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/ sZehr richtig! rechts.) Die Interpellation getjt bop der Annaihme aus, der Kaiser habe im November 1908 dem Reichstag durch den Reichskanzler Fürsten Bülow Erklärungen gegeben, mit denen er sich durch Aeusterungen und Reden in diesem Jahre in Widerspruch geseht habe. D i e A n n a h m e i st fal s ch. In jener Zeit ist durch den Reichskanzler hier mitgeteilt worden, daß der Kaiser dem Reichskanzler Fürsten Bülow seinen Willen dahin kund- gegeben hat, daß er unbeirrt durch die von ihm als ungerecht empfundenen Uevertrcibungen der vsfentlichen Kritik seine dor- nchmste kaiserliche Aufgabe darin erblicke, die Stetigkeit der Politik des Reiches unter Wahrung der verfassungsmäßigen Beorntwort- lichkeit zu sichern. Mit dieser Auffassung hat sich der Kaiser nicht in Widerspruch gesetzt. Insbesondere nicht durch Aeußerungen, die er seither getan hat. Es ist mir völlig unerfindlich, wie man aus der B c u r o n e r A n spräche, aus der A>i s p r a ch e a n d i e R e- k r u t e n in Potsdam  , aus den A e u h e r u n g e n in Königsberg   über den Beruf der Frauen und über die Friedens- bürgschaft folgern will, daß der Kaiser die Grenze seines konstitu- tionellen Herrscheramtes überschritten oder die Stetigkeit der Po- litik und die Autorität der Krone gefährdet. sSehr richtig! rechts und im Zentrum, Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Die Königsberger   Rcdp des Königs von Pxeußen vor Angehörigen einer preußischen Provinz enthält keine Bekundung absolu- t i st i s ch e r Anschauungen, wohl aber allerdings eine starke Betonung des monarchischen Prinzips, auf dem das preußische Staatsrecht beruht, und den Ausdruck tiefer religiöser U e b e rz c u g u n g e n, die in breiten Schichten des Volkes ver- standen und geteilt werden. sScbr richtig! rechts und im Zentrum.) DaS preußische Volk hat sich nicht seine Könige gesetzt, fondern der prcusUschc �taat ist durch die Hohenzostern zusammengeschmiedet worden.(Sehr richtig rechts. Widerspruch links.) Darum sind die preußischen Könige aus eigenem Recht.)(Lautes Lachen bei den Sozialdemokraten.) Wenn in unseren Tage» auf demokratischer Seite die Neigung Herbortritt, auch in Preußen den König wie einen vom Volke ernannten Würdenträger zu behandeln, so darf man sich nicht wundern, wenn der König das Bewußtsein stark be- tonk, keiner Bolkssouvernnität zu unterstehen. Personliche Verant- wortlichkeit des Königs, Selbständigkeit und Ursprünglichkeit seines monarchischen Rechts, das sind die Grundgedanken des preußischen Staatslebens, die auch in den Perioden der konstitutionellen Ent- Wickelung lebendig geblieben sind. Die Formelvon Gottes- gnaden", die der König in der alten Krönungsstadt angewandt hat, bedeutet, daß er sich im Bewußtsein der Fülle seines Rechts und seiner Pflichten im Gegensatz zur Taaesmeinung auf sein Ge- wissen als Richtschnur seines Handelns beruft. Mit dieser Auf- fassung von der Stellung des Kaisers und Königs stehe ich a u f verfassungsmäßigem Boden. Diesen Boden werde ich festhalten, getreu der Verantwortung, die ich mir nur durch mein Amt und meine politische Ueberzcugung bestimmen lasse.(Lebhaftes Bravo! rechts, Lachen und Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Auf Antrag des Abg. Singer(Soz.) wird die Besprechung der Interpellation beschlossen. Alvj. Freiher v. Hertling(Z.): Mr haben für die Befprechung gestimmt, aber nicht um die Noveml-ertage von 1908 zu wieder- holen, die keine glücklichen Tage für das deutsche   Volk waren. Die Interpellation geht von irrigen Voraussetzungen aus.