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gr. 290. 27. Iahrgaag. 2. Kcillige ilks Jotninttü" Knlim �olMIntl Zomltlig. U. Dezember 1910. Die Moabiter Vorgänge vor Sericht. Drrnmdzwanzigster Tag. Nach Eröffnung der Sitzung beantragte gestern der Erste Staatsanwalt die Ladung Von zwei Polizei-- leutnants, die die Angaben des Zeugen Fro st ent- l r ä f t e n sollen. Die beiden Polizeileutnants sollen bekunden, daß die ihnen unterstellten Beamten, welche am 28. September an der Ecke der Turm- und Waldstratze Dienst hatten, nicht Von der Waffe Gebrauch machten und daß der Zeuge Frost sich also irren muffe, wenn er angab, es sei um diele Zeil ein Mann und eine alte Frau mit dem Säbel geschlagen worden. Rechtsanw. Heine be­zeichnet diesen BcweiSantrag als völlig gegenstandslos. Die An- gaben des Zeugen Frost bezogen sich nicht auf den 28., sondern der Zeuge habe nur sagen können,_ an einem der Tage hätten sich die Von ihm beobachteten Vorgänge abgespielt. Rechtsanw. Cohn fragt, ob die Zeugen zum Falle Hermann ermittelt seien. Der Erste Staatsanwalt! bemerkt, infolge der Aussage von Frau Jordan seien Ermittelungen angestellt, aber noch nicht abgeschloffen. Hierauf wird die Beweisaufnahme zum allgemeinen Teil Wieder eröffnet. Räubergeschichten. Der erste Zeuge, ein 20 Jahre alter Buchhalter BarS erzählt folgende Geschichte: In einer Menschenmenge, die sich an der Ecke der Beuffel- und Sickingenstraffe angesammelt hatte den Tag tann der Zeuge nicht mit Sicherheit angeben stand ein Mann. der.aussah wie ein Agitator". Um ihn henim standen etwa Lv Menschen. Der Mann forderte sie auf, sich zu bewaffnen und in Reib und Glied gegen die Polizei vorzugehen. Der Mann gab die Anweisung, beim Vorgehen gegen die Polizei sollte die erste Reihe der Angreifer knien, die zweite Reihe sollte stehen. Er sagte, es ist zu erwarten, daß die erste Reihe fallen wird, aber dadurch dürfe man sich nicht zurückschrecken lassen. Der Zeuge fragte denMann, ob er zum Streikkomitee gehöre. Der Mann verneinte das. Auf mich sagt der Zeuge machte der Mann den Eindruck eine? Agitators. An einein anderen Tage hat der Zeuge gesehen, dah Schutzleute mit blankem Säbel eine Menschenmenge vertrieben. Dann wurde aus den Häusern gerufen: ...Hungerleider",.Bluthunde". Die Menge bestand aus Arbeitern und Frauen, auch viele Kinder waren dabei. Einige Leute sagten: Die Kinder machen den größten Effekt bei der Sache. Daß aus der Menge geworfen wurde, hat der Zeuge nicht gesehen, aber einen Schuß will er gehört haben. Am dritten Ausruhrabend so drückt sich der Zeuge aus haben die Schutzleute in aller Ruhe die Menge zerstreut. Ein Mann, der stehen blieb und einen Schutzmann höhniich anblickte, wurde von dem Swutzmann am Genick gefaßt, wobei der Schutzmann sagte:.Mach daß Du fort- kommst." Rechtsanwalt Heine: Hat der Mann, der auf Sie den Eindruck eines Agitators machte, kommandiert, daß sich die Leute in drei Gliedern formieren sollten? Zeuge: Nein. Rechtsanwalt Heine: Hat er gesagt, wie sie die Gewehre laden sollten? Zeuge: Nein. Rechtsanwalt Heine: Hatten die Leute Gewehre? Zeuge: Nein, er sagte ja. sie sollten sich bewaffnen. RechtsanwaltHeine: Sagteer, w o sie die Waffen herholen sollten? Zeuge: Nein. Rechts- anwalt Heine: Hielten Sie den Mcnschen für einen ernsten Mann? Zeuge: Ja. Rechtsanwalt Heine: Sie hatten nicht den Eindruck daß das ein, Hanswurst Zeuge: Nein. RechtSanw. Heine: ES war aber einer. Vorsitzender Landgerichtsdirektor Lieber: Ich bitte, solche Bcnicrkungen zu unterlassen, wir wollen doch hier nicht zum Fenster hinausreden. Rechtsanw. Heine: