicht daß sie von einem Fall besonders großer, außergewöhnlicher Brutalität handelt, nicht daß die Affäre eine Ausnahme darstellte; hunderte deutscher Staatsbürger find ähnlich und schlimmer mißhandelt worden— ebenso grundlos wie die Korrespondenten der britischen Presse. Was dem Fall der Herren die große Beachtung verschafft hat, Ist der Umstand, daß die bürgerliche Presse ihn nickt einfach totschweigen konnte, da eS sich bei diesem Malheur doch um Fleisch von ihrem eigenen Fleisch handelte, und schon aus dem Beruf und der Stellung der Miß- handelten sich ergab, daß sie keine Handlungen begangen hatten, die irgend einen Vorwand zu der Polizeiattacke hätten geben können. Aus diesem Grunde, weil hier die bequeme Ausrede, daß die Be- troffenen durch ihr Verhalten den Schutzleuten Anlaß zum Vorgehen mit der Waffe gegeben hätten, selbst in den Augen der Polizei- frömmsten Kreise nicht verfangen konnte, für die sonst jede noch so unwahrscheinliche Polizeibehauptung ein Evangelium ist, war dieser Vorfall für die Polizei und die Negierung besonders unangenehm. Schwer fiel inZ Gewicht, daß der Eindruck im Auslande ein äußerst ungünstiger war und der Oeffentlichkcit überall die zlvingcnde Folgerung aufgedrängt wurde, daß Schutzleute, die also topf- los über friedliche Journalisten herfallen, auch sonst der Selbstbeherrschung und Umsicht völlig ermangelt haben müssen. Deshalb die wahrhaft grotesken Versuche des Polizeiprüsi- deuten, die Beschwerdeführer zu beschwichtigen, ohne die Schutz- leute preiszugeben. Versuche, die in ihrer Hilflosigkeit die Polizei noch ärger bloßstellten, als es ein unumwundenes Eingeständnis der Schuld hätte tun können. Dabei brachte die Polizei es nicht einmal fertig, die übliche Methode der Verdächtigung der Beschwerde- führ« zu untcrlaffen— wagte der Herr Polizeipräsident dergleichen in seinem direkten Verkehr mit den Herren AuslaiidSjournalistcn auch nicht zu tun, so wurde eS doch Polizei offiziös versucht, indem man in die Presse, die Inspirationen der Polizei zugänglich ist, Dar- stellungen lancierte, wonach die englischen Korrespondenten zum mindesten durch auffälliges Gebaren, durch Acußerungen der Sym- pathie für die„Aufrührer" Anlaß zu Verdacht gegeben hätten. Durch den Prozeß ist jetzt die Möglichkeit gegeben, der Sache aus den Grund zu gehen. TaS Ergebnis ist eine Blamage der Polizei, die durch nichts mehr zu vertuschen ist; ein wahrhaft ver- nichtender Schlag wider das süße Märchen von den Schutzleuten, die im feindlichen Stein- und Kugelhagel, im Kreuzfeuer der Revolver und der Beschimpfungen wahrhast olympische Ruhe und Sanft- mut bewahrten. Wenn das Erlebnis der englischen Journalisten nicht beweist, daß der Polizei in Moabit alsbald jede Besonnenheit verloren ging, daß sie blindwütig ihren Säbel schwang über Gerechte und Ungerechte, daß ihre„Nuhestiftung" eine ernste Gefahr für die harmlosestcii Straßenpassanten war. daß die überreizten Polizisten selbst über vereinzelte Menschen mit Berserkerwut herstürzten, so können die sonnenklarsten Tatsachen nicht bewiesen werden. Ein eigentümlicher Unstern hat nach der Darstellung der Polizei über den Insassen des bewußten Automobils geschwebt. Ein Polizeileutnant war in der Nähe, ein Kriminalwachtmeister und ein uniformierter Wachtmeister standen gleich am Gefährt selbst. Die beiden wollten baS Automobil weghaben; der eine meint, eS hätte vielleicht die Bewegungen der Polizisten stören können— die Straße ist dort sehr breit!