(Lebhafte Zustimmung rechts.) Denn bindende Ertlärnngen des Fürsten Bülow liegen nicht vor. Selbst Herr Haußmann hat am Tage nach der damaligen Interpellation gesagt: Der Reichskanzler habe nur einen frommen Wunsch geäußert, und der sozialdemo-- kratische Abgeordnete Geyer hat die Erklärung Bülows eine Absage an den Reichstag   genannt. Wir protestieren gegen ein Uebermaß der Lixitik kaiserlicher Reden und dagegen, daß das Zentrum die Veuroner Kaiserrede ausgeschlachtet habe. Wir sind Monarchisten. drängenunsabernichtzumThron. Herr Ledebour   hat historisch unrichtige Behauptungen aufgestellt. Der so anstößig erscheinend« Ausdruck vomeigenen Reckte" findet sich gerade in den Staatsrechtswerken der liberalen Schule, und soll nur. heißen, daß keine fremde Mackt de» König mit seiner Macht bekleide» kann. Tie WorteVon Gottes Gnaden" sprechen eben- falls nur die geschichtlichen Verhältnisse aus. die den einzelnen zum Thron Berechtigten auf den Thron führen. Die Worte vom auserlesenen Instrument des Himmels" bekräftigen nur die be- sondere Verantwortlichkeit der Krone. Die Mahnung der Frau an ihre schönsten Pflichten soll ein Eingriff ins politische Leben fern?(Heiterkeit rechts.) T«r Kaiser   hat in seiner Rede ein Bekenntnis zum Christentum abgelegt, vielleicht ist das der Grund zur ganzen Aufregung.(HörtI hört! im Zentrum.) Soweit sind wir aber doch nicht, daß jeder unreife Bursche sich zum Atheismus bekennen darf, der Kaiser aber nicht zu», Glauben. (Lebhafter Beifall im Zentrum und rechts.) Die Religion ist die stärkste Wehr gegen sozialdemokratische Verhetzung.(Unruhe links.) Der Kaiser hat dem gläubigen patriotischen Volke aus dem Herzen gesprochen, und es liegt keinerlei Grund zu der Jnterpellaiion vor.(Lebhafter Beifall im Zentrum und rechts.) Abg. Dr. v. Hendebrand und der Läse(?.): Wir sind mit der Antwort des Reichskanzlers einverstanden. Obwohl Herr Ledebour ziemlich zahm gesprochen hat, empfinden wir die Interpellation als eine Herausforderung des religiösen und monarchischen Empfindens unseres Volkes. Patz ein Teil des Hauses, die Sozialdemokraten, es wagen dürfe», das in Königsberg   abgelegte Bekenntnis des Kaisers vor ihren Richter­stuhl zu ziehen, ist eine Herausforderung.(Abg. Lebe- bour: Das haben Sie 1908 selbst getan!) Die KövigSberger Rede des Kaisers hat mit den damals besprochenen Vorgängen nicht das allermindefte gemein. Es ist in keiner Weisi» gegen die damals abgegebene Erklärung gehandelt worden. M.» mssen uns von einer Partei ohne Bntertand und ohne Nati»v.«yt   vorschreiben, was wir von den Ansichten der Krone über-inser Staatswesen und von unseren religiösen Ueberzeugungen zu halten haben.(Sehr richtig! rechts.) Wir bedauern es lebhaft, daß die Sozialdemokratie Tag für Tag die Person und das Amt des Kaisers in den Staub ziehen und in einer Weise verunglimpfen darf, die sich kein Privat- mann gefallen lassen würde.(Sehr richtig! rechts.) Als wir die gesetzliche Einschränkung des Majestätsbeleidigungsparngraphcn guthieße», hofften wir, daß auch die Sozialdemokratie so viel Rück- ficht auf den anderen Teil des Volkes üben würde, um mit der- artigen Verunglimpfungen einzuhalten.(Sehr richtig! rechts.) Wir glaubten, daß auch der Kaiser, die höchste Autorität im Staate, geschont und von allen Voltsgenossen in rücksichtsvoller Weife be- handelt werden würde.(Sehr ricktigl rechts.) Hat nicht der Herr Reichskanzler auch die Empfindung, daß das Volk verwirrt werden muß, ivenn sieht, wie die höchste Autorität hier herabgezogen wird? Bei allen Gelegenheiten wird von den Sozialdemokraten der revolutionäre Standpunkt vertreten. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Brrl Heiterkeit im ganzen Hause.) Bei den Revolutionen sollen erst die Junter drankommen; die Pfaffen werden wohl auch nicht ganz ausgeschlossen werden.(Heiterkeit im Zentrum.) Die Sozialdemokraten scheinen ihre Zeit schon für gekommen zu halten. Sie wolle» die Republik   verwirklichen auf dem Wege der Revolution.(Widerspruch bei den Sozialdemo- traten.) Machen Sie doch aus Ihrem Herzen keine Mördergrube, es ist so. und wir haben keine Lust zu warten, bis Sie dasKopf abl" wahrmache».(Abg. Dr. David: Wir sind doch für Ab- schaffung der Todesstrafe! Große Heiterkeit im ganzen Hause.) Wir stellen die Frage an die Regierung, wie lange sie noch warten und zusehen will, daß die Staats- und Gesell- fchaftSordiiung unterminiert wird. Wir wollen der Regierung keine bestimmten Vorschläge machen. Es ist aber Pflicht pnd Auf- gäbe der Staatsleitung, zu geeimieter Zeit mit geeigneten Mitteln zum Schutze der bürgerlichen Gefellschaft vvrzugelien. Wir er- -warten, daß die Mittel ergrisfen werden, die der Ernst der Lage fordert.(Lebhafter Beifall rechts.) Abg. Bassermann(natl.): Die Bedeutung der Vorgänge im November 1908 und die damaligen bedeutsamen Erklärungen des Aürstkn Bülow dürfen nicht herabgesetzt werden. Aber«S besteht ein tiefgehender Nnkerschied zwische/ der damaligen Situation und den jetzt in Frage stehenden Reden. Damals konnte man schwere Schädigungen der deutschen   Interessen mit Recht fürchten, heute handelt es sich nur um persönliche Anschauungm des Monarchen, die getragen sind von hohem sittlichen Pflichtgefühl, tiefer Religiosität und Liebe zum Vaterland. Einzelne Aeußerun- gen der Königsberger Rede ertragen gewiß eine Kritik. So hat der Kaiser die Frau im Hause als das Ideal hingestellt. Aber die Not des Kampfes umS Dasein hat heute viele Frauen aus diesem Ideal herausgerissen und sie gezwungem einen Erwerb zu suchen. Eine Folge davon ist dann auch die Beteiligung der Frauen an, polittschen Leben. Auf jeden Fall können wir eS nicht für nützlich gerade im Interesse der Autorität der Krone halten, wenn der Träger der Krone in den Mittelpunkt einer Diskussion gestellt wird, die dann bedauerlicherweise vielfach die gebotenen Grenzen überschreitet. Auch die Beuroner   Rede können wir n i ch t a l s glücklich bezeichnen. Beruft sich dock, das Zentrum auf sie, um die Rückkehr der Jesuiten   zu fördern. Wir müssen daher wiederholt den Wunsch aussprechen, daß der Träger der Krone sich möglich st e Beschränkungen auferlegen möge. Der Herr Reichskanzler würde sich den Dank des Volkes v-rdienen, wenn er bemüht wäre, nach dieser Richtung in den Bahnen seines Vorgängers zu wandeln.(Bravo  ! b. d. Natl.) Die Sozialdemokratie sollte ihre revolutionären und republikanischen Allüren aufgeben.(Lachen b. d. Soz.) Je schärfere Worte sie gegen die Monarchie findet, um so mehr werden die monarchisch gesinnten Teile des Volkes das Bedürfnis empfinden, sichaneine starke Monarchie anzulehnen.(Bravol b. d. Natl.) Abg. v. Paqer(Vpt.): Niemand denkt daran, dem Kaiser seine selbständige Ueberzeuaung oder sein Bekenntnis zum Christentum zu nehmen. Aber seine Worteals Instrument des Herrn mich betrachtend, ohne Rücksicht auf Tagesmeinungen und Tages- ansichten, gehe ich meinen Weg" stehen im Widerspruch zur Ver- fassung. Unter demGottesgnadentum" versteht man heute, daß ocr König von GotteSgnadcn die Grenze seines Willens nur in sich selbst oder in seinem Gott hat. Der deutsche Kaiser aber hat die Grenze seines Willens in der Ver° fassung des Deutschen Reiches.