Das ist nicht zum Fenster hinauSgesprochcn. sondern zum Gericht und zur Staats- anwaltschaft gesagt, die es für angemeffen hält, uns einen Zeugen vorzuführen, der solche Räubergeschichten erzählt. Vorsitzender: Auch das ist eine unzulässige Bemerkung. RechtSanw. Heine: Solche Bemerkungen werden gelegentlich von allen Prozeßbeteiligten. auch vom Borfitzenden gemacht. Vorsitzender: Ich bin voll- kommen objektiv, auch den Angeklagten gegenüber. Wie sieht ein Agitator aus? Rechtsanwalt Rosenfeld fragt den Zeugen, worauf er seine Annahme stütze, daß der von ihm gesehene Mann ein Agitator sei. Der Zeuge antwortet, er habe einmal in Spandau einen sozialdemokratischen Agitator reden hören. Der habe eben- solche Bewegungen und Gesten gemacht wie der Mann auf der Straße. ° Polizeiliche Schlägereien. Zeuge M a l k e hat am 27. September abends die Vorgänge an der Ecke der Beuffelstraße und Kaiserin-Augufta-Allce beobachtet. Die Menge war vertrieben, die Straße war leer. Einzelne Menschen kamen. Die Schutzleute riefen:Rennen Sie. rennen Siel" Ein Mann, der dieser Anffordcrung nachkam, wurde von einem Schutz- mann mit de« Säbel über den Kopf geschlagen. Der Mann be- schwcrte sich darüber bei einem höheren Polizeibcamten. Statt Abhilfe neue Keile. »der der kümmerte sich nicht darum. Als der Mann weiterging, wurde er von einem zweiten Schutzmann geschlagen. Der Geschlagene und auch der Zeuge wurden festgenommen und nach der Wache ge- bracht. Warum, kann sich der Zeuge nicht erklären. Er meint, die Schutzleute seien wütend gewesen und hätten ihn deshalb verhastet. Der Zeuge und auch der mit ibm Sistierte find auf der Polizctwache geschlagen worden mit dem Säbel und mit einem Schemel. Den Sckemcl faßte ein Schutzmann am Bein und schlug damit. Der Zeuge ist durch diese Prügel am Kopf Mld am Rücken verwundet lizeileutnant bemerkt, dieser Vorfall habe sich auf Charlottenburger Gebiet zugetragen. Ein phantasievoller Zeuge. iDer nächste Zeuge ist-in 7Sjähriger Rentner und früherer Gutsbesitzer Emil von Schack. Er macht all- gemeine Angaben über seine Wahrnehmungen in der Turmstraße. Er schildert das Verhalten der Polizei als einwandsftei und sagt, die Menschenmenge johlte und pfiff und reizte dadurch die Schutzleute. Durch das Pfeifen hat der Zeuge den Eindruck bekommen, daß die ganze Sache organisiert war. Der Vorsitzende fragt, ob junge Leute in der Menge gewesen seien. Der Zeuge antwortet: Ja, dieJugend, welche die Partei gedungen hat". Auf weitere Fragen des Vor- sitzenden antwortete der Zeuge: Ich habe nicht gesehen, daß Steine nach den Schutzleuten geworfen wurden. Einmal aber, als sechs bis acht berittene Schutzleute vorbeikamen, fiel ein Schuß, aber die Schutzleute taten nichts danach. Rechtsanwalt Rosenfeld richtet an den Zeugen die Frage, welche Tatsachen ihn zu der Annahme berechtigen, daß die jungen Leute, die er sah, von der Partei gedungen sind. Zeuge: Ich frage den Herrn Vorsitzenden, ob ich gezwungen bin. dem Vertreter der Genosieii zu antworten. Rechtsanwalt Heine: Dem Vertreter der Genossen, da« charakterisiert diesen Zeugen. Vorsitzender zum Zeugen: Sie müssen alle Fragen beantworten, die da« Gericht zuläßt. Die Verteidiger sind hier nicht als Vertreter der Genoffen. sondern sie wirken an der Rechtspflege mit. Rechtsanwalt Rosenfeld wiederholt seine Frage an den Zeugen. Der Zeuge g-'bt keine bestimmte Antwort, sondern sagt nur zum Verteidiger: Sie werden mir meine Anschauung nicht nehmen. Weiter gibt der Zeuge noch an, er habe gesehen, daß Leute, die von den Schutzleuten vertrieben wurden, in ein Haus gingen und daß