Einzelbild herunterladen
 
VM   nscht Me boZhnste Frage stellen, wkbiel BriandS Bei unserer Sozialdemokratie wäre», wenn sie hier sauf die Ministerbänke zeigend) Platz nehmen könnten.(Sehr gut I im Zentrum.) Auch von Kirchenpolitik ist hier gesprochen; daß über- schreitet die Kompetenz des Reichstags. Wie wenig die Herren Bastermann und Wiemer, die über Modernisteneid und Enzykliken gesprochen haben, davon verstehen, beweist der Umstand. daß sie die TSno�oUca pascendi von 1907 mit der Borromäus- «nzyklika von ILIO verwechselt haben.(Heiterkeit und Sehr gut! im Zentrum.) Herr Scheidemann sprach über Portugal  und die Jesuiten  . Die Austreibung der Jesuiten   in Portugal   ist eine Verletzung der Freiheit durch die Republik  , und wer dielen barbarischen Akt noch verteidigt, legt Zeugnis ab von seinem rohen Geniüt sLcbhafter Beifall im Zentrum). Dem Satz des Lleichskanzlers:«Keine Ausnahmegesitze" stimmen wir zu; die Freisinnigen haben ihm auch zugestimmt. Dann haben sie die Pflicht, auch die A n s n a h n, e g e i e tz e gegen das Zentrum zu beseitigen. tLcbhafte Zustimmung »m Zentrum.) Die Liberalen werfen dem Zentruin vor, Wahlhilfe verlangt zu haben. Reizen Sie uns nicht auf diesem Gebiete, sonst könnten wir unsere Mappe il aufmachen und erzählen, wie n, an che Freist nnskandidaten zun, Zentrum ge- kommen sind und um Wahlhilfe gebeten haben. (Zuruf rechts und im Zentrum: Kopsch. Unruhe bei der Volks- Partei.) Herr Scheide mann sagte, die Wahltaklik de? Zentrums rst eine Kiste gebrochener Ehremvörlcr. Nun, die Sozialdemokratie bat schon den Zukunftsstaat versprochen, den wir noch erleben sollen, und was hat sie nicht schon alles in die historische Rumpelkammer geworfen, ehernes Lohngesetz, Krisen- theorie, Verelcndungstheorie und was alles. Dr. David hat in seinem verdienstvollen Werk über die Landwirtschaft gesagt, dab die KonzentrationSthcorie auf dem Gebiete der Landwirtschaft Schiffbruch erlitten hat und datz das Programm auf diesem Gebiete einer gründlichen Revision zu unterziehen sei.(Abg. Dr. David sSoz s: Was verstehen S i e von der Konzentcationstheorie!) Um die Wahlreformen hat sich überall gerade da» Zentrum verdient ge- macht; daß da« allgemeine geheime Wahlrecht in Bayern   und Baden nur dem Zentrum zu danken ist, hat auf dem Magdeburgischen Parteitage auch Bebel anerkannt; und wenn wir die preußische Wahlreform erreicht hätten, wäre das für Preußen ein großer Fort« schritt gewesen.(Zustimmung im Zentrum.) Die Sozialdemokratie treibt neuerdings eine vergiftende Agitation unter den Rekruten. In einem Flugblatt der Sozialdemokratie, das an Leute verteilt wird, die kurz darauf sich in der Kaserne zu stellen haben, heißt eS:«Der Rest der Menschenwürde und jedes proletarische Ehrgefühl wird in der Kaserne ausgetrieben. Wenn es soweit ist, daß der Proletarier auf Vater und Mutter schießt, hat das System, das in der Volksschule begonnen ist triumphiert." Diese Agitation der Sozialdemokratie unter den jungen Leuten erschwert außerordentlich die Erziehungsarbeit im Heere, dafür ist mir eine Unmenge Material zugegangen. Die bürgerlichen Parteien sollten dieser Agitation mit aller Macht entgegen- treten.