Dr. 287. 27. Zahrgiwg.I SeilW d»„Hotwdä" Ittlinft NcksdlRDouaerstitg. 8. Dezember!MPartei- �ngelegenkeiten.Niederschönhaosen-Nordend. Hcutc Donnerstag, von? Uhrabends ab, findet eine Handzettelverbreitung von den bekanntenStellen aus statt._ Die Bezirksleitung.Berliner J�admebten.In der zweiten Klasse.„Der Verkehr nach beiden Richtungen ist unregelmäßig!"Mit gemischten Gefühlen lese ich diese Ankündigung auf derschwarzen Tafel am Eingange des Ringbahnhofes. Also eineBetriebsstörung. Da wird Mutter wieder mal mit demAbendbrot warten müssen.Alls dem Bahnsteig herrscht ein lebensgefährliches Ge-dränge; besonders vorn und hinten, der Haltestelle der drittenKlasse entsprechend, staut sich ein Knäuel von Wartenden.Wer es heute eilig hat, der mag seine Rockschöße und Hühner-äugen in acht nehmen.Ich ziehe aus dem ach so schwindsüchtigen Portemonnaie— wir schreiben den vorletzten Wochentag— einen halbenNickel und löse bei dem Stationsvorsteher, vulgo dem„Mannmit der roten Mütze", eine Zuschlagkarte zu meinem Monats-billctt, die mich zur Fahrt in der zweiten Klasse berechtigensoll. Eine Viertelstunde vergeht. Noch eine! Endlich leuchtenaus der Dunkelheit die grellen Lichter der Lokomotive; derlang erwartete Zug fährt ein. Rechts und links strömt dieMenschenmenge die rotbraunen Wagen. Ich steige mit derMiene eines Mannes, dem die Welt gehört, in das grünangestrichene Heiligtum derer, die„ein bißchen was sind". Hierist gut sein! Kein Geschubbse, kein Herumtrampeln auf denHühneraugen, keine verdorbene Luft. Wie heißt es doch gleich indem schönen Liede?: Wer Geld hat, kann auf Polstern sitzen,und wer keins hat, muß auf Brettern schwitzen. Ich kuschelemich behaglich in den weichen Kissen zurecht und sehe mirmeine Mitreisenden an.Links sitzen zwei Backfische mit riesigen Feuereimern aufden niedlichen Köpfen. Sie tuscheln eifrig miteinander.Natürlich von„ihm". Rechts ein dunkelbärtiger Herr mitdem„Berliner Tageblatt" vor der kühn geschwungenen Nase.Und gegenüber, fast die ganze Breite der Polsterbank ein-nehmend, zwei Vertreter der weit verbreiteten Familie Protz,mit breiten Ringen an den dicken Fingern unddichthaarigem Pelzwerk auf den Speckhälsen. Ich taxieredie beiden auf ein emeritiertes Schlächterehepaar undauf beiläufig drittehalb Doppelzentner Lebendgewicht.Der siebente Insasse, der noch im letzten Augenblick ein-gestiegen war, ist ein ängstlich und schüchtern blickendes Kerlchenmit zu langen Haaren und zu kurzen Hosen, ein kleiner An-gestellter oder so etwas. Er muß es eilig haben, denn ersieht jeden Augenblick auf die Uhr.„Darf ich um die Fahrkarten bitten?" AuS dem Neben-abtetl ist ein Herr mit einer Bahnmütze auf dem Kopfe ge-treten: der Fahrkartenkontrolleur. Ich zücke meine beidenKarten, die Feuereimer öffnen ihre Pompadours, der Mannmit dem Tageblatt krabbelt in der Westentasche und die mann-liche Hälfte der drittehalb Doppelzentner Lebendgewicht ziehtmtt unwilliger Miene ein dickleibiges Portemonnaie. Einkurzer, prüfender Blick des Beamten auf die hingehaltenenKarten, ein höfliches„Danke!" Dann wendet er sich mitfragender Miene an den zuletzt Eingesttegenen. Der sitzt wiemit Blut Übergossen. Seine zitternden Hände tasten an denTaschen des abgetragenen Ueberziehers herum. Zögernd reichter dem Beamten die Fahrkarte.„Das ist ja ein Billett dritter Klasse. Haben Sie keineandere Karte?"„Nein, ich— die dritte Klaffe war überfüllt, und ich—ich muß dringend nach Hause."„Dann hätten Sie eine Zuschlagkarte nehmen sollen."