ihnen von Parteigenossen die Tür geöffnet worden sei. Rechtsanwalt Rosenfeld fragt, woher der Zeuge wisse, daß das Parteigenossen waren. Zeuge: Na, das merkt man doch, sie sprachen ja von Parteisachcn und sie sagten, daß dies nur eine Probe sei. Harmlose Leute, auch Krüppel geschlagen. Zigarrenhändler Noa sagt: Meine Frau rief mich mit den Worten: Da wird schon wieder einer geschlagen. Ich ging an niei» Schaufenster und sah, daß ein Mann unter einen Brotwagen kroch, welcher dort hielt. Da kam ein Polizeileutnant und stocherte mit dem Säbel unter den Wagen. Gleich darauf kam ein Mann mit einem Stelzfuß in meinen Laden, seine Kleidung war zerrissen und beschmutzt. Meine Frau fragte ganz entsetzt, was ihm denn passiert sei. Da antwortete der Mann: Liebe Frau, mir kann ja nichts mehr passieren, als daß mir der andere Fuß auch noch abgeschlagen wird. Im Gespräch mit diesem Manne stellte sich heraus, daß er derselbe Mann war, den ich vorhin unter den Brotwagen habe kriechen sehen. In einem audcren Falle hat der Zeuge gesehen, daß ein junger Mann, der ganz ruhig und harnilos auf der Straße stand, von einem Kriminal- bcamteu mit einem Stock geschlagen wurde. Sowohl in diesem wie in dem ersten Falle war keine Menschenmenge in der Nähe, von der die Polizei et>vas zu befürchten gehabt hätte. Beide Fälle ereigneten sich in der Sickingenstraße. Wer zerschlug die Schaufensterscheibe? Zeuge Schneidermeister Radeloff hat mitangcsehen, wie am 26. September eine Schaufensterscheibe und zwei Schaukästen des Warenhauses von Preuß von einer Menschenmenge entzwei- geschlagen wurde. Die Menge bestand meist aus jungen Leuten, auch Mädchen waren dabei. Weiler sagt der Zeuge, er habe ein Automobil gesehen, auf dessen Chauffeursitz eine weibliche Person saß. Diese Person habe der versammelten Menge zugerufen, sie sollten sich zurückziehen, denn die Blauen kommen. Wie der Stelzfuß behandelt wurde. Maurer Krausch hat von seiner Wohnung in der Sickingen- straße aus am 26. September zwischen 7 und 8 Uhr folgendes ge- sehen: Eine Menschenmenge, die meist aus 16 bis 18 jährigen Burschen bestand, wurde von der Polizei vertrieben. Unmittelbar vor der Wohnung des Zeugen war ein einzelner Mann zu sehen. Dieser Mann wurde von zwei Schutzleuten mit den Säbeln niedergeschlagen. Als der Mann am Bode» lag, kam ein Polizeioffizier und stach mit dem Degen nach dem Manne. Dann kroch der Mann unter einen Wagen und auch hier stocherte der Polizeileutnant mit dem Degen herum nach ihm. Wenn die Pferde in diesem Augenblick angezogen hätten, dann wäre der Mann, der hilflos unter dem Wagen lag, überfahren worden(eS handelt sich um denselben Mann, von dem schon der Zeuge Noa gesprochen hatte). Polizrischutz. Der Zeuge teilt auch ein Ereignis mit, welches ihm selbst passiert ist. Eines Abends, als er nach Hause ging und an eine Schutzmannskette kam, bat er um Durchlaß. Ein Schutzmann ivies ihn zurück mit den Worten: Sie Lümmel, machen Sie, daß Sie fortkommen. Sie wollen wohl hier Klamotten suchen?! Der Zeuge ist dann auf einem anderen Wege nach Hause gegangen. Er hat bei dieser Gelegenheit denselben Polizeileutnant wieder gesehen, der mit dem Säbel nach dem Krüppel unter dem Wagen stach. Der Zeuge glaubt, es sei der P o l i z e i l e u t n a n t F o l t e. Techniker Görlich, der Sohn eines Sekretärs der Staatsanwaltschaft, hat an mehreren Tagen Beob- achtungen in Moabit gemacht. Er hat sich, wie er sagt," in das Aufruhrgebiet begeben, um aus eigener Anschauung einen Eindruck der Vorgänge zu gewinnen. Am Tage habe er nichts Besonderes bemerkt. Erst nach 6 Ubr hätten