(Bravo I im Zentrum und rechts.) In der Tempelhofer   Feldangelegenheit hat aller- dings das Plenum den Nachtragsetat nicht verabschiedet, der dem Kriegsminister das Recht gibt, das Tempelhofer Feld zu verkaufen. Aber die Schuld daran trägt die Budgetkommission, die einstimmig auch Herr Träger hat dafür gestimmt gewünscht hat. das Plenum möge diesen Nachtiagsetat nicht verhandeln, da darin auch ein Truppenübungsplatz bei Zossen   vor- gesehen war. und man befürchtete, daß sofort eine wüste Grundstück- spekulation in der Zossencr Gegend eintreten würde. Man verlangt immer kaufmännischen Geist in der Verwaltung und hier, wo der Herr Kriegsminister diesen kaufmännischen Geist bewiesen hat, stellt ,nan ihn als alten jüdischen Handelsmann hin. (Heiterkeit.) Uebrigens war keine Rede davon, daß Berlin   Spiel- f l ä tz e auf dem Tempelhofer Feld anlegen wollte. Wenn Berlin  olchen Wert auf Spiel- und Sportplätze legt, weshalb hat es denn den Friedenauer   Sportplatz und den Sportplatz am Kurfürstendamm   verkauft. Jetzt, wo Herr Haberland in Friedenau   aufschließt, verkauft Berlin   an Herrn Haberland.(Hört! höltl rechts. Abg. Ledebour: Entschuldigt denn das den Kriegsminister?) Der Herr Kriegsminister hat keine Schuld, er hat nur nach dem Beschluß der Bugdetkommission gehandelt.(Abg. Gothein: Die Budgetkommission hat überhaupt nichts zu ge- statten I) Daß habe ich ja auch gesagt; die Schuld trifft hier die Budgeikommission, aber nicht den Kriegsminister. Die Verdienste des früheren Kolonialsekretärs erkenne ich gern an. Aber in das Lob des Herrn Wiemer für ihn stimme ich nicht ein. Meine schweren Vorwürfe gegen seine Diamantenverträge halte ich aufrecht, sie sind schlimmer als die Tippe lSkirch- Verträge, und diese Verträge vom Mai 1910 sind nicht von der Mehrheit de« Reichstages gebilligt, wie Herr Wiemer behauptete. An unseren Grundsätzen werden wir nicht irre werden, und wir sind überzeugt, daß auch nach den n ä ch st e n Wahlen eine starke Zentrumspartei hier wieder erscheinen wird.(Lebhaftes Bravo I im Zentrum.) Nach einigen unwesentlichen Bemerkungen deS Kriegsministers v. Herringen und deS Staatssekretärs v. Lindequist vertagt sich das Haus. Es folgen persönliche Bemerkungen. Abg. Kopsch(Vp.): Es war bisher nicht üblich, öffentlich über Privatgeschäfte zu sprechen. Im übrigen hat das osfizielle Zentrum meine Wahl 1907 bekämpft, nicht unterstützt. Abg. Erzberger(Z.): Nicht ich habe Herrn Kopsch genannt. sondern ein vielstimmiger Zwischenruf(Abg. Kopsch sVp.j: Woher wiffen ihn die Herren?). Von mir nicht. Sie sind ja auch überall im Wahlkreis herumgegangen und haben erzählt, der Abgeordnete Erzberger   wünsche ihre Wahl.(Große Heiterkeit. Abg. Kopsch (Vp.): Das ist unwahr!) DieSchlesische VolkSzeiwng" hat es be- richtet. Nächste Sitzung: Dienstag 1 Uhr. Fortsetzung der Etat- b e r a t u n g. Schluß 8 Uhr._ parlamentanfched* Ans der Reichswettznwachsstenerkommisfio«. In der Sitzung am Montag wurde zunächst über den zurück« gestellten§ 21 verhandelt. Es ist darin festgelegt, ob die Steuer vom Veräußerer oder vom Erwerber bezahlt werden soll, um das Reich vor Steuerhinterziehungen und Schädigungen zu schützen. Nach langer Debatte wird folgende Fassung beschlossen: «Für den Fall, daß die Steuer vom Veräußerer nicht bei- getrieben werden kann, haftet bei Veräußerungen, die nach Inkrafttreten de« Gesetzes erfolgen, der Erwerber für die Steuer bis zun. Betrage von L Prozent des BeräutzerungSpreiieS. Die Haftung fällt fort, sobald der Veräußerer einen entsprechenden Be» trag gezahlt oder sicher gestellt hat. Die Haftung findet keine An- Wendung auf Zwangsversteigerungen." Die§§ 3848 werden mit kleinen Aenderungen angenommen. Zu 8 49 liegt ein sozialdemokratischer Antrag vor: Von den Erträgnissen der Steuer erhalten die Gemeinden 50 Proz. statt 40 