„Ja. ich— ich wollte den Zug nicht versäumen. MeinKind ist krank." Der Mann spricht es mit zuckenden Lippen.„Das tut mir leid. Aber ich muß Sie melden. KommenSie mit zum Stattonsvorsteher."„Armer Teufel," sagt der Tageblattmann, als die beidenauf der nächsten Haltestelle den Wagen verlassen haben,„derist seine sechs Emm los. Er sah nicht gerade danach aus,als ob er das Geld so leicht verschmerzen könne."„Dann hätte er ebent nich zweite Klasse fahren sollen,"pustet die maskuline Hälfte der drittehalb Doppelzentner.„Det wäre ja noch schöner, wenn unsereens for sein jutetJeld schließlich noch stehen müßte." Die komplementäreHälfte nickt.„Ader erlauben Sie mal," sage ich.„wie die Umständeheute liegen—"„Ach wat. Umstände. Die Bahn beschummeln, nich?Andern Leuten die Plätze wegnehmen, nich? Und nachher uffdie Zustände schimpfen, nich?"„Aber Sie haben ja gar nicht gestanden. Der Mann hatSie doch nicht gehindert. Uebrigens— weil Sie von Be-schummeln sprechen— die Bahn macht bei einer Strafe von6 Mark noch ein gutes Geschäft, jedenfalls ein besseres, als,»"»,« sie täglich Fahrgäste zu befördern hätte, die für ihrelo Pfennige zwei Sitzplätze beanspruchen." Die beiden Back-fische mit den Feuereimern kichern.„Det jcht Jhn'n jarnischt an—"„Laß Dich doch mit solchen Leuten in keinen Streit ein,das führt ja doch zu nichts", sagte die schwächere(!) Hälfteder drittehalb Doppelzentner, und bemüht sich, die etwas hochgeratene 3!ase noch höher zu heben.„Du hast recht, Mathilde, man schmeißt sich bloß weg."Der Zug hält. Ich bin am Ziel. Schade! Ich hättemich gern mit Herrn und Frau Protz noch länger unterhalten.Na, was nicht ist, kann noch werden. Die Familie ist jaweitverbreitet. Man begegnet ihr alle Tage und aller Orten.Das Ergebnis der Volkszählung. Die Bevölkerungszahlder Stadt Berlin beträgt nach der gestern beendetenZählung 2 ltöt 153 gegen 2 040 148 am 1. Dezember 1903.Die Deputation für die städtische Straßenreinigung erweitertedurch Beschluß das den Arbeitern obliegende Pensum durch Aus-nähme von fünf neuen Straßen in den Arbeitsplan.— Das vonder Universitätsverwaltung vorliegende Ansuchen, die um die Uni-Versität und die neue Bibliothek liegenden Biirgersteige von denArbeitern der städtischen Straßeureinigung säubern zu lasien, wurdeabgelehnt. Buch soll die bisher vorgeuoimnene Reinigung derBürgersteige an dem alten BibliothekSgebäude seitens der städtischenSlraßenreinigung eingestellt werden.— Aach dem Bericht der.Direktion ist die Frequenz der in Betrieb genommenen unter demStraßenniveau gelegenen Bedürfnisanstalt an der Schloßbrücke einestelig steigende. Ihre Rentabilität steht außer Frage. Der Baueiner gleichen Unter den Linden an der Friedrichstraßeist vorgesehen. Ueber die Lage, Grundriß und Bausoll mit der Tiefbaudeputation in Verhandlung getretenwerden. Ist mit derselben eine Verständigung nicht zu erzielen,was nach den gemachten Erfahrungen zu befürchten ist,soll in der Sache die Herbeiführung eines Magistratsbeschlusses au-gestrebt werden.— Der Wunsch der Aufseher, ihnen an Stelle derDrillichhose eine leichte dunkle Sonnnerhofe zu liefern, wurde ab-gelehnt.— Ein Konsortium verfolgt den Plan eines Bahnbauesvon Erkner nach Storkow. Die Bahn soll das der Stadt gehörigezirka 30» Morgen große Gelände, das früher als Müllabladeplatzdiente, berühren, wodurch eine erhebliche Steigerung des Werteserzielt würde. Aus diesem Grunde erklärte sich die Deputationbereit, dem Konsortium zu den Kosten der Vorarbeiten eine Bei-steuer von 500 M. zu leisten. An die Hergabe ist Sie Bedingunggeknüpft, daß in den Arbeitsausschuß ein Mitglied der Verwaltungzugezogen und ein Bahnhof in der Nähe Spreenhagensangelegt wird.