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Deutschland alles drunter und briiüer geht. Sfn den Ausschrei­tungen in Moa b i t hat zweiscllos auch die systematische Verhetzung der sozial de mokrati scheu Presse mit beigetragen<Schr richtig! rechts, Widerspruch b. d. Soz.), dah die Polizei provozier» hat, davon kann ja gar leine Rede sein, vielmehr ist ste sehr langsam und ruhig vor- gegangen, vielleicht zu langsam. Der Reick>skanzler beklagte die Langsamkeit und das Schleppende deS deutschen Verfahrens. Wenn aber die Moabiter Verhandlungen so ausgedehnt sind und den Eindruck eines stcuerlosen Schiffes erwecken, so trägt daran die Staatsanwaltschaft schuld, welche die Sachen vereinigt hat, sonst wären bereits eine Menge Verurteilungen vor den zuständigen Schöffengerichten erfolgt. sJustimmung links.) Mit de» Grund- iätzen des Reichsschntzsckretärs, dah die Matntularbeiträge nicht irhöht werden, daß Anleihen nur für Ausgaben werbenden Cha- rakters aufgenommen werden, abgesehen natürlich von der Auf- rcchterhaltung unserer Wehrkraft, sind wir einverstanden. Die Wertzuwachs st euer soll neben einer Unterstützung der Veteranen die Mehrausgaben de» neuen Ouinquennats für das erste Jahr decken, in den anderen Jahren sollen die dazu erforder- lichcn 24 Millionen durch die vermehrten Einnahmen aus den neuen Steuern gedeckt werden. In dem vorgelegten Etat steckt schon wieder ein Stück Finanzreform. Bei einer neuen Finanzreform werden Sie nicht um direkte Reichs- st e u e r n herumkommen. Redner rechtfertigt die ablehnende Hal- tung der Nationalliberalen bei der letzten Reichsfinanzreform. Die Kritik ist nicht von den Parlamentarier» nusgeaangen, sondern von dem Volke selbst.(Lebhafter Beifall bei den Nationallibe- ralcn.) Der Militärvorlagr stimmen wirzu; die Armeedarf nicht rosten noch rasten. Wir werden wohl in der Kom- Mission noch Auskunft darüber erhalten, warum sie nicht reichlicher ausgefallen ist. Bei solchen Vorlagen darf natürlich der finanzielle Gesichtspunkt nicht der ausschlaggebende sein, sondern die Haupt- fache ist, dajj unsere Armee auf jeden Fall schlagkräftig ist. In der Frage des Tempelhifer Feldes kommt es nicht allein auf die finanziellen und staatsrechtlichen Gesichtspunkte an, sondern auch aus die sozialen. Für die grohcn Städte ist es eine elementare Notwendigkeit, dah richtige Bebauungspläne nach den Grundsätzen der modernen Hygiene geschaffen werden.(Sehr richtig! links.) Die Exklusivität des Offizierkorps ist noch immer zu beklagen; hierauf sollte der Herr Kriegsminister fortgesetzt sein Augenmerk richten. Die Organisation unserer Flotte macht dank der zielbewuhten Arbeit des Herrn Staatssekretärs erfreu- liche Fortschritte. Die von Herrn Speck bemängelte Ausgabe für eine Inspektionsreise nach den polnischen Provinzen halten wir für berechtigt angesichts der grohen nationalen Bedeutung der Polenpolitik.(Bravo l bei den Nationalliberalen.) In dem neuen Herrn im Auswärtigen Amt bcgrützen wir mit Befriedigung einen genauen Kenner des Auslandes. Die Besserung unserer Beziehungen Mit Ruhland freut uns, eine Besserung, an der die Sozialdemokratie unschuldig ist.(Sehr richtig!) Die Haltung desVorwärts" dem Zaren gegen- über war geradezu unanständig und pöbelhaft. (Sehr richtig!) Herr Speck hat gestern zu einer Annäherung zwischen der nationalltberalen und Zentrum?