sich immer größere Menschenmengen angesammelt. Schutzleute hätten zum Weilergehen aufgefordert. Nach jeder Aufforderung sei Blut- Hunde gerufen worden. Steine seien bis in die Nähe der Schntzleme geflogen. Der Zeuge nimmt an, daß die Steine aus der Menge geworfen wurden. Hieraus sei die Menge mit blanker Waffe zurück- getrieben worden. Die Schutzleute hieben auf die Menge ein, es sei aber niemand getroffen worden. Janhagel sei auch unter der Menge gewesen, aber auch viele Arbeiter. Frauen und Kinder. Die Kinder, fagt der Zeuge, hatten lange Stöcke und übten sich auf Kra- walle ein. Als Rechtsanwalt Rosenfeld durch Fragen Näheres über diese Krawallübungen festzustellen sucht, gibt der an: Die Kinder spielten Schutzmann und Bürger. Weiter gibt der Zeuge an, an der Ecke der Turnistraße und Hutten- straße wurde die Menge mit blankem Säbel durch die Schutzleute zer» streut. Dabei kam es zu blutigen Exzessen. Aus der Menge fiel ein Schutz, in einem Hausflur lag ein Verletzter, der hatte eimge schwere Säbelhiebe über den Kops bekommen. Der Zeuge hat den Ver- wundeien ms Krankenhaus transportieren helfen, dort habe sich herausgestellt, daß der Mann schon am Tage vorher verletzt worden sei. Der Zeuge habe diesem Manne Vorhaltungen gemacht, darauf habe der Mann geantwortet, er werde trotzdem wieder auf die Straße gehen, bis er totgeschlagen werde. Der Zeuge hat noch in mehreren anderen Fällen Verwundete nach dem Krankenhause ge- bracht. Er sagt. das Publikum habe das zu verhindern gesucht und verlangt, daß die Verwundeten nicht nach dem Krankenhause und nicht nach der Unfallstation gebracht würden, weil sie dort von der Polizei festgestellt werden lönnen. Am Abend des 29. September hat der Zeuge gesehen, daß Schutz- leute mit blanker Waffe auf das Publikum schlugen. Der Zeuge meint, die Polizei sei durch die Menge gereizt worden. Der Zeuge sogt, er habe auch gesehen, daß mit Blumentöpfen und Flaschen aus Fenstern geworfen wurde, aber kein Schutzmann wurde durch diese Wurfgeschosse getroffen. Kriminal« b e a m t e hat der Zeuge nur in der Rostocker Straße gesehen, sie mischten sich unter das Publikum und nahmen Personen fest, welche Gewalttätigkeiten verübten oder johlten. Die Festnahme wurde so bewerkstelligt, daß die Beamten die betreffenden Personen ins Genick packten und nach der Wache brachten. Frau Saar ist die Gattin eines Hilfskirchen- dienerS. Sie hat von ihrer Wohnung in der Rostocker Straße au? den Vorgang beobachtet, der damit anfing, daß ein Streikbrecher von einem Kohlenwagen herab auf das Publikum schoß. NeueS kann sie hierüber nicht mitteilen. An anderen Tagen hat die Zeugin gesehen, daß Laternen von barfüßigen Kindern aus- gedreht, aber nicht beschädigt wurden. Die Zeugin hat auch ge- hört, daß eS auf der Straße knallte, sie weiß aber bestimmt, daß das Knallen vvn Feuerwcrkökörpern herrührte, die von Kindern angesteckt wurden. Am 28. September, als die Zeugin abends nach Hause kam, konnte sie eine Schutzmannskette passieren, nachdem sie um Durchlaß ersucht hatte. Wie zart die Polizei Frauen entgegenkam. Als ste die SchntzmannSkette hinter sich hatte, schrie ein höherer Polizeibeamter sie an: Warum treiben Sie sich hier auf der Straße herum? Sir freches, gemeines Frauenzimmer. Mache» Sie, daß Sie von der Straße kommen. Eine anständige Frau treibt sich jetzt nicht auf der Straße herum. Wenn Sie jetzt nicht schnell machen, daß Sir fortkomme«, dann lasse ich Sie verhauen. Vier Schutzleute mit blanken Säbeln gingen der Zeugin nach. Sie trennten sich aber bald und warfen sich auf andere Straßenpassanten. Zeuge