— Der nun seiner Vollendung entgegen-geführte Schiller-Park hat nur 20 000 Kubikmeter Müllbon dem Müllabladeplatz in der Miillerstraße absorbiert.29i 000 Kubikmeter lagern noch auf dem Platz, die nunmehr für einsehr akzeptables Angebot abgefahren und damit der Platz als Bau-land erschlossen werden soll. Die Angebote potenter Unternehmerweise» eine sehr große Differenz auf. Doch ist jeder Zweifel aus-geswlossen. daß der Mindestfordernde die Arbeit nicht in exakterWeise ausführen würde. Und der Mann will doch auch verdienenund verdient anÄ dabei, dafür hat er bei der Ausführung andererstädtischer Arbeiten den Beweis erbracht.— Die erste Schneeperiodedes Winters, die eine ziemlich„wässerige" war, hat trotzdem 5700Fuhren gekostet, die einen Aufwand von 13 490 M. erforderten.Durch die Benutzung der Kanalisation bei der Schneebeseitigungsind die Kosten dafür von 1,50 M., die früher aufgewendet wurden,aus 0,94 M. gesunken.Die Berhnndlungen der Stadtverordnetenversammlung über dieFrage der städtischen Kinderfiirsorge und die im Anschluß darangepflogenen Beratungen der AnSschußsitzung haben in der Oeffent-lichket erhebliches Aufsehen erregt und die Aufmerksamkeit breiterSchichten auf diese, das Allgemeinwohl lebhaft berührende Fragegelenkt. Von sachverständiger Seite ist das Vorgehen des Magi-strats, der für die Entsendung tuberkulöser und tuberkulosebedroh-ter Kinder nur beschränkte Mittel zur Verfügung stellen will, inder Tages- unid Fachpresse bekämpft worden. Auch der Volksheil-stättenverein vom Roten Kreuz, dessen Hohenlychener Kinderheil-stätten bisher den Hauptteil der kurbcdürftigen Kinder von derStadtgemeinde Berlin zugewiesen erhalten haben, hat nunmehreine Denkschrift ausgearbeitet, die den Magistratsmitgliedern undsämtlichen Stadtverordneten zugestellt worden ist. Es wird darinausdrücklich darauf hingewiesen, daß die systematische Beteiligungder Gemeinden an der Tuberkulosebekämpfung ihren Haupt-angriffspunkt bei Kindern aus tuberkulösen Famttien findet.Wie die bürgerliche Press« schwindelt.Die Verbandsversammlung der Wahlvereine von Groß-Berlinhat bekanntlich am Sonntag mit 642 gegen 49 Stimme» beschloss'n,den Monatsbeitrag zum Wahlverein vom 1. Januar ab auf 40 Pf.für männliche und 20 Pf. für weibliche Mitglieder festzusetzen. Ueberdiesen Beschluß läßt sich die.Rheinisch-Westfälische Zeitung" ausBerlin folgendes telegraphieren:„Der sozialdemokratische Verband der Wahlvereine für Groß-Berlin beschloß in einer außerordentlichen Generalversammlung,vom 1. Januar t9ll ab den Monalsbeitrag für männliche Mit-glieder auf 40 und für weibliche Mitglieder aus 20 Ps. zu erhöhen.Da der Beschluß mit ganz geringer Mehrheit zustandekam und von den Vertretern mehrerer Wahlvereine angekündigtwurde, daß sie diesen Beschluß nicht beachten würden, so dürfte eswegen dieser Beitragserhöhung zu lebhaften Auseinandersetzungenzwischen den Bereinen und der Bezirksleitung kommen. DieGegnerschaft plant, eine Gegenversammliing einzuberufen, da eSunmöglich fei, bei der allgemeinen Preissteigerung auch noch er-höhte Beiträge zu leisten, zumal für Wahlzwecke Sondersamm-lungen veranstaltet werden sollen."In diesem Bericht ist so ziemlich alle« Schwindel. Unwahr ist,daß der Beschluß, die Beitragserhöhung betreffend, mit„ganz