- Partei aufgefordert. Ter Zeitpunkt ist nicht gut gewählt rn der Zeit der Anthnodernistenbewegung und der Borromäus- cnzyklika.(Sehr richtig! bei den Natioimllib.) Die Unzufriedenheit im Volke ist nicht Nur durch die Reichsfinanzreform veranlasst; unsere Bureaukratic ist unserer grossartigen Entwickelung nicht gefolgt. Der Ausfall der Wahl in Labiau -Wcylau beweist auch, dass die Bevölkerung iibcrdriiffig ist des konservativen Partei- rcgiments, da» wir haben.(Lebhaftes Sehr richtig! bei den Ratio- nalliberalen.) Nach de» Tagen von Jena wurde das Vertrauen deS Volkes zurückgewonnen durch liberale Reformen. Wenn die Wahlen wirklich die vielfach prophezeite rote Flut bringen werden, dann mühte, um der Gärung der Unzufriedenheit zu begegnen, eine Periode der inneren Ncforincn an- heben(Sehr richtig! bei den Nationalliberalen), die sich besaht mit dem Ausbau der unzulänglichen Finanzrefor m, mit der Wahlreform und der Umgestaltung unserer Vcrival- tung. Bei solcher reformierenden und volksfreundlichen Politik werden Volk und Thron treu zusammenstehen.(Lebhafter Beifall bei den Nationalliberalen.) Reichskanzlei v. Bethmann Hollwcg: Nachdem Herr Bassermann aus Fragen der auswärtigen Politik eingegangen ist, will ich meine Ausführungen über die innere Politik durch einige über die auswärtige erganzen. Bezug- (ich unseres Verhältnisses z u England habe ich folgen- des zu erklären: Es ist pudlici juris kallgemein bekannt), dass die grossbrltannische Regierung wiederholt dam Gedanken Ausdruck ge­geben hat, durch eine vertragliche Festlegung der Flotten st ärke eine Beschränkung der Rüstung zur See zu er- reichen, sie hat jedoch keinen Antrag gestellt, der zu einer positiven Annahme oder Ablehnung führen konnte. Wir begegnen uns mit England in dem Wunsche, Rivalitäten bei den Rüstungen zu vermeiden und glauben, dah dies am besten durch eine ehrliche und offene Aussprache über das, was man will, herbeigeführt wird. Bezüglich unseres Verhältnisses zu Russland kann ich sagen, dah sich beide Regierungen in keinerlei Kom- binatwnen einlasse» werden, welche eine aggressive Spitze gegen die andere hae. Am B a l ka n haben Russland und Deutschland in gleicher Weise ein Interesse an der Aufrechterhaltung des statu» guo. Bei den Besprechungen über P e r s i e n begegneten wir uns mit Russland in dem Wunsche, dass Ruhe und Ordnung dort herrschen. Rußland als Grcnznachbar hat daran noch ein ganz bc- sondereS Interesse, und deshalb haben wir gern zugegeben, rass ihm «in besonderer Einfluh in Nordpersien mit Kon- Zessionen von Eisenbahnen, Telegraphen und Strassen eingeräumt wird. Rußland hat nicht nur unserem Handel in Persten kein Hindernis in den Weg gelegt, sondern auch den Anschlutz für seine Zufuhr nach Persien , soweit sie über Bagdad geht sehr erleichtert. Der Gedaniernmstausch hat dazu geführt, daß die da und dort ent- standenen scheinbaren Mißverständnisse beseitigt sind und das alte vertrauensvolle Verhältnis zwischen Deutschland und Russland befestigt und gekräftigt ist.(Bravol rechts.) Abg. Dr. Wiemer(Vp.): Auch wir werden mitarbeiten an den praktischen Arbeiten, die uns bevorstehen. Aber diese praktische Mitarbeit kann nicht verwischen die tiefen Gegensätze, die sich in dea: Vergangenheit gezeigt haben, diese müssen bielmehr aus. getragen werden.