Proz., tote es die Vorlage will. Der Antrag wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, freisinnigen Volispartei und eines Nationalliberalen abgelehnt. Der Z 49 wurde in der Fassung der Vorlage angenommen. Man hofft, Dienstag die dritte Lesung beenden zu können. Sie Holle   m Meltlchio. Dke Prügelpädagogik des FürsorgcstiftS Mieltschin(Kreis Witkowo, Provinz Bosen), die im Sommer 1909 durch denVor- viirtS" aufgedeckt wurde, wird nun endlich nachdem volle ändert- halb Jahre hingegangen sind»-- vor einem Gericht erörtert. Wegen der Mißhandlung dort untergebrachter Fürsorgezöglinge VerlinS ist das Gericht nicht von dein Berliner Magistrat bezw. seiner Waisenverwaltung angerufen worden, sondern von den Müttern zweier Zöglinge, die die Hölle von Mieltschin kennen zu lernen Gelegenheit gehabt hatten. Die Ermittelungen hatten sich zunächst nur gegen den Prediger Brcithaupt gerichtet, der als Vorsteher der Anstalt gewaltet hatte. Sie wurden aber dann auch auf mehrere seiner Erziehungsgehilfen ausgedehnt, die teils von dem Angeschuldigten Breithaupt mitbe- schuldigt wurden, zum Teil quch in der Zeugenvernehmung vor dem Untersuchungsrichter einander belasteten. Angeklagt wurden schließ- lich neu» Personen, die Angestellte der inzwischen gänzlich ge- schlossenen Anstalt gewesen waren: der Vorsteher Prediger Friedrich Breithaupt, sein Inspektor Kaufmann Julius Engels, seine Er- ziehungsgehilfen Schneider Karl Wrobel, Bautechniker Martin Wendland, Tischler Adolf Brosinsky, Waschmeister Emil Schüler, Beamter a. D. Max Riemschncider, Schneidergeselle Georg Lang  , Kutscher Richard Habedank. Die Anklage lautet gegen Breithaupt auf Mißhandlung von Fürsorgczöglingen mittels gefährlicher Werkzeuge(Peitschen, Stöcke usw.) und in einer das Leben gefährdenden Weise, auch auf widerrechtliche Ein- spcrrung von FiirsorgezSglingcn, gegen die übrigen Angeklagten auf gleiche Mißhandlungen, außerdem gegen Breithaupt auf An- stiftung hierzu. Die Sache ist nicht dem Landgericht Gnefen überwiesen wor- den, das für die in Mieltschin begangenen Straftaten zuständig gewesen wäre, sondern dem Landgericht Berlin   III, weil die als Zeugen zu ladenden Zöglinge wieder in die Obhut der Stadt Berlin   zurückgenommen worden waren und von hier aus leichter zu erreichen sind. Verhandelt wird vor der Strafkammer 1 unter dem Vorsitz des Landgerichtsdirektors Gockel. Die Anklage wird vertreten durch Staatsanwaltsschaftsrat Reiner und Assessor Dr. Simon. Eine der Mütter, die Strafantrag gestellt haben, ist auf ihren Antrag als Nebenklägerin zugelassen worden und wird ver- treten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt Rosenfeld. Die Verteidigung ist übernommen worden für Breithaupt durch Justizrat Leonhard Friedmann und Rechtsanwalt Jllich, für Engels durch Justizrat Wronker und Rechtsanwalt Hirschfeld. Als Zeugen find geladen außer zahlreichen Fürsorgezöglingen unter anderem der Pastor Matthies aus Neu-Zedlitz(Kreis Witkowo), der über die Anstalt Mieltschin eine Art Oberaufsicht in erzieherischer Hinsicht zu führen hatte, sowie der Magistratsrat Voigt aus Berlin  , der nach Auf- deckung der Mieltschiner Greuel durch denVorwärts" von der Waisenverwaltung nach Mieltschin geschickt wurde, um nunmehr zu revidieren. Als Sachverständige sind in Aussicht genommen unter anderem der Kreisarzt Dr. Boehnke aus Witkowo  , dem eine ärztliche Aussicht über die Anstalt Mieltschin oblag, sowie der Stadt- verordnete Dr. Bernstein aus Berlin  , der an jener durch