ge-ringer Mehrheit" zustande kam. unwahr ist. daß von Vertreternmehrerer Wahlvereine angekündigt wurde, den Beschluß nicht zubeachten, und geradezu unsinnig ist, daß die Gegner der Beitrags-erhöhung eine Gegen- Generalversammlung einberufen wollen. Diebürgerliche Presse kann eben nicht anders, als über unsere Bewegungnur lügenhaft berichten._Die Geschäftszeit vvr Weihnachten. Nach einer Verordnungdes Polizeipräsidenten gelten im Bereich des LandespolizeibczirksBerlin am silbernen und goldenen Sonntag sowie an den beidenWeihnachtstagen folgende Ausnahmen von der gewöhnlichen sonn-täglichen Geschäftszeit:An-den beiden letzten Sonntagen vor Weihnachten, tl. undl3. Dezember, ist die Beschäftigung von Gehilfen, Lehrlingen undArbeitern im Handelsgewerbe in der Zeit von 8 bis 10 Uhr vormittags und von 12 bis 8 Uhr nachmittags gestattet, und zwar inBerlin, Charlottenburg, Rixdorf, Wilmersdorf, Lichtenberg, Box.hagen-Rummelsbnrg und Stralau. Für Schöneberg ist die Vc-schäftigung entsprechend dem dortigen Ortsstatut von 3—9)4 Uhrvormittags und von 11)4—8 Uhr nachmittags gestattet. Im Handelmit Brennmaterialien, sowie in den Bank-, Wechsel- und Lotterie-geschäften ist jedoch nur die Beschäftigung wie an gewöhnlichenSonntagen erlaubt. Der Verkauf von Backwaren, Fleisch undWurst, der MileMjandel und der Betrieb der Vorkosthandlungen istan den beiden Sonntagen schon von 5 Uhr, der Handel mit Roheisvon 0 Uhr früh an zulässig. Am ersten Wcihnachtstage sind fol-gende Ausnahmen von dem allgemeinen, vollständigen Geschäfts-schluß gestattet: im Milchhandel ist der Geschäftsbetrieb von 5—10Uhr vormittags und von 12—2 Uhr nachmittags(in Schönebergvon 5—9)4 und von 11)4—2 Uhr) zulässig; im Handel mit Back-Konditor-, Konfitüren- und Fleischwarcn von 5— 10 Uhr vormittags(in Schöneberg von 6— 9)5 Uhr vormittags), im Handelmit Kolonial- und Vorkostwaren, mit Bier, Wein und Zigarrenvon 8—10 Uhr vormittags(Schöneberg von 7)2— 9)4 Uhr), im Eis-gcschäft von 6— 10 Uhr(Schöncüerg von 6— 9)4 Uhr), in denZeitungsspeditionen, auch in Schöneberg, von 4— 9 Uhr vormittags;im Blumenhandel von 9— 10 Uhr vormittags und von 12— 2 Uhrnachmittags(in Schöneberg von 8)2— 9)4 Uhr vormittags und von12—2 Uhr nachmittags) zulässig. Am zweiten Weihnachtstagegelten die allgemeinen Vorschriften über die Sonntagsruhe imHandelsgewerbe wie an den gewöhnlichen Sonntagen.Das zweite Arbeiter-Jngendheim ist gestern in den GroßeFrankfurter Straße 126 belegenen Räumlichkeiten eröffnetworden.Die Wertzuwachssteuer, so lesen wir in der„Vossischcn Zei°tung", die am 7. März 1910 in Berlin in Kraft getreten fft, sollte,wie von einzelnen Berichterstattern ebenso geflissentlich wie beharr-lich verbreitet wurde, vollkommen Fiasko gemacht haben. Es seinicht daran zu denken, daß der etatsmäßige Ertrag einkommenwerde. Der Magistrat hatte den Ertrag für das Verwaltungsjahrvom 1. April 1910 bis 31. März 1911 auf eine halbe Million vcr.anschlagt. Die Stadtverordnetenversammlung erhöhte den Etats-ansah auf eine volle Million. Tatsächlich entspricht der Ertragbisher vollkommen dem Voranschlage des Haushalts. Eingegangensind bis Ende November für Rechnung des Etatsjahres 1910—also die Eingänge für die Zeit vom 7. März bis 31. März 1910nicht gerechnet— 535 000 Mk.; ausgeschrieben sind bisher für 1910bereits rund 900 000 Mk.; wenn nicht Ereignisse eintreten, die dieEntWickelung ungünstig beeinflussen, beispielsweise das Eingreifendes Reiches, wird von der städtischen Finanzverwaltung, wie