(Bravol links.) Grosse Gegensätze haben sich auch bei der Reichsverficherungsordnung gezeigt. Die Versprechungen in bezug auf die Witwen- und Wa i s e n- versicherung sind nicht erfüllt worden; nur invalide Witwen sollen die Rente erhalten. Auffallend war, dass in der Aufzählung deö Herrn Reichskanzlers die Pensionsversiche- rung für Privatbeamte fehlte. Auch eine Erklärung über dkl Reform des Wahlrechts in Preußen habe ich in der Rede des Herrn Reichskanzlers vermißt(Sehr wahr! links), dieser Reform, die in der Thronrede als w i cht i g st e Auf. gäbe der Gegenwart bezeichnet worden ist. Dah der Reichs- kanzler an den Grundlagen der bisherigen WrrtschaftSpolitik fest- halten will, ist ja selbstverständlich. Er übersteht aber die Kehr- feite dieser Wirtschaftspolitik ganz. Hat doch selbst Herr B u e ck vom Zentralverband deutscher Industrieller erklärt, daß die nicht wegzuleugnende Verteuerung der Lebenshaltung ihren Grund habe in den zum Teil übertrieben hoben Zöllen ! a u f Na h r u n gs mi t t el. Es sei in den maßgebenden in- dustriellen KreifrN ernstlich erwogen worden, auf Herabsetzung der LebenSmittclzölle hinzuwirken.(Hört! hört! links.) Der Herr Reichskanzler sagte: Der Rausch der bevorstehenden Wahlen werde ! verfliegen, xine Götterdämmerung aber werde nicht kommen. Das will ich glauben, wir in Deutschland sind ja daran gewöhnt, mehr Dämmerung als Götter zu haben.(Heiterkeit. Sehr gut! links.) Kein Wort hat der Reichskanzler darüber gesprochen, wie er sich den konstitutionellen Ausbau unserer Ver- f a s s u n g denkt. Ich bedaure sehr, dass Herr v. Bethmann, wie sich bei der Interpellation über die Kaiserrcde gezeigt hat, in konstitutionellen Fragen zurückgewichen ist hinter die Linie, dieJ-ürst B ü l o iv hier gezogen hatte.(Sehr wahrl links.) Stolz hat der Herr Reichskanzler erklärt, dass er nicht das Werkzeug der Machtstellung irgendeiner Partei sei. Tatsache ist aber, dah die Taten während seiner Reichskanzlerschaft ausgezeichnet hineinpassen in den Kurs des schwarz-blauen Blocks. Noch bei der Wahl in L a b i a u. W e h l a u ist geradezu Unglaubliches von den Landräten geleistet worden.(Sehr wahrl lints.) Die Erklärung des Reichskanzlers, er werde Vorschläge zu Ausnahmegesetzen nicht machen, habe ich mit Genugtuung begrüßt. Ich hoffe, er wird auch Widerstand leisten, wenn solche Vorschläge von anderer Seite gemacht werden. Bedauerlich war, dass er die Reform des Strafrechts und des Strafprozesses in Zusammenhang gebracht hat mit den Mitteln zur Bekämpfung der Sozialdemokratie. Eine Beschleunigung des Prozessverfahrens wünschen auch wir, aber nicht nur damit sozialdemokra- tische Missetäter schneller gefaßt werden können. Herr v. Beth- mann sprach dann von einer tatsächlichen Kooperation der Sozial- demokratie und der Fortschrittlichen Volkspartei . Herr v. Hey de. brand bestätigt durch sein: Sehr richtig!, dass diese Tonart ganz im reaktionären Sinne liegt. Ein solches Geredet st lächerlich, die Herren wissen ganz genau, daß die Volkspariei eine Gegnerin der Sozialdemokratie ist und bleiben wird. Es bestehen zwischen uns grosse MeinungS- Verschiedenheiten, vor allem über den Klassenkamps, dem wir entgegentreten. Wir billigen auch nicht solche Ausschreitungen, wie sie in Moabit borgekommen sind, aber ich wundere mich doch, dah der leitende StaatLinann so ausführlich eingegangen ist auf diese Vorgänge trotzdem der Prozeß noch gar nicht ab- geschlossen ist.