(Sehr richtig! links.) Die Anschauungen der Königsberger Rede in die Praxis übersetzt müssen den politischen Fortschritt hemmen.(Sehr richtig! links.) Diese Befürchtung ist noch verstärkt worden durch die Rede im Kloster Bcuron. Das Abkommen von 1903 besteht nach wie vor. ES wäre bedauerlich genug, wenn die Krone sich an das Versprechen deshalb nicht halten zu müssen glauben würde, weil der Reichstag  damals die Erklärung nicht ausdrücklich als annahmepflichtiges Geschäft bezeichnet hat.(Sehr gutl links.) Wir verlangen von dem Kaiser nur, daß er sich als konstitutioneller Fürst fühlt, und wenn ex das nicht kann, daß er den sinter- schied zwischen seinem Fühlen und dem des Bolhs nicht immer wieder öffentlich betont.(Sehr richtigl links.) Der Satz, daß mit der steigenden Zahl der Reden eines Mannes ihr« Bedeutung abnimmt, gilt auch für die Reden des Kaisers. Möge uns der Reichskanzler davor bewahren, daß politische Kund- gedungen des Kaisers als etwas Alltägliches bewert«t werde». (Bravos links.) Abg. Dr. David(Soz.): Daß der schtvarzblau« Block die Ge- legenheit dieser Interpellation benutzen würde, um gegen die So- zialdemokratie Sturm zu laufen wußten wir von vornherein. Die Gelegenheit, sich an höchster Stelle beliebt zu machen, ist ja sehr günstig. DaS halten Sie für politisch nützlich, und so sehe» wir denn auch hier den Bund der Ritter und der Heilt, gen diesmal mit außerordentlicher Verve gegen uns anspringen. gunächst hat Herr Freiherr   v. Hertling mit großem Pathos gefragt, ob wir dem Kaiser denn verwehren wollten, sich zun, Christentum zu bekennen. Das fällt uns Sozialdemokraten gar nicht ein. In unserm Programm stehtReligion i st Privat- fache". Dieses Recht billigen wir selbstverständlich auch dem Kaiser zu. Wenn er bei irgendeiner Familienfeierlichkeit sich zu Christus, als dem«ingeborenen Sohne Gottes bekennt, so ist das seine Privatsache. Wir würden das niemals zum Gegenstand einer politischen Aktion machen. Wenn er gine Weltanschauung vertritt, die vollkommen unberührt erscheint von den Ergebnissen der kri- tischen Philosophie seit Kant, wie auch von den Ergebnissen der ge- samten modernen Naturforschung, so«st das ganz seine Sache. Und wenn er die Mächte des Mittelalters ausfordert, den Kampf gegen das 90. Jahrhundert aufzunehmen, so beantwortet man auch das böchstens mit einem resignierten Lächelm Aber das Recht auf eine Weltanschauung sollte Herr v. Hertling auchanderenLeuten zugestehen. Wenn er glaubt, denen, die nicht mxhr auf dem Boden eines dogmatischen Gottesglaubcns stehen, entge genwerfen zu dürfen, das sei einfreches Bekenntnis zum Atheismus", so tritt aus diesen Worten allein schon der Geist zutage, der tm Grunde seiner Weltanschauung schlummert. Wenn Sie Ihr«., reli- giösen Empfindungen geschont haben wollen, und das ist eine Sache, der wir auch das Wort reden, dann schonen Sie aber auch die Weltanschauung jedes Menschen, welcher Art es sei.(Sehr richtig? b. d. Soz.) Es handelt sich hier um ganz etwas anderes. Wenn jemand aus seiner religiösen Grundanschauung heraus staatsrechtliche Kon- equenzen zieht, die im Widerspruch zur Reichsverfassung stehen, so st es eine Pflicht der Bolksvertretung, das mit aller Energie znrllck- zuweisen. Daß die Königsberger Rede keinen politischen Charakter trägt, glauben die Herren ja selbst nicht. Jedenfalls hat sich Ihre Presse ganz anders ausgesprochen. DieKreuzzeitung  " schrieb da- mals:In den Novembertagen war es die Hoffnung der Liberalen und Demokraten, daß der König sich entmündigen lassen werde. Was das Parlament beschloß, dem sollte sich der König fügen. E« war aber nicht anzunehmen, daß sich der König