wirerfahren, mit Sicherhett angenommen, daß der Etotsansatz erreichtwird.Güterbeförderung auf dem Teltowkanal. Am 28. Novemberhat die Menge der in diesem Kalenderjahre auf dem Teltowianalbeförderten Güter eine Million Tonnen überschritten. Im BtonatNovember dieses Jahres wurden mehr als 128 000 Tonnen beför-dert; es ist dies die höchste Monatszahl seit der Inbetriebnahmedes Kanals._Ein städtischer Mcdizinalrat.Eine Subkommission der städtischen KrankenhauSdeputation vonBerlin hat beschlossen, dem Plenum der Deputation nachfolgendenAnttag für die Stadtverordnetenversammlung zu unterbreiten:„Die Versammlung wolle beschließen, folgendes Ersuchen an denMagistrat zu richten: Die der Stadt auf dem Gebiete der Gesund-beilspflege obliegenden Verpflichtungen und die von ihr auf diesemGebiete freiwillig übernommenen Aufgabe» haben in letzter Zeit einenderartigen Umfang und eine so erhebliche Bedeutung für den StadthanS-halt angenommen, daß es geboten erscheint, für den Magistrat nebenden hochverdienten, im Ehrenamt tätigen Mitgliedern eine weitere, inallen einschlägigen Fragen hervorragend erfahrene Kraft zu ge-Winnen und ihm sür längere Zeit zu sichern. Die Versammlungersucht daher den Magistrat um seine Zustimmung zur Schaffimgder Stellung eines besoldeten städtischen Mcdizinalrats mit dem Ge«halt technischer MagistralSmitglicder"Der Antrag ist hervorgegangen aus Beratungen der Kranken»hauSdeputation aus dem ablehnenden Verhalten des Magistratsgegen wiederholte Beschlüsse der Deputation. Ihm liegt der Ge-danke zu Grunde, daß im Magistrat die Wahrung der gesundbeit-lichen Interessen der Berliner Bevölkerung bisher nicht in dem Maßeerfolgt ist, wie man das allgemein wünschen muß. Bemerkenwollen wir, daß die sozialdemokratische Fraktion seit vielen Jahreneinen Medizinalstadtrat gefordert hat und daß in neuerer Zeitunsere Nachbarstadt Charlottenburg auf diesem Gebiete voran'gegangen ist._In der gestrigen Sitzung der Tiefban-Deputation wurde be-schlössen, von den Grundstückseigentümern in den an das Scheunen-viertel angrenzenden Straßen in Höhe von 75 Proz. des durch dieVerbreiterung der Straßen entsteheirden Mehrwertes Beiträge nachI 9 des Kommunal-Abgabengesetzes zu erheben.Die Deputation beschloß ferner die Festsetzung einer neuenFluchtlinie für die Nordseite der Neuen Königstraße und die Ver-vreiterung derselben auf 24 Meter den Gemeindebhörden vorzu.schlagen. In der Deputation wurde die Frage der Festsetzung vonrsluchtlinien für die Privatstraße am Johanmstisch angeregt. Manwar der Ansicht, daß für diesen lediglich Privatinteressenten die-nenden Weg die Festsetzung von Fluchtlinien weder erforderlich nochnotwendig sei.Außerdem beschäftigte sich die Deputation mit dem Projekteiner Verbindung zwischen dem Viehhof auf der Südseite derLandsberger Allee und der Erweiterung des Viehhofes auf derNordseite der Landsberger Allee. Das Kuratorium des städti»scheu Vieh- und Schlachthofes beabsichtigt unter der LandsbergerAllee neben der Ringeisenbahn eine Unterführung zwecks Verbin»dung des Viehhofes mit der Ertveitcrungsanlage herzustellen. DieUnterführung soll ein Gleis und eine daneben liegende Viehtriftenthalten. Das Gleis soll auch für die in der dortigen Gegendin Aussicht genommene Zentral-Markthalle als Verbindungsbahndienen. Die Kosten sind auf 88 000 Mark veranschlagt. Die De»putation stimmte der Ausführung dieses Projektes zu. Die Depu-tation beschäftigte sich auch mit der Frage der Architektur derHansabrücke