(Sehr richtigl links.) Gerade er sollte sich hüten, in ein schwebendes Verfahren derart einzugreifen.(Sehr wahrl links.) Der Reichskanzler hat der Polizei ein gutes Zeugnis ausgestellt. Wir wollen abwarten, wie der Prozess ausgeht, jedenfalls aber ist die der Polizei günstige Stinimung, die in grossen Kreisen vorhanden ist, doch ein wenig erschüttert worden durch objektive und anscheinend zuverlässige Bekundungen, die im Lause des Prozesses gemacht worden sind. Der roten Flut begegnet man nicht durch Philippiken gegen die Sozialdemokratie, sondern durch Verstopfung der Quellen für die Unzufriedenheit, vor allem durch Acnderung der Finanzpolitik. Kostbar war der Appell des Herrn Speck an die Selbstlosigkeit der Linken. Agrarier und Zentrum im Glorienschein der Selbstlosigkeit!(Heiterkeit.) Wegen der Selbstlosigkeit der Konservativen und d«S Zentrums muhte Fürst Dülow gehen, und er hat ihnen dann ins Stammbuch ge- schrieben, dass sie ein frivoles Spiel mit den Jnter- essen der Monarchie und des Landes getrieben hätten.(Sehr wahrl links.) Redner geht dann auf die einzelnen Etats ein. Die Angelegenheit mit dem Tempelhofer Feld hat wieder die Notwendigkeit eines MinisterveralltwortlichkettSgeseyeS bewiesen. Ein Minister muh zur Verantwortung gezogen werden können, wenn er ein Geschäft abschließt, ohne die erforder- liche Genehmigung des Reichstages eingeholt zu haben. In der Angelegenheit der BorromäuS-Enzhklika hat unsere Diploniatie keineswegs ein befriedigendes Resultat erreicht. Ju der Diözese Bamberg ist die Enzyklika entgegen den Ver- sprechuiigen der Kurie promulgiert worden. In diesem Zusammen- hang ist auch an den Modernisteneid zu erinnern.(Unruhe, Zurufe und Lärm im Zentrum.) Es ist angesichts mancher Vor- kmnmnisse, zum Beispiel der Beuroncr Kaiscrrede, nicht zu ver- wundern, dass dem Zentrum der Kamm schwillt. Da wird die Zurückberufung der Jesuiten als besonderer Thronstützen gefordert, während eben doch erst in Portugal der sich auf die Jesuiten stützende Thron zusammcnge- krochen i st. Der konfessionelle Frieden wird durch diese von den Konservative» unterstützte Zcntrumspolitik nicht gefördert. (Bravol links.) DaS Rattcnfängerlied der Sammelpolitik lehnen wir ab. Wir gehen unseren eigenen Weg.(Lachen rechts, Zuruf: Den Weg der Sozialdemokratie!) Ach, meine Herren, Sie wissen doch aus der Zeit der Blockpolitik ganz genau, dass wir ent- schiedene Gegner der Sozialdemokratie sind, das ist doch also eine ganz unehrliche Kampfesweise von Ihnen, wen» Sie fortgesetzt den Versuch machen, uns mit der Sozialdemokratie zu identifizieren.(Sehr richtigl bei den Freisinnigen.) Hoffentlich erhalten wir auf die Frage, wann der neue Reichstag gewählt wird, recht bald eine Antwort. Man wird uns doch wohl dabei nicht auch so überrumpeln wollen, wie man bei der Stichwahl in Labiau -Wehlau die liberalen Wähler zu überrumpeln versucht hat. Dieser Reichstag ist gewählt auf Grund des Programms des Fürsten B ü l o w; nachdem dieser gestürzt ist, hat auch dieser Reichstag seine Existenzberech- tigung verloren.