die Waisenverwaltung angeordneten Revision teilnahm. Für den Pro- zeß wird wegen der großen Zahl der den Angeklagten zur Last ge- legten Straftaten aus eine Dauer von anderthalb Wochen gerechnet. Wegen der großen Zahl der Zeugen, von denen aber für den ersten Tag nur wenige schon geladen waren, findet die Verhandlung im Schwurgerichtssaal des Landgerichts III   statt. Unter den Angeklagten fesselt besonders der Prediger Breit- Haupt das Interesse. Wer sich erinnert, daß in der Stadtverord- netenversammlung der Stadtrat Münsterberg ihn als einedem Aeußeren nach angenehme Persönlichkeit" schilderte, wird etwas enttäuscht sein. Es gehörte nicht viel Scharfsinn dazu, diesem Manne anzusehen, wie sehr er es zu den Aufgaben eines Erziehers zählt, die ihm anvertrauten Zöglinge vor allem seinestarke Hand" fühlen zu lassen. Der Angeklagte Lang fehlt; die Fälle, an denen er beteiligt ist, sollen abgetrennt werden. Vor Eintritt in die Verhandlung wird die Ladung eines be- sonderen Sachverständigen für Pädagogik vom Nebenkläger Rechts- nnwalt Rosenfeld   beantragt. Er empfiehlt den Direktor Pastor Platz vom..Erziehungsheim am Urban"(Zehlendorf  ), der darüber vernommen werden soll, welche Grundsätze heute in der Fürsorge- erziehung herrschen und wie von ihnen aus das Verhalten der An- geklagten' zu beurteilen ist. Verteidiger Rechtsanwalt Jllich meint, Plaß habe über Fürsorgezöglinge reine Erfahrung, da solche in seiner Anstalt nicht seien. Er schlägt vor, die Anstaltsvorstehcr Pastor Brcdcreck und Pastor Seifsert aus Strausberg   zu laden oder den Pastor Esche von der Inneren Mission. Das Gericht beschließt, als Sachverständigen den als Zeugen geladenen Baron von Lcpel, der in der Bodclschwinghschen Anstalt Bethel bei Bielefeld   eine leitende Stellung hat, zu der Verhandlung hinzuziehen. Bei der Vernehmung der Angeklagten wird zunächst in einem allgemeinen Teil ihr Vorleben bis zu ihrem Eintritt in die Anstalt Mieltschin erörtert und ein allgemeines Bild von den in der Anstalt herrschenden Zuständen entworfen. Die Stadt Berlin   hatte dem Evangelischen Verein für Waisenpflege in der Ostmark die Errichtung der Anstalt, durch die er Germans- sierungspolitik treiben wollte, überhaupt erst ermöglicht, indem sie vertraglich auf 19 Jahre die Ueberweisung von 199209 Zöglingen zusicherte. Die Anstalt wurde gegründet als G. m. b. H. und er­hielt zum Geschäftsführer den Pastor Matthies aus dem benach- karten Neu-Zedlitz, der dort eine Waisenanstalt leitete. Matthies machte zum Vorsteher der im April 1999 eröffneten Anstalt Mieltschin den Prediger Breithaupt, der damals 32 Jahre alt war. Breithaupts Lebcnsgang. Breithaupt» der Sohn eines Predigers, hatte sich zunächst der militärischen Karriere widmen wollen, war aber wegen eines Herz- fehlerS dann zur landwirtschaftlichen Karriere übergegangen. Später machte er noch auf einem Gymnasium das Abiturienten- examen, studierte Theologie und betätigte sich bis auf weiteres in Bodelschwinghs Anstalt Bethel bei Bielefeld  , unter Pastor Philipps im Evangelischen Johannisstift bei Berlin   und zuletzt in Bodel- schwinghs Arbeiterkolonie Hoffnungsthal   bei Berlin  . Gelegenheit, die Behandlung von Fürsorgezöglingen kennen zu lernen, bot sich ihm dabei nicht. Von Bethel   aus ging er nur einmal auf ein paar Tage nach der Kolonie Wietingsmoor und sah dort flüchtig die Ar- beit an Fürsorgczöglingen. In Hoffnungsthal   war er bereits als Seelsorger tätig, wie er auch schon vorher seinen Vater in dessem Amt