und kam zu dem Beschluß, daß die Brücke in der vonden Gemeindebehörden genehmigte» Weise mit dem BrückenhäuS-chen, wie es zurzeit als Architeltur-Modell auf dem Pfeilerausbauder Brücke steht, anSzuführcr'.Gesundheitspflege in der Fürsorgeerziehung.Die»Deutsche Gesellschaft für öffentliche Ge-sundheitSpflcge" verhandelte in ihrer letzten Sitzung, diesie gemeinsam mit dem„Berliner Verein für Schul-gesundheitspflege" abhielt, über die Beziehungen der Ge-sundheitspflege zur Fürsorgeerziehung. Die Wichtigkeit der Fragenach dem Gesundheitszustand der Fürjorgezöglinge wird jetzt immermehr auch von Fürsorgeerziehern begriffe», und selbst den ver-ranntesten Schwärmern für die Gcwaltpädagogik dürfte allmäh-lich die Erkenntnis aufgedämmert sein, daß der Erfolg der Für-sorgeerziehung denn doch nicht mit bloßer Anwendung des Knüppelsoder der Arrestzelle und der Hungerkur erzwungen werden kann.Die Gesundheit vieler Fürsorgczöglinge, die Kürpergesundheit undoft auch die Gcistesgesundheit läßt so viel zu wünschen übrig, daßder Fürsorgeerziehung hieraus die Pflicht einer ganz besonderssorgsamen Behandlung erwächst.Ueber die geistig nicht normalen Fürsorgezög-linge, deren Zahl sehr erheblich ist, referierte Geh. MedizinalratProf. Dr. M 0 e l i, der Leiter der Berliner Irrenanstalt Herzberge.Er zeigte die verschiedenen Abstufungen der teils ererbten, teilsin der Kindheit durch äußere Einflüsse entstandenen Krankheits-erscheinungen, die hier vorkommen, von bloßer Verstimmung desGemütslebens oder Minderwertigkeit der.-Intelligenz bis zu fastvollendetem Irrsinn. Gegenüber den meisten dieser Zöglinge könneder Erzieher trotz aller Mühe wenig erreichen, weil ihre starkeUeberempsindlichkeit gegen erzieherische Maßregeln und der immerwieder hervorbrechende Wunsch nach einer Aenderung ihrer Lagees überaus schwer mache, eine feste Ordnung aufrecht zu erhalten.Moeli betonte, daß hier nur eine früh einsetzende Fürsorge nocheinigen Erfolg erwarten lasse. Es sei aber nötig, solche Zöglingeständig durch den Arzt beaufsichtigen und behandelnzu lassen, und zu diesem Zweck sie in besonderen Heilanstalten odermindestens in besonderen Abteilungen der Erziehungsanstaltenunterzubringen.Pastor Seiffert. der Direktor der Provinzial-ErziehungS-anstalten in Strausberg, erörterte die Frage der Körper»gesundheitspflege an Fürsorgezöglingen. Minder-wertig sei in der Regel auch die Körperbeschaffenheit der Zöglinge,weil die Mehrzahl aus armen und zerrütteten Familien komme.und den meisten seien die einfachsten Regeln der Hygiene völligunbekannt. Seiffert suchte zu zeigen, wie mau eS mache, die Zöglinge auch in dieser Hinsicht zu bessern, sie an eine gesundheit»gemäße Lebensweise zu gewöhnen, sie möglichst zu auch körperlichwiderstandsfähigen Menschen zu erziehen. Was er hierüber sagte,klang alles so schön und fast großartig, daß die von dem HerrnPastor geleiteten oder beaufsichtigten Anstalten wie ein rechtesJugendparadies erscheinen konnten. Er schilderte, wie dafür die Kinder gesorgt werde, wie ihnen ein ausreichender Schlaf.eine stärkende Körperpflege, eine kräftigende Ernährung gewährtwerde. Sehr hübsch machte sich sein Ausspruch, daß die Hausord-»ung die Zöglinge„ohne Schelten und Strafen gewöhnt",sie„sozusagen lautlos erzieht". Pastor Seiffert trug das alles indem, wie man so sagt, zu Herzen gehenden Ton vor, über den er ver-fügt. Nur einmal schlug er für einen kurzen Augenblick einenmerklich anderen Ton an. das war an der Stelle, wo er mit den