(Sehr wahr! links.) Je eher Klarheit geschaffen wird, desto besser wird es sein für die Regierung, für die Volksvertretung und für die Wählerschaft.(Bravol link».) Abg. Freiheit: v. Gamp(Rpt.): Wir haben uns seinerzeit an die Seite der Konservativen und deS Zentrums bei der Reichs- finanzreform gestellt im Interesse des Vaterlandes.(Bravo ! rechts.) Wären die Nationalliberalen mit uns mitgegangen, so wären sicher auch ihre Wünsche erfüllt worden. Uebrigens stimm» ten wir ja in bezug auf die indirekten Steuern ganz mit Ihnen überein, nur dah Sie sogar 400 Milli- onen wollten, während wir dagegen Bedenken hatten.(Sehr rich- tigl rechts.) Es sind vom Reichskanzler eine Reihe neuer Ge- setzeSvorlagen angekündigt. Wir sollten aber Mass halten damit; jetzt schon sind 280 Mitglieder des Reichstages in Kommissionen beschäftigt. Der Reichskanzler hat sich viel mit der Sozialdemokratie beschäftigt, aber sie dankt eS ihm nicht, ihre Bänke sind fast leer.(Abg. E ni m e l(Soz.): Sie sind rauSgegangen, weil S i e reden!(Heiterkeit.) Die Sozialdemo- kratie geht ganz systematisch vor.(Abg. Hoch(Soz.): Sehr richtigl(Grosse Heiterkeit.) Wenn aber die sozialdemokratisch an- gelernten Achtgroschenjungens sich an dem Moabiter Vergnügen beteiligen, sucht sie sie abzuschütteln. Die Gefahr ist sehr ernst; sie haben oft ausgesprochen, was sie wollen, nicht nur Herr Ledebour , den ich ja für einen ruhigen Herrn halte.(Grosse Heiterkeit.) Der Reichskanzler lehnt Ausnahmegesetze ab; unter alle» Umständen aber wollen wir de» sozialdemo- kratischcn Terror brechen. Der Reichskanzler wünscht, dass die bestehenden Gesetze scharf ange- wendet werden; da mag er sich an den preussischen Ministerpräsi- denten wenden, damit darauf eingewirkt wird, dass die Staats- anwälte schneller einschreiten.(Abg. L e d e b o u r(Soz.): Und noch ungerechter I) Die Moabiter Vorgänge sind sehr betrübend, namentlich, weil die eigentlichen Akteure nicht auf der Anklagebank sitzen, sondern unschuldige Verführte. ES wurde auch die Begnadigung der Bonner Borussen gestreift. ES war daS ein Gnadenakt, der keiner Kritik untrrlirgt, am wenigsten der deS Reichstages. lWiderspruch links.) Und schliesslich lag nur grober Unfug vor.(Abg. Hue(Soz.): Bei Arbeitern wäre daS anders!) DaS ist eine ganz haltlose Beschuldigung. Wenn Herr Scheidemann auf das Fehlen des Herrn Reichskanzlers am gestrigen Tage hinwies, so lag dazu kein Anlaß vor. Im Senioren- konvent ist man übereingekommen, da man die Etatberatung, was ja sehr gut gegangen wäre« nicht verschieben wollte« im Wegbleiben des Kanzlers keine unfreundliche Handlung zu sehen.(Hör!! hörH rechtS.) Die ganze Intelligenz und Kultur kämpft gegen die Sozialdemokratie, nicht für sie.(Beifall rechts.) Hierauf wird die Weiterberatung vertagt. Abg. Singer(Soz.) persönliche Bemerkung: Herrn Gamps Phantasie ist mit ihm durchgegangen. Ich kann konstatieren, dass wir gegenüber der Mitteilung des Herrn Präsidenten, dah am Freitag trotz der Abwesenheit des Herrn Reichskanzlers die Etat- beratung beginnen solle, keinen Widerspruch erhoben haben und dass im übrigen eine Diskussion über diesen Vorfall gar nicht statt- gefunden hat.