vertreten hatte. Während seines Aufenthaltes in Hoffnungs- thal bereitete er sich ans sein zweites Examen vor, wozu er zweimal in der Woche nach Berlin   fuhr, um an einem Repetitorium teil- zunehmen. Eines Abends ging er dort ein Glas Wein trinken. Als er das Restaurant verließ, bekam er so erzählte er vor Gericht plötzlich einen Hieb über den Schädel, fiel bewußtlos um, wurde nach einer Unfallstation gebracht und von da zur Polizeiwache sistiert. Als Bodelschwingh davon erfuhr, entließ er ihn aus Hoff« nungsthal. Der Vorsitzende bemerkte hierzu, die Polizei habe damals den Vorfall anders dargestellt, doch wolle er nicht weiter darauf eingehen. Im Frühjahr 1999 bestand Br. sein Examen, und Pastor Matthies machte ihn dann zum Borsteher der neuen Anstalt Mieltschin. Br. wußte, welche Aufgabe seiner harrte. Allerdings habe er, sagte er vor Gericht, darauf gerechnet, daß ihm nicht ein schwer, sondern ein leicht erztehbares Material überwiesen werden würde. Die nötige Fähigkeit zu seinem Amt habe er sich zugetraut, obgleich er bis dahin noch in keiner Fürsorgeanstalt tätig gewesen war. Matthies Haber vorher mit ihm über die ErziehungSgruud- fätze gesprochen. Dabei habe er. Breithaupt, dessen Auffassung über den Erfolg milder Behandlung nicht teilen können, vielmehr habe er den Standpunkt eingenommen, daß man, wo mit Milde nichts zu machen sei, von Strenge mehr Erfolg zu erwarten habe. Bezüglich der Strafarten sei ihm nur gesagt worden, daß die Disziplinar- Vorschriften der Berliner   Anstalt Lichtenberg   anzuwenden seien. Gekannt habe er sie allerdings nicht, vergeblich habe er Pastor Mat- thieL und auch den Inspektor Buth der Anstalt Lichtenberg   um Beschaffung eines Exemplares gebeten.Wie stellten Sie sich denn," fragte der Vorsitzende,das nun vor. wie Sie da zu verfahren hätten?"Wie ich es für recht hielt," versicherte der Angeklagte. Er behauptete, auf alle Fälle sei es seine Pflicht gewesen, auf strenge Disziplin zu schcn, um die auf Flucht sinnenden Zöglinge festzu- halten. Der Vorfitzende hielt ihm vor, daß er nicht nur wegen Flucht- verdacht strenge Strafen verhängt habe. Angekl.:Getan mußte etwas werden, Vorschriften hatte ich nicht, da tat ich, was ich nach bestem Wissen und Gewissen für recht hielt." Borleben der übrigen Angeklagten. Engels war anfänglich Kaufmann, arbeitete dann von 1900 an in Bodelschwinghs Anstalten, in Bethel   als Diakon, dann in Wie- tingsmoor als Erziehungsgehlife. Strafen durfte dort nur der Hausvater verhängen, 1015 Schläge mit dem Rohrstock auf das Gefäß, in schlimmsten Fällen 20 Schläge. Diese? Maximum sei aber später vom Landeshauptmann verboten worden. Später ging Engels nach Hoffnungsthal  . Nach Mieltschin würde er durch Breit- Haupt als Aufseher engagiert, und er zweifelte nicht, daß er diesem Posten gewachsen sei, wie er auch Breithaupts Befähigung für sein Amt nicht bezweifelte. Der Verteidiger Justizrat Wronker ließ fest- stellen, daß Engels beim Militär wie in Bethel   das Zeugnis vor- züglicher Führung erhalten hat. Wrobel ist Schneider. Er führte, so gab er selber in seiner Vernehmung an, einen unordentlichen Lebenswandel, ergab sich dem Trunk, wurde wegen Nervenzerrüttung in die Charitee aufgenom- mcn, rettete sich nach Hossnungsthal als Kolonist und wurde von dort durch Breithaupt«ach Mieltschin berufen. Er sei als Schneider und Aufseher engagiert worden, habe aber von Erziehung bis dahin nichts verstanden. Das habe auch Brcithaupt gewußt. Hier richtete der Vorsitzende an Wrobel