auf die Dauer ins Unrecht setzen ließ, und so hat er am LS. August das ist die Königsberger   Rede seine Auffassung von den Rechten und Pflichten des Königs von Preußen wieder einmal scharf und deut- lich ausgesprochen." Also das führende Organ der Rechten hat sehr wohl verstanden, was die Königsberger   Rede sein sollte. Es ist charakteristisch, daß man das Versprechen des Kaiser  » dadurch aus der Welt bringen will, daß man sagt. eS sei auf Zeit gegeben. Die Deutsche Tageszeitung" betonte aus Anlaß der Königsberger Rede, daß das Recht derKrone" ausschließlich aus Gottesgnaden beruhe. Und die Berliner  Neuesten Nachrichten", ein sreikonservatives Blatt, schrieben, das Deutsche   Volk hat sich seit dem November 1908 in einem I r-r t u m befunden. Wir sind heute, wo wir damals waren.(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Auch dieTag- liche Rundschau" sprach davon, dgß die Königsberger Rede auf den Gang der inneren Politik in einem Sinne einwirke, der nicht vonNutzenseinkönne.(Hört, hört! links.) Und was schrieb die Zentrumspresse? In derKölnischen Volkszeitung" hieß esi Die Aera Bülow ist endgültig vorüber, das beweist am besten die Königsberger Rede. Der Kaiser fühlt sich der Fesseln ledig, die«r sich damals auferlegt hat." Sollten sich die Dinge so verschoben haben? Nein, die Parteien haben ihre Stellung verschoben, sie halten es heute nicht für opportun, das zu sagen, was ihre eigene Presse über die Rede geschrieben hat. Also der Versuch, es so hin- zustellen, als hätten wir Sozialdemokraten die Sache vom Zaune gebrochen, fällt vollkommen zu Boden. 1908 sagte auch Herr v. Hertling. daß in dar modernen Zeit auch der Träger der höchsten Macht es sich gefallen lassen müsse, der Kritik der Volksvertretung unterzogen zu iverden, wenn er durch seine Handlungen Anlaß dazu gebe.(Hört, hört! bei Pen Sozialdemokraten.) Inzwischen ist das Zentrum umgefallen, um sich oben lieb Kind zu macheu. Nun be- streitet man, daß das Bekenntnis zum Gottesgnadentum im Wider- spruch stehe mit der Verfassung. Da erinnere ich, daß der Kaiser früher selbst deutlich hat erkennen lassen, wie er dies Bekenntnis meint, und darauf kommt es doch an, wenn es sich um die staatsrecht- liche Tragweite dieses Bekenntnisses handelt. In das goldene Buch des deutschen Volkes, das zur Jahrhundertwende von derIllustrier- ten Zeitung" herausgegeben wurde, hat der Kaiser eingetragen: Von Gottes Gnaden ist der König, daheristerauchnurdcm Herrn allein verantwortlich.(Hört, hört! bei den So- zialdemokraten.) Er darf seinen Weg und sein Wirken nur unter diesem Gesichtspunkte wählen. Diese furchtbar schwere Berank. Wartung, die der König für sein Volk Irägk, gibt ihm auch das An« recht auf treue Mitwirkung seiner Untertans n." Wir müssen das zurückweisen. Wir sind keine Untertanen, sondern freie Staatsbürger. Wenn man von der Auffassung ausgeht, daß die Staatsbürger Untertanen sind, dann allerdings gibt es keine koordinierte Instanz, dann steht das Parlament im Subordinations« Verhältnis zum Kaiser, und dagegen haben wir die ernste Pflicht, uns mit aller Energie zu wehren.