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Nächste Sitzung: Montag 2 Uhr. Schluß: 514 Uhr._ parlamentarisches. Aus der Budgetkommission. Die Budgetkoinmission erledigte am Sonnabend die zweite Lesung der Fernspreckigebührenordnung. Der Be- schluss der ersten Lesung, die Skala der Ferngespräche so zu gestalten, dass bei einer Entfernung von 250 Kilo- meler 75 Pf. zu zahlen sind, wurde, nachdem Siaatssekretär Kraetke ihn für unannehmbar erklärt hatte, vom schivarz- blauen Block wieder aufgehoben. Die sonstigen Gebühren- sätze bleiben nach den Beschlüssen der ersten Lesung bestehen. Der Paragraph, der den Ortsverkehr regelt, erfuhr einige un- wescnlliche redaklionelle Acnderungen. Die in der ersten Lesung be» schlossenen Gesprächsgebühren, die nach Wahl des Teil» nehmers für jedes Gespräch oder als Pauschale bezahlt werden müssen. werden nicht berändert. In beide» Fällen kommt noch hinzu die Grundgebühr für die Ueberlassung und Unterhaltung der Zlpparate sowie für den Bau und die Instandhaltung der Sprech- leilungen. Sie beträgt in Netzen von nicht über 1000 Anschlüsien 50 M., bei mehr als 1000 bis einscbliesslich 5000 Anschlüssen 65 M., 5000 bis einschliesslich 20 000 Anschlüssen 80 M., 20 000 bis ein­schliesslich 70 000 Anschlüssen 90 M., bei mehr als 70 000 Anschlüssen für jede angefangenen weiteren 50 000 Anschlüsse je 10 M. mehr jährlich für jeden Anschluh, der von der LermittelungSstelle nicht weiter als 5 Kilometer entfernt ist. Nächste Sitzung Dienstag Reichsbesteuerungsgesetz. Aus der ReichSzuwachSstener-Kommisfio«. In der Sonnabendsitzung wurde zunächst ein zum K 22 gestellter sozialdemokratischer Antrag verhandelt, der verlangt, dass die Steuerbefreiung der LandeSfür st en und- Für- st i n n e n in dem Gesetz z u st r e i ch e n sei. Zu dein Antrage führte ein sozialdemokratisches Mitglied der Kommission an. dass in der jetzigen Zeit, wo die Aermslen des Volkes so ungeheuer mit Sieuern überlastet seien, man auch die Fürsten zur Steuer heran- zrehen müsse, denn das Eigentum der Fürsten sei nicht durch eigene Arbeit und eigenes Verdienst erworben. Nach einer sehr lebhasten Debatte wurde der Antrag mit 13 gegen 11 Stimmen angenommen. Für den Antrag stimmten: Sozialdemokraten, Freisinnige, Wirtschaftliche Vereinigung, Polen , ein Zentrums- Mitglied und ein Nalionaliberaler. Mit dieser Aenderung wurde der§ 22 angenommen, ebenso fanden die ßß 23 bis 34 mit unwesentlichen Abänderungen Amiahme. Der Z 35, der die Rechtsmittel gegen den Steuerbescheid festlegt, erhielt folgende Fassung: Gegen den Steuerbescheid sind als Rechtsmittel zulässig 1. die Beschwerde, soweit sie nicht landesrechtlich ausgeschlossen wird. 2. das Verwaltungsstreitversahren oder ein durch die Landes« gesetzgebuiig geordnetes anderweitiges Verfahren vor den Ber- waltungSgerichten und wenn ein verwaltungSgerichtliches Ber - fahren nicht besteht oder landeLrechtlich auSgeichlossen wird, der Rechtsweg." Nachdem noch die ZK 36 bis SS angenommen waren, vertagte sich die Kommission bis Montag. £liis Xtiduftne und Ftandel. BerbandSschmerzen. Im Stahlwerksverbande knistert es schon lange; die Organi- sation hat ihre Schuldigkeit getan, indem sie die Grossindustrie auf Kosten der Weiterverarbeitung stärkte, ihr eine Preisdiktalur ermög- lichte, die den AuSlandSverbrauchcr von Rohmaterial und Halbzeug günstiger stellte, als den inländischen Abnehmer. Die Grohen in der Industrie streben