und zugleich an die übrigen Angeklagten die Mahnung, sich nicht von einer Mißstimmung gegen Breithaupt leiten zu lassen, die bei ihnen vorzuliegen scheine. Auch Weudland, der der Sohn eines RegierungsbaumeisterS ist und das Bauhandwerk erlernt hat, gibt zu, daß er herunter- gekommen sei und in Hoffnungsthal   Zuflucht gesucht habe. Von da ging er nach Bethel   als Wärter und später rief ihn Breithaupt nach Mieltschin als Aufseher und Erzieher für Fürsorgezöglinge. Aus geordneten Verhältnissen kam Brosinsky, der Tischler war und wegen Kränklichkeit Stellung in Mieltschin annahm, um in der Anstalt als Tischlermeister ätig zu sein. Daß das eine Aufseher- stellung sein sollte, hatte er nicht gemeint. An Breithaupt war er durch Wrobel, den er kannte, empfohlen worden. Auch Schüler brachte keinerlei Vorkenntnisse für das Amt eines Erziehungsgehilfen mit. Er verließ, ebenso wie Brosinsky, die An- stalt schon nach kurzer Zeit wieder. Riemenschneider hat ziemlich am längsten in der Anstalt aus- gehalten. Er war anfänglich Handschuhmacher  , brachte eL später zum Polizcibeamten in Friedrichshagen  , wurde Versicherungsagent, nahm Aufenthalt in Bodelschwinghs Gnadcnthal als Kolonist und landete durch Breithaupts Gnade in Mieltschin. Habedank, ein gelernter Holzbildhauer, war Landarbeiter ge- worden, ging als Arbeitsloser nach Bodelschwinghs Lobcthal und wurde von Breithaupt als geeignet zum Posten eines Erziehers fün Mieltschin befunden. Der Vorsitzende verlas dann die Dienstvorschrift für den In- spektor der Anstalt Lichtenberg  , die auch für Mieltschin hatte gelten sollen. Sie setzt fest, daß nach vorheriger Anhörung des Zöglings über ihn verhängt werden können: Wersagung des Besuches Auge- höriger; Strafarbeit; Entziehung der Arbeitsbclohnung; Eni- ziehung des Urlaubs; Arrest; bei Versagen aller anderen Straf- maßregeln körperliche Züchtigungen mit einem Rohrstock bis zu ich in besonders schweren Fällen bis zu 29 Hieben. Bei Schwächlichkeit oder Kränklichkeit des Zöglings sowie bei Bestrafung mit mehr als 10 Hieben muß vorher der Arzt gehört werden. Nur mit seiner Zu- stimmung darf Arrest von mehr als 1 Tag verhängt werden, Arrest von mehr als 6 Tagen bedarf der Genehmigung des Vorsitzenden der Waisendeputation. Wie rs demgegenüber in Mieltschia gehalten wurde� ergab die weitere Bernehmung der Angeklagten. Den Angeklagten Breithaupt fragte der Vorsitzende: Was für Strafen haben Sie denn nun aus eigener Machtvollkommenheit fest- gesellt? Angeil.: In erster Linie straften wir mit Schlägen. Vors.: In erster Linie mit Schlägen!? Angekl.: In zweiter Linie mit Einsperrung, in dritter Linie mit Kostentziehung. Vors.: Wäre es nicht zweckmäßiger gewesen, erst in dritter Linie mit Schlägen zu strafen? Als Pädagoge mußten Sie doch wissen, daß man mit den weniger strengen Strafen beginnt. Angekl.: Das mag sein. Wir haben ja zuerst auch alles in Güte'versucht. Dann haben wir zunächst wenig Hiebe gegeben. Angeklagter gab weiter an, zum erstenmal sei nach 14 Tagen einer geschlagen worden, und zwar der Zögling Pekel, der Zigaretten gestohlen und Fluchtabsichtcn geäußert hatte. Er, Breithaupt, habe da geglaubt, mit Strenge vor- gehen zu sollen. Vors.: Mit Stock oder Peitsche? Angekl.: Ich glaube, mit der Pritsche. Der Vorsitzende zeigte zwei Reitpeitsche» und eine Klopfpeitsche, die als Ucberführungsstücke vor ihm lagen. Die geflochtene Klopfpeitsche habe, behauptet der Angeklagte, an» fänglich zum Kleiderreinigen gedient. Er versichert, er selber