—, der Kriminale witterte Führer des Aufstandes da ihm daS Märchen der OrdnungSprcffe, bei den Wahlrechts- demonftrationen hätten Führer von Automobilen aus die Masten ge- leitet, im Kopf spukte. Beide aber haben keinen Befehl zum Ein- hauen gegeben, und haben eS ebenso wenig hindern können wie der Leutnant. Die Säbelattacke ist ganz auS Eigenem von den Schutzleuten unternommen worden. Bon diesen Beamten ist einer vernommen worden und dieser eine hat den rettenden Stein an seiner Brust- gespürt. Und da dieser mysteriöse Stein nun— der, da die Insassen als Werfer ausscheiden und da auf der Straße in der Nähe des Fahrzeuges keine Personen waren, aus dem Kleinen Tiergarten herübergcflogen sein soll— doch etloaS fragwürdig erscheint, so hat der Schutzmann Wenzel auch noch bemerkt, daß sein Kollege durch einen der In- sasien des Automobils bedroht erschien, weil dies« gefährliche Mensch sich erhoben hatte, mit den Armen gestikulierte und— in die Tasche zu greifen im Begriff schien, natürlich um eine Waffe zu ziehen. Diese letztere Angabe ist, wie der Verteidiger Heine scharf hervorhob, ein alter Bekannter in SchutzmannsauSsage», wenn sonst keine Tatsachen vorhanden sind, die dafür sprechen, daß der Beamte bei tätlichem Vorgehen in Notwehr gehandelt hat. Ein alter Be- kaimtcr, der aber nur wenig Kredit genießt. Er kann in diejein Falle ganz gewiß die Situation für die Polizei nicht retten. Die Schlacht gegen die englischen.Aufrührer" haben Schutz- mann Wenzel und Kameraden gewonnen, dem Polizeipräsidium aber haben sie mit diesem Sieg eine böse Niederlage bereitet, deren ganze Größe jetzt auch gerichtlich festgestellt ist. Das ist das Ergebnis des TageS, mit dem die Verteidigung sehr zufrieden sein kann. Zumal auch jene Aussagen, die sich nickt direkt auf die Autoaffäre bezogen, den Eindruck des Haiiptstücks nur verstärken konnten. Die Anklagebehörde hat wieder eine Schlacht verloren. Das Gericht aber hat zwei Fragen abgelehnt, die die Verteidigung für notivendig hielt. Deutet daS auf eine Verschärfung des Kurse»? Die Verteidigung wird sie auSzuhalten wissen! Politische deberfokt. Berlin , den 23. November 1910, Ter Arbeitsplan des Reichstages für die nächsten Tage ist folgender: Zunächst werde» die vorliegenden Interpellationen be- sprachen werden und die erste Lesung des Kurpfuschergesetzeö vor- genommen werden. Am Montag oder Dienstag soll die erste Lesung des Sch'ffahrtsabgabengesetzeS begonnen werden, für die man drei Tage in Aussicht genomnien hat. Eventuell soll in der nächsten Woche noch ein Schweriiistag abgehalten werden. Daran wird sich die erste Etalsberatung anschließen._ In der Fraktionssitzung vom 23. November wurden als Hauptredner zum Etat die Genossen Scheidemaun und David bestimmt, zu der Interpellation der Frei- sinnigen, die Beamtenverstckerung betreffend, soll Genosse Robert Schmidt reden; zu dem Antrag Könitz , Niedergaug des Handwerks behandelnd, Genoffe Brühne. In die Koimnisston betreffend das Gesetz zur Beseitigung von Tierkadavern werden die Genossen Brey und Leber delegiert. Zur Zentrumsinterpellation über die Rebschädlinge wird Genosse Huver als Redner bestimmt, während zum Kurpfuschergesetz Genosse Zietsch als Redner vorgesehen ist. Ein wenig begehrter Popen! Die Besetzung der zweiten Vizepräsidentenstelle im Reichstage wird im schwieriger. Keiner der Abgeordneten der Reichspartei ver- spürt sonderliche Neigung, den Lückenbüßer zu spielen und bis zur ReichStagsauflösung als AuShilsS-Vizepräsident zu fungieren. Auch Herr v. Dirlseu, den die Reichspartei wegen seiner hervorragenden geistigen Qualitäten zu diesem Ehrenposten auSersebeu hatte, mag nicht. In dieser Verlegenheit scheint die Reichspartei eS für be- sonders klug gefunden zu haben, sich auss hohe Pferd zu setzen und großmütig den Nationalliberalen die Besetzung des zweiten Vize- Präsidentenposten anheimzustellen. Die NeichSpartci hat nämlich folgenden schönen Beschluß gefaßt: „Nach der Auffassung der RcichSpartei wohnt der Wahl