Polizciprngeleicn. Zwei Schutzleute ergriffen einen jupgen Mann und schlugen ihn. Ein junger Mann kam ruhig daher, ein Schutzmann rief ihn an: lvohin? und fwlug auch gleich auf den Mann ein. Als der Mann schon auf der Erde lag, wurde noch weiter auf ihn eingeschlagen. Außerdem hat die Zeugin noch andere Fälle beobachtet, wo Straßen- Passanten ohne Veranlassung von Schutzleuten geschlagen wurden. Auch Knnii»albe»wtr, sagt die Zeugin, schlugen mit Stöcken auf jcdrn, der vorbeikam. Hausverwalter Rendel gibt an, er habe von seiner Wohnung Rostocker Str. 13 aus gesehen, daß am 21. September zwei Kohlenwagen vorbeifuhren und daß diese Wagen von Leuten angehalten wurden, die auS dein Pilzschen Lokale kamen. Jeder Wagen wurde von vier berittene» Schutzleuten begleitet, diele hätten aber gegen diese Leute, welche die Wagen umringte», nichts ausrichten können. Ein Polizei- leutnant habe sich bei dieser Gelegenheit sehr tadellos benommen. Der Kutscher des einen Wagens sei durch die Ladentür in das Pilziche Lokal geführt worden. Es handelt sich hier um denselben Fall, der schon bei der Erörterung des Falles Pilz besprochen worden ist. Ter Zeuge Rendel behauptet, er habe während dieses Borganges den Angeklagten Pilz im Laden ge- sehen. Pilz behauptet auch heute wieder, er sei nicht da- gewesen, er habe zu derselben Zeit geschlafen. Der Zeuge muß genau angeben, wie weil er von seiner Wohnung aus das Pilziche Lokal beobachten kann. Es stellt sich heraus, daß er von der Person, welche nach seiner Angabe Pilz sein soll, nur Stirn und Augen sehen konnte, während der ganze übrige Körper turch die Fenstervolhänge verdeckt war. Trotzdem bleibt der Zeuge mit aller Bestininilhcit dabei, daß er de» Angeklagten Pilz erkannt habe. Pilz bestreitet ebenso bestimmt, zu der fraglichen Zeit in semem Laden gewesen zu sei». Rechtsanwalt Cohn beantragt, eine Lokalbesichtig nng durch das Gericht vorzunehmen. Klempner Schiller hat von seiner Wohnung in der Beuffelstraße aus mit angesehen, wie das 'Ritbcrgersche Bierlokal an der Ecke der EraSmusstraße von einer tumiflstnerendm Menge demoliert ivurde. Die Menge zerschnitt die Rolläden, zerschlug dre Schechen , drang in das Lokal ein. Der Zeuge sah, wie die Laden- kaffe geleert wurde und ei»ige Leute sich den Inhalt derselben in die Tasche steckten. Andere kamen heraus mit Schnapsflaschen und sangen ein Prosit der Gemütlichkeit. Dieser Tumult dauerte drei- viertel Stunden und während dieser ganzen Zeit ließ fich die Polizei nicht sehen. Als dann endlich, nachdem das Lokal demoliert war, die Polizei erschien, lief die radaulustige Menge fort. Kriminalbeamte prügeln Höflichkeiten aus. Am anderen Tage hat der Zeuge folgendes gesehen: Zu einer Zeit, wo keine Menschenmenge auf der Straße war. trat ein junger Mann an einen Schutzmann heran und zog den Hut, anscheinend stellte er eine Frage an den Schutzmann. In demselben Augenblick kanien Kriminalbeamte und hieben fürchterlich auf den jungen Mau» ein. Die Frau des Zeugen, die diesen Vorgang mit ansah, sagte entsetzt: Warum wird denn bloß dieser Mensch verhauen, der hat doch gar nichts getan? Auch uniformierte Schutzleute schlugen mtt Säbeln auf den Mann ein und zwar mit solcher Heftigkeit, daß der Zeuge einen langen Feuerstrahl sah, als einmal ein Säbelhieb vorbeiging und das Straßenpflaster traf. Auch ein anderer Mann bekam Prügel von den Schutzleuten. Der Zeuge sah auf dem Kopf des Geschlagenen etwas glitzern, woraus er schließt, daß der junge Mann stark blutete. Auch dieser Mann kam ganz aller» daher, die Polizei war in keiner Weise bedroht. Außerdem hat