habe im Vaterhaus manchmal"mit solcher Klopfpeitsche Schläge bekom- men, es habe ihm nichts geschadet. Als die UntersuchungSkom- Mission nach Mieltschin kam, war von dieser Peitsche zunächst gar nicht die Rede, erst später kam sie zum Vorschein. Breithaupt will damals nicht an sie gedacht haben. Er hat auch zweimal mit seinen! Spazierstock geschlagen, einmal den Zögling Ehrlich, der sich bücken mußte, und einmal den Zögling Bollbrecht, bei dem er(sagt Breithaupt)hinschlug, wo es traf". Daß auch Gummiknüppel   in Gebrauch waren, gibt er zu. Sie seien für die Aufseher für den Fall einer Zöglingsreoolte angeschafft worden, auch zum Schutz gegen Angriffe der polnischen Bevölkerung, die ihn schikaniert und sogar nachts Schüsse gegen seine Wohnung gegeben habe. Auch über Schikanen durch Arbeiter, die bei den Bauarbeiten in der Anstalt beschäftigt waren, beklagt er sich. Der Vorsitzende vermutet, daß sie vielleicht nur die von ihnen beobachtete Behandlung der Zöglinge für unrecht hielten. Breithaupt glaubt, er habe bis 50 Schläge geben lassen, daß bis 190 Schläge gegeben seien, bestreitet er. 59 habe er nicht für zuviel gehalten. Daß er einmal299 Schläge" angeordnet habe, erklärt er für möglich, doch Sabe er nicht damit rechnen können, daß sie wirklich gegeben würden. 99 Schläge für Entwendung eines Hühnereis seien gegeben wor- den, aber gerade hier habe er Strenge für nötig gehalten, weil der Bestohlene der Lehrer Wendler war. der ihm nicht wohlgesinnt ge- wesen sei und sich sonst vielleicht beklagt hätte. Anfangs pflegte Breithaupt selber zu schlagen, dann mutzte Engels heran, weil es ihm, dem Prediger Breithaupt,direkt widerwärtig" gewesen sei. Bedenken über die Härte der Strafe und ihre Folgen hatte er nie, und als Engels solche äußerte, soll er ihm erwidert haben, er möge nur nicht weichherzig sein, 59199 Hiebe könne ein Junge ver- tragen. Breithaupt bestreitet das allerdings. Außer Striemen und blauen Flecken habe er keine Folgen bemerkt; wenn später an Zöglingen schlimmere Verletzungen festgestellt worden seien, so müßten sie diese anderswo, aber nicht in Mieltschin erlitten haben. Der Vorsitzende fragte, wie alt denn der Jüngste gewesen sei. Breit- Haupt behauptete: 16 Jahre. Die Arrrststrafen wurden anfangs in einem finsteren Haus- keller verbüßt, erst später in einer auf dem Boden angelegten Zelle. In verschärften Fällen mußten die Arrestanten während der Nacht ohne Decke auf dem bloßen Fußboden schlafen. Bis zu 14 Tagen mußten manche diese Pein erdulden. Der Vorsitzende hob das her- vor, aber Breithaupt versicherte immer wieder, er habe das für nötig gehalten. Staatsanwalt Reiner wies darauf hin, daß in manchen dieser alten Hauskcller eine dumpfe Luft zu finden ist. Aber Breithaupt rühmte seinen Keller als luftig. Auch die Fesselung wurde oft zur Strafe des Arrestes hinzugefügt. Der Vorsitzende zeigt eine leichtere Fußkette und später die sogenannte große Kette, mit der eine Hand und ein Fuß gefesselt unv der Zögling an die Wand gekettet wurde. Diese Fesselungen sollen dazu gedient haben, Fluchtversuche zu verhindern. Aber der Vorsibende stellt fest, daß weder aus dem Keller noch aus der auf dem Boden ein- gerichteten Zelle eine Flucht zu erwarten war. Die Beköstigung im Arrest war Wasser und Brot; nur an jedem dritten Tag sollte die gewöhnliche Kost eingehalten werden, aber auch das untcrblicl zuweilen, sodaß manche Jungen während deS ganzen Arrestes nichtc als Wasser ynd Prot bekamen..Herausgelassen wurden sie fiid&i