des zweiten Vizepräsidenten des Reichstages zurzeit keinerlei Bedeutung bei. Es würde demzufolge auch nach der in solchen Fällen bisher üblichen Regel zu verfabrni sein, daß die Stärke der Fraktionen den Ausschlag gibt. Daher würde die Besetzung der Stelle des zweiten Vizepräsidenten zunächst den Nationalliberalen und, sofern diese ablehnen, den vereinigten Fraktionen der Linken zukommen. Von dieser Auffassung der Reichspartei sind die anderen Fraktionen verständigt worden." Einen Zweck hat dieser Beschluß natürlich nicht; und tatsächlich ist denn auch die Reichspartei in aller Stille bemüht, unter ihren Geistesgrößen jemand zu finden, der für einige Zeit Vizepräsident spielen möchte. Gestern meinte sie in dem Abg. Schultz-Bromberg, der erst seit 1307 dein Reichstage angehört, die gutmütige Seele gefunden zu haben, die sich zur würdigen Vertretung des Aintcs eignet; doch auch dieser mag nicht. Vielleicht gelingt eS aber doch noch, einen reichspartcilichen Anwärter zu finden. Tie Einfuhr von Schlachtvieh aus Frankreich . Nach dem offiziellen Bericht der Direktion des Mannheimer Schlacht- und Vieh hofeS war die Zufuhr französischen Schlachtviehs auf dem letzten Montagsviehmarkt besser als am vorletzten Markttag vor acht Tagen. Während am vorletzten Montag nur insgesamt 22 Stück Großvieh französischer Herkunft auf dein Markt aufgetrieben wurden, betrug der Auf- trieb diesmal(bei einem Gesamtauftrieb von 1073 Stück) 143 Stück. Darunter befanden sich 50 Ochsen, 43 Farren und 43 Rinder. Dir Qualität des eingeführten Schlachtviehs war hervorragend. Trotzdem standen die Preise unter denjenigen, die für einheimisches Schlachtvieh gezahlt werden mußten. Während der Preis für Ochsen höchsten SchlachtivertS im Gcsamtdurchichnitt 83 bis 92 Pf. pro Pfund Schlachtgewicht betrug, war der Preis für französische Ochsen 80 bis 90 Pf. Eine noch erheblichere Differenz zeigt sich bei den Preisen für ausgemästete Ochsen im Alter von 4—7 Jahren. Hier beträgt der Gesamtdurchschnitt 86—90 Pf., für französische» Vieh 80—84 Pf. Für Farren betragen die Preise: Gesamtdurchschnitt für 1. Qualität 80—82 Pf., iür französische Farren 72—76 Pf. Gesamtdurchschnitt für zweite Qualität 70—78 Pf., für französische Ware 68—70 Pf. Bei den Rindern, die nur in erster Qualität au-Z Frankreich eingeführt wurden, betrug der Gesamtdurchschniitspreis 84—88, für französische Ware 73—82 Pf. Die Preisdifferenz zwischen dem Gesamtdurchschnitt und dem Preis für französisches Schlachtvieh beträgt also 2—3 Pf. pro Pfund Schlachtgewicht. Dieser Bericht widerlegt auf baS schlagendste die Behauptung der agrarischen Preffe, die da erzählte, daß Frankreich kein brauch- bares Schlachtvieh liefern könne und die Oeffuung der Grenzen des- halb den Schlachlviehmarkt nicht beeinfluffen werde. » Gegen die Flcischnot richtete sich eine große Protestkundgibung, die am Sonntag von den Genosse» in Fraulfurt a. M. veranstaltet wurde. In zehn zahlreich besuchten Versammlungen erhob die Frankfurter Nrbeitersckasl Ein» spruch gegen das System der Vieh- und Fleischzülle und schilanöien Grenzsperren. In samtlichen Versammlungen wurde folgende Rcso- lutio» angenommen: Die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit unseres werk- tätigen Volkes ist die Hanptbediiiaung für das Fortschreiten unseres wirtschaftlichen und kulturellen Levens. Sie wird aber aufs schwerste beeiuträchiigt durch die vom Lohnsystem herbeigeführte und durch die steigende Fleischteuerung»ers-värfte Unterernährung der breiten Massen. Die agrarische Schutzzollpolitik des Deutschen Reichs befördert diese Unterernährung, um den Großgrundbesitzern und Vieh- Züchtern ungemcsjcnc Gewinne zu sichern und die Arbeiter gleich- zeitig im Zaume zu halten. Gegen