nun über den Verbandsrahmen hinaus, sie wollen der Fesseln lcdig sein, die er ihrem OrganisationSdrange an- legt. Die Zolle auf Roheisen und Halbzeug geben der Schwereisen- tndustrie die Grundlage zu einem Preismonopol im Jnlande, das nur durch die inläudtsche Konkurrenz gemildert blieb. Deshalb strebt man dahin, die Preiszügel für den Jnlandsabnchmer schärfer an- ziehen zu können. DaS sollte gleichzeitig als Mittel dienen, den Weilerverarbeitern in ihren eigenen Erzeugnissen erfolgreich Konkurrenz zu bieten. Man betrieb die Schaffung des Stahlwerks« Verbandes. Die reinen Werke wurden für den Plan gewonnen, in« dem man ihnen Exportprämien usw. versprach und sie tüchtig mit der Redensart vomSchutze der nalioualen Arbeit" einseifte. Der Verband hat die Hoffnungen und Erwartungen der verarbeitenden Werke gründlich zuschanden gemacht, dafür die Macht der Schwer- eiseniiidustrie mächtig gestärkt, sie zur unbedingten Herrscherin ge- macht. Der Verband errichtete für die Halbzeug der« brauchenden Industrien eine Preisdiktatur, der diese wehr- kos ausgeliefert waren. Die reinen Werke muhten die vom Kohlcniyndikat und von den Halbzeuglieferanten selbstherrlich festgelegten hohen Preise zahlen und sahen sich dabei oft der überlegenen Konkurrenz ausländischer Fabrikanten ausgesetzt, die deutsches Rohmaterial und Halbzeug viel billiger bezogen, als deutsche Abnehmer in Deutschland . Sodann machten die gemischten Werte, die selbst Kohlen sördern, daher von den hohen Syndikats- preise» nicht betroffen wurden und die das Halbzeug zu Selbsttosten« preisen in Rechnung stellen konnten, den eiiiheimischen reinen Werken auf dem in- und ausländischen Markte mit fertigen Erzeugnissen eine vernichtende Konkurrenz. Eine Reihe der reinen Werte fanden Rettung durch Anschluh an gemischte Betriebe, andere suchten sich zu solchen auSzuwachse». Je mehr die gemischtcn Werke die Herstellung von Fertigerzeugnissen an sich rissen, je mehr sie sich zu Unter- nehmungen auswuchsen, die alle ProdnktionSphasen umfasstcn, um so schwächer wurde das Interesse für den Verband, hemmte er doch ihre Entwickelung, zwang er sie doch, sich mit ihrer Produktion in bestimmten Grenzen zu halten. Bisher gelang es trotzdem noch, daS VerbandSgesiige nicht sprengen zu lassen. indem man einzelne der Mächtigsten auf Kosten der übrigen Werke grössere Beteiligungsziffern zubilligte. Nun stehen wieder solche schwer wiegenden, an der Grundtage deS Verbandes rüttelnden Fragen zur Entscheidung. ES handelt sich um Beteiligungsforderungen der Firma Thyssen und der Rheinischen Stahlwerke. Vielleicht gelingt eS auch diesmal noch, die wider- strebenden Elemente zusammen zu halten, aber eS wird scharfe Jnteresieiiknmpfe absetzen. Vielleicht versucht man. die reinen Werte, wie die gesamte Verarbeitungsindustrie mit Rücksicht auf die bevor» stehenden neuen Zolltarislämpfe über die wirkliche Situation hinweg« zutäuschen, weil man diese JodustrU für ein Zollkompromiss mit den Agrariern einzufangen hofft, trotz der groben Geschütze, die der Zentralverband in der letzten Zeit gegen den Bund der Industriellen aufzufahren beliebte. Hat der Zentralverband einen neuen, für seine Mitglieder günstigen Zolltarif in der Tasche, dann wird der Vernichtungskrieg gegen die Kleinen und Kleinsten in der Industrie