(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Man hat dann darüber gestritten, ob die preußische Königskrone aus eigener Macht stammt, oder unter Mitwirkung der Volksvertreter zustande gekommen ist. Nun jedenfalls hat das preußische Volk einmal die Krone aufgerichtet, als sie zu Boden lag. Das war in den sogenannten Befreiungskriegen, und damals wurde dem Volk von der Krone ihre Verfassung ver- sprachen, auf die das Volk allerdings lange warten mußte. Für das Reich aber liegt die Sache einwandfrei klar, die Kaiserkrone ist nicht aus eigener Machtvollkommenheit genommen worden, sondern sie ist vom Parlament verliehen worden. Sie beruht ans einem Ver- trag zwischen den deutschen Fürsten, und dieser Vertrag wurde rati- fiziert von sämtlichen deutschen   Landesvertretungen. Auch der Norddeutsche Reichstag hat damals seine verfassungsmäßige Zu- stimmung zu dem Vertrage gegeben. Wenn man aber unter Gottes- gnadentum nur versteht, daß man das, was man von Macht hat, der göttlichen Macht verdankt, so ist von dem Standpunkt auch der Reichstag von Gottes Gnaden da.(Sehr gut! links.) Ja von dem Standpunkt aus sind auch wir Sozialdemokraten hier von Gottes Gnaden.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Bei der Eröffnungsfeier dieses Reichstages be- tonte ja auch ein Oberhofprediger, daß die letzte Reichstagswahl«in Werk Gottes sei. Nun dann müssen Sie aber auch die Resultate der Nachwahlen als das Werk Gottes anerkennen und müssen sich sagen: Wir müssen uns schwer versündigt haben, daß bei jeder Nachwahl die sozialdemo- kratischen Stimmen so zunehmen.(Heiterkeit und sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Wir dürfe» nicht dulden, daß die Bedeutung des Reichstages herabgedrückt wird, auch nicht in de» Vorstellungen der maß- gebenden Personen, denn diese können sich zu Handlungen ver- dichten. Wir sind als Reichstag   die unmittelbaren Beaus- tragten des Volkes, eine souveräne Instanz neben dem Bundesrat,' nebe» dem Kaiser, nicht unter dem Kaiser.(Sehr richtigl links.) Die Minister sind die Funktionäre der Volksver- tretung, wenn sie auch der Form nach vom Kaiser ernannt iverden. Diese Anschauung weist den Ministern eine viel würdigere Stellung zu, als die ist, die st« heute haben. Ich erinnere an die Stellung der englischen Minister ihrem König gegenüber. Wen» ein deutscher Minister dem Kaiser gegennbertritt, so fühlt er sich vollkommen als Beamter, der durch die. Ungnade seines Herrn gestürzt werden kann; ein englischer Minister aber tritt als Beauf­tragter der großen Mehrheit des englischen Volkes dem König von England gegenüber. Auch die Stellung, die wie dem Kaiser zuweisen, ist im Grunde genominen weit würdiger, als hie auf Grund des Gottesgnadenprinzips. Wenn auch der Fürst erklärt, er sei nur verantwortlich vor den« himm- lisch«» Herrn, so ist er natürlich doch nicht in der Lage, durch seine «Sachkenntnis und Arbeitsfähigkeit etwa wirklich sachlich zu Herr- schen. Er ist abhängig von per Giftatmosphäre deS höfischen Byzantinismus, wie es Herr v. Zedlitz einmal nannte, Wir erkennen dem Kaiser gern den Einfluß zu, den er durch das gcivii t. was er wirklich leistet, abex wir weisen den Anspruch scharf zurück, daß er über alles gebieten könne, lediglich auf Grund eines erblich formalistischen Rechts, was nur dazu führt, daß das Instrument oes Himmels schließlich das Instrument irgendwelcher Herren ist, die man als ungekrönte Könige von Preußen be- zeichnet.(Sehr gutl bei den Sozialdemokraten.) Der Gegensatz zwischen den Anhängern des Alten und den Anhängern des Neuen hat eine Schärfe erreicht, die sehr leicht zum Konflikt und zur Katastrophe führen kann. Man sollte denken, daß auch einsichtsvolle Konservative sich mit modernen Anschauungen abzufinden wissen sollen. Statt dessen mehren sich seit der Zusammenkunft des Kaisers und des Zaren in Potsdam   die konservativen Stimmen, die ein deutsch  -russisches Bündnis zum Schutz der konservativen Wellanschauung forden«, die eine Erneuerung der heiligen Allianz erstreben. Es fehlt nur noch der alte Franz Joseph  , der aber ist, glaub« ich, zu klug pazu. Daß er trotz seines Alters die modernd Zeit begreift, hat er durch sein Eintreten für das allgemeine Wahlrecht bewiesen. Ich glaube nicht, daß der die Wege Metternichs«wandelt. Be­zeichnend für die Neigung, die heilige Allianz zu erneuern, ist e» auch, daß wieder die preußischen Konservativen sich als die wahren Patrioten bezeichnen. So war es auch in jener Zeit, als die Feind- schaft gegen die deutsche Einigung das Kennzeiche» des patentierten preußischen Patriotismus>var.