dieses schmachvolle AuShungerungS- und UnterdrückungZ- fystem rufen die Tausende von Frauen und Männern von Frank- furt a. M., die sich am 20. November 1910 zusammengefimden haben, die Massen zum entschloffenen Widerstand und Kamps auf. Sie erwarten vom Reichstage, daß er unverzüglich energische Maßnahmen, wie Oeffmmg der Grenzen, Aufhebung der Lieh- und Getreidezölle und Beseitigung der Schikanen bei der Vieheinfuhr, von der Reicksregierung verlangt. Die Versannuelten erklären, daß die Vorbedingung zur sieg- reichen Durchführung der wirtschaftlichen und politischen Kämpfe eine gute Organisation ist, und verpflichten sich deshalb, zur Stärkaug der sozialdemokrattschen Partei mit allen Kräften bei- zutragen._ Der Pariser Viehmarkt und die Viehausfuhr nach Teutschland. Da?„Echo de Paris" bestätigt, daß infolge der Erleichterung der Vieheinfuhr nach Deutschland das Auskaufen von französischem Vieh aus den Pariser Märkten derart lebhaft ist, daß die Preise bereits stark i» die Höhe gingen. Am letzten Donnerstag allein seien mehr als 1200 Rinder für Deutschland gekauft worden. Bor - gester»(Montag) eine noch größere Zahl. Die Preise seien deshalb um 80—120 Franks pro Stück gestiegen. Infolgedessen sei eine Ver- teuerung des Fleisches in Paris zu befürchten und die Regierung habe die Verpflichtung, Maßregeln dagegen zu ergreifen. Landtagswahl i« Reuh j. L. Am Montag, den 23. November, finden in Reuß j. L. die Neuwahlen zum Landtage statt. Der Landtag besteht au» 16 Ab- geordneten; davon ist ein Mandat fürstlicher Erbsitz, drei Abgeord- »ete werden von der Klasse der Höchstbesteuerten(Personen mit einem Einkommen von über 5000 M.) gewählt und 12 Abgeordnete gehen auS allgemeinen, gleichen und direkten Wahlen hervor. Der Wirrwarr im bürgerlichen Lager ist sehr groß; bis heute, wenige Tage vor der Wahl, haben die Natioualliberalen in der Stadt Gera , die drei Wahlkreise mit je einem Abgeordneten bildet, noch keine Kandidaten nominiert, ebensowenig die Höchstbesteuerten. Unsere Genossen haben den Wahlkampf mir aller Energie aufgenommen. Sie rechnen bestimmt nicht nur auf eine beträchtliche Zunahme der Stimmen, sondern auch aus die Eroberung einiger Mandate. Bisher saßen nur drei Sozialdemokraten im Landtage. Ter„Fettkellerklub". Vor dem Kriegsgericht der 1. Marineiuspektion in Kiel spielte sich Ende voriger Woche drei Tage lang ein Prozeß ab. der die so viel gerühmte Ordnung in den militärischen Betrieben, besonders die Aufsicht, in einem seltsauien Lichte erscheinen ließ. Jahrelang haben gewissenlose Vorgesetzte die Mannschaftsküche der 1. Torpedodivision in Kiel b e st o h l e n. so daß die Mannschaften um einen Teil ihres Essens geprellt wurden. Trotzdem dieser„Usus" mehrere Jahre betrieben wurde, und die ganze Mannschaft darüber erregt und aufgebracht war, ist keiner der höheren Vorgesetzten da- hinter gekommen. Nur durch einen Zufall kamen die Spitzbübereien zur Meldung. Ein Obermaat wollte einen Handwerker melden, weil sich dieser einem anderen Obermaaten gegenüber unmiliiärisch benommen hatte. Der Handwerker entgegnete, er wolle gerade erreichen, daß er gemeldet werde; dann kämen ja doch endlich einmal alle Schweinereien an den Tag, die Mannschaft dürfte ja doch nicht riskieren, die Sache zu melden. Dadurch wurde der Obermaat auf die Geschichte auf- merksam gemacht. Er meldete sie dem Zahlmeister und dieser sie wieder dem Kompagnieführer. So kamen die Feldwebel Bergmann, Mongener, Simon, der Vizefeldwebel Bornemann, der Torpedo- obermaschinistenmaat Stuff und die TorpedooberbootSmannsmaaten Heitmann, Mrowitz und Schäfer als Angeklagte vor das Kriegsgericht. Stuff war Kücheuunteroffizier. Die Zahl der aus der Küche zu ver- pflegenden Mannschaften betrug mitunter 