eS der Zeuge noch oft bumsen und schreien hören, ohne daß er die Prügelszenen direkt beobachten konnte. Der Zeuge sagt: als sich diese Prügelszenen ereigneten, sei ein höherer Polizei- beamter mit grauem Vollbart zwar nicht unmittelbar dabei, aber doch wohl in der Nähe gewesen. Der Zeuge meint, dieser höhere Beamte hätte die Ausschreitungen der Schutzleute verhindern können. Auch andere unbeteiligte Zeugen des Borgangs seien derselben Meinung gewesen. Der Zeuge wird dem Polizeimajor Klein gegenüber- gestellt und sagt: Das ist nicht der höhere Beamte, den ich gesehen habe. Es wird festgestellt, daß in diesem Falle jedenfalls die Charlottenburger Polizei in Frage kommt. Noch einen anderen Fall von Mißhandlung hat der Zeuge beobachtet. Ein Elkann, der bereits von Schutzleuten geichlagen war und augenscheinlich nicht wußte, wohin er sich wenden sollte, kam an einer Schutzmamisketle vorbei. Ein Polizei- leutnant rief:Aufgepaßt". Sofort zogeu die Schutzleute blank und mehrere schlugen auf den Manu ein. RechtSanivalt Coßmann beantragt die Haftentlassung seines Mandanten Georg Meyer. Die Zentrale für Jugenderziehung habe sich bereit erklärt, diesen Angcklagten in Obhut zu nehmen. Das Gericht lehnt den Antrag ab mit dem Hinweise, daß die bis» hcrigen Gründe für die Untersuchungshaft fortbestehen. Kriminalbeamte vor. Staatsanwalt Stelzner beantragt die Ladung einiger Zeugen, welche bekunden sollen, daß auch falsche Kriminalbeamte in Moabit gewesen feien. Hierzu beantragt Rechtsanwalt Rosen feld, daß die Kriminalbeamten, welche als Zeugen geladen werden, die Stöcke mitbringen sollen, welche sie in Moabit bei sich führten. Weitere MißhandlungSfälle. Der Zeuge Görlich Witt nochmals vor und fügt seiner Aussage hinzu: Ain 28. und 29. September befahl ein Polizeioffizier in der Rostocker Straße, die Leute sollten so schnell wie möglich in ihre Häuser gehen, da wurden die Leute, welche nach Ansicht der Polizei zu langsam gingen, von Schutzleuten mit flachen Säbelhieben vorwärtsgetrieben. Ein polizcifrommcs Zeugnis. MagistratSbureanassi st ent TeSke hat von: Balkon seiner Wohnung in der Hultenstraße aus folgende Beobachtungen gemacht: Als die Schutzleute mit dem Säbel in der Hand eine Menschenmenge vor sich hertrieben, drehte sich ein junger Mann mir weißem Oberhemd um und feuerte einen Schuß in der Richtung auf die Beamten ab. Ob durch den Schutz jemand getroffen wurde, weiß der Zeuge nicht, er hat auch nicht gesehen, daß der Schütze fcstgenomnicn wurde. Im übrigen, sagt der Zeuge, sei die Polizei nie ohne Veranlassung gegen da» Publikum vorgegangen. Wer sich anständig benahm, sei auch ohne weiteres durch die Absperrungslinien hindurchgelnfse» worden. Einzelne, die nicht schnell genug gi..gen, bekamen, wie sich der Zeuge ausdrückt, einen Klaps. Grundlose Säbelhiebe. Barbier Hilm er sagt ans, er ging am Abend des 23. September mtt einem Freunde in die Bedürfnisanstalt an der Ecke der Strom- und Turnistraße. Ein Schutzmann folgte ihm und schlug die beiden jungen Leute mit dem Säbel. Der Zeuge bekam einen Hieb über den Kopf, und sank sogleich bewußtlos zusammen und wurde bald daraus von Passanten, die den Verletzten in der Bedürfnisanstalt fanden, nach dem Kranken- hause gebracht. Eine 11 Zentimeter lange Kopfwunde war die Folge des Säbelhiebes. Der Zeuge ist bis zum 16. November im Krankenhause behandelt worden. Er betont, daß er ganz ruhig seines WegcS ging, daß auch keine Meuscheumcnge in der Nähe war, die gegen die Schutzleute etwas hätte unternehmen können. Nur ein» zelne Menschen waren aus der Straße, während sich eine größere