(«Sehr wahrl links.) Bismarck   war gewiß kein Freund der Sozialdemokratie. Er hat durch seine soziale Verständinslosigkeit dazu beigetragen, die {roletarische Bewegung zu beschleunige». Aber an Einsicht in die lotwendigkeit der Zeit ubertraf er doch bei weitem die heutigen Konservativen. Namentlich übertraf der Handlanger sehr den da- maligen Träger der preußischen Krone, per nur mit Mühe zur An- »ahme der Kaiserkrone gebracht werden konnte.(HörtI hört! bei den Sozialdemokraten.) Bismarck   hat unbeschadet seiner konserva- tiven Richtung bedeutsame Forderungen des Liberalismus akzep. tiert, und er hat das allgemeine Wahlrecht eingeführt, daS den heutiflen Konservativen so verhaßt ist. Sie aber(nach rechts) wan- dein nicht auf den Spuren Bismarcks, sondern auf den Spuren Metternichs. Sie wollen durch Gewaltmahregeln das Neue ver» hindern und das Alte konservieren. Bezeichnend für die reaktionär? Strömung ist auch die W der Beuroner   Repe proklamierte neue Firma«Thron und Altar". Diese Firma meldete sich auch in der heutigen Rede des Frei- Herrn v. Hertling an. Der Thron soll vom Altar Unterstützung gegen die Demokratie erhalten, der katholische und orthodox- lutherische Altar soll dagegen vom Staate Hilfe gegen den Mo- dernismus bekommen. Der Dritte in der Firma ist dann der Besitz oder, wie Herr v. Oldenburg   so schön sagt, das große Portemonnaie.(Heiterkeit und Gehr gut! bei den Sozialdemo- kraten.) Der Kanzler erklärte vorher: Die Potsd'amerRckruten- anspräche überschreite in keiner Weise die versassungmäßigen Befugnisse des Kaisers. Der Kaiser bestreitet in der Rede an die Rekruten, daß ein Konflikt zwischen Pflicht und Gewissen möglich sei. Das stimmt aber keineswegs. Im M i l i t ä r st r a f g e f e tz- buch wirb ausdrücklich betont, daß die Militärpcrsonen, die einen Befehl eines Vorgesetzten ausführen, von dem sie wissen, daß er strafbar ist. der Strafe der Teilnehmer sich aus- setzen. Im zivilen Strafgesetzbuch nun befindet sich ein Para- graph, der m i t Z u ch t h a u s st r a f e den bedroht, der es unter- nimmt, den Reichstag zu sprengen oder gewaltsam zur Fassung oder Unterlassung eines Beschlusses zu nötigen. Zum Begriff des Unternehmens gehört auch unstreitig eine Aufforderung nach Art der deZ Herrn von Oldenburg.(Lebhaftes Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Ich kann dem Reichskanzler nur eindring- lich das Studium des Militäritrafgesetzbuches und des Strafgesetz, buches eisipfehlen. Es handelt sich da um sehr aktuelle Dinge. ES mehren sich die Empfehlungen selbstherrlicher Eingriffe in die Reichsverfassung. Der fromme..Reichsbote" hat ausdrücklich de» Reichskanzler aufgefordert, aus dem Wege des Staats. st reich es durch kaiserliche Verordnung einOber- Haus einzuführen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Der RegierungSrat Martin hat in einem viel gelesenen Buche aus- geführt, daß der Kanzler mit einer Aendcrung des Reichstags- Wahlrecht» umginge.(Hört! hört! bei den Sozialdemokralen.) Anderswo ist mitgeteilt worden, daß der Kanzler nur auf den Ausfall der nächsten Reichstagswahlen warte, um den Widerstand