800. Die Angeklagten haben fast täglich im Zimmer deS Angeklagten Stuff morgens, mittags und abends gegessen, trotzdem sie außer Menage waren. Die Lebensmittel kamen au» der Mauuschastsküche und wurden von den Köchen der Küche zubereitet. Außer- dem wanderten Fleisch, Reis. Zucker, Kaffee. Kakao, Korncdbeef, Pökelfleisch, Brot, Butter usw. in die Wohnungen der Angeklagten. Heitmann war Kammerunteroffizier und ließ außerdem alte und neue Uniform» stücke, Wäsche usw. wegschaffen und verkaufen. Vor Gericht behaupteten Stuff und Heitmann, die weggegebenen Sachen seien übergejpart gewesen. Heitmann behauptete sogar, die Vorgesetzten sähen eS nicht gern, wenn übergesparte Sachen auf der Kammer ständen. Ein als Sachverständiger vernommener Oberzahlmeistcr sagte jedoch auS. daß von übergesparten Sachen keine Rede sein könne. Die für die Küche bestimmten Waren würden, nach der Kopfzahl berechnet, täg- lich bestellt. Die Mannschaften waren von den an ihnen begangenen Dieb- stählen vollständig unterrichtet und nannten die auf ihre Kosten herrlich und in Freuden Lebenden den„F e tt ke ller klub". Die Zeugen, noch im Dienst befindliche und auch schon entlassene Matrosen, belaste» die Augeklagten schwer. DaS Mannschaftsessen sei immer schlechter geworden. Bei zusainmcngckochtem Essen bekamen fünf Mann soviel Fleisch, als eigentlich einer be- kommen sollte. ES habe sogar öfter gar kein Fleuch gegeben. Die aus der Haudwcrkcrstube beschäftigten Matrosen gingen deshalb schon gar nicht mehr zum Essen, sondern kauften sich selbst was, weil sie als Handwerker etwas nebenbei verdienten. Andere Matrosen er- zählten, daß sie Körbe und Kisten zu den Augellagten hoben bringen müssen. In den Kisten sollten angeblich Küchcnabfälle zum Kanincheufutter sein. Als ein Matrose einmal neugierig war und in die Kiste schaute, sah er darin Fleisch, Kakao. Kaffee usw. DaS Gericht verurteilte sämtliche Angeklagten außer Bornemann. Wegen Diebstahls, wissentlich falscher Meldung und Mißbrauch der Dienstgewalt erhielt Heitmann 10 Monate Gefängnis und Stuff 3 Monate Gefängnis. Heitmann wurde außerdenr degradiert und in die zweite Klaffe des SoldatenstandeS versetzt. Wegen Hehlerei er- hielten Bergmann 14 Tage. Monge»«, Simon, Mrowitz je«ine Woche Gefängnis, Schäfer 3 Tage Gefängnis. Bornemann wurde freigesprochen._ Sozialdemokvatic und Winzerfrage. Anläßlich der Stellungnahme der drei Sozialdemokraten im oberelsässische» Bezirkstage, die es abgelehnt haben, für die von klerikaler Seite beantragte gänzliche Steuer- befrei nng aller Rebbesitzcr ohne Unterschied dcL Einkommens im gegenwärtigen Jahre der Mißernte zu stimmen, ist von der klerikalen Preffe im Oberelsaß eine ganz beispiellos ver- logene Hetze gegen die angeblich bauernfeindliche Sozialdemokratie inszeniert worden. Der Sozialdemokratische Berein Mülhausen nahm am Montagabend nach einem Referate des BezirkStagsmitgliedeL Genossen A. W i ck h über die Verhandlungen des Bezirkstages zu diesen Angriffen Stellung und erhob schließlich einmütig den folgenden, vom Genoffen Jean Martin vorgelegten Antrag zum Beschluß: „Die Versammlung de» Sozialdemokratischen Vereins Mül- Hausen billigt die Haltung der sozialdemokratischen Vertreter iin oberelsäisischen Bezirkstag. Sie erkennt an, daß in der von klerikaler Seite zum Gegenstand einer demagogischen Hetze ge- machten Winzersrage die aus rein demagogischen Gründen be- antragte Steuerbefreiung nicht nur der notleidenden Winzer, sondern auch der großen Weinbergbesitzer ä. la Ostermeyer und Schlumberger abzulehnen war. Die Versammlung hätte gewünscht, daß� ein förmlich« Antrag dahingehend gestellt wurde, mit der Steuerbefreiung e t w'a bei einem
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